Helfen funktioniert nicht. Sobald etwas explizit als „helfen“ begriffen wird, ist Hilfe schon nicht mehr möglich. Man hat sich schon vom Schauplatz der Realität, wie sie gerade ist, verabschiedet und sich einem Konzept zugewendet. Man ist jetzt damit beschäftigt, das Konzept auszufüllen und sich zu fragen, was alles dazugehört. Man beginnt, es innerlich zu diskutieren, es mit Werten abzuklopfen, seine äußeren Bedingungen und das gesellschafltiche Umfeld zu reflektieren. Vielleicht hängt man sich ab und zu gar innerlich einen Orden an – immerhin erträgt man ja einiges, um dem Konzept zu entsprechen! Mehrfach gebrochene Gemüter schämen sich dafür dann noch – kurzum: für die Sache, das vermeintliche „Problem des Anderen“ bleibt kaum Aufmerksamkeit und noch weniger Interesse. Löst sich so ein dingfest gemachtes Problem dann doch mal im Lauf der Zeit, wird allenfalls ein Erfolg im Bereich „Helfen“ verbucht, einer, der für viele Mißerfolge entschädigen muß. Jetzt geht es darum, keine Dankbarkeit zu erwarten und falls doch, sich dafür wieder angemessen zu schämen. Auch Stolz kann aufkommen, ein ebenso übel beleumundetes Gefühl. Doch hinter alle dem steht das Wissen, daß die Hilfe entweder keine war – oder wenn doch, nicht unser Verdienst!
Gestandene Helfer lassen es nicht so weit kommen, dieser Tatsache ins Gesicht zu sehen. Sie ertrinken lieber im Helfen, später dann oft auch im Alkohol.
Was läuft da falsch? Soweit ich es sehe, liegt es darin begründet, dass in dem Moment, indem ich explizit etwas „zur Hilfe“ tue (ich meine damit nicht so etwas handfestes wie die Pflege eines kranken Kindes), damit aufhöre, mir selbst zu helfen. Ich schalte mich (vermeintlich) aus und versuche, die Rolle des Helfenden gut zu bestehen – was immer hier „gut“ gerade bedeuten mag. Ich urteile über den anderen und seine Situation, darüber, was er wollen kann und hoffen darf, schätze seine Chancen und Möglichkeiten ab, seine Energien und Erkenntniskräfte ein, kurz: ich stehe darüber, ÜBER dem anderen.
Sensible Gemüter meiden deshalb das Helfen lieber ganz – doch ist das auch keine Lösung (und droht jederzeit zur Maske für Hartherzigkeit oder Ignoranz zu gerinnen). Das „Gefälle“ zwischen Helfer und Hilfsbedürftigem wäre ja vielleicht durch eventuelle Erfolge zu rechtfertigen. Wir regen uns auch nicht auf, daß einer größer ist, wenn wir gerade jemanden brauchen, der vom obersten Regalbrett etwas herunterholt.
Das Problem ist, daß ich beim Helfen in all seinen Varianten vom anderen verlangen muß, seine Situation zu verändern. Ich versuche, zu motivieren! Mit all meinen Ratschlägen und Veränderungsempfehlungen lege ich ihm nahe, etwas neues zu versuchen, in Gebiete aufzubrechen, die dem „Hilfsbedürftigen“ vielleicht bisher verschlossen, bedrohlich oder zumindest fremd vorkommen. Ich erwarte, daß er sich aufrafft, einen Schritt ins Unbekannte tut – in das für den Anderen Unbekannte! (Schließlich kann ich nur in Angelegenheiten ‚helfen‘, die ich zu überblicken glaube).
Doch während ich rate und helfe, Probleme analysiere oder wegdefiniere, Stimmung statt Problemtalk ausprobiere, tue ich alles mögliche, nur eines nicht: in mein eigenes Unbekanntes aufbrechen, etwas für mich Neues versuchen, bedrohliche oder unheimliche Erfahrungen riskieren, etwas Fremdes aushalten. Das Konzept „Helfen“ enthebt mich dieser Notwendigkeit, gibt mir eine feste Rolle und verläßlichen Schutz vor dem Augenblick. Es läßt mich „von mir absehen“ und bietet dafür auch noch respektabelste Rechtfertigungen.
Und dann sitze ich halt da und rede darüber, was nötig wäre.
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