Im Kommentargespräch zum Artikel „Transfer“ (über die Schwierigkeiten des Wechsels zwischen physischer Welt und „online“) ergab sich ein Thema, dem ich lieber einen eigenen Beitrag gönne. Ottmar schrieb da als Antwort auf eine Bemerkung über „Glamour-Klitzer-Fitness-Studios“:
Glamour-Klitzer ist nicht leicht zu verdauen. Aber das gehört zum Training dazu. Du must mentale Stärke entwickeln und auch unter widrigsten Umständen trainieren. Nimm ein Laufband mit Blick auf eine graue Wand und dann zwei Stunden durchdonner. Das macht stark. Aber Kieser ist auch eine extreme Herausforderung. Dort wird versucht den Spass an der Bewegung, an der Konzentration in krankengymnastische Übungen aufzulösen. Dass es auch ja keinen Spass macht und jeder nur brav zahlt, aber das Studio nicht länger als unbedingt nötig belegt. Ich komm damit nicht zurecht. Ich will auch mal verrückt sein und auch mal extrem. Mit gestutzen Flügeln kann ich nicht abgheben.
Na, was für eine Steilvorlage! :-) Früher hab‘ ich nämlich auch gerne über den Purismus der Kieser-Center gelästert, heute weiß ich, warum der seine Berechtigung hat. Gewiss nicht für alle, aber für solche wie mich, die im Fitness-Center nichts anderes suchen als das, wozu es eigentlich da ist: die körperliche Ertüchtigung, den Kraftgewinn – und das bitte mit möglichst wenig Aufwand.
Denn: ich gehe EIGENTLICH nicht in ein Fitness-Center, um „Spass zu haben“, mich zu zeigen, mit Leuten zu plaudern, nett zu saunieren, im neuesten Fit-for-Fun zu blättern, mich mit Mainstream-Musik beschallen zu lassen und und und… das alles sind nur Ausweich-Aktivitäten, weil das eigentliche Krafttraining (und „Cardio“ erst recht) ganz furchtbar langweilt.
Das Fitness-Center als Wohnzimmer
Drei Jahre war ich Mitglied in einem „normalen“, gut ausgebauten Fitnesscenter mit allem Drumrum – die Hälfte der Zeit als Karteileiche. 15 Fußminuten von meiner Wohnung entfernt verbrachte ich dort ca. drei Stunden (Sauna inklusive), also fast vier, bis ich wieder zuhause war. Ein angeleitetes Training gab es ein einziges Mal zu Beginn: da wurden mir Übungen mit Leichtgewicht angediehnt, die ich so ca. 20 Mal pro Maschine machen sollte. Und dann bittschön mindestens noch einmal die Runde (=Mehrsatztraining). Das alles nach einigem „Aufwärmen“ auf Laufband, Fahrrad, Stepper oder Ruder-Geräten.
Es war zum Einschlafen öd! Wie ich irgend etwas Interessantes in dieses Training hätte bringen können, wurde mir nicht vermittelt: ich war ja schon Kunde und man musste sich nicht mehr um mich kümmern, nur nett sein, gute Stimmung machen und auf Wunsch auch mitgebrachte CDs der Besucher auflegen.
Ok, ich zog mit und versuchte, mir die Center-Stunden als eine Art „externen Wohnzimmerbesuch“ angenehm zu machen – ähnlich wie in jüngeren Jahren die Stammkneipe. Bald hing ich mehr in der Sauna ‚rum als an den Geräten, probierte zur Abwechslung immer mal wieder einen neuen „Hüpfkurs“ aus, und las in den Magazinen über die neuesten „Workouts“, schicke Sportklamotten und allerlei Diät-Varianten. Manche Besucher legten sogar während ihres Cardio-Trainings den Lesestoff nicht weg – es war mir also nicht alleine langweilig.
Mal ein paar Kilo mehr..
Dann unternahm ich einen Versuch, MEHR aus der Sache zu machen: Ich wollte FORTSCHRITTE sehen und bat den „Trainer“ um Tipps für ein individuelles, spürbare Ergebnisse bringendes Trainung. Der meinte, sowas gäbe es nur für Spitzen-Leistungssportler und sei sauteuer, aber ich könne ja gerne mal in die Bücher gucken (…und reichte mir drei davon über den Tresen).
Da las ich dann eine Menge über verschiedene Formen des Bodybuilding (!) und ECHTES Krafttraining, wobei der Muskel bis an die Grenze belastet wird. Es klang alles ziemlich kompliziert, aber den Unterschied zu meinem bisherigen Herangehen begriff ich recht schnell. Voll motiviert legte ich nächstens bei jeder Maschine mal ein paar Kilo drauf und freute mich über die fühlbare Anstrengung: endlich mal was Neues! Die Freude währteallerdings nur kurz: Trotz „aufwärmen“ erlitt ich an einem der Geräte einen Muskelfaserriss im Oberschenkel, den ich während der Übung nicht mal bemerkte. Erst dachte ich, es sei normaler Muskelkater, doch beim Blick in den Spiegel entdeckte ich die deutliche Delle in der bis dahin normalen Schenkelkontur – gruslig!
Das wars für mich erstmal in Sachen Fitness-Center. Ich kündigte die Mitgliedschaft und fand mich damit ab, ein kraftloser Monitor-Potate zu sein und zu bleiben. Dass ich später zu einem Garten kam, entschärfte das Problem ein wenig, denn Gartenarbeit ist ja auch anstrengend – doch leider nicht im Winter.
Krafttraining – und sonst gar nichts!
Eine Werbeaktion von KIESER kam mir da gerade recht: ein halbes Jahr für nur 199 Euro. Da das nächste Center nur drei Minuten von meiner Wohnung entfernt liegt, griff ich sofort zu. Keine langen Fußwege mehr und eine ganz andere Trainungsphilosophie – das wollte ich jetzt ausprobieren!
KIESER hat das Kraft-Gewinnen konzentriert und optimiert: keine Laufbänder und Fahrräder, keine Hüpfkurse, keine Bar, keine Sauna, keine Musik. Nur eine Fabrikhalle, eine spartanische Umkleide, die Kraftmaschinen und ich. An zehn Maschinen vollführe ich jeweils zwölf mal eine einzige Bewegung, mehr ist nicht angesagt. Bald wird mich das Ganze nicht mehr als zweimal die Woche 40 Minuten kosten – und schon bin ich wieder draußen.
Es gab bisher drei angeleitete Trainings und eine ärztliche Beratung. Für 20,- hab ich mir auch einen computergestützten Rückenkraft-Test gegönnt. Jetzt hab‘ ich hübsche Diagramme, die mir aufzueigen, an welcher Stelle der Rückenmuskulatur ich wieviel Kraft habe, auch im Vergleich zu den Altersgenossen. So kann ich in einem halben Jahr sehen, ob und was sich verbessert hat – sehr motivierend!
In der schmucklosen Fabrikhalle sehe ich Menschen zwischen 25 und 80plus trainieren, alle konzentriert auf das, was sie gerade tun. Am Trinkbrunnen gibts Wasser, jedoch keinerlei Gastronomie. Nächste Woche werde ich wieder ein begleitetes Training haben, denn man ist gefordert, eigenständig die Gewichte vorsichtig zu erhöhen, um binnen einiger Wochen (!) in den Bereich des „geht nicht mehr“ zu gelangen: Langsam genug, um keine Verletzungen zu riskieren. Aufwärmen entfällt, denn das langsame und genaue Ausführen der Bewegungen erwärmt den Muskel schon genug – so die Trainingstheorie, die mir sehr entgegen kommt.
Wer Ausdauer-Training will, muss das anderswo machen. (Bei mir zum Beispiel bietet sich da der „Gruß an die Sonne“ an, eine fordernde, fließend verbundene Übungsreihe im Yoga, die ich zuhause machen kann).
Nun, allem Anfang wohnt ein Zauber inne. Ich rechne damit, dass mich auch KIESER nach einiger Zeit langweilen kann, allerdings immer nur kurz. So richtig „Mittagspausen-tauglich“ halt, wie ich mir ein Krafttraining wünsche.
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5 Kommentare zu „Weniger ist mehr – Erfahrungen mit Fitness-Centern“.