Claudia am 10. Dezember 2024 — 6 Kommentare

Drecksäcke!

Der Schlächter Assad ist weg, welch eine Freude! Und wie wird hierzulande darauf reagiert? Man diskutiert über Abschiebungen und Rückkehraktionen nach Syrien, obwohl es dort noch alles andere als „sicher“ ist. Weil ich es nicht besser ausdrücken könnte, zitiere ich aus dem Blog „Fliegende Bretter“:

„Wer subsidiären Schutz genießt, und das tut die Mehrheit der hier lebenden Syrer:innen, verliert ihn in dem Moment, in dem der Grund dafür entfällt, das ist korrekt. Aber wem an so einem Tag der begründeten Freude, an dem übrigens absolut noch nicht klar ist, wie es in Syrien weitergeht, als erstes „ausweisen!“ einfällt und dass aber jetzt bitteschön alle Syrer gefälligst sofort die Koffer zu packen hätten, offenbart damit ein Ausmaß an Herzenskälte und menschlicher Verkommenheit, die einen auch als einigermaßen erfahrenen, schwer zu überraschenden politischen Beobachter nur mehr sprachlos macht. Von der weitgehend empathiefreien Miesmenschenveranstaltung namens AfD erwartet man nichts anders. Aber diese sauberen, sich, warum auch immer, ‚christlich‘ schimpfenden Bonzen — pfui Deibel!

„Alle, die jetzt anfangen, über Abschiebungen nach Syrien zu reden, sind einfach nur, und entschuldigen Sie die Wortwahl, das sind einfach nur verkommene Drecksäcke.“ (Jan van Aken)


Sehr viele der nach Deutschland Geflüchteten sind mittlerweile gut integriert. Syrische Ärzte und Pflegekräfte sichern das marode Gesundheitssystem, vielerorts kommt der ÖPNV ohne syrische Busfahrer nicht mehr aus. Syrer haben Läden eröffnet, die Kinder sind teils hier geboren und gehen zur Schule oder studieren. Was das mit ihnen macht, wenn diverse Politiker sich jetzt im Wahlkampf mit schnellen Rückführungsforderungen profilieren, daran denken die nicht, das ist ihnen komplett egal!

Wer noch nicht lange hier ist, noch keinen geklärten Aufenthaltsstatus und auch keinen Job hat, wird – so vermute ich – die Rückkehr durchaus in Betracht ziehen, auch ganz freiwillig. Das Übel liegt im Zeitpunkt der „Debatte“, denn von Frieden und Sicherheit kann derzeit noch keine Rede sein! Ich höre in den Nachrichten von Kämpfen zwischen der von der Türkei unterstützten „Syrischen Nationalen Armee“ und der Kurdenmiliz YPG, Israel bombardiert Forschungszentren, Waffenlager, Marine-Schiffe, Flughäfen und Flugzeuge – als wären da nicht überall Menschen! Die USA greifen IS-Stützpunkte an – das mag uns noch am wenigsten stören, aber wie „präzise“ kann ein solches Vorgehen überhaupt sein? Und wie „legal“ ist es eigentlich, dass genau jetzt, wärend die neue Staatsmacht sich erst bilden muss, mal eben äußere Mächte militärische Angriffe unternehmen?

Und in diese Gemengelage sollen nun möglichst viele Syrer so schnell wie möglich zurückkehren? Ich schließe mich der Bewertung von Jan van Aken an: Drecksäcke!

 

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Diskussion

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6 Kommentare zu „Drecksäcke!“.

  1. Da beim Nachbarn schon soviel steht, eröffne ich hier:

    Es ist immer wieder beeindruckend, auf welch unterirdischen Niveau manche Politiker so „reagieren“, wenn sie sich aus einer spontanen und noch gar nicht abzusehenden Entwicklung irgendwo auf der Welt ihr Süppchen kochen, nur um im Rennen um die Plätze beim Anbiedern ganz vorne zu sein. Das denen dabei nichts besseres einfällt, als nach der Flucht von Assad gleich mal alle syrischen Asylbewerber heimschicken zu wollen, spricht Bände. Bei diesen Vollpfosten braucht es nicht einmal die „echten“ Faschisten, wenn sich selbst als „Demokraten“ bezeichnende Politiker bereits wieder die geistige und verbale Drecksarbeit machen!

    Wie geistig arm kann man eigentlich sein?!

    Was sich jetzt in einem weiteren Raum des ohnehin instabilen Nahen Ostens entwickelt bleibt erstmal abzuwarten. Sollte innerhalb der jetzigen Gemengelage das islamistische Moment überwiegen, dann kommen weiter Flüchtlinge aus Syrien, nur eben andere.

    Makabererweise war ja Syrien unter Assad auf eine gewisse Art „stabil“ sogar halbwegs säkular im Vergleich zu anderen Staaten. In einer Zeit zwischen George W. Bush und Obama habe ich tatsächlich angenommen, dass sich der Assad-Clan unter Rückversichern auf ein „faires“ Verfahren ihnen gegenüber auf einen Weg zu freien Wahlen und einem damit verbundenen Abtritt einlässt. Das hat sich leider schnell zerschlagen bzw. hingen diese vielleicht neben ihren dann zu verantwortenden Verbrechen zu sehr an der Macht und im Glauben an die russische Rückversicherung auch daran, dass sie die Gewalt für sich haben.

    Back to topic: Völlig unabhängig davon, ob sich einige, viele oder gar keine syrischen Flüchtlinge hier integriert haben, sind diese vor dem Bürgerkrieg geflohen und die ethnischen Minderheiten oft vor denen, die jetzt gerade zur Macht greifen. Je nachdem, wie andere Beteiligte wie die Türkei oder Israel dort mit intervenieren, ist weiter offen, ob der Bürgerkrieg weiter geht. Angesichts des ohnehin mit einem Krieg und dem Assad-Regime verbundenen Leids mal eben vom Abschieben zu quasseln, sobald die „Fluchtursachen“ weg sind und damit „Deutschland“ entlastet wird, ist nicht einmal mehr ein Treppenwitz, sondern frei nach Hannah Arendt nur noch das Böse, dass sich im banalen Tun solcher Schreibtischtäter zeigt und die mit ihrer Pragraphenreiterei auch nicht weniger Leid verursachen wie die offen brutalen Schlächter, egal ob Faschos, Autokraten oder Diktatoren.

    Wie geistig arm kann man eigentlich sein?!

    Thomas mit „Krawatte“…

  2. Da ja bald Wahl ist sollten diese miesen Figuren aus den Ergebnissen erkennen was die Bevölkerung von ihren Vorschlägen hält.
    Hier paßt der Satz:
    „Im Kern des Bösen ist sein eigener Untergang schon angelegt!“ und welcher unendlichen Heuchelei insbesondere die ‚Christlichen‘ der CDU/CSU fähig sind sieht man nun völlig offen zu Tage zu treten, die Masken sind gefallen.

    Nur als anekdotisches Beispiel, selbst mit-gelebt:
    Eine syrische Familie mit drei Knaben, die Mutter Apothekerin, der Vater Ingenieur, haben es nach Jahren hierher geschafft.
    Die beiden älteren Buben besuchen das Gymnasium, der Kleine noch die Grundschule und alle (!) sind innerhalb eines Jahres in der Lage dem Unterricht besser zu folgen als manche ihrer Klassenkameraden. Die Zeugnisse sind im zweiten Jahr noch besser geworden, der Kleine besucht im Folgejahr auch das Gymnasium. Die Mutter spricht fast akzentfrei Deutsch, der Vater tut sich schwerer – kann sich aber verständlich machen.
    Die Mutter nimmt eine Stelle an der örtlichen Grundschule an, Übermittagsbetreuung, ein Anfang, da sie als Apothekerin noch nicht arbeiten darf.
    Der Vater findet eine Stelle in einer Konstruktionsfirma und lernt dort moderne Software für CAD / CNC und wird nach drei Jahren in Festanstellung übernommen. Sein Deutsch ist jetzt sehr viel besser, aber noch nicht akzentfrei. Die Ehefrau findet schließlich eine Apotheke in der sie hospitieren kann um da die Grundlagen für die Anstellung in ihrem Beruf zu legen.
    Ein Musterbeispiel für gelungene Integration, vielleicht befördert von der Tatsache, daß die Familie keine religiöse Bindung (hatte & ) hat.

    Mir sträuben sich immer die Nackenhaare wenn ich das Gewäsch von Stammtischniveau über *die Ausländer* anhören muß, oft von Menschen, die einen minderen Bildungsstand, schlechteres Benehmen, und weniger Initiative als diese Beispielfamilie haben.

    PS
    Nachricht an Herrn Spahn
    „Ich würde in einem ersten Schritt mal sagen, wir machen Ihnen ein Angebot. Wie wäre es, wenn Sie nach Syrien gehen und dort helfen das Staatswesen demokratisch neu zu errichten?“

  3. Für manches fehlen einem nur noch die Worte. Immerhin ist Advent, allenorts tönt es einem entgegen, man solle doch für die Notleidenden in X und Y spenden, helfen und so weiter, die Tränen fließen – und gleichzeitig heißt es: zurück, aber sofort.
    Was das heißt, in ein vom Krieg zerstörtes Land zurückzukehren, weiß von denen, die da lauthals fordern, doch keiner/ kaum einer. Die wissen nicht mal, wie sich der Alltag im eigenen Land anfühlt, geschweige denn, dort. Zumal viele Menschen von dort auch vor denen geflohen sind, die jetzt, wie immer naiv, als Helden gefeiert werden.

  4. @Thomas/Siewurdengelesen: Toller Rant, volle Zustimmung! Momentan sieht es ja so aus, als könne man tatsächlich hoffen, dass die neuen Machthaber ihren (seit Jahren betriebenen) Image-Wechsel ernst meinen und die verschiedenen Minderheiten „in Frieden lassen“.
    Was Merz (und Söder) angeht: Die glauben wohl immer noch, mit markigen Sprüchen der AFD ein paar Stimmen abjagen zu können – hat bisher jedenfalls nicht geklappt!

    @vws: Grade die Syrer sind im Schnitt gebildeter als andere Flüchtlinge, viele Akademiker darunter und Leute mit Berufen, die man hier echt gut brauchen kann. Danke für das eindrückliche Beispiel!

    @Holger: ja, das „C“ in CDU hat schon lange keine Bedeutung mehr, das sollten sie streichen! Bezügl. des „vom Krieg zerstörten Lands“: Ja, die EU sollte jetzt Kontakt aufnehmen und bei der Entwicklung eines demokratischen Staatswesens helfen, aber ohne Überheblichkeit und natürlich nur, soweit die jetzigen Machthaber es wirklich schaffen, nicht in neue Scharmützel untereinander zu verfallen und Pluralität (die Minderheiten) zu akzeptieren – wie sie es ja angeblich vorhaben.

  5. Tja, war wol nix mit der Hoffnung! Islamisten machen halt, was Islamisten so machen: Frauen aus Richteramt entfernen (meldet ARD-Korrespondentin Natalie Amiri auf Twitter, wird von Tagesschau-Blog übernommen).

    Update: Und gerade gibts öffentliche Hinrichtungen (Assad-Offiziere?), tausende schauen zu… Mittelalter ante portas.

  6. OT: Lasse doch bitte das arme Mittelalter in Ruhe. Das kann nichts für die Zustände in Syrien und so btw. ist die Aussage an sich nicht absolut korrekt.

    Dieser ganze Schmonz mit Hinrichtungen und dergleichen ist eher Mythos als real. Im Übergang zur frühen Neuzeit, die so gerne als Renaissance und Beginn dess humanistischen Zeitalters berufen wird, gab es deutlich mehr Hinrichtungen, Prozesse und Folter u.a. wegen der Hexenprozesse. Das als Hexenhammer bekannte Maleus Maleficarum erschien 1486, da war das Mittelalter (etwa von 500-1500) faktisch vorbei.

    Auch fanden die meisten Strafen nicht alle paar Tage, sondern s.o. eher selten und auch nicht mitten in den Orten als Volksbelustigung statt, sondern es gab eine Gerichtsbarkeit, die verschiedene Stufen hatte, welche Taten überhaupt verhandelt werden durften, und die Hinrichtungsstätten lagen meist weit vor den Städten. Davon zeugen ja solche Ortsbezeichnungen wie Galgenberg. Insofern war das Mittelalter nicht besser oder schlechter als andere Epochen.

    https://www.wissenschaft.de/magazin/damals-vorschau/das-unterschaetzte-mittelalter/

    Auch bei Frauenrechten ist das Mittelalter nicht besser oder schlechter wie andere Zeitalter. Die meines Wissens im europäischen Raum nahezu einzige Ausnahme waren die Etrusker, die dann im römischen Reich qua Assimilieren aufgegangen sind und die sogar eine Art föderales Staatswesen hatten.

    https://de.wikipedia.org/wiki/Etrusker

    https://www.wissenschaft.de/magazin/weitere-themen/lebensfroh-trotz-gleichberechtigung/

    https://historisches-museum-hellental.de/hochkultur-der-etrusker-ras-en-na.html

    Ob sich das Geschlechterverhältnis dort tatsächlich nach heutigen Maßstäben als gleichberechtigt definieren lässt, steht noch im Raum, aber es war eben die Ausnahme.

    Wollte ich mal losgeworden sein;-)

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