In Sachen Ausstieg aus der Atomkraft und Umbau in Richtung erneuerbare Energien hab‘ ich schon öfter mal gedacht: Warum macht man sowas eigentlich nicht zur großen gesellschaftlichen Aufgabe?
In Zeiten des Internets wäre es doch machbar, die verschiedenen Handlungsfelder mit „potenziell allen“ zu diskutieren und zu organisieren: den Aufbau dezentraler Energie-Erzeuger ebenso wie den erforderlichen Netzausbau, vor allem aber die unzähligen Möglichkeiten, Energie einzusparen. Informationskampagnen, bereichert durch „Schwarm-Intelligenz“, Communities, Anreiz-Systeme und vieles mehr wären denkbar – warum passiert das nicht? Warum bleibt die Diskussion im Wesentlichen in der althergebrachten Form „Bürger fordern, Politiker antworten“ stecken?
Könnte man „die Bevölkerung“ nicht so weitgehend in die Umsetzung der Ziele einbinden, dass Argumente wie „aber der Strom muss bezahlbar bleiben“ kein Totschlagsargument mehr sind? Weil eben dann genug Leute ihren Stromverbrauch deutlich senken und auch mal bereit sind, für Energie mehr zu bezahlen, wenn „der Umbau“ nicht anders zu haben ist?
Viele fordern mehr direkte Demokratie, ich auch. Natürlich müsste eine solche Mega-Kampagne abgestimmt werden – der Souverän, das Volk, müsste sich KONKRET dazu äußern, ob es das will: als gemeinsame Anstrengung, nicht als etwas, das „von oben“ serviert wird, weil man es bestellt hat – um dann zu meckern, dass die Suppe doch nicht so gut schmeckt wie gedacht.
Nihilismus: jeder macht seins und will in Ruhe gelassen werden
Auf die Idee zu diesem Beitrag brachte mich ein Artikel im FREITAG: Die Welt danach -Atomkraft überwinden, das hieße, die Abkehr vom Geldverdienen als Endzweck. Michael Jäger geht der Frage nach, warum ein Ereignis wie „Fukushima“ heute nicht mehr im Stande ist, „einen Diskurs zu widerlegen“ – nämlich so, wie etwa das Erdbeben von Lissabon 1755 einen solchen wiederlegt hat. Danach mochte niemand mehr daran glauben, was zuvor herrschende Meinung war: dass die Natur moralisch sei, auch wenn wir nicht immer erkennen könnten, was im katastrophischen Einzelfall „das Gute“ ist.
Abgelöst wurde das alte Denken durch den Kampf gegen die morallose Natur, wie ihn der deutsche Philosoph Fichte dann ausformulierte (zitiert nach „Freitag“):
„„All jene […] verwüstenden Orkane, jene Erdbeben, jene Vulkane können nichts anderes sein, denn das letzte Sträuben der wilden Masse gegen den gesetzmäßig fortschreitenden, belebenden und zweckmäßigen Gang […] – nichts, denn die letzten erschütternden Striche der sich erst vollendenden Ausbildung unseres Erdballes“. Die Wissenschaft, eine „durch ihre Erfindungen bewaffnete menschliche Kraft“, soll „eindringen“ in die Gesetze der Natur und sie „ohne Mühe […] beherrschen“. Es soll „allmählich keines größern Aufwandes an mechanischer Arbeit bedürfen, […] und diese Arbeit soll aufhören Last zu sein; – denn das vernünftige Wesen ist nicht zum Lastträger bestimmt.““
Diese Sicht der Dinge wirke im kollektiven Unbewussten fort, sei aber als bewusste Zielbestimmung längst in Vergessenheit geraten, meint Jäger. Denn:
„Ein Dreivierteljahrhundert später diagnostizierte ein anderer Philosoph, Friedrich Nietzsche, den „Nihilismus“, von dem Europas Kultur ergriffen werde. Nihilismus ist das Verschwinden von Zielen und Bestimmungen. Man lebt nur noch, um zu überleben. Diese Situation, von Nietzsche nur erst erahnt, ist sie nicht inzwischen eingetreten?
Lasst uns Geld verdienen, denn morgen sind wir tot – wenn das alles ist, was wir noch wollen, dann gibt es nichts mehr, was selbst durch eine Kernschmelze widerlegt werden könnte. Das Erdbeben verachten wir als „Sträuben der wilden Masse“, bemerken es aber gar nicht mehr. Eine Strategie wird also gebraucht, die den Diskurs wieder bewusst macht, der Arbeit, Bestimmung des Menschen und Krieg gegen die Natur verknüpft, damit man ihn widerlegen kann.“
Mir gefällt an diesem Gedankengang, dass er eben nicht fatalistisch auf „die Kapitallogik“ abhebt, die unsere Welt so „alternativlos“ aussehen lässt. Sondern dieses Kapitallogik aus Auswuchs eines in Vergessenheit geratenen Diskurses ansieht, den man auch wieder aufnehmen kann – und umsteuern.
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8 Kommentare zu „Geld verdienen als Endzweck? Oder könnte es andere gemeinsame Ziele geben?“.