Wie entsteht Krieg? Angesichts der Greuel, die mehr und mehr in diesem Kosovo-Konflikt zu Tage treten, frage ich mich immer wieder fassungslos: Wie kann es soweit kommen? Auch Klaus Brandstetter schreibt gerade in AndererSites darüber und stellt fest: wir leben noch immer alle mit der Keule in der Hand. Und: Auch Wettbewerb ist Krieg, offene Konkurrenz, heute mehr und mehr in Wildwestmanier ausgetragen – nur fliesst dabei kein Blut.
Hat es einen Sinn, sich zu fragen, ganz individuell, welche Alternativen es zum Krieg gibt? Kann denn das Individuelle da überhaupt irgend eine Wirkung haben? Ich weiß es nicht und ich weiß auch nicht, wie man – ganz individuell – in Frieden lebt.
Es gibt immerhin die Stadt, die im Gegensatz zum Land eine Anonymität garantiert, die friedliches Nebeneinander ermöglicht. Man ist nicht abhängig voneinaner, es ist ein Friede in Ignoranz. Immerhin besser als die Lage auf dem Land, wo in jedem Dorf 1000 Fettnäpfchen lauern, in die der Zugezogene treten kann, weil er um die tiefen Konflikte der Anwohner nicht weiß.
Krieg – ganz einfach betrachtet – gibt es als Kampf um Ressourcen: Wasser, Land, Besitz, und ihr Abstraktum Geld und Macht. Wenn die Verteilung der Güter zu ungleich ist, gibt es Ärger, das ist nachvollziehbar. Und wenn es zu wenig gibt, hebt ein Hauen und Stechen an: Lebenserhaltungstrieb in Aktion.
Neben diesen nachvollziehbaren Formen existiert allerdings noch etwas anderes: das Unvermögen, bzw. den Unwillen, den Anderen anders sein zu lassen. Solange man ihn ignorieren kann, und sei es als Nachbar im selben Haus, kein Problem. Muß oder will man sich aber mit ihm auseinandersetzen, dann wird die Anderheit unerträglich. Das Anderssein des Anderen stellt uns nämlich selbst in Frage.
Dabei ist es sogar unerheblich, ob wir uns als besser oder schlechter emfinden, eine Sortierung, die bereits unbewußt, praktisch automatisch abläuft. Leute, die ich schätze, können stundenlang darüber reden oder Seite um Seite vollschreiben, wie dumm, unvollkommen, unfähig, mangelhaft entwickelt, rückständig oder sonstwie verbort „die anderen“ sind. Ob es nun das allgemeine „man“, die Gesellschaft, die Zielgruppe, die Bekannten und Verwandten, die Lebenspartner oder die lese-unwilligen Surfer sind, spielt keine Rolle. Wir müssen offenbar leben, umgeben von Idioten!
Hinter dieser Haltung steht ein Leiden, eine Enttäuschung (sie sind nicht so, wie ich sie mir wünsche) und hinter dem Leiden das Verlangen nach Anerkennung (sie sollen mich sehen, mich verstehen und schätzen, wie ich bin!). Ja, im tiefsten Grunde lebt ein immer vorhandenes Verlangen nach dem Anderen, eine Bedürftigkeit, die erst endet, wenn wir aufhören, Menschen zu sein.
Diese Bedürftigkeit sollte eigentlich zu Liebe werden und nicht zu Haß und Ablehnung. Wie könnte das gehen? Ich weiß darüber nicht viel, aber ich vermute, es setzt voraus, die eigenen Gefühle ernst zu nehmen. Hinter die eigene Ablehnung zu schauen und die Angst oder die Bedürftigkeit zu sehen, sie auszuhalten. Mir tut es weh, wenn mich jemand ablehnt. Ich werde dann traurig und fühle mich als ein wertloses Nichts – WENN ich es nicht vorziehe, das garnicht erst aufkommen zu lassen, sondern statt dessen zum Angriff überzugehen, und sei es nur für mich, im eigenen Kopf und Herzen: Was für ein Idiot der doch ist! Denkt, er wär was besseres! Dabei braucht man doch bloss mal hinsehen, da und da und da…usw. und so immer gleich.
Es gab Momente in meinem Leben, da fiel diese allgemein verbreitete Grundhaltung von mir ab, diese verteidigungsbereite Hab-Acht-Stellung, dieses Eingemauertsein, in dem emotional die große Langeweile herrscht – man ist ja so gut abgesichert in seinen Gewohnheiten und Denkweisen, im eigenen stählernen Gehäuse.
In diesen Momenten gab es nicht den Schimmer eines Ressentiments, nicht das geringste Empfinden von „besser“ oder „schlechter“, ich hatte einzig und allein Kontakt zu dieser Ebene des Anderen, auf der jeder Sehnsucht hat und verletzlich ist, was immer an der Oberfläche gerade im täglichen Theater aufgeführt wird – ach, ich versuche lieber nicht weiter, es zu beschreiben, es ist unbeschreiblich. Daß es überhaupt möglich ist, läßt jedenfalls hoffen, daß Friede möglich ist und nicht nur ein Gedanke. Aber ein paar 1000 Jahre wird es wohl noch dauern…
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