Im Anschluß an die Käßmann-Debatte will ich dem Thema „Macht und Weiblichkeit versus Männlichkeit“ einen eigenen Beitrag widmen.
Bezüglich der Schwierigkeiten von Frauen in Machtpositionen hatte ich die Gedanken von Antje Schrupp zustimmend zitiert, die mit ihrem Konzept des „männlichen Imaginiären“ darauf hinweist, dass Männer in Machtpositionen eine Bestätigung ihrer Männlichkeit erfahren, wogegen Frauen eher einen Verlust an Weiblichkeit verkraften müssen, bzw. zu einer Art „Neutrum“ mutieren. Weiblichkeit erscheint in dieser Sicht als „Störfaktor“ im Bereich der Macht – eine zusätzliche Konfliktlinie, die Frauen davon abhält, sich um solche Ämter zu bewerben, bzw. an ihnen zu hängen, wie es Männer tun.
Dieser mir sehr einleuchtenden Sicht der Dinge hat Susanne widersprochen:
„Wenn ich beruflichen Erfolg (mit seinen Begleiterscheinungen wie Macht, Durchsetzungswillen, Prestigedenken, Glamour usw.) nicht als Element eines sich entfaltenden Verständnisses von ‘Weiblichkeit’ sehe oder sehen will, beschränke ich den Umkreis eines möglichen Verständnisses in vorauseilendem Gehorsam viel zu sehr (und vielleicht ausgerechnet auf gehasste traditionelle Elemente). Erfolgreiche Frauen wie Frau Käßmann – und, warum nicht, auch Frau Merkel oder Frau von der Leyen – definieren eben durch ihre Bekanntheit auch ein sich veränderndes Bild von Weiblichkeit. „
Antje Schrupp gibt Susanne nun „theoretisch recht“, doch ist ihre Intention eben die, zu untersuchen, warum so wenige Frauen den Weg in höchste Machtpositionen antreten. Und da sieht sie die Trennung solcher Positionen vom „männlich Imaginären“ als Möglichkeit: nur dann hätten Frauen einen ebenso großen Anreiz wie Männer, um die Posten zu kämpfen. Wie das in der Praxis gehen könnte, kann ich mir allerdings nicht vorstellen, denn Macht und Prestige solcher Positionen lassen sich ja nicht einfach abschaffen. Und das weibliche Faible für Männer mit Macht und Einfluss scheint evolutionär ebenso fest verwurzelt wie die männliche Präferenz für Frauen mit Gebährfähigkeit anzeigenden körperlichen Geschlechtsmerkmalen.
Dass Susanne darauf verweist, dass Macht heute keine persönliche, sondern wesentlich funktionelle Macht ist, hilft über die Differenz der Geschlechter mit ihren Vor- und Nachteilen aus meiner Sicht nicht hinweg. Sie schreibt ja selbst:
„Männer neigen dazu, sich in Bedeutsamkeit aufzuplustern. Phallus, halt. Das tun sie immer und überall, im Amt, in der Diskussion, und auch im Bett. Frauen neigen dazu, sich zu verbeißen. Auch das tun sie überall, ich erspare mir die peinlichen Details.“
„Sich verbeißen“ ist in heutigen Machtpositionen kein Vorteil, sondern eine Einschränkung der nötigen Flexibilität. Wogegen das „Zelebrieren von Bedeutsamkeit“ ein Feature ist, dass die ungeliebte Notwendigkeit, in komplexen Zusammenhängen mit vielerlei Akteuren Lösungen zu finden, zugunsten von „Machtworten“ und Basta-Politik ersetzen kann. Und MANN macht dabei sogar eine gute Figur, wogegen Frauen mangelnde Führungsqualität vorgeworfen wird, wenn sie diesen Gestus vermissen lassen.
Eigene Erfahrungen: Der Konflikt kommt nicht von außen
Gerne würde ich es sehen wie Susanne, die keinen wesentlichen geschlechtsspezifischen Unterschied in Bezug auf Machtpositionen sieht. Allerdings hab‘ ich selbst erlebt, wie man sich als Frau in dominierenden, mit einiger Entscheidungsmacht ausgestatteten Funktionen vom „weiblichen Imaginären“ entfernt – um es mal andersrum auszudrücken.
Sogenannte „ungeliebte Entscheidungen“ – also solche, die einem Teil der Betroffenen nicht gefallen werden – fallen als Frau viel schwerer. Bzw. man entspricht dann gerade NICHT der weiblichen Geschlechtsrolle, die eben doch mehrheitlich mit Beziehungsfreundlichkeit, Harmonie, Mütterlichkeit, Ausgleich, Fürsorge, Gefühl, Herz etc. assoziiert wird – und nicht mit Härte, Coolness, Konsequenz, Rationalität, Effektivität, Risikobereitschaft etc. Sich gar zu freuen, die Gegner durch geschicktes machtbewusstes Handeln erfolgreich aus dem Feld geschlagen zu haben, steht einer Frau schon gar nicht. Bei Männern wirkt der „We-are-the-Champions-Gestus“ dagegen ganz selbstverständlich.
Bei alledem geht es nicht allein um Rollenerwartungen Anderer, die etwa dauernd vorwurfsvoll heran getragen werden (Mannweib!) oder sich in spezifischer Feindseligkeit, verbunden mit Missachtung äußern: der Konflikt läuft im eigenen Inneren ab – und nicht mal als explizites Frauenthema.
Mich hat zum Beispiel in meinen politisch sehr aktiven Jahren (zwischen 26 und 39) die Frauenfrage gar nicht interessiert und wie ich meinte, auch kaum tangiert. Ich bemerkte nur positiven Support von Seiten grün-alternativer Kreise, die mich gerne eingemeinden wollten: aktive, aktionsfähige Frauen waren genau das Erwünschte, Weiblichkeit ein Bonus. Ein echter Vorteil also gegenüber Männern, die jedoch hinter den Kulissen eine Menge informelle Macht gegen einzelne „unliebsame“ Frauen ausübten (DAS allein war es aber nicht, was mich aus der begonnenen Partei-Karriere aussteigen ließ).
Der Aufstieg der GRÜNEN, das ganze Parteigeschehen tangierte mich nur am Rande: ich war „an der Basis“ aktiv – zunächst als engagierte Hausbesetzerin in einem Sanierungsgebiet, in dem hunderte Wohnungen leer standen, während allgemeine Wohnungsnot herrschte. Das jugendlich-rebellische HulliGulli-Leben in „autonomen Räumen“ genügte mir allerdings nicht: ich mischte bald mit in der Berliner „Häuser-Politik“ und vertrat eine eher sach-orientierte, nicht utopistische stadtteilpolitische „Linie“ innerhalb der sehr verschieden motivierten Besetzerkreise (damals ca. 3000 Leute in Berlin mit ca. 50.000 Unterstützern und viel Anklang in der Bevölkerung).
Schnell und schmerzlich lernte ich dabei die Grenzen der in der Jugend so geschätzten „Basisdemokratie“ kennen. Die Welt wartet nicht, bis sich alle herrschaftsfrei einigen – und wenn mir ein Mikrofon der Abendschau hingehalten wird, kann ich ja nicht erst ein „Plenum“ einberufen, um zu ermitteln, was ich sagen darf. Ich erfuhr zum eigenen Erstaunen, dass ich MACHT ausübe, indem ich „in Vertretung“ der Hausbesetzer meines Stadtteils etwas sage. Es war Freude und Last zugleich und bedeutete eine Menge interne Konflikte, die man stets im Auge behalten und kontinuierlich „bearbeiten“ musste. Da ich aber immer „für die Sache“ und nicht für mich zu agieren meinte, entwickelte ich tatsächlich so etwas wie „bewusste Machtpolitik“, mit der es mir schnell gelang, meinen Einfluss zu festigen und allerlei Ergebnisse auch wirklich zu erreichen.
Während des sich über Jahre hinziehenden Konflikts stieg ich in die örtliche Mietervertretung ein, wurde ein führender „Kopf“, ließ mich in den Vorstand der zwei aktiven Stadtteilvereine wählen und wurde schlussendlich nebenbei auch Parteimitglied (AL, später GRÜNE) und Fraktionsassistentin in Kreuzberg. Es war nun nicht mehr bloß informelle und faktische Macht, die ich ausübte, sondern ich hatte Ämter und ganz offizielle Aufgaben, deren Inhalt ich jedoch weitgehend selbst bestimmte – indem ich mir halt im Einzelfall das Mandat der entsprechenden „Basis“ holte. Reden halten und Mehrheiten finden konnte ich in der Zeit ganz gut! :-)
WIR – das gespaltene ICH und der Alkohol
Sanierung wurde nun mit „uns“ verhandelt, ob ein Eigentümer öffentliche Gelder bekam, hing durchaus auch von „uns“ ab. Wir waren es, die den Mietern sagen konnten: JETZT muss man zugreifen und den Widerstand aufgeben, günstiger und mieterfreundlicher wirds nicht mehr! Daneben bewegten „wir“ alles mit, was so an Stadtteilpolitik anlag: Verkehrsführung u. Beruhigung, Baumaßnahmen auf Straßen und Plätzen, Fördermittel für dies und jenes Projekt und und und.
Zwar war ich von außen betrachtet eine heraus ragende Figur mit durchaus eigenen Ansichten, doch im Selbstverständnis agierte ich immer für ein WIR. Das legitimierte mich auch zu unangenehmen, machtvollen Vorgehensweisen, während deren Ausführung ich innerlich manchmal fast gestorben bin vor Unwohlsein!
Ich musste mit Konsequenzen drohen, ausgrenzen, mit mächtigen Gruppen/Personen außerhalb der offiziellen Meetings mauscheln, die einen Akteure gegen die anderen ausspielen, mich bei Gelegenheit empört geben, wenn mir das Gegenüber doch (aus seiner Sicht) sehr verständlich, ja vielleicht sogar SYMPATHISCH war. Von heute aus gesehen der reine Horror – damals schottete ich mich zunehmend von dieser Wahrnehmung ab, sonst hätte ich ja nicht weiter machen können.
Dass all das auch echte Erfolge „im Sinne der Sache“ zeitigte, half mir zwar, die psychischen Kosten zu ignorieren, doch immer öfter half dabei auch der Alkohol. Es gab ja kein Leben neben all diesen Kämpfen mehr, denn ich war rund um die Uhr stets im Kontext meiner „Ämter“ ansprechbar, insbesondere beim abendlichen Ausspannen in der Kiezkneipe, in der man die Weltverbesserungen von morgen bei weiß-nicht-wieviel Bier mit den – nicht immer untereinander einigen – Mitstreitern so lange diskutierte, bis die „Linie“ wieder klar war. Auch nach offiziellen Meetings in konzentrierter, kämpferischer und sämtliche Interessen innerlich berücksichtigender Kommunikation half allein der Alkohol, endlich wieder in ein etwas friedlicheres Gefühl der Gelassenheit zu kommen. Nur dabei konnte ich mich über die jeweiligen Triumpfe auch „freuen wie ein Mann“.
Irgendwann bemerkte ich, dass ich mich ganz beiläufig in den Alkoholismus gesoffen hatte. Es begann ein langer (zum Glück noch freiwilliger) Rückzug, der fürs Thema dieses Artikels nicht weiter wichtig ist. Er führte mich zu meinem persönlichen Tiefpunkt, an dem ich „mich selber“ als ganze, ungeteilte und nicht gespaltene Person wieder fand. Die hatte ich nämlich völlig vergessen: eine Frau, die tut, was nicht nur aus dem Kopf heraus richtig ist, sondern auch vom Gefühl und inneren Empfinden her stimmt!
Mit Machtpositionen ist ein solcher Mensch allerdings nicht mehr kompatibel – egal, ob als Mann oder als Frau. Insoweit gebe ich Susanne recht, die Männer und Frauen vor denselben Problemen stehen sieht, wenn es um das Ausfüllen machtvoller Ämter und Posten geht. Neben den Freuden des Erfolgs gibt es für Männer allerdings eine weitere machtvolle Unterstützung, um all die psychischen Härten durchzuhalten: Eben das „männliche Imaginäre“, das Antje Schrupp so gut beschreibt. Wer als Mann machtvoll agiert, gewinnt allein deshalb an (männlicher) Statur, wird sozusagen „Super-Mann“ und erringt jede Menge Bewunderung des anderen Geschlechts. Für Frauen existiert nichts vergleichbares, im Gegenteil, ihre Weiblichkeit wird in Zweifel gezogen, je machtbewusster sie agieren. Eine Frau würde auch nie an irgendwelchen Toren der Macht stehen und laut sagen „ich will da rein“ – und schon gar nicht daraus noch ein nettes mediales Anekdötchen stricken, wie Schröder es tun konnte.
Ja, das ist schon ein Unterschied – und wie Antje richtig sagt keiner, den man mittels „Gleichstellungsbemühungen“ angehen könnte!
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26 Kommentare zu „Macht und Geschlecht – Macht und Alkohol“.