Claudia am 16. Dezember 2024 — 9 Kommentare

Dinge loswerden: Mehr als ein Aufräumproblem

„Besitzen wir die Dinge – oder besitzen sie uns? Warum häufen wir so viel an und warum fällt es uns oft so schwer, uns von Dingen zu trennen?“ Der Frage geht Elke Brüns in ihrem Buch „Dinge“ nach, das Claudia Kilian in ihrem Blog Sammelmappe gerühmt hat:

„Elke Brüns beschreibt in ihrem Buch sehr präzise und nachdrücklich, wie die Dinge in unser Leben kommen, wie sie uns begleiten, und zum Schluss erklärt sie auch, was es mit den letzten Dingen auf sich hat und warum unser Umgang mit der Vergänglichkeit sich in den Dingen und dem Loslassen der Dinge widerspiegelt. Das Buch ist also kein Aufräumratgeber. Es ist ein Essay, der von unserer Menschlichkeit und unserer Vergänglichkeit handelt. „Dinge geleiten uns in und durch das Leben – und auch wieder hinaus.“

Dinge loslassen? Für mich doch kein Problem! So dachte ich lange, weil ich im Lauf meines Erwachsenenlebens immerhin 11 Umzüge mit immer weniger „Ballast“ hinter mich gebracht hatte. Abgesehen von ein paar (wenigen) Möbeln bin ich 2003 in die jetzige Wohnung mir recht wenig Krimskrams eingezogen:

wenig Umszugslast

Ich war glatt ein wenig stolz auf mich, weil ich es geschafft hatte, mich auch von sentimental besetzten physischen Dingen zu trennen: Alte Liebesbriefe, viele (Papier-)Fotos und Negative, ausgedruckte eigene Texte aus verschiedenen Kreativ-Schreiben-Kursen, Klamotten und Bücher sowieso.

Aber es kam anders als gedacht: Die neu angeschafften Regale füllten sich schnell auf, die Übersichtlichkeit der ersten Zeit in der neuen Wohnung hat sich nicht gehalten und die Idee, täglich 20 Minuten aufzuräumen, hab‘ ich nicht lange durchgehalten! Immerhin konnte ich viele Ordner entsorgen, die nicht mehr der Aufbewahrungspflicht unterliegen und den zweiten Ablagetisch neben dem Schreibtisch abschaffen. Dennoch stauen sich in Schubladen, auf Regalbrettern und in Aktenunterschränken noch immer jede Menge Dinge, die ich nie auch nur anfasse – warum sind sie also noch da?

Weil ich mich eben nicht trennen konnte, bzw. das Aufräumen, Sortieren und Entsorgen vor mir her schiebe! Nicht, weil es Arbeit macht, sondern weil es mich vor unzählige kleine Entscheidungen stellt: Wohin jetzt mit diesem hübschen teuren Notizblock, den mir mal jemand geschenkt hat? Das sündhaft teure Fotopapier für den entsorgten Farbdrucker?  Die alten DigiCams, die ich nicht mehr nutze, seit es das Handy tut? Die „PC-Ordner“ mit den Begleitpapieren und Materialien zum jeweils neuen PC? Die „wertig“ wirkenden ungenutzen Kabel und Ladegeräte aller Art? Die Super-8 Filme von meinem lange verstorbenen Vater, einschließlich Vorführgerät? Die Datensicherungen auf CDs bis zurück in die 90ger? Musik-CDs, die ich nie abspiele? Zelt und Luftmatratze könnten wirklich weg wie so vieles, denn ich werde gewiss nicht mehr zelten!

Mit all dem weitgehend ungeordnetem Kram fühle ich mich zunehmend unwohl, weil ich z.B. daran denke, dass mein (jüngerer) Liebster mit alledem umgehen muss, wenn ich mal plötzlich den Abgang mache! Gerne hätte ich einen reduzierten Haushalt, der sehr übersichtlich nur noch die Dinge enthält, die ich wirklich nutze. Auch das „Digitale“ in meinem PC erfordert diese Übersicht eigentlich dringend, die ganzen Accounts und Verträge etc.! Aber das ist ein extra Thema, das kommt erst noch, jetzt will ich erstmal „physisch“ reduzieren, wie schon so oft!

Vielleicht kaufe ich mir doch das Buch von Elke Brüns (hier eine Leseprobe, PDF), denn es scheint wirklich kein reines „Aufräumproblem“ zu sein. Sortieren, aufräumen, entsorgen – im vorgerückten Alter ist das eine Konfrontation mit der eigenen Vergänglichkeit. Ich weiß jetzt, dass ich vieles WIRKLICH nicht mehr brauchen werde, weil nicht mehr so viel Zeit bleibt, in der sich – theoretisch – alles ändern könnte, sodass ich dies oder jenes nochmal nutzen wollen würde. Man sollte meinen, dass das Aufräumen dadurch erleichtert wird, aber ich empfinde es nicht so. Warum?

Besonders deutlich wird mir der mögliche Grund anhand der alten Sicherungs-CDs. Da sind Daten drauf, die ich nicht mehr auf dem PC halte, Webwerke aus den 90gern, Kundenprojekte – eigentlich fürs Heute garantiert unwichtig, warum habe ich sie also noch bei keiner Aufräumaktion entsorgt? Ich vermute: Weil sie eine Vergangenheit repräsentieren, auf die ich dann keinen Zugriff mehr hätte. Ich hätte keine Chance mehr, mich an all das nochmal zu erinnern, es wäre wirklich weg.

Aber jetzt reichts! Zumindest diese CDs werde ich noch heute vernichten und so das Loslassen üben. Und vielleicht geht ja allerlei Anderes noch mit, wenn ich schon mal dabei bin. Irgendwann müssen wir sowieso alles loslassen – und je besser wir das schaffen, desto friedlicher können wir sterben. So berichtet es jedenfalls der Neuropsychiater Peter Fenwick im Interview (dazu ab Min 49:30). Mich würde glatt interessieren, wie er (am 22.11.24) gestorben ist, hoffentlich friedlich.

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Diskussion

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9 Kommentare zu „Dinge loswerden: Mehr als ein Aufräumproblem“.

  1. Oh, das kommt mir so bekannt vor!
    Der Kabelsalat in 2 Boxen, die ganzen Unterlagen, alte Kunstwerke, alte PCs mit alten Daten … oder auch Sachen, die man mal ausprobieren wollte wie Fotobox, Makramee, Kerzengießen (wobei ich das ja 1x gemacht habe xD). Es fehlt ja nicht nur fürs Aufräumen die Zeit ^^;;

    Eine Handvoll Sicherungs-CDs habe ich aber tatsächlich schon für den nächsten Gang zum Recyclinghof bereitgelegt.

  2. Mein ehemaliger Umgang mit Videokassetten und Zeichnungen. Das ist alles aufgeräumt, vor etwa 7 Jahren schon.
    Ich besitze nur noch ein Verzeichnis der Aufnahmen, also der Inhalte, die mich interessiert hatten – vor zig Jahren.
    Meine Zeichnungen hatte ich in 3- 5 Läufen durchforstet und 70 % davon mind. entsorgt.
    Meine 4000 CDs lasse ich so stehen, sie schmücken meine Wohnung und geben mir Hinweise auf Künstler, die ich intensiv verfolgt hatte.

    Ausstellungskataloge kaufe ich schon lange nicht mehr, auch aus Gründen der Unterbringung.
    Bücher hatte ich schon Anfang des Jahres teilentsorgt, in öffentlichen „Telefonzellen“.
    Meine Keramik werfe ich nicht weg, wenn auch manche Stücke nicht mehr ganz meinem Stand entsprechen.
    Meine Insektenfotos (etwa 500.000) habe ich teilentsorgt, also nur noch Extrakte davon übrig.
    Bin ganz stolz, übers ganze Jahr 2024 Insekten fotografiert und bestimmt zu haben. Obwohl ich kaum woanders hinreise, sind örtlich gut 1500 Entdeckungen zu verzeichnen gewesen.
    Vorgestern hatte ich einem Freund erzählt, daß ich alle Turnierberichte im Schach schon vor über 20 Jahren restlos weggeworfen habe. Mich interessieren meine Erfolge da nicht mehr und andere erst recht nicht. Als Remineszenz an diese Zeit habe ich nur noch 2 Pokale im Wohnzimmer stehen.

    Ich glaube, das war alles

  3. Komischerweise habe ich da weniger ein Problem – obwohl ich durchaus manche Dinge sammle – Einhörner, altes Porzellan… *hüstel*. Aber mit drei Tauschbörsen, öffentlichen Bücherregalen und auch Sozialkaufhäusern ist vieles doch weniger geworden. Meine Regel ist: fünf bis zehn Dinge müssen das Haus verlassen, dafür darf eines rein. Klappt nicht immer, aber öfter.
    Schwierig ist es mit emotionalen Dingen – ich habe beispielsweise noch immer den Sattel meines Ponys, das vor acht Jahren verstorben ist. Den kann ich nicht weggeben.

  4. Bei mir sind es die Bücher und die Aufzeichnungen, da versuche ich schon alles zu sichten, abzutippen, zu kopieren etc. Aber weggeben fällt sehr schwer.

  5. Update: Die letzten 2 Stunden hab ich nun wirklich damit zugebracht, alte CDs mit Datensicherungen, alten Fotos (die wichtigen sind auf dem PC) und Musik zu entsorgen. Es fällt mir wirklich schwer, meine Laune kippt dabei in den Keller, nicht nur wegen der vielen kleinen Entscheidungen (wirklich weg? Na los, trenn dich!), sondern auch, weil ich in den Regalen auf noch viel mehr „Krempl“ treffe, der sortiert oder entsorgt gehört. Ich bin einfach „schlecht organisiert“ – und werde mir wohl für die große Schublade am Scheibtischunterschrank, brechend voll mit Kleinkram, erst irgendwelche Schubladenordner zuzulegen. Bin jetzt einfach erschöpft!

  6. @Gerhard: wirklich tolle Leistung, du bist Entsorgungs-Champion, zumindest in einigen Bereichen. Und wow, so viele Insektenfotos!
    Von CDs hab ich mich jetzt zum Glück fast ganz getrennt, Musik-CDs sind komplett weg, ich höre eh nur noch online…

    @Holly: Glückwunsch, auch zur guten Idee „5 raus, 1 rein“!

    @Holger: Wirst du diese Aufzeichnungen wirklich jemals wieder benötigen? Sowas frage ich mich bei Dingen, an denen ich irgendwie hänge – und wenn dann 5 und mehr Jahre ins Land gegangen sind, kann ich mir nicht mehr vormachen, ich bräuchte das noch irgendwie.

  7. @Claudia,
    das ist eine Sache, die ich mich auch immer wieder frage. Aber da hängen so viele Erinnerungen dran. Aber ja: manchmal ist es völlig doppelt/ sinnlos. Aber das definitiv zu entscheiden traue ich mich nicht, also versuche ich es zu tippen. Aus rund 10 bis 15 Blatt handgeschriebenen Notizen wird so 1 Blatt (vorne/ hinten, 11 Punkt) Zumindest der, der es einst wegschmeissen wird, hat dann weniger zu tun. ;)

  8. Ich habe vor Jahren immer mal ausgemistet, einschließlich Deko, Bücher, CDs etc. Ich vermisse nichts. Erinnerungen behalte ich im Kopf, bis sie schwächer werden und fast ganz verschwinden. Aktuellere Fotos habe ich im Smartphone.

  9. Wir besitzen auch Dinge und haben Dinge. Dinge, die ich gerne anschaue, gerne um mich habe und Dinge, die wir einfach nicht wegsortiert bekommen. Papiere, aussortiertes Spielzeug… es mangelt an Zeit es zu verkaufen oder weg zu schaffen. Papierberge… es nervt mich. Und jedes Mal, wenn ich etwas doch mal entsorge, fühlt es sich ein Stückchen leichter an…

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