Ein Text aus den Tiefen meiner Festplatte – von 1994:
Haltlosigkeit ist der Zustand, der eintritt, wenn die gewohnten Geländer wegbrechen, wenn die Stützpfeiler unauffällig weggerostet, die viel begangenen Brücken eingefallen oder von mittelschweren Orkanen zerstört sind.
Haltlosigkeit führt nicht auf die schiefe Bahn, denn eine Bahn ist immerhin ein Weg und abwärts ist eine Richtung.
Haltlosigkeit bedeutet, den Halt los zu sein und jetzt kommt es darauf an, selber zu stehen.
30jährige leben noch von den Wachstumshormonen, die Götter versorgen sie ausreichend mit Mut und Kraft – alles geht wie von selbst und der Gedanke liegt nahe: das bin ich, das mache ich, wie schön!
Doch weit gefehlt! Irgendwann in der Mitte des Lebens kündigen die Götter und man muß sehen, wo man bleibt. Haltlos geworden ist nichts mehr, wie es einmal war: nicht die Wünsche, nicht die Träume, nicht einmal die Angst. Was ist das? Breitet sich da etwa das NICHTS aus? Und was bedeutet das?
Die Raupe verpuppt sich nach ihrem gewohnten Raupenleben. Auf der Oberfläche tut sich nichts – aber darunter wird jeder einzelne Halt aufgegeben, selbst die Zellstrukturen lösen sich auf. Sie weiß nicht, daß sie ein Schmetterling wird, sagt mein weiser alter Freund, und es sei ganz normal, daß sie sich komisch fühlt.
Oder stell’ dir ein Weizenkorn vor, das plötzlich keimt – etwas Unbekanntes wächst aus ihm heraus – wie es ihm wohl dabei geht?
Haltlosigkeit fühlt sich an wie ein großes Abenteuer – aber nur solange die Stimmung gut ist.
Schon lange beobachte ich das Auf und Ab der Stimmungen, versuche, ihre Bedingtheit zu ergründen. ich finde nichts und begreife langsam, daß diese Art der Suche nur eine schlechte alte Gewohnheit ist.
Keinen neuen Halt suchen – sondern in der Haltlosigkeit leben!
Was kann mir dann noch geschehen?
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3 Kommentare zu „Haltlos“.