Der folgende Text ist als Kommentar zum Beitrag „Leerheit ist nicht einfach leer…“ im ZEN-TAO-Blog entstanden. Das Konzept der „Leerheit“ im Buddhismus hat mich schon oft fasziniert, genau wie mich Laotses Lehre vom TAO immer wieder berührt und inspiriert. Und doch empfinde ich auch inneren Widerstand, den ich ab und an einfach aussprechen muss.
Wie hilfreich ist “Leere” bzw. das Erkennen derselben? “Ich” bin ein Prozess, bzw. ein Konglomerat interagierender Prozesse, per Stoffwechsel nicht mal abgegrenzt gegenüber anderen Prozessen. Nichts an mir ist Substanz, gar bleibende Substanz – so what?
Trotzdem muss ich doch Miete zahlen und würde ich z.B. obdachlos, würden sich die Prozesse in einer Weise konfigurieren, die sich für meinen Geist, bzw. die Bewertungsinstanz als “mehr Leiden” darstellt. Also werde ich nach weniger Leiden streben, Leerheit hin oder her.
„Wenn reiche Spekulanten Erfolg haben,
während Bauern ihr Land verlieren;
wenn die Regierung Geld ausgibt
für Waffen statt für Hilfsprogramme;
wenn die Oberen verschwenderisch und
verantwortungslos sind,
während die Armen immer ärmer werden –
all dies ist Raub und Chaos.
Es stimmt nicht mit dem Tao überein.“– Laotse, Tao Te King, Peter Kobbe (Übers.) –
So sehr mir Laotse aus dem Herzen spricht: wer die Natur genauer betrachtet, als Gärtner zum Beispiel, aber auch “nur so”, als interessierter Liebhaber, wird bemerken, dass es da oft noch deutlich krasser bzw. ganz ebenso krass zugeht wie in der sozialen Menschenwelt. Arten verdrängen andere und scheren sich nicht um Ausgleich und Vielfalt, Andere Wesen werden mit Eiern befüllt und als lebende “Aufzuchtumgebung” genutzt, es herrscht ein Fressen und Gefressen werden, es gibt “Viehaltung” und Ausbeutung, Überfälle, Kriege – und ab und an Naturkatastrophen, die sich auch nicht um Gerechtigkeit und Mitgefühl scheren.
All das soll im Einklang mit dem TAO sein – die leidvollen Ungerechtigkeiten und Grausamkeiten in der Menschenwelt aber nicht?
– – – – – – –
Wir haben mehr Gedächtnis und Vorausschau als jedes Tier. Dadurch können wir mehr produzieren, verbrauchen und zum Sichern persönlicher Zukunft bzw. “Ansammeln von Macht” horten. Unser zerstörerischer Wirkungsgrad ist damit deutlich höher als der aller Tiere.
Zum Glück wollen Menschen auch in alltäglichem Frieden leben und so haben alle Kulturen und Gemeinschaften Werte entwickelt, Es gibt Ethik, Sitte und Moral, sowie jede Menge “bezähmende” Gesetze – doch klinken sich in rein konsumistisch organisierten Gesellschaften immer mehr Menschen aus dem Werte-Kanon aus, bzw. sehen Gründe, warum er für ihr persönliches Handeln nicht gelten könne. Und andere beziehen die Werte nur auf ihre Familie, ihren Clan, ihren Stamm oder ihr Land, der Rest ist zur Ausbeutung frei gegeben. (Gilt auch für uns EU-Bürger, deren Exporte z.B. an Billigfleisch ganze Märkte ferner Länder kaputt machen – und deren Kleidung und Gerätschaften unter üblen Arbeitsbedingungen ebenfalls in der Ferne produziert werden).
Was hilft da das Konzept der “Leere” oder des “TAO”?
[Tut mir leid, dass ich sowas “Negatives” hier poste. Aber diese Frage treibt mich seit Jahren immer wieder um, wenn ich der Rede von der Leere oder vom TAO begegne – die ich ja eigentlich wunderbar finde!)
Auszug aus dem Herz-Sutra:
„Form ist Leerheit, Leerheit ist Form, Form ist nichts anderes als Leerheit, Leerheit ist nichts anderes als Form. Genauso sind Empfindungen, Wahrnehmungen, geistige Formkräfte und Bewusstsein leer von einem abgetrennten Selbst.“
„…alle Phänomene bedingen sich gegenseitig. Weder entstehen Sie, noch vergehen Sie. Sie sind weder rein noch unrein, weder werden sie grösser, noch werden Sie kleiner. Daher sind Form, Empfindung Wahrnehmung, geistige Formkraft und Bewusstsein künstliche Begriffe. Das Auge besteht ausschliesslich aus Nicht-Auge Elementen. Dasselbe gilt für Ohr, Nase, Zunge, Körper und Geist. Deshalb gibt es keine Form keinen Klang keinen Geruch keinen Geschmack, kein Berührbahres, kein Objekt des Geistes. Da alle Dinge in Ihrer Soheit unbeschreibbar sind, gibt es kein Entstehen und kein Erlöschen; kein Leiden, keinen Ursprung des Leidens,kein Ende des Leidens und keinen Weg. Kein Verstehen und kein Erlangen.“
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Hier noch ein älterer „widerständiger“ Artikel:
Die edle Wahrheit vom Leiden – war der Buddha ein Weichei?
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24 Kommentare zu „Form ist Leere – na und?“.