Wenn ich vom Schloß Gottesgabe aus zum Einkaufen fahre, schalte ich manchmal das Radio ein, NDR4-Info, oder so ähnlich, und lasse mich von den Nachrichten und anderen Sendungen von den Fronten der Welt berieseln. Und immer öfter schalte ich gleich wieder aus, weil ich den Anfall von Menschenverachtung nicht ertrage, der dadurch ausgelöst wird. Nicht etwa Entrüstung über die verschiedenen Kriege und Kämpfe macht mir zu schaffen, sondern der zunehmende Ekel über die Art der Berichterstattung, und die Rückschlüsse auf „das Volk“, das solcher Berichterstattung zum Erfolg verhilft.
Gestern und vorgestern war’s zum Beispiel der Wallert-Virus, der sich durch sämtliche Sendungen ausbreitete. Renate Wallert von morgens bis abends (Radio und TV), jedes banale Wort („es geht mir gut“), jedes Zucken des Mundwinkels, jede Menge Spekulationen und Vermutungen, die journalistische Belagerung des Hauseingangs – wenn ich ein Wallert-Familienmitglied wäre, würde ich zur Waffe greifen, anstatt einen Honorar-Vertrag abzuschließen. Die Ausweidung des Ereignisses, das ja in einer Zeile erschöpfend darzustellen wäre („Renate Wallert ist frei, es geht ihr den Umständen entsprechend“), erzeugt heftigen Ekel: Ekel vor den Medien, vor den Menschen, die fraglos jede Distanz hinter sich lassen, um der Emotions-geilen Masse Stoff ins ansonsten offensichtlich vertrocknete Gemüt zu drücken, und Ekel vor den Menschen überhaupt, die durch diese Mechanismen als Ratten-hafte Reiz-Reaktions-Automaten entlarvt werden. Da hilft nur noch abschalten.
Jeder Journalist und Reporter, der auch nur einmal das Mitrennen im Pulk um einen „Prominenten“ (das kann ja heute jeder sein) mitmacht, muss definitiv jede Form von Sensibilität, Rücksichtnahme, Achtung vor dem Anderen in der eigenen Psyche unterdrücken, um mithalten zu können. Was für ein hoher Preis für einen Job – und der gilt sogar noch als erstrebenswert!
Informationspflicht der Presse? Dass ich nicht lache! Über Wochen sehe ich – sofern ich noch hinsehe, abends in der Tagesschau z.B. – die Geiseln, wie sie im Camp herumsitzen, wieder und wieder. Dazu wird gesagt, dass sie nun schon soundsoviel Tage dort sind, dass es der einen oder anderen besser oder schlechter geht, dass Bemühungen im Gange sind, usw. usf.. Aber wann hätte ich mal erfahren, was diese „Moslem-Rebellen“ eigentlich bewegt? Warum dort Geiselnahme als legitimes Mittel der Geldbeschaffung zu gelten scheint? Wo sind die Interviews mit den Rebellen oder mit ganz normalen Anwohnern aus der Gegend? Für Freunde des Absurden würde sich auch die simultane Berichterstattung von den nahegelegenen „Robinson-Inseln“ von RTL und Sat1 anbieten, wo das „Survival of the Fittest“ Big-Brother-like inszeniert wird.
Naja, heute ist wohl nicht mein Tag. Es gelingt mir nicht, auch nur einen Hauch von positiver Stimmung zu erzeugen. Und so geht es immer, wenn ich mir zuviel Medien-Input zumute – und dann noch die Sünde begehe, das dadurch aufgerührte Gemüt in Worte zu fassen und erneut ein Medium zu produzieren – eitler Wahnsinn!
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