Gerade hab‘ ich das erste Buch von Michel Houellebecq „Ausweitung der Kampfzone“ fertig gelesen, kein Problem, es hat ja nur 150 Seiten. Weil mich die „Elementarteilchen“ (Buch 2) so beeindruckt hatten, wollte ich auch die „Kampfzone“ nicht auslassen. Und: Es ist furchtbar! Reines geistiges Gift, verbreitet von einem Depressiven zum Zweck des Überlebens, Selbsttherapie, die im gelangweilten Literaturbetrieb natürlich spitzenmäßig ankommt: Ein Shooting-Star, wie es heißt.
Der 30-Jährige Protagonist des Romans schlurft durchs Leben, ohne eine irgendwie geartete Beziehung dazu zu finden. Nicht zur Arbeit, nicht zu irgendwelchen Freuden des Alltags, natürlich hat er keine Familie und zu Frauen nur sehr selten unbefriedigende Verhältnisse. Aus all diesen „Nicht“ generiert er ständig abgründig-philosophische „Wahrheiten“ von großer Abstraktheit, im Konkreten kommt er ja nicht zurecht und flieht also in wilde Worte, die alles und jedes demontieren. Nichts bleibt, außer dem Selbstmord und selbst den schafft er nicht.
Das Buch kommt an: Wer kennt nicht solche Stimmungen? Wer fühlt nicht am Rande des Bewußtseins den stets lauernden Abgrund? Schließlich sind wir alle sterblich und können letztlich nicht darüber hinwegsehen. In jedem Augenblick fragt uns das Leben: Woher? Wohin? Wozu? Insbesondere dann, wenn es immer weniger Zwänge gibt, die uns vorgeben, was zu tun ist. (In der dritten Welt ist kaum jemand depressiv!)
Michel Houellebecq zelebriert aufs Neue die MidLife-Crisis und stilisiert sie zur Condition Humain. Ich sage das, weil ich mich sehr gut daran erinnern kann, bis ca. 36 auch diese trotzige Art gepflegt zu haben, eher agressiv als depressiv, doch das ist nur eine Frage des Temperaments, der „Säfte“. Die Trotzhaltung ist es, die mich die Depression nicht als letzte Wahrheit anerkennen läßt. Die Weigerung, auch den eigenen geistig-psychischen Zustand zu verantworten und dafür zu sorgen, nicht völlig von der Rolle zu geraten. Nicht, um der Welt einen Dienst zu leisten oder gar eine Pflicht zu bewältigen, sondern für sich selbst: aus Liebe zu diesem Wesen, das nun einmal da ist, zum Dasein als Interface zwischen dem Erkennbaren und dem Unerkennbaren. Abgesänge wie „Kampfzone“ mögen noch so sehr einen „Zeitgeist“ auf den Punkt bringen: Ich tue mir gut, indem ich feststelle: das ist nicht MEIN Geist.
Natürlich ist diese Rede eine Verteidigung, genau wie der Körper per Immunsystem Angriffe abwehrt, so muß ich geistige Angriffe abwehren. Manchmal bin ich zu schwach dazu – DANN sollte man solche Bücher nicht lesen.
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