Nicht immer schaffe ich es, Leserbriefe gleich auf die Briefe-Seite zu stellen – zum Beispiel den von Michael zum Thema „Warum schreiben?“, das – wen wundert’s! – doch einige bewegt hat. Herzlichen Dank!
Ein anderer Diary-Gast, der nicht veröffentlicht werden will, stellte die Frage nach dem Verhältnis der „Net-Identity“ zur Real-Person, inspiriert durch Einträge, in denen ich Unzufriedenheit merken lasse, ohne dabei sehr konkret zu werden. Ja, das ist eines meiner Lieblingsthemen und ich freue mich, wenn jemand die Eigenart so einer medialen Seinsweise bemerkt.
In meinem ersten Netz-Jahr (1996) hab‘ ich da wilde Experimente veranstaltet, indem ich ansatzweise „virtuelle Zweitexistenzen“ ins „Leben“ rief. Zum Beispiel verfaßte ich eines Abends die Homepage eines absulut destruktiven Charakters (männlich, ätzend-übel gelaunt, zynisch, abgründig…), so als Gegengewicht zu meiner eher „positiven“ Weblandschaft. Ich dachte, da laß ich die andere Seite ‚raus, merkte aber schnell, daß es mich einfach nicht für mehr als 2 Seiten inspirierte. Das Licht des Webs hat die Site nie erblickt, dieser Aspekt war einfach nicht selbständig lebensfähig.
Ein andermal hatte ich einen längeren Maildialog, geriet mit dem anderen in Streit und es war zeitweise Funkstille. Da loggte ich unter einem neuen AOL-Account ein, schuf drei verschiedene „Kunstfiguren“ und mailte unter diesen Identitys ganz locker und entspannt mit meinem Gegenüber weiter. Allerdings auch nur zwei/drei recht oberflächliche Mails lang, dann war das Experiment als „hohl“ erkannt.
Nicht alles, was das Netz möglich macht, fühlt sich sinnvoll an, wenn man es ausprobiert. Ich stellte schnell fest, daß es nichts bringt, per Medium „viele“ zu sein und trete überall unter eigenem Namen auf. Dass ich – nach so und so vielen Projekt-Namen – eines Tages www.claudia-klinger.de anmeldete, geschah aus dem Gefühl heraus, daß dieser Name, den ich mir nicht selber gab, immerhin eine Konstante ist, etwas, das ich nicht beliebig ändern kann. Also bestens geeignet, die unzähligen Teilaspekte und unvereinbaren Widersprüche eines Individuums über die Zeit zusammenzubinden (zu linken!), wenn es schon sonst nichts gibt, was wirklich immer gleich bleibt (außer dem „Beobachter“, der aber keinen Namen braucht).
Dass ich mich weder im Netz, noch in einem anderen Medium wirklich „vollständig“ abbilden kann, ist lange klar. Ich will es auch gar nicht mehr, denn Authentizität bedeutet auch, zu der gerade getroffenen Wahl zu stehen: Alles in allem BIN ICH EHER POSITIV gestimmt, also wühle ich lieber nicht öffentlich in irgendeiner Scheiße, wenn es mir auch manchmal danach ist. Eher treibt mich das Verlangen, in jeder Hinsicht so „gut“ zu werden, wie eine rundum gelungene Website, als zu jedem Defizit eine eigene Homepage zu verfassen, mit oder ohne „Zweit-Identity“.
Meine Webseiten sind also allesamt „Schokoladenseiten“ (irgendwo muß man die ja haben). Die GANZE, die schreckliche Wahrheit ist: ich bin ein Hund…. :-)
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