Rückblicke und Ausblicke auf ein kreatives Altern
Nun bekomme ich schon Nachfragen, wo ich denn abgeblieben bin seit meiner Reise nach Wiesbaden. Kein Eintrag seitdem, kein „Hallo, bin wieder da!“ – aber es gibt mich noch, keine Sorge! Einerseits war ich erschöpft von diesem so intensiven Wochenende: Das Klassentreffen nach 34 Jahren, der Besuch bei meiner sterbenden Mutter, die Non-Stop-Kommunikation von Donnerstag bis Sonntag, die vielstündige Fahrt mit einem alten Schulfreund, mit dem es viel zu reden gab.
Als ich dann Montag wieder am PC saß, stürzten die in vier Tagen „offline“ aufgelaufenen Dinge über mich herein, als gäbe es auf der Welt keine Wochenenden und erst recht keine Sommerflaute. Und fürs folgende Wochenende hatte sich schon meine Schwester angesagt! Ihr Besuch bei mir war wundervoll, doch fiel damit erneut „das Übliche“ aus, die gewohnte Pause am Samstag und Sonntag, darunter auch die Muße zum schreiben.
Was ich beim Klassentreffen und mit meiner Mutter erlebt habe, werde ich gefragt. Ersteres war besser als gedacht. Schon im Gymnasiums waren wir mehr ein verrückter Haufen verschiedener Individualisten als eine normale Klasse: Musischer Zweig, Hauptfach Kunst, bzw. Musik, dazu die experimentelle und kulturrevolutionäre Stimmung der Jahre 1968 bis ’73 – sogar ein alter Klassenlehrer war gekommen und erzählte uns, dass wir damals „seine erste große Herausforderung“ waren, nachdem wir die vorherige Klassenlehrerin gerade auf äußerst skandalöse Art weggemobbt hatten.
Das Treffen war dann auch erfreulich frei von den oft berichteten Angebergesten (seht her: mein Haus, mein Auto, mein toller Beruf!). Wir erzählten uns, wie wir die Zeit und die Klasse damals erlebt hatten und staunten nicht schlecht, wie wenig wir damals eigentlich voneinander wussten. Ich hatte zum Beispiel heftige häusliche Konflikte und Angst, vor Gruppen zu sprechen, doch davon hat niemand etwas mitbekommen. Man empfand mich eher als mutig und sehr lebendig: jemand, der kein Blatt vor den Mund nimmt und sich einiges traut. Ich konnte mich nur wundern, denn innerlich sah es ganz anders aus!
Meine Mutter erlebte ich auf dieser Reise ja nicht das erste Mal in ihrer jetzigen Situation, deshalb war ich auch nicht erschüttert über ihre 38 Kilo und alles, was ihre letzte Phase problematisch macht. Ich weiß aber eines: ein langes Siechtum in pflegebedürftigem Zustand ist das Letzte, was ich mir fürs eigene Ableben wünsche! Das Nötigste nicht mehr selber tun können, aber dennoch in Stein gemeiselte Vorstellungen hegen, wie und von wem die Pflege zu leisten ist, davor will ich bewahrt werden, bzw. mich selbst bewahren.
Wie werde ich im Alter leben?
Soviel Tod und Sterben in der Umgebung (auch mehrere ehemalige Mitschüler hat es schon erwischt) motiviert mich, mehr übers eigene Altern nachzudenken: nicht nur philosophisch, sondern auch mal ganz praktisch. Eine Rente, die den Namen verdient, habe ich mit meinem abwechslungsreichen Lebenslauf nicht zu erwarten. Auch sind da keine Kinder, die sich verpflichtet fühlen könnten, sich meiner anzunehmen. Gleichzeitig kann ich mir gar nicht vorstellen, freiwillig mit dem Arbeiten aufzuhören, einfach nur deshalb, weil ich ein bestimmtes Alter erreicht habe. Schließlich tue ich das, was mir Freude macht, wieso sollte ich damit aufhören, solange ich noch mit der Maus klicken kann?
So lange ich noch fit bin, besteht das „Problem“ also darin, meine Aktivitäten und Dienste so zu entwickeln, dass ich auch weiterhin gebraucht und nachgefragt werde. Das ist keine Frage, die wesentlich von außen bestimmt wird, sondern es hängt davon ab, wie gut ich es vermeiden kann, geistig und psychisch zu verknöchern und zu vergreisen.
Was wir an den „richtig Alten“ oft nicht mögen, ist ja ihr Altersstarrsinn, ihre oft substanzlose Besserwisserei, ihre Ungeduld und Verbitterung. Bei den „Arrivierten“ nervt oft ein hohes Maß an Alterseitelkeit und autoritärem Dünkel, und allzu viele Alte sind in der alterstypischen Rückwärtsgewandtheit gefangen, die sie immer nur daran denken lässt, wie früher doch alles besser war und wie schlimm die böse Welt heute doch ist.
Die Nachkommenden haben mit dieser Welt jedoch ihre aktuellen Probleme und all diese Haltungen helfen ihnen dabei nicht, diese mutig anzugehen, sondern bedrücken sie noch zusätzlich. Ein alter Mensch mit solchen Einstellungen wird schnell zur reinen Belastung – und ich mag mir jetzt lieber nicht ausdenken, was man in der Zukunft so alles unternehmen wird, um diese Last (der dann sehr vielen Alten) nicht spüren zu müssen.
Für mich bedeutet das: geistig offen bleiben, die Liebe kultivieren und weiterhin nützlich sein. Die Tatsache, dass man (nach einem intensiv gelebten Leben) mit zunehmendem Alter erst richtig zum Individuum wird, innerlich unabhängig von den Meinungen und Vorstellungen der Welt da draußen, darf nicht Lizenz zur Eigenbrötelei und selbstgenügsamer Abschottung werden. Damit errichtet man nämlich selbst die Mauern, hinter die man letztlich abgeschoben wird, wenn alle (im weiten Sinne erotischen) Beziehungen zum lebendigen JETZT des sozialen Miteinanders gekappt sind. (Ein wunderbares Vorbild ist mir da im positiven Sinne Adrian, der mit 84 sogar noch ein Blog startet, um seine Lebenserfahrung den Jüngeren zur Verfügung zu stellen.).
Auf dem Klassentreffen fragte ich in die Runde der nun 53-Jährigen, wie es ihnen denn mit dem Altern ergehe und wie sie ihre Zukunft sehen. Hier und bei anderen Gesprächen mit Älteren fällt auf, dass alle – genau wie ich, siehe oben – das Alter meist nur im Modus „so lange ich noch fit bin“ voraus denken. Aber was kommt dann? Diejenigen, die ein Angestelltenleben hinter sich haben, rechnen mit einer schlecht und recht auskömmlichen Rente und funktionierenden sozialen Institutionen. Manche verlassen sich auf ihre Kinder, andere reden vom selbst bestimmten Abtreten – ja Himmel, so geht das doch nicht! Klar gehört zur Menschenwürde die Macht, das Leben zu beenden, wenn es mir nicht mehr gefällt – aber schon jetzt so etwas in Betracht zu ziehen, weil die ökonomischen Aussichten im Methusalem-Staat nicht rosig sind, ist doch keine Antwort!
Das Eigene aufbauen
Bis zum offiziellen Rentenalter mit 67 sind es bei mir noch 14 Jahre. Mal davon abgesehen, ob und wann ich „aussteigen“ werde, ist bis dahin doch ausreichend Zeit, noch etwas auf die Beine zu stellen, was mich ernährt (bzw. die Mini-Rente aufbessert), wenn ich selbst nicht mehr so viel arbeiten will oder kann. In den Zeiten des Internet geht alles viel schneller als früher, man kann Projekte aus dem virtuellen Boden stampfen, kann binnen kurzer Zeit erfolgreich sein, wenn man den Nerv einer Zielgruppe trifft. Warum sollte das mir als Netz-Urgestein NICHT gelingen? Das „Projekte machen“ gehört sowieso zu meinen Lieblingsbeschäftigungen, also werde ich den unternehmerischen Aspekt des Klinger-Webs stärker entwickeln, was ich sogar richtig spannend finde.
Handeln und nicht nur reden
Fürs erste hab‘ ich mir einen „Arbeitsurlaub“ gegönnt: bis zum 9.August widme ich mich dem Neubau des Webwriting-Magazins: ein uraltes Projekt, das seit 2003 nur noch ein Dasein als Webleiche fristet, doch gleichwohl noch einen guten Stand in der Netzwelt hat, wenn man Besucherzahlen, Verlinkung und andere web-üblichen Bewertungsmaßstäbe betrachtet. Im WWMag 2.0 werde ich weitestmöglich Jargon-frei über das heutige Web (2.0, Blogosphäre etc.) schreiben und meiner eigenen Altersgruppe wie auch den Älteren die Möglichkeiten und das Knowhow vermitteln, es im Sinne der je eigenen Ziele und Interessen kreativ zu nutzen.
Daneben werde ich meine anderen Blogs konsequenter weiter entwickeln: regelmäßig schreiben, bekannt machen, und die Werbe-Einnahmen steigern, ohne die Leser damit über Gebühr zu nerven. Das Gartenblog ist schon ein gutes Beispiel, wie so etwas funktioniert – und es macht mir riesigen Spass!!
Im Digital Diary verabschiede ich mich vom selbst gesetzten Zwang, hier nur „Langartikel“ zu schreiben. Besser mal was Kürzeres als gar nichts, schließlich fällt mir oft etwas ein, was ich nur „hier“ schreiben kann, im persönlichen Diary, das keinem spezifischen Inhalt verpflichtet ist.
Wer also mag, schaut mal rein in nächster Zeit, es wird lebendiger hier. :-)
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8 Kommentare zu „Mein Juli – ein Arbeitsabenteuer“.