Bis morgen hab ich Besuch und finde erst dann wieder die Muße zum Schreiben – ach ja, und ein kleiner Berg Arbeit wartet natürlich auch noch. Es freut mich, dass das Thema vom 4.Juli (Selbstdarstellung im Web) einige angesprochen und sogar zu Kommentaren im Forum verlockt hat.
Damit Ihr nun nicht ganz umsonst gekommen seid, hier ein Zitat aus dem Buch, das ich gerade lese – auch zum Thema ICH:
„Es gibt kein Werk, das sich nicht gegen seinen Urheber wendet. Das Gedicht vernichtet den Dichter, das System den Philosophen, das Ereignis den Mann der Tat. Unweigerlich zerstört sich jeder, der seiner Berufung folgt und innerhalb der Geschichte eine Rolle spielt. Es rettet sich nur, wer Gaben und Talente opfert, um sich seiner menschlichen Sonderstellung zu entledigen und im reinen Sein Ruhe zu finden. Trachte ich danach, im metaphysischen Sinne Fortschritte zu machen, dann kann ich um keinen Preis meine Identität aufrechterhalten. Ich muß die letzen Überreste liquidieren, die ich noch davon bewahrt habe. Stürze ich mich dagegen in das Abenteuer einer historischen Karriere, so fällt mir die Aufgabe zu, meine Kräfte zu übersteigern, bis ich mit ihnen zerplatze. Immer geht man durch das Ich zugrunde, das man sich zulegt. Einen Namen tragen heisst, auf eine ganz bestimmte Art von Zusammenbruch Anspruch erheben.“
E.M.Cioran – Dasein als Versuchung
Der Philosoph des Negativen, der 1995 den „Zustand des Nichtselbstmords“ verlassen hat (so bezeichnete er das menschliche Dasein!), hat mich schon immer schwer beeindruckt. Wenn man ausgelaugt, deprimiert, schlecht gestimmt oder ganz allgemein in einem Zustand der Welt-Kritik ist, bietet Cioran Balsam für die Seele, indem er weiter und tiefer in alle denkbaren Abgründe steigt, als man es selber jemals hinbekäme. Er zertrümmert alles, was als Entschuldigung & Rechtfertigung noch herhalten könnte – eines seiner Bücher heißt denn auch: „Vom Nachteil, geboren zu sein“. Beim Lesen stellt sich eine große Gelassenheit ein, allenfalls unterbrochen durch befreiendes Lachen über alles, was ist, vor allem über unsere anstrengenden Versuche, daraus wunder-wer-weiss-was zu machen. Ciorans Negativität ist unübertrefflich – und hochgradig unterhaltsam!
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