Auch dieses Phänomen hat heutzutage einen beeindruckenden Fremdwort-Namen: Prokrastination macht einfach mehr her als Label für die allgemein verbreitete Manier, ungeliebte Arbeiten bis zur Kante des Geht-nicht-mehr aufzuschieben. Und sich statt dessen mit IRGENDWAS anderem zu befassen.
Das können die bekannten Kritzeleien am Rande des Papiers sein, sofern man noch gelegentlich auf Papier schreibt. Da ich das kaum noch mache, ist es das Netz, das ja so viel Wichtigeres zu bieten hat: nur eben nochmal kurz auf Rivva gucken oder bei SPON lesen, was es Neues gibt. Mails beantworten ist natürlich auch unaufschiebbar und muss schnell noch vorgezogen werden. Und wenn ich mir dann gar nicht mehr vormachen kann, dass es am Monitor noch etwas zu tun gäbe, das das Aufschieben des Anstehenden rechtfertigt, gehe ich halt erstmal in die Küche.
Ein neuer Kaffee ist immer nützlich, wie soll man denn ohne genug Kaffee-Vorrat größere Werke vollbringen? Da kann ich ja gleich auch noch ein bisschen Geschirr wegspühlen, das da noch rum steht. Und die Klamotten vom Wäscheständer nehmen, sind ja lange trocken. Hach, soviel Ordnung war nie…
Zurück am Schreibtisch. Mit einem nassen Lappen putze ich die Arbeitsfläche, bzw. deren erreichbaren Teil. Auf dem Rest stapelt sich das zu Sortierende, weitere „Dünen“ aus ungeordneten Papieren warten im Regal und im Drucker-Ausgabefach. Was ansteht, heißt „Steuer 2009“ und wird letztlich ein dicker, wohl geordneter Aktenordner sein, den ich morgen nachmittag bei der Steuerberaterin abgeben werde. (Der Link ist eine schuldbewusste „nette Geste“, weil ich den Termin schon zweimal verschoben habe).
Bis zum Jahresende muss – so die Gepflogenheiten bei vielen Steurberatern – das aus den Ordnerunterlagen resultierende Werk beim Finanzamt sein. Klappt natürlich nicht, wenn alle Klienten erst kurz vor Jahresende abgeben. Also gibt es Mahnbriefe mitten im Jahr – sehr sinnvoll, ich habe selbst dazu geraten!
Aber Vernunft hat mit dieser Aufschieberitis ja eher wenig zu tun. Es ist völlig irre, sich wegen so einer Arbeit, die bei konsequenter Durchführung halt mal ein paar Stunden dauert, so einen Kopf zu machen! Jedes Jahr bin ich danach sehr erleichtert und verstehe einfach nicht, was eigentlich das Problem war. Schließlich arbeite ich auch sonst mal mehrere Stunden am Stück an einer Sache, die ich nicht wirklich mag. Und „nicht mögen“ stimmt nicht mal: es ist ja richtig angenehm, mal wieder „die große Ordnung“ herzustellen und dann wieder den totalen Überblick zu haben. Gleich werde ich damit beginnen, der Schreibtisch, der Esstisch und der Fußboden wird mit Sortierstapeln übersäht sein. Ich werde dazwischen herum tänzeln und hier und da einen weiteren Post-Beleg, eine „eigene Rechnung“, ein Behördenschreiben, einen Fahrschein, einen Konto-Auszug einsortieren. Ich werde mich am alten Ordner orientieren, damit ich keine Kosten-Kategorie vergesse – und werde Zahlungen, die ich nicht mehr zuordnen kann, mittels des Mailprogramms dann doch definieren können. Alles kein Problem, alles wie gehabt. Und doch fühl ich mich wie von der Schlafkrankheit befallen, wenn ich dran denke, jetzt wirklich wirklich anfangen zu müssen!
Alles Andere „Wichtige“ ist getan. Alle Kunden sind bedient, die Rechnungen raus geschickt. Eigenarbeiten sind (WIRKLICH!!!!) komplett auf „danach“ vertagt. Nicht einen Handschlag mach ich mehr, der nicht „Steuer 2009“ dient. Noch 30 Stunden bis zur Abgabe – eigentlich ja eine recht lange Zeit! Und wenn es gar nicht klappen sollte, fällt die Welt auch nicht ein, wenn ich den Ordner erst am Donnerstag hin bringe…
Nix da! Morgen ist Schicht im Schacht! Und auch dieser Diary-Beitrag, letzte Ausflucht vor dem Start, ist jetzt ZU ENDE!!! Kein Wort wird man von mir mehr lesen, nicht hier und nicht anderswo, bis dieser verdammte Ordner abgegeben ist.
WIRKLICH NICHT!!!!!!!!!!!!!!!!!!!
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4 Kommentare zu „Akute Aufschieberitis: Prokrastination“.