Claudia am 20. November 1999 —

„Suchen Sie doch weiter!“

Wer wie ich seit 95/96 ein Netzleben führt, in den Drähten liest, schreibt und arbeitet, lernt und lehrt, sich amüsiert und unverdrossen, ohne Angst vor Viren und anderen Dämonen jedes neue, menschheitsbeglückende Angebot auszuprobieren bereit ist, gehört sicher zur „Kernzielgruppe“ für den E-commerce. Zusätzlich motiviert durch die Aussicht, daß am Shopping-Wesen die Wirtschaft genesen wird (irgendwann sogar die deutsche!), surfe ich gelegentlich durch die Web-Läden – mal, weil ich wirklich etwas suche, mal, weil ich wissen möchte, was es mittlerweile alles gibt.
Als ich im Sommer z.B. nach Schottischen Hochlandrindern suchte, war ich erstaunt ob des großen Angebots! Zwar waren die Websites der Züchter dilettantisch gemacht, doch bekam ich immerhin Antwort und ausführliche Informationen zu Haltung und Pflege – zwar erst nach 1 – 2 Wochen, aber das sieht man Bauern ja nach, von denen niemand erwartet, daß sie regelmäßig ihre Mail abrufen.

Die Suche nach „Schneckenzaun“ und „Gewächshaus“ war schon weniger erfolgreich: offenbar glauben die einschlägigen Anbieter nicht, daß es im Netz für sie eine Nachfrage gibt. Dabei liegt der Gedanke nahe, daß gerade „ländlicher Bedarf“ übers Web besser zu bedienen ist: Soll der Landbewohner etwa hunderte Kilometer herumfahren, um endlich in irgendeinem zufällig angetroffenen Gartencenter fündig zu werden?

Wer nun glaubt, einer weniger exotischen Nachfrage stände immerhin ein professionelles und umfangreiches Angebot gegenüber, täuscht sich gewaltig. Software, Bücher und CDs heisst es doch, seien kein Problem! Bücher – ok, dafür hat Amazon gesorgt. Aber schon mein erster Versuch, bei cybercd.de (Riesenkatalog, umfangreiche Website!) eine CD zu bestellen, ging augenscheinlich in den Orkus: bestellt am 22.10., nachgehakt am 23.10., weil keine Bestätigungsmail kam, dann am 29.10. – wie auf der Website angeboten – den BESTELLSTATUS abgefragt: keine Antwort, keine Lieferung, nichts.

Kein Einzelfall: Von fünf Versuchen versacken drei auf diese Weise! Muß wirklich verdammt schwer sein, so etwas Einfaches wie Angebot, Bestellung und Lieferung einer Ware übers Netz abzuwickeln!

Noch weit mehr Begeisterung kommt allerdings auf angesichts so mancher Reaktion, die ich bekomme, wenn ich mir die Mühe mache, mitzuteilen, was ich gesucht und nicht gefunden, oder welche Mängel am Bestellsystem ich festgestellt habe. So suchte ich gestern mal im Bereich „Feinkost“: mal gucken, ob ganz berühmte Gourmet-Produkte mittlerweile übers Netz bestellbar sind, zum Beispiel Trüffeln. (Hab‘ ich noch nie gegessen und war inspiriert durch den Roman ‚Hannibal‘ {…the Cannibal: Das Schweigen der Lämmer, 3.Buch}, in dem ein Serienmörder, der seine Opfer gern in Teilen verspeist, ansonsten als Kulturmensch erster Güte gezeigt wird, allen Sinnenfreuden zugetan, insbesondere gutem Essen und Trinken.)

Beim E-Shop mit dem vielversprechenden Namen genusstempel.de („Unsere Philosophie lautet: Klasse statt Masse!“) gab ich ins Suchfeld also „Trüffel“ ein – und erhielt als Angebot ein Olivenöl und zwei Sorten Wein. Das fand ich nun etwas ärmlich und wollte das auch mitteilen. Die Anbieter wollen sicher gerne wissen, was nachgefragt wird, dachte ich mir so. Also frisch weiter zum Formular „Kontakt“, wo es einladend heißt:

„Sie haben hier die Möglichkeit, mit uns in Kontakt zu treten und uns Ihre Wünsche oder Anregungen zukommen zu lassen oder sich gezielt über Themen rund um den Genußtempel oder das Internet und E-Commerce zu informieren. Sie finden hier auch eine 2-seitige Unternehmensdarstellung der german networker Multimedia AG, die Sie in komprimierter Form (.exe-Datei, selbstentpackend) als Winword 6.0 – Datei herunterladen können.“

Soviel will ich nun doch nicht wissen… von MIR aber wird ein ausschweifender Datenstriptease verlangt: Telefon, Postadresse (!), Fax, Position., Firma….. Im Feinkostgeschäft werde ich sowas im Allgemeinen nicht gefragt, also fülle ich nur Name und Mail korrekt aus und schreibe in die restlichen Felder

„Das_geht_Sie_nichts_an“.
Im Feld „Sonstiges“ teile ich mit, daß die Suchmaschine für meine Anfrage irrelevante Ergebnisse ausgespuckt hat. Nach dem Abschicken kommt ein freundliches ‚Danke‘ vom Automat und siehe da, HEUTE SCHON eine Antwort von einem Menschen! Da schreibt mir also Christel Brueggemann:

Sehr geehrte Frau Klinger,
hier empfehlen wir Ihnen, einfach weiterzusuchen.

Mit freundlichen Grüßen

Na, wenn das kein Service ist! Schön, wenn die Mail-Regel beherzigt wird, die da lautet: Binnen 24 Stunden reagieren, oder Sie können den Kunden vergessen. Eine „Multimedia AG“ weiß eben, wie es gemacht wird! Weiter so!

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