Die Kurzreise nach Nürnberg war eine mittlere Verrücktheit – ich muß wohl einen Anfall von „Lust auf viele Leute“ gehabt haben, als ich zusagte. Die Veranstaltung war auch durchaus interessant, ich habe nette und interessante Menschen getroffen, ABER: es ist der reine Wahnsinn, für einen einzigen Abend eine so lange Hin- und entsprechende Rückfahrt in Kauf zu nehmen. Völlig geplättet und todmüde kam ich gestern zurück und noch jetzt merke ich schmerzhaft: zu viel und zu lange GESESSEN!
Um mir die Zugfahrt zu verkürzen, hatte ich einen Stapel E-Commerce- und Wirtschaftsblätter gekauft, mal wieder ein weiterbildender Info-Input, wenn schon sonst nichts zu tun ist. Tja, und jetzt weiß ich mehr: Dass nach 4 Monaten Sägezahnmarkt alle meinen, jetzt solle man Technologie-Aktien kaufen – aber noch kaum jemand den Aufrufen folgt. Dass deutsche Topmanager ganz krank vor Angst sind, aber nicht wagen, darüber zu sprechen (KAPITAL). Dass Bannerwerbung deutlich zurückgeht, selbst Yahoo kann nur noch zu 23% seiner Werbeplätze verkaufen. Sommerloch oder das Ende? – die Auguren rätseln, doch neue Formate sind in Sicht: Filmbanner und formatfüllende Flash-Werbung sollen in Zukunft das Web beflimmern. Leider gibt’s nicht genug Flash-Programmierer und der Kampf um Mitarbeiter in der New Econmy nimmt allgemein groteske Formen an. Dazu als Fundsache die ganzseitige Anzeige von Cabel New Media, die die Selbsteinschätzung und den Geisteszustand der Szene gut ‚rüberbringt (Text beachten!)
Am Samstagmorgen spazierte ich noch zwei Stunden durch die Altstadt von Nürnberg, die mich mit ihren mittelalterlichen Bauwerken schwer beeindruckte. Normalerweise stehe ich nicht auf Altertümer (familiäre Vorschädigung), doch guckte ich mir die Fassade der Frauenkirche etwas länger an: Über und über ist sie verziert mit Statuen von Heiligen, Kirchenmännern, Evangelisten – jedenfalls lauter ernst dreinschauende Männer, jeder zweite hält demonstrativ EIN BUCH in der Hand. Gleich rechts am Eingang lockert ein wohlgeformtes nacktes Mädel (Eva?) die Szene auf – und mir wird schlagend klar, dass ich hier vor einem MEDIUM stehe! In einer Zeit, in der das Volk weder Bücher las noch von Bildern zugeschüttet wurde, muss so eine Kirche das reine Wunder gewesen sein: schauen und staunen – und fraglos glauben! Glauben vor allem an DAS BUCH, das all diese Heiligen so bedeutungsvoll vorzeigen, ein Buch, das als Innovation mittels magischer Bilder in den Herzen der Menschen verankert wurde.
Man stelle sich vor, dass in irgend einer Zukunft jemand die Bilderwelten von heute betrachtet: Jede Menge nackte Mädels und ansonsten wichtig wirkende Menschen, von denen jeder zweite in so ein seltsames GERÄT schaut…
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