Es liegt in der Macht eines Schreibenden, einem Wort eine neue, ureigene Bedeutung zu geben, die vom allgemeinen Verständnis deutlich abweicht. Thinkabout hatte sich so ganz eigene Tagebuchgedanken zur Entfremdung gemacht, woraufhin er zu einem Interview-Gespräch ‚rund um sein „fremdeln“ eingeladen wurde. Den ungeschnittenen Podcast hab‘ ich mir grade auf rebell.tv angehört.
Normalerweise höre ich kaum Podcasts und schaue nur wenige Videos: einen Text kann ich viel schneller erfassen und meine Aufnahmegeschwindigkeit selbst bestimmen. Wogegen mich zuhören und zusehen dem Timing der Akteure ausliefert, wofür mir oft genug die nötige Hingabebereitschaft fehlt.
Anders, wenn ich den Interviewten kenne – und sei es „nur“ als Blogger bzw. Autor, der seine Gedanken mit der Welt teilt. Da riskier ich schon mal ein wenig Lebenszeit und lasse mich nicht mal von minutenlangen Veranstaltungsgeräuschen & Plaudereien abhalten, die man mit Gewinn vom Anfang hätte wegschneiden können. Wenn es dann auch noch Schweizer sind, die miteinander reden, fällt es nochmal leichter: dieser Sound gemäßigten Schwitzerdütschs ist mir an sich schon ein Genuss. Viele gewichtige Themen erscheinen mir in diesem Sprachgewand „leichter“ – eigentlich seltsam!
Inhaltlich fand ich das Gespräch inspirierend und bezüglich meiner aktuellen Sinnkrise in Sachen Bloggen auch beruhigend. Es ist schön, jemandem zuzuhören, der darin aufgeht, bloggend Fragen zu formulieren und Denkanstöße zu geben, der sich also gerade nicht darin verstrickt, allzu viel nach der Nützlichkeit dieses Tuns zu fragen.
Entschleunigtes Leben
Entfremdung ist für Thinkabout ein Erleben, das einsetzte, nachdem er seinen Brotjob auf 40% reduziert und mit dem intensiven Bloggen begonnen hat. Er führt seitdem ein „entschleunigteres“ Leben, das mehr seinem persönlichen Wertempfinden entspricht – Geld, Karriere, Status etc. sind nicht mehr wichtig. Dabei macht er die Erfahrung, dass er von anderen beneidet wird, die vordergründig gerne auch so leben würden. Oft genug aber stellt sich beim Nachfragen heraus: Viele Menschen KÖNNTEN durchaus auch so „halb aussteigen“ – es wollen aber tatsächlich nur wenige.
Und so wird diese Welt und die Menschen, die all das, unter dem sie so vielfältig zu leiden scheinen, dennoch weiter betreiben und befördern, für Thinkabout immer fremder. Es macht ihn aber nicht zum isolierten Eigenbrötler oder verbitterten Misanthopen. In seinen Texten schwingt immer Anteilnahme mit, ein Verstehen sämtlicher Verstrickungen ins vermeintlich Alternativlose, das heute so viele im Griff hält.
Im Interview ist das nur ein Thema unter mehreren. Das Selbstverständnis als Blogger, das Schreiben, auch in experimenteller Form, das „Gewand der Sprache“ und vieles mehr wird angetippt. Eine gefühlte halbe Stunde, die sich für mich gelohnt hat!
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6 Kommentare zu „Entfremdung – mal anders“.