Dies ist ein interaktives Tagebuch, wenn es auch nicht so aussieht, zum großen Teil inspiriert durch E-Mails, die täglich in meine Box rinnen. Die Sound-Website (derzeit inaktiv, wegen laufender Gema-Anfrage!), die ich vorgestern fertig hatte, war die erste Seite, auf der ich mich mal deutlich einer Altersgruppe – den Over40s – zugeordnet hatte: Nur so ist die Musikauswahl einschließlich der Kommentare verständlich.
Daraufhin bekam ich Mails von Menschen, die nicht geglaubt hatten, daß ich über 40 bin – und nebenbei kam heraus, daß sie sich das auch alles andere als angenehm vorstellen. Ja, da ist sogar eine richtige ANGST vor dem älter werden, wobei ALT heute schon mit über 30 anfängt. (Lest die Briefe: von Regula, die klar macht, daß „die Leute am Drücker“ aus dem Club der Over40s schon weit herausgewachsen sind. Von Dieter, der von einem 30-jährigen Klassentreffen erzählt, das einigermaßen erschreckend war – und von Ulrike, die ganz besonders auf die „äußeren“ und „inneren“ Werte eingeht.)
Frauen hatten ja schon immer diesen Stress mit der jugendlichen faltenlosen Schönheit (ironischerweise leiden sie am meisten in Zeiten, in denen sie dem Ideal noch weitgehend entsprechen!). Doch was heute an Jugendkult durch die Medien flimmert, geht auf keine Kuhhaut. Im TV gewinnt man den Eindruck, es lebten fast nur junge Leute auf diesem Planeten – zumindest bekommen nur sie einen Job, so scheint es, weil sie noch ‚vorzeigbar‘ sind. Ältere werden nach und nach entsorgt. (Zum Beispiel diverse Kommmissar-Darsteller, die zwar noch die Ausstrahlung „Ich weiß, was ich tue“ mitbrachten, aber auch ein faltiges Gesicht. Beides ist heute nicht mehr so gefragt.)
Dabei ist das alles nur Schein, nur Oberfläche. Die Macht, das Geld und das Sagen haben in der Regel Over40s. Sie sind die große Mehrheit, sitzen auf allen wirklich interessanten Posten, verfügen über Vermögen, wie noch keine Generation vorher, sie sagen, wo es lang geht – im Guten wie im Schlechten.
Neulich las ich über ein Produktionsteam bei RTL – wie es da so zugeht, alles ganz junge engagierte Medienleute, TOTALES ENGAGEMENT ist Voraussetzung, dabei sein zu dürfen (!). Ständige Verfügbarkeit, volle Flexibilität (heißt: auch nachts, am Wochenende, mitten im Urlaub arbeiten), natürlich Mobilität und die Bereitschaft, sich fraglos unterzuordnen – das alles bringen sie mit, sind dabei total begeistert, arbeiten bis zum Umfallen und sind stolz darauf, so einen Job zu haben (ja, BEIM FERNSEHEN!!!).
Mit solchem Engagement, das selbst die Jungen oft auf dem Zahnfleisch gehen läßt, entstehen dann diese platten Infotainment-Sendungen, die peinlichen Talkshows, das rücksichtslose Real-Life-TV, das die Mutter an der Leiche ihres Sohnes fragt, was sie gerade fühlt. Ich denk mir manchmal: all diese Power, schade, daß da nix besseres rauskommt! Aber kann ja garnicht, denn es regiert der Markt, die Quote, das Geld – und irgendwo im Hintergrund sitzt ein Over40 am Drücker, der mit dem Daumen rauf oder runter zeigt. Für ihn ist das ganze Engagement, die Flexibilität und Mobilität, die echte Begeisterung, das Herzblut der Mitarbeiter nur ein kostensenkender Faktor, eine selbstverständliche Ressource.
Jung-Sein ist in vieler Hinsicht ein Nachteil. Zwar wird man nachgefragt, wenn man sich genug krumm legt – aber eben nur als Content (schönes Gesicht, straffer Körper) oder als pflegeleichte Arbeitskraft. Wer daran festhält, auf diese Weise jung bleiben zu wollen, wird dann einfach ausgemustert, wenn spätestens Mitte 30 die Kraft nachläßt (die Wachstumshormone reduzieren sich mit ca. 33 von 100 auf 10%!). Das werden dann die miesepetrigen Älteren, die nur jammern und klagen, weil sie kein Bein mehr auf irgendeinen Boden bekommen.
Der Kult ums EGO, der heute Trend ist, könnte in gewisser Weise den Jungen eine Hilfe sein: Nur das tun, was ICH möchte, was MIR nützt. Aber das Problem dabei ist, dass es noch gar kein wirklich individualisiertes Ich gibt, an dem man sich ausrichten könnte. Ob ich Mitte 20 nun für oder gegen etwas war, ob ich nach etwas jagte oder vor etwas flüchtete: Das war nicht wirklich ICH (noch nicht…), sondern ich reagierte nur auf das Vorhandene, beugte mich dem Trend, um dabei sein zu können. Ob das in Gestalt von Ablehnung oder totaler Akzeptanz geschieht, ist ganz egal. Schon die Tatsache, in sich sofort „Ja“ oder „Nein“ zu spüren, heißt in jungen Jahren: da ist noch nicht viel passiert, noch bist du nur Resonanzboden, das Trampolin, auf dem die Gesellschaft ihre vielfältigen Sprünge macht.
Ein andermal mehr dazu. Das Thema reizt mich. Beiträge willkommen!
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