Dass das Private politisch und die Liebe frei sei, das erfuhr ich mit 14 von Rainer Langhans und seiner Kommune 1. Die Avantgarde der 68er Kulturrevolution ließ sich nackt fotografieren und zeigte dem deutschen Spießertum ihre attraktiven Hintern – und mir hat das verdammt gut gefallen!
Obwohl viel zu jung, um irgendwo in der „Bewegung“ mitzumischen, erfasste uns Teenys der revolutionäre Schwung: der Zeitgeist änderte sich, die Eltern waren fassungslos, die Lehrer plötzlich willig, „zu diskutieren“. Wir kleideten uns freizügig bis provozierend, mischten uns nachmittags unter die „Gammler“ im Stadtpark und rauchten dort unsere ersten Joints. Die Schilder mit dem damals üblichen „Rasen betreten verboten“ wurden abgeräumt. Was für eine tolle Zeit!
Ikone der Bewegung – gestrandet im Kakerlaken-Sarg
Bewundernd schauten wir auf zu den fernen „großen Geistern“ der Revolution: nicht die explizit politischen Köpfe der Studentenbewegung mit ihren schwierigen Theoriedebatten faszinierten uns, sondern die bunt gekleideten Hippies, die Aussteiger und Weltreisenden, die gar nicht mehr braven Rock-Gruppen und eben auch Langhans & Co. Toll, was die sich alle trauten!!
Dann, 42 Jahre später im Januar 2011: Rainer Langhans als Dschungelcamp-Insasse? Du lieber Himmel!!! Ich hatte vor Jahren mal genau 10 Minuten in diese unterirdische Veranstaltung ‚rein geschaut und mich mit Grausen abgewendet. Öffentlich zelebrierter Sadismus mit willigen C-Promis als Opfern… ihhhhh!!!
Jetzt aber hat mich RTL als „erweiterte Zielgruppe“ doch glatt erwischt. Wie sich Rainer Langhans dort aufführen würde, wollte ich sehen. Angeblich sucht er ja ein neues Kommune-Erlebnis und braucht wohl auch Geld. Dass er nie einer geregelten Arbeit nachgegangen war, hatte ihn mir zwar immer sympathisch gemacht, doch dass er sich nun für ein fürstliches Honorar zum Maden&Kakerlaken-Marathon bereit fand, verstörte mich glatt ein wenig.
Umso angenehmer fand ich dann seine ersten Auftritte. Für seine 70plus sieht er noch richtig gut aus und verkörpert noch immer den „Typ“, der mir damals ’68 so gut gefallen hatte. Ein Stück weit gab er den „alten Weisen“, empfand das Camp-Geschehen als „Kindergarten“ (richtig!) und das Bad im Kakerlaken-Sarg tangierte den erfahrenen Meditierer sichtlich wenig.
Sterben bei RTL?
Unter verschärften Bedingungen konnte er es zunächst ganz gut vermeiden, sich für Geld total zum Affen zu machen – bis gestern! Anscheinend hat er gemerkt, dass ein weitestmöglich vernünftiges Verhalten ihn die Gunst der Zuschauer kosten würde. Also fährt er jetzt „großes Geschütz“ auf: Er fastet und will sich „aufs Sterben vorbereiten“. Wünscht sich ein „Nahtod-Erlebnis“ und ist angeblich schon zu schwach, um noch irgendwelche Camp-Arbeiten zu leisten – sowas wie aufs Feuer aufpassen, Holz holen etc.
Prompt machen sich die restlichen Insassen große Sorgen und es wird gar diskutiert, ob RTL „eingreifen“ müsse, damit Langhans nicht zu Schaden kommt.
Tja, das war’s dann mit meiner Sympathie. Eigentlich hatte ich mir ja gewünscht, dass der eine oder andere Teilnehmer auf irgend eine Weise den Rahmen der Sendung sprengen würde – nun aber sehe ich, dass das gar nicht geht. Jedenfalls nicht SO! Man kann Tod und Sterben in einer kollektiven Kindergarten-Inszenierung nicht sinnvoll thematisieren – das sollte der „Medienarbeiter“ Langhans im vorgerückten Alter eigentlich wissen.
Statt dessen macht er sich nun doch zum Affen. Schade! Die 50.000 hätte er auch ohne derlei Sperenzchen bekommen. Doch die Eigendynamik der Veranstaltung hat ihn voll erwischt: Aufmerksamkeit heischen um jeden Preis, zur Not mit einem pseudo-gefährlichen „Hungerstreik“.
Und das klappt sogar, auch bei mir. Ich schalte ein, guck mir das ganze Elend an und schreibe drüber.
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17 Kommentare zu „Im Dschungelcamp sterben? Wie Rainer Langhans sich doch noch zum Affen macht. Oder doch nicht?“.