In den Medien wird vor allem die marginale Erhöhung des Regelsatzes der Hartz-IV-Leistungen diskutiert, doch die echten Klopper verbergen sich im Kleingedruckten. Wie die TAZ berichtet, soll es für eine Sanktion in Zukunft ausreichen, dass der Betroffene „von ihr Kenntnis erlangt“. Sprich: es braucht kein offizielles Schreiben mehr, wenn Leistungen gekürzt werden.
Hier der entsprechende Absatz aus der TAZ:
Als „eines Rechtsstaates unwürdig“ bezeichnet Markus Kurth, sozialpolitischer Sprecher der Grünen-Bundestagsfraktion, zudem die Vorgabe, dass Arbeitslose künftig nicht mehr schriftlich über mögliche Sanktionen informiert werden müssen. Es soll schlichtweg ausreichen, dass der Betroffene „Kenntnis“ davon hat. Wie er diese „Kenntnis“ erwirbt – ob durch eigenständige Recherche oder weil der Jobcentermitarbeiter es in einem Halbsatz erwähnt -, bleibt der individuellen Interpretation überlassen.
Das ist nicht nur „eines Rechtsstaats unwürdig“, das verlässt den Boden des Rechtsstaates in einem Riesenschritt (wenn es denn so stimmt). Denn wie soll jemand bittschön gegen eine Kürzung Widerspruch einlegen oder gar dagegen klagen, wenn er nicht mal einen schriftlichen Bescheid darüber bekommt?
Eine Sanktion, die den Bezug der Regelleistungen kürzt, ist ein VERWALTUNGSAKT, für den (bisher) ganz konkrete Formvorschriften gelten. Und zwar genau deshalb, damit man sich mit rechtsstaatlichen Mitteln dagegen wehren kann:
„Rechtsbehelf gegen Hartz IV Sanktionen: Sanktionen, die zur Kürzung oder zum völligen Ausschluss der Regelbezüge führen, greifen in die Rechte des Leistungsempfängers ein und bedürfen daher immer der Schriftform. Daher ergehen sie als schriftlicher Bescheid (Verwaltungsakt), der dem ALG II-Bezieher zuzustellen ist und mit einer Rechtsbehelfsbelehrung versehen sein muss. Der Leistungsempfänger kann gegen die behördliche Entscheidung innerhalb eines Monats nach Bekanntgabe schriftlich bei dem Leistungsträger, der den Bescheid erlassen hat, Widerspruch einlegen. Den Widerspruch kann er auch einlegen, indem er ihn persönlich beim Leistungsträger zu Protokoll gibt.“
(bafoeg-aktuell.de)
Und DAS wollen sie also mit der Gesetzesnovelle so nebenbei aushebeln?? Ich fasse es nicht!
Wenn das durch geht, ist Deutschland tatsächlich nicht mehr als Rechtsstaat zu bezeichnen! (und damit meine ich nicht einen „gerechten Staat“, sondern den Rechtsstaat im Sinne des bisher gültigen Selbstverständnisses deutscher Staatsorgane und der Politik).
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47 Kommentare zu „Hartz-IV: Und tschüss Rechtsstaat!“.