Grade trinke ich meinen üblichen Milchkaffee und bin sehr dankbar, dass das noch geht. Er BEFRIEDIGT mich, auch OHNE dass ich dazu fünf bis zehn Selbstgedrehte rauchen müsste, wie sonst an jedem Vormittag.
Kürzlich hab ich mir noch extra eine Kanne Tee gemacht, um dieses gewohnheitsmäßige Gieren nach der Kippe zum Kaffee zum vermeiden. Als dann nichts dergleichen auftrat, auch nicht am Rest des Tages, bin ich zum Morgenkaffee zurückgekehrt – warum auch nicht?
Seit meinem 14. Lebensjahr hab‘ ich geraucht. Es gab ein paar Rauchpausen rund um diverse Aufhörversuche – maximal ein halbes Jahr, wenn ich mich recht erinnere. Wegen des mehrmaligen Scheiterns hab‘ ich den Gedanken, jemals rauchfrei zu werden, dann aufgegeben. Ich rauchte weiter meine 30 Zigaretten täglich, während ich hilflos beobachtete, wie sich das Ganze mehr und mehr auf die Gesundheit auswirkte.
Das Leiden an der Sucht
Ich litt z.B. unter zunehmender Atemnot und Kurzatmitgkeit bei Anstrengungen; musste im zweiten Stock Pause machen, bevor ich die Treppe zum dritten angehen konnte. In diesen demütigenden Momenten fühlte ich mich wie 80 Jahre alt! Weiter beglückten mich dieses Jahr schon zwei Erkältungen, die sich unziemlich lange hinschleppten. Hinzu kam allgemeine Energielosigkeit, das Gefühl, der Körper sei eine Last, die man von Stuhl zu Stuhl wuchten muss, anstatt an der Bewegung Freude zu haben.
Kürzlich, am Ende einer Erkältung, hörte ich beim Einschlafen ein mit dem Atmen einher gehendes hohes Pfeiffen in der Lunge. Sowas hatte ich noch nie erlebt und war entsetzt – und dann gleich auch voller Schuld- und Mitgefühl: arme Lunge!
Und jetzt – am 6. Tag meines „Rauch-Moratoriums“ – merke ich erst so richtig, was für eine geistige LAST diese innere Inkonsequenz und Zerrissenheit bedeutet. Einerseits bin ich immer gerne beim Welt-retten und verbessern dabei, andrerseits offenbar komplett unfähig, dieses massiv selbstzerstörerische Sucht-Verhalten aufzugeben. Meinen „Elan vital“ hat das auf Dauer ganz schön herunter gedimmt – und mein Selbstbewusstsein litt natürlich auch, ohne dass ich das so richtig bemerkte.
Weg vom Dampf ohne Kampf
Nun scheint es mit alledem fürs erste vorbei zu sein (toi toi toi!). Das „Rauch-Moratorium“, in das ich ganz spontan mittels einer Walpurgisnacht-Nachwirkungs-Matschbirne geschlittert bin, klappt weit besser und anstrengungsloser, als ich es mir vorgestellt hätte. WENN ich drüber nachgedacht hätte…
Es ist alles ganz anders als während früherer Aufhörversuche, die immer diesen Kampf- und Verzichts-Aspekt hatten. Kommt der Gedanke ans Rauchen, kommt er schon gleich in der Form: „Mein Gott, bin ich froh, nicht mehr rauchen zu müssen!“.
Entzug ohne Schmacht
Ich stütze den Ausstieg mit minimalen Dosen von Niko-Tabletten: bisher zwei Tabletten, aufgeteilt in „Sechstel-Stückchen“ über die ersten fünf Tage. Das ist eine Nikotinmenge von insgesamt nur 8 Milligramm. Daran kann es also nicht liegen, dass kein „Schmacht“ aufkommt.
Dennoch kommen ganz gelegentlich Entzugserscheinungen, die aber nicht mit dem Gefühl, rauchen zu wollen verbunden sind. So ein fiebriges Schwitzen, jede Zelle scheint irgendwie „offen“ bzw. bedürftig. Der Zustand erinnert mich an die Zeit als Kind, wenn ich allzu lange im Chlor-Wasser des Schwimmbeckens geblieben und danach „völlig fertig“ war.
Wenn DAS auftritt, zusammen mit diesem Watte-im-Kopf-Gefühl, dann nehme ich ein „Bröckchen“ Nikotablette. Ich denke, damit kann ich gut „ausschleichen“, denn ich bin mir fast sicher, dass das so nicht bleiben wird, nicht mit SO WENIG Nikotin-Input.
Kein Verzicht, sondern spürbare (!) Befreiung
Ich staune, wie leicht es diesmal fällt, nicht zu rauchen – trotz meiner stofflich gesehen massiven Raucherkarriere und der wenig erfolgreichen Bemühungen zuvor. Zentraler Punkt dabei ist die Vermeidung jeglichen Kämpfens, was eine gewisse Wachheit erfordert. Es gilt, in jedem Moment zu sehen, was Fakt ist: Die Zigarette ist nichts Angenehmes, das ich mir mühsam verkneife, sondern ein mega-schädliches Kraut, dass die Zustände überhaupt erst erzeugt, in denen „eine rauchen“ als vermeintliche Lösung erscheint. Wenn der Gedanke ans Rauchen kommt, reicht es momentan völlig aus, mich an die oben aufgezählten Leiden zu erinnern – und schon spüre ich Dankbarkeit, dass ich mir DAS nicht mehr antun muss!
Aber keine Sorge, dieses Diary wird deshalb nun nicht erneut zum Nichtrauchertagebuch (wie 1998 das von Alan Carr inspirierte „Power auf Now!“). Für den detaillierteren Gesprächsbedarf ‚rund ums Nicht-mehr-rauchen hab ich mir ein Forum gesucht. Dort teile ich meine Erfahrungen, höre denen zu, die über Disziplin und Durchhalten, Krampf und Kampf rauchfrei bleiben wollen – und staune weiter, dass es auch ganz anders geht.
Wie lange, wird die Zeit zeigen.
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20 Kommentare zu „Ohne Willensanstrengung rauchfrei – 6.Tag“.