Konstantin Klein schreibt in seinem Blog denkwürdige Sätze über die ersten Reaktionen auf das verstörende Attentat in Oslo:
Worum es mir geht, ist der Reflex “Terror? Islamismus!”.
Was sagt uns dieser Reflex? Schuld sollen fremde Menschen aus einem fremden Kulturkreis mit fremder Denkweise sein. Schuld sollen Menschen sein, die dadurch, dass sie nicht aus unserem Kulturkreis stammen, anders sind als wir. Durch das Anderssein dieser üblichen Verdächtigen sind wir von dem Zwang befreit, über uns, über die dunklen Ecken unserer Gesellschaft nachzudenken. Durch das Anderssein dieser Verdächtigen können wir uns abgrenzen, können organisatorische, rechtliche, tatsächliche Zäune ziehen, können immer wieder und immer mehr zur Wachsamkeit aufrufen und damit politisch nutzbare Angst erzeugen.
Dieser Reflex erzählt uns aber nicht nur von latenter oder offensichtlicher Fremdenangst; er erzählt auch von der Sehnsucht nach raschen, einfachen und bequemen Erklärungen, von der Angst davor, sich mit neuen, unbekannten Bedrohungen auseinandersetzen zu müssen, keine in drei Sätze zu fassende Erklärung zu haben.
Recht hat er! Gerade hab‘ ich mir die grusligen Verlautbarungen dieses sich „konservativ“ nennenden rechtsradikalen Terroristen in Auszügen angeschaut. Ein ellenlanges Video über eine Art „Tempelritterkampf“ gegen Islamisierung, politische Korrektheit, Multikulturalismus und Kommunismus. Für einen Einzelnen ein recht aufwändiges Werk, erst recht die 1500 Seiten “Manifest zur Rettung Europas”, über die das NPD-Blog.info (das eigentlich NPD-Watch-Blog.info heissen müsste!) richtig schreibt:
„Breiviks Thesen zu Islam und 68ern lassen sich Millionenfach in Internet-Foren und auch Mainstream-Medien nachlesen. Unter dem Banner der Meinungsfreiheit (“Das wird man ja wohl noch sagen dürfen!”) wird eine angebliche linke Hegemonie gezeichnet und der Untergang des Abendlandes beklagt. Eine brisante Mischung aus Minderwertigkeitskomplexen und Chauvinismus, die mit religiösen Elementen verbunden offenbar das Motiv für den Massenmord in Norwegen geliefert hat.
Da ermordert also einer ca. 90 Leute, um Aufmerksamkeit zu bekommen. Aufmerksamkeit für abseitige, menschenverachtende, größenwahnsinnige Gedanken, die sowieso schon vielfach in der Welt sind – aber eben doch nicht von „den Massen“ übernommen werden.
- Weil die Mehrheit der Europäer/innen eben doch nicht so irre, so undemokratisch, so kriegslüstern, so verschwörungsgläubig, so rechtsaussen ist, wie manche meinen.
- Weil dieses ganze xenophobe, rückwärtsgewandte, den Herausfordergungen der globalisierten Welt in keiner Weise gerecht werdende wirre Zeug eben doch nicht mehrheitsfähig ist – und es meiner Ansicht nach auch niemals mehr werden wird.
- Aber vor allem, weil wir eben schon viel mehr Europäer/innen und Weltbürger/innen sind, als es sich so ein großmannssüchtiger Niemand wie dieser Breivik vorstellen kann. Wer will denn heute noch heim ins rein deutsche Reich? Das würden nicht mal Neonazis wirklich aushalten!
Genug für jetzt. Das Ganze kotzt mich so richtig an. Mein Mitgefühl gehört den Norwegern, die etwas abbekommen haben, was überall hätte passieren können, auch hier in Berlin. Insbesondere tun mir die jungen Leute leid, die auf der Insel waren – was für ein Horror!
Diesem Blog per E-Mail folgen…
Diskussion
Kommentare abonnieren (RSS)
13 Kommentare zu „Massenmord für die Aufmerksamkeit – zu den Attentaten in Oslo“.