Claudia am 10. August 2024 —

Wahlkampf der Gefühle

Eines werde er ihnen (Trump,MAGA,Reps) nie verzeihen, rief Kamalas Vize Tim Walz in die Menge, nämlich, „dass sie versuchen, den USA die Freude zu stehlen! Aber wisst Ihr was? Unser nächster Präsident BRINGT die Freude, Kamala Harris strahlt die Freude aus / erzeugt Freude… „. Frenetischer Applaus.

Ich stehe sicher nicht allein mit der Beobachtung, dass seit der Intronisierung von Kamala Harris als Kandidatin der Dems das Gefühl in den Kampagnen eine Riesenrolle spielt, für viele vielleicht die Hauptrolle. Dazu passt auch die Euphorisierung vieler junger Menschen, die sich nun „voll begeistert“ in den Kampf gegen das Böse einbringen. Es sind aber nicht nur sie, sondern auch ehemalige Trump-Wähler, alte weiße Männer, die z.B. sagen: „Normale Amerikaner wollen nicht ständig nur Hass, Ärger, Angst, Hetze! Deshalb hab ich mich rausgehalten, aber jetzt mal Kamala zugehört: Da gehts anders zu, sie verbreitet Optimismus – und deshalb werde ich sie wählen!“.

(Hier das Video, startend bei der Walz-Aussage).

Ich bin gespannt, wie lange es gelingen wird, weiter auf der positiv-gefühligen Welle zu surfen – vielleicht bis zum Wahlsieg?
Im Krieg der Stimmungen hat Trump auf einmal starke Handycaps: Was immer er gegen Kamala anbringt, wirkt immer nur wie mehr vom Gleichen: Hass, Lügen, Selbstbeweihräucherungen, ärgerliches Beleidigtsein und Schüren der Angst vor einem Wahlsieg der Demokraten, unverhüllte Drohungen – das alles macht schlechte Stimmung! Und dann kommt Kamala, ganz anders, voller Freude und Optimismus, beregnet mit Wahlkampfgeld auch von den vielen neuen Fans, die keine Lust mehr auf schlechte Stimmung haben. Wie wird das ausgehen?

Ich weiß es nicht, das Rennen ist offen, heißt es – und es kann noch viel passieren. Gefühle und Stimmungen sind flüchtig wie das Kapital. Aber man kann sie halten und erneuern, z.B. durch Gemeinschaftserlebnisse, Rituale, Vernetzung, Konzentration und Aktivismus.

Haben wir nicht immer nach einem „anderen Narrativ“ gesucht, dass man den Rechtsaußen und anderen Rückwärtsgewandten entgegen halten könnte? Und dabei nicht daran gedacht, dass es kein Gerede und keine Erzählung, keine Debatte und keine Analyse sein wird, die etwas verändert – sondern ein Gefühl, das punktgenau viele ergreift, so dass es zu einer „Bewegung“ wird („movement for democracy“).

Mich erinnert das an den Spruch aus bewegter Jugendzeit: „Unser Lachen wird euch begraben!“ Schön, wenn es beim Lachen bleibt.

Als Deutsche haben wir verständlicherweise ein kritisches Verhältnis zu euphorischen Begeisterungen im politischen Kontext – das heißt aber nicht, dass „Freude und Optimismus verbreiten“ per se schlecht sein muss. :-) Ich wünsche Frau Harris und ihren Unterstützern jedenfalls gutes Gelingen – und es tut auch gut, mitzubekommen, wie genervt Trump ist.

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Diskussion

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14 Kommentare zu „Wahlkampf der Gefühle“.

  1. Da sind wir in Europa und D vermutlich schlicht räumlich und mental zu „fern“, um das ganze Theater zu verstehen. Das trifft auf das Wahlsystem gleich mit zu.

    Vielleicht liegt das daran, dass die US-Amerikaner da eher zu erreichen sind als die Menschen hierzulande, wobei ich das fernab wirklicher politischer Realitäten stattfindende Gewese auf Comic-Niveau um die Wahlen dort auch irgendwie albern finde. Letzten Endes passiert kurz vorher wieder so etwas wie das Attentat auf Trump und dann ist auf einmal alles anders, von dem ganzen Patent mit Wahlmännern mal ganz abgesehen, wenn nicht Stimmenanzahl entscheidet, sondern wer wieviel bekommt und je nach Vorrang des jeweiligen Bundesstaates dann einbringt.

    Diese eher auf „Gefühlsebene“ stattfindende Wahlkampf ist hier doch auch vorhanden, schaut man sich nur einmal die inhaltslosen Halbsätze auf Wahlplakaten anschaut. Kommt noch das Geblubber in den Talkshows dazu, von dem (zumindest den jeweiligen Politikern) im Reden schon klar ist, dass das Wenigste davon Tatsachengehalt hat bei einer gewonnenen Wahl, dafür aber jedes Phrasenschwein an Überfüttern platzt.

    Dann puschen die Medien jeden Hinrfurz noch durch´s Dach und käsen die Menschheit noch mit Tendenz zunehmenden Umfragen voll, je näher die Wahlen sind. Auch da genügt u.U. ein einzelnes Ereignis, um fix geglaubte Annahmen kippen zu lassen oder auch gerne von Medien hochgeschriebene oder in die ewige Verdammnis verbannte Kandidaten ganz anders dastehen zu lassen. Auf die Politik der nächsten Jahre hat das dann zwar keinen Einfluss mehr, aber für den Moment…

    …angesichts der letzten Jahre hat man ja sowieso den Eindruck, dass Negativreklame und Auffallen um jeden Preis durch Pöbeln und Krawall am besten funktionieren, ob die Aussagen dabei stimmen oder nicht. Ich will auch nicht schon wieder unken, aber ich kann mir gut vorstellen, dass schon zu den Landtagswahlen im Osten die AfD-Kandidaten auf diese Weise nahezu dauerpräsent sind.

    Über den Wahlausgang in den USA wage ich angesichts fehlenden Wissens keine Aussage. Die Demokraten mögen auch wegen eines unberechenbaren Trumps die bessere Wahl für die USA selber sein, ob das 1:1 auf die Weltpolitik übertragen werden kann?! Für das „Kapital“ ist Trump jedenfalls die bessere Wahl.

  2. @Thomas: Ja, was das Verbreiten von „Negativreklame und Auffallen um jeden Preis durch Pöbeln und Krawall “ angeht, da sind bestimmte Parteien hierzulande nahezu genauso dabei wie die Trumpisten. Aber eben nicht, wenns ums Verbreiten von positiven Gefühlen geht, Freude und Optimismus… damit gewinnt man hier weder Wahlen noch auch nur Umfragen!

  3. „Diese eher auf „Gefühlsebene“ stattfindende Wahlkampf ist hier doch auch vorhanden, schaut man sich nur einmal die inhaltslosen Halbsätze auf Wahlplakaten anschaut.“

    Loriot:

    „Der beste Platz für Politiker ist das Wahlplakat. Dort ist er tragbar, geräuschlos und leicht zu entfernen.“

  4. Wir sind ja nicht in Amerika.
    Kamela sah ich mal als taffe Juristin, die Leute vorführte. Zurecht, aber so etwas kommt bei vielen nicht gut an.
    Ihr Vize jetzt macht einen sehr guten Eindruck, ich sah einen Teil seiner ersten Rede.
    Aber wie ich im 1. Satz sagte: Man weiß nicht, wie Amerika wählen wird. Das ist für mich völlig undurchsichtig und auch nicht vorherzusehen.
    Spannend wird es in jedem Fall.

  5. Toller Text, Claudia… und wie schön, dass uns beide parallel dieselben Dinge beschäftigen. Wie du, wundert und begeistert es auch mich, zu welchen Stimmungen und „Bewegungen“ die Amerikaner in der Lage sind. Da sind sie unheimlich flexibel und gehen Massenweise zu politischen Kundgebungen. Soziologen wie Anton Jäger sagen, die organisierten Massenbewegungen im Westen sind vorbei, wir befinden uns in einer unorganisierten Hyperpolitik (alle regen sich auf, verbreiten ihre Meinugen, aber keiner mehr in Parteien). Und das stimmt weitestgehend, aber in den USA sieht man, wie Organisation von Abertausenden Menschen plötzlich doch funktionieren kann. Das kann wirklich nur wie ein geknallter Korken erklärt werden, der dem Druck der schlechten Laune, Agression und Depression nachgibt. Hoffen wir, es ist nachhaltig.

  6. Um Inhalte geht es schon lange nicht mehr – auch hier nicht. Der gemeine Wähler müsste sich neben dem Wahlprogramm ja auch mit dem beschäftigen, was Kandidaten/Parteien in der Vergangenheit geleistet haben. Statt sich solche Mühen zu machen, hört man lieber auf sein Bauchgefühl. Wie schön, wenn das ein positives ist 😉

  7. @alle: herzlichen Dank für eure Kommentare!
    @Gilbert: Deinen umfassenderen Artikel zu den Ereignissen
    Faschismus ist plötzlich „weird“ und „cringe“ hab‘ ich jetzt oben verlinkt!

    Ich verfolge das Geschehen u.a. auf Youtube, wo es Kanäle gibt, die gefühlt alle zwei Stunden ein Video raushauen, in dem Trumps absurde Aktivitäten seziert werden, sowohl die öffentlichen Auftritte als auch das, was er in seinem „Truth Social“ so verzapft. Er scheint wirklich an einem Realitätsverlust zu leiden und ziemlich durch den Wind zu sein, so dass auch einige Republikaner an der „Kampagne“ zweifeln. Leider noch bei weitem nicht genug.

  8. Dazu zwei Überlegungen.
    Einerseits ist in den letzten Jahren und Jahrzehnten alles „gefühliger“ geworden. Wo man früher seine Gefühle unterdrückte, verleugnete, sie als hysterisch oder noch schlimmer bezeichnete/ bezeichnet bekam, wird Gefühlen heute wenigstens ein Platz eingeräumt, auch wenn es immer noch von vielen Menschen belächelt wird. Meine These: würde man heute noch wie bei Hermann Hesse Gefühle unterdrücken, hätten wir bei dem zugenommenen Stress praktisch dauernd größere Ausnahmezustände (Attacken, Attentate, Ausraster etc.) Obwohl, die haben wir ja auch so. Aber einen Teil wird man wohl durchaus durch Gespräche, durch größere Offenheit, mehr Emotionalität noch kanalisieren können. Und die Menschen brauchen diese emotionale Offenheit: es gibt permanent Angst, Sorgen, Bedrückungen und zum Glück gibt es immer mehr Möglichkeiten, dies auch zu zeigen. Ich will sagen: Emotionen gehören dazu, zum Glück.

    Natürlich wird diese Emotionalität auch gleich genutzt, von der Werbung, von der Politik. Und da wird es auch gleich wieder ausgenutzt (von Populisten, von „Lobbyverbänden“).
    Denn Emotionen erreichen mehr Menschen (wir haben immer noch 10% funktionale Analphabeten unter den deutschsprachigen erwachsenen Muttersprachlern!), sie sind auch schön offen (verschwommen, bewusst weit gefasst, nicht fassbar). Und da ist das Andere:

    Die Politik findet gar keine Lösungen mehr auf die heutigen Probleme. Die Probleme sind rational so hochkomplex, Lösungen, wenn es sie denn gibt, sind kaum zu finden/ schwer zu vermitteln. Im Kleinen könnte man noch versuchen, gegen was oder für was anzukämpfen, schon auf Landesebene wird es so wild, dass es kaum jemand mehr nachvollziehen kann.

    Nimmt man mal das Thema Klimawandel, dann verstehen natürlich alle Leute, dass da wahrscheinlich unsere Endzeit auf unszukommt, ein Problem, dass nicht eben mit Mülltrennung und Verzicht aufs Flugzeug zu erreichen ist: das eigentlich nur schwer überhaupt zu erreichen ist, bei dem die Maßnahmen die Menschen überfordern (zu überfordern scheinen) und das einen eigentlich ratlos zurücklässt. (Wie oft habe ich über das Thema diskutiert und am Ende kam irgendwo der ratlose Satz „Ach es ist schrecklich“)

    Und in dieser Ratlosigkeit kommen die Emotionen: starke Personen, strahlendweiße Zähne grinsen, geben „Vertrauen“, „Kraft“, was auch immer. Reißen einen mit, man weiß meistens nicht, wie einem geschieht. Eigentlich sind das nur leere Gesichter, aber die Menschen hoffen halt, dass diese Wunderheiler von heute irgendwas drauf haben, egal wie sie (selbst die Menschen mit extrem wenig Bildung) rational wissen, das dem nicht so ist.

    Es braucht nicht nur Medienkompetenz oder auch Fake-Identifizierungsfähigkeit. Es braucht vermutlich auch Befähigung sich trotz dieser übermannenden Probleme eher selbst darum zu kümmern und nicht (nur) diesen Gesichtern zu vertrauen. Mehr Inhalt wagen, sich selbst mit der Materie auseinandersetzen: weg von den leeren Emotionen, vom feelgood, von der Begeisterung (solange wir noch selbst bestimmen können, wann wir begeistert zu sein haben) wieder hin zu den Fakten. Experten vor, Vertrauen in Experten, nicht in Politiker (auch wenn hinter denen natürlich auch, im Normalfalle, Experten stehen.)

  9. Ich glaube nicht, dass heute alles gefühliger ist oder dass Politik und Wahlkampf früher rationaler waren und weniger auf Zuspitzung und Emotionen setzten.
    Allein eine kurze Durchsicht früherer Wahlplakate zeigt, dass dem nicht so ist.

    https://webarchiv.bundestag.de/archive/2007/0206/blickpunkt/104_Dossier/0506e/0506e007.html

    Und vor 33 sah es auch nicht besser aus:

    https://www.dhm.de/fileadmin/lemo/suche/search/?q=Wahlplakate

    Was sich geändert hat, sind die Medien und die Kommunikationskanäle.

  10. Der Saurier Schwanengesang

    neigt sich die Sonne mit rötlichem Schein
    gen Westen zum Besten sind sie wieder allein
    tiefbassgefiltert der traurig Töne Schweben
    und über den Wipfeln ist Ruh

    in tiefer Ruh liegt um sie her
    der Waffenbrüder Kreis.
    geschlossne Zirkel und der Lüfte Hauch
    flüstert vom Waffengebrauch.

    dahin dahin sind alle Erfolge
    im Gefolge der mächtigen Taten
    gering gering ist alles geraten
    was so vielversprechend begann

    wehe dem fliehenden
    weltweit hinaus Ziehenden
    Ade ihr Bäume ihr Gärten so grün
    Ade oh Sonne so gehst du zur Ruh.

    Ade ihr Sterne, verhüllet euch grau
    Blinzeln durch Löchlein im samtenen Tuch
    im güldenen Käfig gefangener Fluch
    erklingt der Saurier Schwanengesang.

  11. Sorry Ihr Lieben, hatte ein paar Tage gar keine Muse fürs Diary! Aber jetzt

    @Holger: ja, alles ist gefühliger geworden und das ist nicht unbedingt schlecht – kommt halt immer drauf an, zu welchen Gelegenheiten. Manche Situationen sind mit etwas mehr Emotionskontrolle besser zu meistern, auch im Blick auf andere Beteiligte.

    Seit einiger Zeit beobachte ich, dass (vermutlich) jüngere Menschen anstatt „Hast recht“ oder „genau so!“ als Bestätigung „fühl ich!“ posten. Nun ja… :-)

    Zu den Problemen: Ja, stimmt für viele Mega-Probleme, die wir haben, aber nicht für ALLE. Im Detail kann Politik durchaus noch Lösungen finden und macht das ja auch ständig – auch das sind dann wieder Veränderungen, die manche auf die Palme bringen. Die Spaltung der Gesellschaft entlang der Themen Corona/Impfen, Migranten/Asyl, pro und contra Ukraine/Putin etc. reicht ja praktisch überall hin, in jede Gruppe, Partei, Institution, Freundeskreise und Familien.

    @Brendan: Gerade Wahlplakate sind für mich in keiner Weise mehr aussagekräftig in Bezug auf die Gefühlslage der Gesellschaft! Frage mich sowieso, warum man diese überkommenen Rituale nicht einfach beendet, so irrelelvant sind sie.
    Mein Artikel bezog sich z.B. auf die Krassen Gefühlsunterschiede, die von den Wahlkampagnen von Trump und Harrist ausgehen – und die ALS SOLCHE durchaus relevant sind, jedenfalls in den USA, da die Amerikaner ein dauerndes Jammern, Schimpfen und Schlechtreden eigentlich nicht mögen. Sie sehen sich selbst ja eher als die fortgeschrittenste aller Nationen, neigen zum Optimismus und „good vibrations“ – und davon partizipiert jetzt Harris drastisch! So etwas, so denke ich, ist bei unserer traditionell eher kritisch gestimmter Bevölkerung nicht möglich – eigentlich schade!

    @Ingo: ein poetischer Abgesang, richtig schön! :-)

  12. Nun ja, man mag ruhig verschiedener politischer Ansichten sein, aber das „Streiten“ um die Sache an sich mit Argumenten, das scheint immer weniger da zu sein.

    Ich persönlich sähe keinen Grund, den „Trump“ zu wählen – er hat kein Programm, ist gegen die Demokratie und ist im Umgang mit Menschen unmöglich – wobei ich mich frage, warum den jemand wählen kann, da er doch alles und jeden verachtet und nachweislich nur um sein Wohl besorgt ist.

    Ein verurteilter Straftäter gehört ins Gefängnis, nicht ins weiße Haus…

  13. @ Claudia
    Führen die Gefühle einen Wahlkampf? Auch wenn es im Artikel konkretisiert wird, ist die Überschrift falsches Deutsch. Musst es ja nicht freischalten.

  14. @Nila: Es wurde aber schon richtig verstanden, ein Wahlkampf, bei dem unterschiedliche Gefühlslagen die Hauptrolle spielen.
    Nicht gemerkt? Hier werden Kommentare direkt veröffentlicht. Ich lege so wenige Hürden wie möglich in den Weg.