25 Jahre bloggen sind ′rum! Am 3.März 1999 erschien der erste Artikel im Digital Diary, insgesamt sind es jetzt 1.868 Einträge, aber dabei wird es natürlich nicht bleiben! :-) Ein Leben ganz ohne Schreiben und Bloggen kann ich mir gar nicht vorstellen!
So viel ich weiß, ist dieses Blog mittlerweile das älteste deutschsprachige Blog, das durchweg unter demselben Namen aktiv war und immer noch ist. Alle Blogposts aus den 25 Jahren sind online, nichts wurde gelöscht. Auch die Optik hat sich nicht wesentlich verändert, denn es war mir immer wichtig, etwas Beständigkeit in Zeiten schneller Veränderungen zu vermitteln (ähnlich dem TATORT-Intro!).
Den Anstoß, diesen Jubiläums-Blogpost etwas ausführlicher zu gestalten, gab mir Anna Koschinski, deren Blogparade Schreiben über das Schreiben punktgenau passt. Alsdenn:
Über das Schreiben und Bloggen
Der Untertitel des Digital Diarys „Vom Sinn des Lebens zum Buchstabenglück“ spielt auf meinen Hang zum Philosophieren an, dem ich in den Anfangsjahren ausgiebig frönte. Weil aber der „Sinn“ nie ein für allemal gefunden werden kann, wohl aber das „Buchstabenglück“, sollte das Diary gerne so heißen. Das dauerte zunächst nicht lange, denn im Lauf des Jahres 1999 zog ich nach Mecklenburg, raus aufs Land. Also gab es zwei Jahre lang den Untertitel „Vom Leben auf dem Land und in den Netzen“, denn meine Landflucht wäre unmöglich gewesen, wenn ich nicht sowieso schon vom physischen Ort unabhängig gearbeitet hätte (Schreiben, Webdesign, div. Projekte…).
Hat sich mein Schreiben in all den Jahren verändert?
Ja, klar! Was die Form angeht, sind die Texte im Schnitt kürzer geworden, aber auch nicht sooo kurz, wie es viele Andere halten. Und sie erscheinen nicht mehr so häufig wie etwa im Jahr 2000, als ich phasenweise täglich schrieb. Damals setzte ich mich morgens hin und wartete, was für ein Text „sich schreiben will“, heute dauert es mehrere Tage bis ich weiß, welches der Themen, die „mich ansprechen“ nun wirklich einen Blogbeitrag bekommt.
Inhaltlich kreisten viele Texte früherer Jahre um Selbst– und Welterkenntnis, sie waren „Ich-zentrierter“. Das durfte aber auch nicht überhand nehmen, denn zuviel Selbstdarstellung im Web war noch verpönt! Auch das Verhältnis „Real Life / Virtual Life“ beschäftigte mich anfangs sehr intensiv, denn dass ich vor einem Monitor sitzend so vieles „erlebte“, hatte lange etwas Irritieredes, über das ich mir Klarheit verschaffen wollte. Schreibend funktioniert das für mich am Besten! Besondere Zufriedenheit spüre ich, wenn ich ein Jahrzehnte-Thema (wie etwa „romantische Liebe„) ganz plötzlich inhaltlich „abhandeln“ konnte. Bedeutet: All meine Lebenserfahrung hinein fließen lassen mit dem Gefühl: mehr hab‘ ich dazu nicht mehr zu sagen.
Klarheit gewinnen durch Schreiben
Dass meine Texte immer auch diesem „Klarheit schaffen“ verpflichtet sind, hat mich davon abgehalten, „literarisch“ schreiben zu wollen. Ich will etwas nicht nur für mich „in Worte fassen“, sondern inhaltlich (!) verstanden werden. Ich teile also eher Gedanken, versuche nicht, mit aussdrucksstarken Worten Gefühlsreaktionen anzustoßen (wie es etwa ein Gedicht oder lyrischer Text kann, ich nicht). Das enge Verhältnis zwischen Schreiben und Erkennen hat mich geformt bis in die Mitte der Seele:
„Indem ich schreibe, was ich erlebe, dabei fühle und darüber denke, begebe ich mich „automatisch“ in die Position der Beobachterin – und irgendwann gibt es von da kein Zurück. Es ist ein schleichender Transfer der Ich-Identifikation: Weg von der Vordergrund-Person, die dieses und jenes tut, erlebt und erleidet, hin zu diesem einfachen Schauen, was geschieht.“
Das ist von 2006 und markiert das Vorhaben, schreibend wieder zum „Philosophieren in der Ersten Person“ zurück zu finden, das mir in diesen Jahren inmitten unzähliger Projekte zunehmend fehlte. Faktisch war ich ziemlich weit entfernt vom „nur Schauen, was geschieht“, nämlich so beschäftigt, dass ich vor lauter Zersplitterung fast verstummt wäre (2006 gab es nur 28 Einträge!). Das hatte auch damit zu tun, dass ich Themenblogs startete, weil ein „Mischthemenblog“ irgendwie nicht mehr in die Zeit zu passen schien (SEO wurde wichtig, um gefunden zu werden!). Das Diary lief nun auch auf WordPress (selbst gehostet), was das Schreiben wieder viel einfacher machte. Kein Code-copy&paste mehr, kein HTML, CSS et al – wie schön! So wurden es in den Folgejahren noch mehr Blogs, denn ich wollte meine Stammleser nicht nerven, indem ich im Diary jede Menge Artikel über meinen „wilden Garten“ oder „unverbissen vegetarische“ Ernährung veröffentliche.
Digital Diary first! :-)
Diese Entwicklung zum multiplen Bloggen fand ihr natürliches Ende, indem ich nicht alle Blogs sinnvoll und kontinuierlich mit Inhalten füllen konnte. 2010 erschien das letzte Themenblog und das ist auch gut so! :-) Es ist der „Kunst des Alterns“ gewidmet, jedoch merkte ich schon bald, dass ich wichtige Herzblutartikel lieber ins Diary schreibe. Das ist bis heute so geblieben und wird sich nicht mehr ändern. Grade macht mir das Schreiben auch wieder besonders Freude, obwohl meine Themen häufig mit eher unerfreulichem Weltgeschehen und unserer Krisenlage zu tun haben. In aktuellen Texten geht es kaum mehr um mich und wenn doch, dann um neue Erlebniswelten, nicht um philosophische Selbstbesinnung. Die Frequenz ist zur Zeit wieder höher, aber zum Tagebuchbloggen wie zu Zeiten des Landlebens werde ich wohl kaum mehr kommen.
Mit dem Blog altern: 25 Jahre an derselben Stelle aus dem persönlichen Welt- und Selbstbild heraus schreiben und nie etwas löschen ermöglicht seltsam anmutende Begegnungen mit einem früheren Ich! Normalerweise lese ich alte Artikel selten nochmal, jedoch war das beim Einpflegen der frühen Jahre in WordPress unvermeidlich. Manchmal dachte ich: Hey, früher hab‘ ich stilistisch besser geschrieben! Vielleicht, weil mir das textliche „Brillieren“ wichtiger war als heute, vielleicht nimmt aber auch der Wortschatz ab, weil ich fast nur noch im Netz lese.
Neues Feature: Eine Zeitmaschine im Digital Diary
Weil so ein Langzeitblog nun mal eher selten ist, hab‘ ich dem Diary eine „Zeitmaschine“ gegönnt: In der Seitenleiste kann man per Schieberegler ein beliebiges Jahr wählen, dann werden die zwei bis drei Artikel, die rund um dieses Jahr erschienen sind, angezeigt. Mir ist schon klar, dass das hauptsächlich für mich und meine Allernächsten interessant ist (für Letztere auch eher nach meinem Ableben!), dennoch freue ich mich, dass Arnd (Stricktly HTML) das für mich programmiert hat. Es kann jedenfalls der Inspiration dienen, so eine kleine Zeitreise zu machen – auch das hab‘ ich beim Einpflegen der älteren Beiträge bemerkt.
Unverzichtbar: Eure Resonanz!
In den frühen Netzjahren kommunizierten wir alle per E-Mail. Ich pflegte Leserbriefe mühsam per Hand in die damals übliche Frame-Technik ein. Weil das doch ein hoher Aufwand war, eröffnete ich im Jahr 2000 ein Forum, deshalb gibt es bis Ende 2005 keine Kommentare im Digidiary, denn die sind mitsamt dem Forum verschwunden. Ab 2006 wurde das dank WordPress anders, seitdem gibt es auch den Link zu den „meistkommentierten Artikeln“. Mehrheitlich sind diese schon älter, denn das Kommentieren hat seit dem Durchmarsch der „sozialen Medien“ insgesamt abgenommen. Aber immer noch finden sich etliche Stammleser/innen (und ab und an auch mal jemand Neues) hier ein und reagieren auf meine Texte, worüber ich mich jedes Mal wieder freue! Ein Artikel bekommt für mich deutlich mehr Sinn, wenn der Text jemanden veranlasst, etwas dazu zu sagen. Dass es sogar gelingt, hier eine angenehme Gesprächskultur zu erhalten, dafür bin ich allen, die hier teilnehmen, nochmal extra dankbar!
Neuerdings gibt es die Möglichkeit, eine Benachrichtigung bei neuen Artikeln zu bestellen (Seitenleiste, bzw. auf Handys ‚unten‘). Es freut mich, wenn Ihr das nutzt, denn es unterstützt meine Unabhängigkeit von Suchmaschinen und sozialen Medien, die ja gar nicht mehr so „sozial“ sind.
Wie geht es weiter?
Solange ich noch eine Maus herum schieben kann und die Tasten treffe, werde ich hier weiter bloggen! (Und dann vielleicht per Diktat, wer weiß! :-)) Die Themen gehen mir nicht aus, ich habe nicht vor, mich von der Welt abzuwenden, könnte das gar nicht! Schlussendlich verdiene ich schreibend auch immer noch das Geld, das mich davor bewahrt, wegen Minirente Grundsicherung beantragen zu müssen!
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14 Kommentare zu „Jubiläum: 25 Jahre Digital Diary – kein Leben ohne Schreiben!“.