Das Huhn ist gerettet – nach der Rettung aus dem Ei hat es nun auch die Geburt in die Hühnergemeinschaft gepackt! Wir haben es gestern zu den anderen gesetzt und es hat sich sofort mit der Horde vertragen, ist sogar unter die Glucke geschlüpft. Ich war glücklich, denn die ganze Zeit hatte ich darüber gegrübelt, wie es zu verhindern wäre, das Huhn in der Wohnung aufziehen zu müssen. Ein unmöglicher Gedanke, ein auf den Menschen geprägtes Huhn heranzuziehen, das dann, schlußendlich doch in den Stall gebracht, sein Leben als verhaltensgestörter Outlaw hätte verbringen müssen!
Nun pickte es also mit den anderen um die Wette. Schon bald fiel es mir schwer, MEIN Huhn überhaupt noch zu erkennen…. und plötzlich wurde ich tief traurig. Himmel nochmal, ohne es zu bemerken, hatte ich mich in das Huhn verliebt. Wie wunderbar das doch war, dieses schutzbedürftige flaumige Wesen in der Hand zu halten, sein sanftes Zwitschern hinter mir in der Schachtel zu hören, zu sehen, wie es sehr viel begeisterter pickte, wenn ich ihm das mit dem Finger ein bißchen vormachte…. offenbar ein heftiger Anfall mütterlicher Instinkte.
Noch jetzt bin ich traurig – genetisch programmierte Liebe! Und ich denke an all die anderen Gefühlshöhen & Tiefen im Leben: ist es nicht da überall genauso? Alles zu bestimmten Zwecken von der Evolution kreiert, bewußtloses Kreisen in Laufrädern, die wir nicht selbst gebaut haben.
Gestern abend dann ein paar Stunden TV: überall dasselbe, stetes Vorführen und Wiederholen der üblichen menschlichen Gefühle und Verstrickungen: Begehren, Angst, Haß, Gier – und „Liebe“ in Gestalt des Haben- und Besitzenwollens. Ich liebe dich, komm in meinen Kasten, meine Schachtel, mein Ikea-Regal!
Warum haben wir nur die Fähigkeit entwickelt, über all das hinaus DENKEN zu können, aber nicht auch eine Weise, etwas anderes zu LEBEN? Wenn es mir gut geht, denk‘ ich: Hauptsache, es macht Spaß! Warum nicht einfach die Verstrickungen spielerisch genießen? Freuden & Leiden hängen zusammen und ohne sie wäre das Leben doch öd!
In anderen Augenblicken überfällt mich das große Gähnen. Ach ja, schon wieder eine Faszination? Übermorgen wird sie in Überdruß oder andere Leiden umschlagen…. Sogar beim essen gilt: Iss nur ein bißchen weiter, und du wirst kotzen müssen! Alles Verlangen und alle großen Gefühle erscheinen mir dann sehr simpel gestrickt, geradezu platt – und davon so ein Aufhebens machen?
Zur Erinnerung an „mein Huhn“ hab‘ ich heut‘ morgen eine Bilderserie gemacht – ein Versuch, die progammierte Liebe in Pixel zu packen. Wenn schon das Huhn nicht mehr in der Schachtel ist…. (seufz!)
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