Unter dem spannenden Artikel »Was geht das mich an?« oder ein Pirat namens Rousseau auf dem Blog Wiesaussieht ergab sich ein umfangreiches Kommentargespräch – leider sehr zersplittert und mit wenig Eingehen aufeinander. Deshalb halte ich hier mal meinen Beitrag dazu fest. Es geht um die Frage, wie man politische Entscheidungen demokratischer machen kann, bzw. wie man aus dem üblichen Parteiengezänk heraus kommen könnte. (Natürlich am Beispiel der PIRATEN, die zumindest innerparteilich versuchen, die Dinge zu ändern).
Da schrieb also ein „Linus“:
“Hilfsweise sollte man sich vor Augen halten, daß es, rein “technokratisch” gesehen, häufig durchaus eine und sogar mehrere sinnvolle Lösungen gibt. Nur haben die keine Mehrheiten. Und dann kann man die Frage stellen, warum sie die nicht haben? Und dann überlegen, wie dem abzuhelfen wäre?”
Meine Antwort:
Sie haben die Mehrheiten nicht, weil die – mehr oder weniger legitimierten – Entscheider eben NICHT gleich sind, sondern unterschiedliche Eigen- und Gruppeninteressen vertreten (nicht nur die eigenen, sondern auch die Fremder im Tausch gegen Vorteile, Sicherheit, Status, Pfründe…).
Die repräsentative parlamentarische Demokratie ist ja bereits ein Projekt, mittels Legitimationsverfahren, Gesetzgebungen und Gesetz-gebundener Verwaltung den Wildwuchs der schieren Macht der Mächtigeren/Reichen zu beschränken. Im GRUNDSATZ ist daran nichts falsch, es klappt allerdings angesichts der Weltentwicklungen nicht gut genug. Bei weitem nicht…
Linus schrieb weiter:
“Wäre man sich sicher, daß Entscheidungen tatsächlich nach bestem Wissen(!) und Gewissen(!) getroffen werden, dann würde sich das Legitimationsproblem weitgehend erübrigen.”
Das erinnert an die Idee vom “guten König bzw. Fürsten”, nach dem ja noch gewisse Scheichtümer regiert werden. Es hat wohl auch nirgends dauerhaft funktioniert. Der gute König wird immer ein böser, wenn er droht, die Macht zu verlieren.
Ich finde die Idee, möglichst viele an einem Thema Interessierte an der Entscheidung zu beteiligen, nach wie vor richtig. Man hat bei unserem Parlamentariern doch oft genug den Eindruck, dass sie gar nicht wirklich informiert sind über das, was sie da entscheiden. Gibts da nicht “im Volk” viel viel mehr Leute, die in einem Thema wirklich drin stecken??
Es ist doch ähnlich wie beim Arzt: der kann auch nicht von allen Krankheitsformen, die ihm täglich begegnen, wirklich viel Ahnung haben – wohl aber gibt es viele Patienten, die ihre eigene Krankheit seit Jahren gut kennen, inkl. konkurrierender Diagnosen, gängiger Therapien und neuer Forschungsansätze.
Eine rationale Verfassung würde versuchen, immer zumindest alle Interessierten mitbestimmen zu lassen.
Diese Mitwirkung an Mitgliedschaften in Parteien zu binden, in denen man Jahre lang “Parteiarbeit” machen muss, bevor man auch nur in die Nähe von Mitbestimmung gerät, das ist im 21.Jahrhundert einfach nicht mehr zeitgemäß!
Die PIRATEN haben für all das auch keine fertigen Lösungen, aber sie reagieren immerhin auf das Problem und machen Experimente, was man von anderen Parteien nicht mehr sagen kann. Für die scheint der Status Quo “alternativlos”, sie denken gar nicht mehr darüber nach. Na klar, denn egal wie, die jeweils gefühlte eigene Macht würde schwinden.
Ich schreibe “gefühlt”, weil das schmutzige Geheimnis der Politiker ja ihre weitgehende Machtlosigkeit ist (z.B. gegen “die Märkte”, gegen Interessen von Großkonzernen etc.).
Von den Piraten erwarte ich, dass sie in diesem Punkt ehrlich bleiben, wenn sie mal eine Zeit lang als Partei-Funktionäre und Abgeordnete “Mr. und Mrs. WICHTIG” gewesen sind. Dann könnte nämlich eine nur selten erwähnte Säule der Volksverdummung in sich zusammen fallen: der Glaube, die Politiker seien “da oben” und könnten immer “machen, was sie wollen”.
Wieder mehr machen im Sinne angesagter Veränderungen (auch GEGEN fest etablierte Interessen) kann man nur, wenn man “das Volk mitnimmt”, das die angedrohten Sanktionen ja auszuhalten hat. (z.B. “Arbeitsplatzverluste”).
Eine Mischung aus Liquid Demokracy und Volksentscheiden (nach Diskursphase) – das sind doch schon mal tolle Ansätze!
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32 Kommentare zu „Demokratie: Wie kann man mehr Mitbestimmung der Bürger organisieren?“.