Claudia am 06. April 2024 —

Hungerstreik fürs Klima? Fragwürdig!

Seit dem 7.März befindet sich Wolfgang Metzeler-Kick im Hungerstreik in einem Zeltlager nahe dem Kanzleramt. Ein zweiter Aktivist hat sich ihm vor 12 Tagen angeschlossen. Die Berliner Zeitung berichtet:

„Er sei bereit, seinen Hungerstreik bis zum Äußersten zu eskalieren, sollte Bundeskanzler Olaf Scholz (SPD) nicht auf ihre Forderungen eingehen, sagte der bayerische Ingenieur Wolfgang Metzeler-Kick am Freitag vor Journalisten in Berlin. Der 49-Jährige verlangt gemeinsam mit dem 57-jährigen Richard Cluse, einem Ingenieur aus Potsdam, vom Kanzler eine Regierungserklärung, in der er die Klimakatastrophe als existenzielle Menschheitskrise anerkennt und die Notwendigkeit eines radikalen Umsteuerns in der Klimapolitik einräumt.“

Wie bitte? Was ist denn DAS für eine Forderung? Ist es nicht Allgemeinwissen, dass die fortschreitende Klimakatastrophe eine Menschheitskrise ist? Und ja, nötig wäre ein „radikales Umsteuern“, das wissen auch die meisten, die sich nicht ins Leugnen flüchten. Was würde sich denn bessern, wenn Scholz der Forderung nachkäme, meinetwegen nicht nur im Bundestag, sondern auch mittels einer großen TV-Ansprache? Würde dadurch irgend jemand sein Verhalten ändern? Konkrete neue Gesetze fordern die Hungerstreikenden ja nicht. Was soll das also?

Die Kommentare auf X zu dieser Aktion sind erwartbar unterirdisch: Machen lassen, Sektierer, brauchen psychologische Hilfe, natürliche Selektion, je dünner, desto leichter für die Sargträger, Reisende soll man nicht aufhalten. usw. usf.

Dass sich der Staat nicht durch sowas erpressen lassen darf, ist das eine. Andrerseits ist es wirklich schlimm, dass Einzelne aus ihrem Gefühl der Machtlosigkeit heraus zu solchen extremen Aktionen kommen. Sie kreieren lediglich ein paar Schlagzeilen – und das wars!

Wer ist Wolfgang Metzeler-Kick?

Wolfgang Metzeler-Kick ist ein bekannter Klima-Aktivist, der als „Klimakleber“ und Mitglied der Letzten Generation vom Amtsgericht Berlin und auch vom Amtsgericht Regensburg verurteilt wurde. Ca. 80 Verfahren sollen gegen ihn anhängig sein, wie der SPIEGEL 2023 berichtete. Seine Krankenpfleger-Ausbildung hatte er dafür abgebrochen. Im Berliner Strafverfahren hat er jede Menge Beweisanträge gestellt, um mit Zahlen, Berechnungen und Zitaten von Wissenschaftlern zu untermauern, dass die Menschheit sofort handeln müsse. Das aber hilft nicht:

»Der Richter braucht nur wenige Minuten, um sämtliche Anträge abzulehnen. »Alle vom Angeklagten gestellten Beweisanträge werden abgelehnt, da die behaupteten Tatsachen als wahr unterstellt werden.« Vor einer Verurteilung bewahrt den Angeklagten das nicht.“

Das war zu erwarten, denn egal wie groß die Gefahr durch den Klimawandel ist, so gelten doch weiterhin die Gesetze, die es verbieten, den Straßenverkehr zu blockieren (wobei die Bauern das ja doch dürfen!).

„Weiter so“ ist Mainstream

Trotz vieler Bemühungen auf unterschiedlichen Ebenen, den Klimawandel zumindest zu verlangsamen, kann die Politik am Ende nicht gegen die Bevölkerung „radikales Umsteuern“ anordnen. Das zeigt sich derzeit auch überdeutlich an der traurigen Rückwärtsrolle der EU:

„Lieferketten-Standards, Renaturierung oder Pestizid-Regeln: Viele europäische Umwelt- und Klimagesetze wurden in den letzten Monaten auf Druck des Parlaments oder der EU-Regierungen gestoppt oder abgeschwächt.“

So sieht’s aus. Man könnte sagen: Das ist ein Nachteil in Demokratien, dass gegen die verschiedenen Interessen wesentlicher Kreise (Wohlstand! Arbeitsplätze!) letztlich nicht anregiert werden kann. Allerdings haben sich die Autokraten und Diktatoren dieser Welt bisher auch nicht durch besonderes Engagement in Sachen Klimaschutz hervor getan, jedenfalls nicht mit „radikalen Maßnahmen“ zu Lasten der Bevölkerung.

Mittlerweile sind die Weltmeere so warm wie nie zuvor, auf den wärmsten Februar folgte der wärmste März – und heute ist ein 23-Grad warmer Apriltag, wunderschönes Gartenwetter! Das bleibt hoffentlich noch eine Zeit lang so, bevor der Golfstrom stoppt und Berlin unter einem Eispanzer verschwindet.

 

 

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Diskussion

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11 Kommentare zu „Hungerstreik fürs Klima? Fragwürdig!“.

  1. Heute war es brutal heiß – und das sogar in einem höher gelegenen Dorf, in dem man etwa sogar gut 2 Grad weniger annehmen muß als „auf normaler“ Höhe.
    Irgendwo las ich auch, daß in den 30ern die Zeit um eine Sekunde korrigiert werden muss, weil sich die Erdrotation aufgrund der schmelzenden Pole verändert.
    Das Problem ist tatsächlich, daß wir so gut wie nichts durchsetzen/durchziehen können, um dem Klimawandel zu begegnen. Maximale Unbeweglichkeit.
    Weil dem so ist, lebt die Menschheit weiter ihr Ding, ihren Konsum. Die Annahme ist ja gemeinhin, daß alles nicht ganz so schlimm werden wird und man die Auswirkungen irgendwie stemmen kann.

  2. @Gerhard
    „Weil dem so ist, lebt die Menschheit weiter ihr Ding, ihren Konsum. Die Annahme ist ja gemeinhin, daß alles nicht ganz so schlimm werden wird und man die Auswirkungen irgendwie stemmen kann.“

    Mit anderen Worten. Die Mehrhei steckt den Kopf in den Sand.

  3. @Gerhard: „Maximale Unbeweglichkeit“ – das gilt nicht nur für Klimaschutz, sondern ganz allgemein, wenn etwas verändert/verbessert werden soll. Man denke nur ans Gesundheitssystem, an dem man eigentlich nur scheitern kann.

    @Fred: Ja, so ist es, aber es ist individuell auch verständlich. Man denkt: Wieso sollte ich einen asketischeren Lebensstil leben, wenn das doch angesichts der weltweiten Entwicklung nahezu nichts bewirkt…

  4. Weil es grade gut passt, hier ein Interview aus dem Stern mit einem bekannten Klimawandel-Experten:

    Hans Joachim Schellnhuber: „So dramatisch war die Situation noch nie“

    „Wir dachten, es geht immerhin um das Überleben unserer Zivilisation, die Menschheit kann gar nicht so verbohrt und gleichgültig sein, dass sie hier nicht entschlossen gegensteuert. Dass man zum kollektiven Selbstmord aus Bequemlichkeit bereit ist, ging über unsere Vorstellungskraft.“

    Diesen Satz hat Daniel Stark auf X kritisiert:

    „Ich finde den zitierten Satz problematisch. Bei vielen Menschen ist es nicht Bequemlichkeit, sondern Ohnmacht, während es auf der anderen Seite Kreise gibt, die Wirkkraft haben, aber andere Interessen verfolgen.“

  5. Liebe Claudia,
    seit Mitte 2022 erkunde ich wie es sein kann, dass die Entwicklung bereits 1972 in „Die Grenzen des Wachstums“ weltweit kommuniziert wurden und seit über 50 Jahren keine Umkehr erfolgt ist.
    Stattdessen fliessen die Gelder weiterhin dorthin wo noch mehr Geld herausspringt. Tatsächlich regiert weiterhin Geld die Welt und die Mächtigen haben es gut verstanden den unteren Klassen diese Religion in den Common Sense einzutrichtern.
    (Erich Fromm hat dies auch schon früh verstanden.)

    Daher kann die Umkehr erst stattfinden, sobald genügend Menschen aus der geistigen Sklaverei aufwachen.
    Inzwischen hat die Zerstörung der Lebensformen auf diesem Planeten eine Dimension angenommen, dass ich im Rahmen der kommenden Krisen die Umkehr in den nächsten 30 Jahren erwarte.

    Meine Vision ist inzwischen eine Weiterentwicklung des Menschlichen zu einem klassenlosen Miteinander in dem auch die anderen Tiere mit Respekt behandelt werden.

    Alles Liebe
    Bernhard

  6. Vor kurzem kam der uralte Film „Day after tomorrow“ im Fernsehen. Eigentlich hat man den schon zig Mal gesehen. Er wird aber von mal zu mal erschreckender, weil wir uns genau auf so ein Szenario zubewegen könnten. Und wie im Film will auch in der Realität keiner wahrhaben, was längst Realität ist. Das sich Menschen dabei so hilflos fühlen, dass sie für ihr Anliegen in den Hungerstreik treten, ist so traurig. Man mag sich darüber lustig machen, das Ignorieren von Problemen hat allerdings noch nie zur Lösung von selbigen beigetragen.

  7. @Bernhard: sei begrüßt in unserer Runde! Danke für deinen Kommentar! Leider ist noch jeder Versuch, eine „klassenlose Gesellschaft“ herzustellen, zu einer Hölle geworden, auch wenn das zunächst wie eine schöne Utopie klingt.

    @QueenAll: Ich hab von Wissenschaftlern vernommen, dass ein derart abruptes Vereisen nicht passieren wird, dass Emmerich da übertrieben hat, um beeindruckende Bilder zu schaffen. Aber auch wenn es langsamer geht, ist es nicht besser!

    @alle: Hier ein Update der Messungen aller klimarelevanten Faktoren von Dr. Benecke – nur Daten, keine Meinungen, wie er immer wieder betont. Es sieht gruslig aus! Und heute sollen es in Berlin 27 Grad werden…

  8. @Queen All +1

    Derzeit lese ich gerade das Buch Weltuntergang fällt aus vom „Graslutscher“ Jan Hegenberg. Der bereitet das Thema zwar massentauglich, verständlich und breit auf, zeigt aber durch die Blume auch, wie hirnrissig die Argumentation kontra Umbau des Energiesektors zugunsten eines für uns kompatiblen Klimas teils sind und dass dieses verbohrte Festhalten an einer karbonisierten Welt gesamtgesellschaftlich weder etwas „spart“ noch nutzt, sondern schlicht suizidales Verhalten ist, dass in etwa dem absichtlichen Fahren mit Vollgas gegen die Wand entspricht, weil irgendein (bezahlter) Honk verspricht, dass die Karre das aushält.

    Vor diesem Hintergrund ist ein Hungerstreik oder sind die Aktionen der Letzten Generation oder FfF eher Peanuts. Ein anderer Ansatz ist so etwas wie die heute verhandelte Sammelklage der Schweizer Klimaseniorinnen vor dem EGMR.

    Ich fürchte, anders als mit dem Vorschlaghammer sowohl auf die Politik als auch auf die Lobby und die fossile Industrie selber wird es wiedermal nicht funktionieren, auch wenn so ein Urteil wie das o.a. eher Symbolcharakter hat!

    PS. Ist Euch dabei aufgefallen, dass dieses für die Menschheit sehr relevante Thema kaum in den Medien durchdringt und wenn doch, dann nur um die Energiewende, deren Kosten und negativen Einflüsse schwarz zu malen, ohne die viel verheerenderen Folgen der bisherigen Energiegewinnung entgegenzusetzen. Stattdessen wird die aktuelle Kriminalstatistik wieder in epischer Breite durchgekatscht, um genau wie beim Thema Klima mit suggestiven Ängsten Klicks zu generieren. Auf solche „Nachrichten“ kann ich verzichten und stattdessen Nosferatu anschauen.

    Damit haben wir noch eine klasse Biege zum Thema Film gemacht und da ist doch klar, dass z.B. ein Emmerich eher auf anekdotischer Basis arbeiten muss für den Effekt und nicht zwingend Realität in so einem Film als Grundlage nimmt. Das macht das Thema Klima und seine Folgen nicht weniger zwingend.

    Gruß
    Thomas

  9. @Thomas: Ich wollte Emmerich nichts vorwerfen, fand den Film sehenswert und hab die katastrophischen Effekts genossen, wie in jedem Emmerich. Dass immer Familien auseinander gerissen werden und sich wieder finden müssen, ist halt der Notwendigkeit einer greifbaren Handlung geschuldet. „Was dagegen tun“ war ja nicht mehr drin.

  10. @Claudia

    Das war doch kein Vorwurf gegen Dich oder den Film, sondern Ironie.

    Deswegen schrubte mir ja auch, dass der Film eben anekdotisch ist und nur so sein kann. Das ist doch immer Fiktion;-)

  11. […] ich den Hungerstreik der Klima-Aktivisten fragwürdig finde, erstaunt es mich doch, wie wenig die Entwicklung der relevanten Klimafaktoren in […]