Nun soll es also kommen: die Koalition hat beschlossen, das heftig umstrittene Leistungsschutzrecht für Verlage Gesetz werden zu lassen. Demnach sollen auch kleinste Textausschnitte (Snippets) kostenpflichtig werden:
„Gewerbliche Anbieter im Netz, wie Suchmaschinenbetreiber und News-Aggregatoren, sollen künftig für die Verbreitung von Presseerzeugnissen (wie Zeitungsartikel) im Internet ein Entgelt an die Verlage zahlen. Damit werden die Presseverlage an den Gewinnen gewerblicher Internet-Dienste beteiligt, die diese – mit der bisher unentgeltlichen – Nutzung der Verlagserzeugnisse erzielen. Auch die Urheber sollen eine angemessene finanzielle Beteiligung an der Verwertung des Leistungsschutzrechts erhalten. Einzug und Verteilung der Entgelte soll über eine Verwertungsgesellschaft erfolgen. Die Schutzdauer soll ein Jahr betragen.
Die private Nutzung von Presseerzeugnissen im Internet wird nicht vergütungspflichtig, normale User werden also nicht betroffen sein. In der gewerblichen Wirtschaft bleiben das Lesen am Bildschirm, das Speichern und der Ausdruck von Presseerzeugnissen kostenfrei.“
Welches Chaos dieses Vorhaben anrichten wird, hat Konrad Lischka auf SPON mit seinem Artikel Mit schwammigem Leistungsschutzrecht droht Chaos gut zusammen gefasst. Das Zitatrecht wäre in Gefahr, die „private Nutzung“ ist nicht definiert und es steht zu erwarten, dass sämtliche Presseschauen und News-Widgets auf Blogs (siehe z.B. die mittlere Spalte oben auf Unverbissen-Vegetarisch) kostenpflichtig werden.
Nutzen für die Großen, Schaden für die Kleinen
Ich will einen Aspekt hinzu fügen, den meines Wissens noch niemand benannt hat: Wenn News-Aggregatoren jeglicher Art in Zukunft zahlen müssen, ist zu erwarten, dass viele davon verschwinden. Es gibt ja jede Menge mal eben mittels eines Scripts aufgesetzte Aggregatoren, die verschiedene Newsfeeds auslesen und nach Themen geordnet zur Ansicht bringen – ohne dass die Betreiber dadurch nennenswerte Einkünfte hätten. Auch Google (der Haupt-Adressat des geplanten Gesetzes) hat z.B. in Belgien seine „News“ einfach mal eingestellt, als die Kostenpflichtigkeit drohte. Wer sagt, dass das in DE nicht genauso kommt?
Es werden auf jeden Fall nur wenige Aggregatoren übrig bleiben, wenn das Gesetz kommt. Was wird dann also passieren?
Derzeit wähle ich die zu lesenden Artikel auf verschiedenen Aggregatoren oder Blog-Widgets nach Thema und Überschrift aus – NICHT danach, um welches Medium es sich handelt. So lande ich in aller Regel auf den Webseiten von kleinen Zeitungen, die ich ansonsten nie zu Gesicht bekommen hätte, wie etwa auf „Märkische Allgemeine“, „Köllner Stadtanzeiger“, „Augsburger Allgemeine“ und ähnlichen Blättern.
Gibt es solche News-Aggregatoren nicht mehr, werde ich nolens volens die Startseiten von SPIEGEL ONLINE, ZEIT ONLINE und TAZ ONLINE ansurfen – aber nie und nimmer die „Märkische Allgemeine“. Und damit bin ich gewiss nicht alleine.
So wird das Leistungsschutzrecht ein paar großen Medien mehr Besucher bringen, die vielen kleinen aber verschwinden in der Versenkung! Was zu einem massiven Kahlschlag in der deutschen Presselandschaft führen kann – aber das interessiert offenbar nicht.
Warum wird diese mögliche Folge des Gesetzes bisher nicht diskutiert? Vermutlich, weil viele Betreiber dieses Vorhabens nur BigGoogle im Blick haben und nicht die vielen anderen Aggregatoren und Widgets (man denke an Rivva, NetNewsGlobal – die können doch dann einpacken!), die in ihrer Gesamtheit massiv zur Verbreitung verschiedenster Nachrichten beitragen. Bei Google glaubt man, dass sie letztlich zahlen werden. Dass aber die große Mehrheit lieber dicht machen wird, da gar kein Geld zum Verteilen da ist, das ist ihnen egal – mitsamt den üblen Folgen für die gesamte Presselandschaft abseits der Großen.
Hier nun Beiträge zum Thema (auch so eine Liste könnte kostenpflichtig werden, je nachdem, wie Gerichte die schwammigen Details in Urteilen ausgestalten):
- Hurra! Urheberrecht im Internet verbessert. – Stefan Niggemeier;
- Presseverlage gegen den Rest der Welt – Netzwertig.com;
- Leistungsschutzrecht: Bundesregierung erspart Verlegern Innovation – ZEIT ONLINE;
- Presseleistungsschutzrecht wäre entweder unnütz oder gefährlich – neunetz.com;
- Wer hat Angst vorm Leistungsschutzrecht? Niemand! Wenn es aber kommt? Dann laufen wir!
Diesem Blog per E-Mail folgen…
Diskussion
Kommentare abonnieren (RSS)
9 Kommentare zu „Das Leistungsschutzrecht wird kleinen Zeitungen schaden“.