Der Empfehlung eines Bekannten folgend, hab‘ ich mir am Samstag den Katastrophenfilm „Der Sturm“ von Wolfgang Petersen (Das Boot) angesehen. Da es sich um ein Meisterwerk aktueller Computer-Animationskünste handeln sollte, war das Risiko gering, sich zu langweilen: Spektakuläre Bilder und Szenen auf einer großen Leinwand sind oft Unterhaltung genug, ganz jenseits aller anderen Erwartungen und Ansprüche an einen Film.
Immerhin: Zu Beginn werden eine gute halbe Stunde die Charaktere der späteren ‚Helden‘ entwickelt, ihr Alltag, ihre Wünsche, ihre Hoffnungen und bereits zerbrochenen Träume ausgebreitet. Das Leben der Hochseefischer besteht aus harter Arbeit und schlechter Bezahlung, jedoch – so jedenfalls kneten es die Bilder ins Hirn des Zuschauers – weist es eine Lebendigkeit und Unmittelbarkeit, eine Buntheit und Romantik auf, die dem gewöhnlichen Sitzleben in den Büro-Welten traurigerweise verlorengegangen ist. Allein die Kneipenszenen! Voller Bewegung, Lachen, Action, ein fröhliches Hin und Her, Umarmungen, Schulterklopfen, frotzeln, scherzen, trinken, knapp vermiedene Schlägereien, es wird heftig geflirtet und dann gleich „nach oben gegangen“, worauf die Kneipengäste anhand des wackelnden Kronleuchters beurteilen, wie erfolgreich die Liebe in die Tat umgesetzt wird. Wow, High-Life!
Ich schau‘ es mir an und empfinde eine Art Melancholie des Absurden, wie immer, wenn ein Hollywood-Movie DAS SCHWERE LEBEN EINFACHER ARBEITENDER MENSCHEN gekonnt romantisiert, als erstrebenswert hinstellt, wovor wir alle seit Generationen fliehen: harte physische Unmittelbarkeit, körperliche Anstrengung, unfreiwillige – aber im Film wunderbar dargestellte – soziale Nähe.
Der Rest der Geschichte ist in wenigen Sätzen erzählt: Der letzte Fang war recht unergiebig und so beschließt der Käptn, ein weiteres Mal auszufahren, obwohl die Saison zu Ende ist und das Wetter sich verschlechtert. Man hat ihn gehänselt, seine Fischer-Ehre angegriffen und auch gedroht, einen erfolgreicheren Mann an seine Stelle zu setzen. Er heuert ein paar Kumpel an, die auch nicht so recht begeistert sind, aber ebenfalls auf den letzten Drücker noch ein paar Dollar machen wollen. Los geht,s, die Katastrophe kann beginnen.
Ab jetzt ist nicht mehr erkenntlich, wozu am Anfang soviel Sorgfalt auf die Charaktere verwendet wurde: Pralle Action füllt die verbliebene Zeit, der „Perfect Storm“ enttäuscht nicht, die Wellen sind gigantisch, die Effekte beeindruckend, der Kampf gegen die Natur in all seiner Dramatik hebt an. Die „Schwertfischer“ erleben zweimal einen Augenblick der Besinnung, in dem sie entscheiden müssen, ob sie weiter in Richtung Katastrophe schippern oder umkehren wollen. Sie entscheiden sich nahezu demokratisch für das erstere: Zeitgemäß sind hier die Helden nicht aktiv, um viele Menschen, gar die Welt zu retten oder das Böse zu besiegen, sondern sie wollen nicht „als Lachnummer nach Hause kommen“ und natürlich reich werden.
Ein Drama, hochmodern in Szene gesetzt und doch irgendwie antiquiert: Das wagemutige „hinein in die Gefahr“ der verschworenen Männergruppe (die sich natürlich erst unter Lebensgefahr zusammenraufen muß), weckt nicht die einstige Bewunderung für die Helden. Man schüttelt eher den Kopf darüber, wie man nur so unvernünftig sein kann: Das Y-Chromosom als Risiko-Faktor! Die Anmutung wird verstärkt durch eine Frau, die – ebenfalls Kapitänin einer Schwertfischer-Crew – die ganze Zeit den Überblick behält, rechtzeitig allen Gefahren ausweicht und TROTZDEM jede Menge Fische fängt.
Arme Helden. Arme Männer.
Mir scheint, der Mythos vom männlichen Helden geht derzeit beschleunigt unter. Und zwar nicht, weil Frauen ihn demontieren wollen, wie in den großen Zeiten der Frauenbewegung. Sondern, weil die immer komplexer werdende technische Welt solche Helden nicht mehr brauchen kann, ja sogar aussondern muß, um das Risiko „menschlichen Versagens“ zu minimieren. Gefühle sind immer weniger angesagt an den Schalthebeln der Macht, das Gleichgewicht der Geräte & Programme ist dafür zu anfällig. Und – Ironie der Geschichte – ausgerechnet Frauen stossen in die Lücke: vernünftig, pragmatisch, an DER SACHE orientiert. Komisch, nicht?
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