Jedes mal, wenn ich lese, dass bestimmte Leute am liebsten gar keine Migranten im Land hätten, ja sogar von großflächiger „Remigration“ träumen, frage ich mich, wie dumm man eigentlich sein kann? Diese Stänkerer haben anscheinend keine Ahnung, dass unsere Wirtschaft ohne Migranten nicht mehr funktionieren würde und unser „Wohlstand“ schnell den Bach runter ginge, würden sie uns verlassen.
Der Späti links neben dem Mietshaus, in dem ich lebe, gehört einem Bulgaren. Ein paar Schritte nach rechts führt eine vietnamesiches Familie gleich zwei Läden: einen Backshop und einen weiteren Späti für die „Nahversorgung“ mit allem, was man mal eben so braucht. Migranten haben die früher „Tante Emma“ genannten Läden übernommen oder neu gegründet – ohne sie hätten wir nur die Supermärkte, Discounter und abseits der Öffnungszeiten die teuren Tankstellen. In meiner Straße gibt es auch Restaurants: italienisch, griechisch, vietnamesisch – und überall arbeiten Menschen mit Migrationshintergrund. Auch auf den Baustellen, an denen ich vorbei laufen, sehe ich – rein phänotypisch betrachtet – kaum „Urdeutsche“ am werkeln.
Das sind nur meine persönlichen Eindrück, aber wie sieht es statistisch aus? Hier mal die Branchen mit dem höchste Anteil ausländischer sozialversicherungspflichtig Beschäftigter im Jahr 2022:
Branche: | Anteil: |
---|---|
Reinigungskräfte | 37,4% |
Lebensmittelherstellung | 34,3% |
Hoch- und Tiefbau | 31,2% |
Tourismus, Hotel- und Gaststätten | 28,0% |
Verkehr, Logistik (außer Fahrer/innen) | 25,4% |
Landwirtschaft, Tierhaltung, Forstwirtschaft | 24,5% |
Lkw-Fahrer*innen (und andere Fahrzeuge) | 23,4% |
Ausbau und Innenausbau | 22,8% |
Berufe in der Altenpflege | 16,3% |
Die Zahlen stammen von der Bundesagentur für Arbeit, Selbständige und Entsendete sind nicht dabei (Quelle).
Und: Das sind jetzt nur ausländische Beschäftigte, also ohne die unzähligen Menschen mit Migrationshintergrund, die bereits Deutsche sind. Zum Vergleich die Zahlen des Mediendienstes Integration: „Rund 12,2 Millionen von ihnen haben einen deutschen Pass. Etwa 11,6 Millionen sind Ausländerinnen und Ausländer.“
Hier dazu die neueste Tabelle vom Statistischen Bundesamt:
Verteilung Erwerbstätiger mit und ohne Einwanderungsgeschichte (Migrationshintergrund), jeweils Anteil in % der Gesamtbevölkerung
mit | ohne | |
---|---|---|
Führungskräfte | 3,0 | 4,5 |
Akademische Berufe | 17,4 | 24 |
Technische u. gleichrangige Berufe | 15,1 | 21,7 |
Bürokräfte und ähnl. Berufe | 9,9 | 14,5 |
Dienstleistungsberufe inkl. Verkauf | 15,4 | 12,8 |
Land- u. Forstwirtschaft, Fischerei | 0,6 | 1,5 |
Handwerk u. verwandte Berufe | 13 | 10,8 |
Montage, Bedienung v. Anlagen/Maschinen | 9,9 | 4,9 |
Hilfsarbeitskräfte | 15,6 | 4,7 |
Gesundheit? Ohne Migranten stünde es schlecht um unsere Versorgung!
Im Jahr 2022 gab es nach den Daten der Bundesagentur für Arbeit rund 1,68 Millionen sozialversicherungspflichtig Beschäftigte in den Pflegeberufen, darunter insgesamt 244.000 ausländische Pflegekräfte. Ihr Anteil hat sich zuletzt von acht Prozent 2017 auf 14 Prozent 2022 nahezu verdoppelt (Quelle) – es sind aber noch lange nicht genug, um den Mangel zu beheben! Beachte: Das sind nur „ausländische“ Beschäftigte, also noch ohne die vielen Deutschen mit Migrationshintergrund! Zählt man diese dazu, bedeutet das: „Jede dritte Pflegekraft und jeder fünfte Arzt stammt aus dem Ausland.“ (Mai, 2022, SZ: In Krankenhaus und Pflegeheim geht nichts mehr ohne Migranten).
Wir alle kennen Ärztemangel, der ohne Migranten noch viel dramatischer wäre, wie das Faktenblatt zum Gutachten des Sachverständigenrats für Integration und Migration 2022 (.pdf) zeigt::
„Von den insgesamt rund 410.000 berufstätigen Ärztinnen und Ärzten haben rund 130.000 einen Migrationshintergrund, das ist über ein Viertel der gesamten Ärzteschaft (27,3%). 56.000 haben keine deutsche Staatsbürgerschaft. Die wichtigsten Herkunftsländer sind Syrien (4.970), Rumänien (4.514), Griechenland (2.723), die Russische Föderation (2.548) und Österreich (2.415).“
Und die Selbständigen?
Die sogenannte Gründungsquote bei Migranten (19,9 Prozent) ist mehr als doppelt so hoch wie bei Menschen ohne Einwanderungsgeschichte (8,3 Prozent). Und das trotz der vielen Bürokratischen Hürden, die ihnen im Weg stehen. (Quelle)
„Im Jahr 2021 gab es 703.000 Selbstständige mit Migrationshintergrund in Deutschland – etwa 7 Prozent mehr als 2011 (660.000, Erläuterung). Innerhalb dieser zehn Jahre wuchs ihr Anteil von rund 15 auf 20 Prozent aller Selbstständigen. Die knappe Mehrheit von ihnen sind Alleinunternehmer*innen. Etwa 47 Prozent (332.000) sind selbst Arbeitgeber*innen mit weiteren Beschäftigten – und sorgten für zahlreiche Jobs: Verschiedenen Schätzungen zufolge stellen sie über zwei Millionen Arbeitsplätze.“ (Quelle).
Fazit: Es sind viele, aber nicht genug!
Zwar stellen Migranten bereits in vielen Branchen einen erheblichen Anteil der Arbeitskräfte, aber nicht nur in der Pflege werden händeringend weitere Fachkräfte gesucht. Die Alterspyramide steht schon lange auf dem Kopf. Bedeutet konkret:
„Es gibt heute 1,8 Millionen offene Stellen, bis 2035 werden infolge der demografischen Entwicklung Deutschlands fünf Millionen Beschäftigte mehr in Rente gehen, als junge Beschäftigte nachkommen. Deutschland benötigt selbst bei einer konservativen Rechnung mindestens 500.000 zusätzliche Arbeitskräfte aus dem Ausland und eine Zuwanderung von knapp einer Million Menschen pro Jahr, um die Lücke, die die Babyboomer auf dem Arbeitsmarkt hinterlassen werden, zu füllen. Selbst wenn die Schutzsuchenden, die bereits heute in Deutschland leben und noch nicht in Arbeit sind, alle in Arbeit kämen, würden sie nur einen kleinen Teil der heute bestehenden Arbeitskräftelücke schließen“. (Quelle)
Eine Ausländer- und Immigranten-feindliche Politik, wie sie „völkisch“ verblendete Bürger fordern, wäre ein Fiasko für unser Land! Schon jetzt meiden höher qualifizierte Zuwanderer die neuen Bundesländer oder ziehen nach einiger Zeit wieder in den Westen. Ein echter Standortnachteil, insbesondere für die Ansiedlung neuer Unternehmen aus dem Ausland.
Zur aktuellen Politik, die die sogenannten „Pullfaktoren“ für Zuwanderer aushöhlen will, empfehle ich den Artikel von Marcel Fratzscher (DIW) „Deutschland muss für Zuwanderer attraktiver werden„:
„Deutschland hat zu wenig Zuwanderung und es kommen auch nicht die „falschen“ Menschen. Eine Schwächung der Pull-Faktoren hätte katastrophale wirtschaftliche Konsequenzen für Deutschland.„
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22 Kommentare zu „Ohne Migranten wären wir aufgeschmissen!“.