„…je mehr man drauf schlägt, desto mehr Schaum entsteht,“ hat heut‘ früh jemand getwittert.
Stimmt! Der Unmut über die Altparteien ist derart angewachsen, dass die junge Piratenpartei sich fast alles leisten kann, was ansonsten massiv Minuspunkte bringt. Zuwenig Programm, wilde Streitereien, chaotische Strukturen, seltsame Mitglieder, ADHS, (noch) keine Antworten auf drängende Fragen – trotz alledem liegen die derzeit ausgegebenen Mitgliedsnummern schon über 30.000 und die Umfragen sehen die PIRATEN mit ziemlicher Sicherheit im nächsten Bundestag.
Wer solche Erfolge hat, der muss leisten, was hierzulande allen abgefordert wird, die für eine Option aufs Mitregieren in Betracht kommen: Die Distanzierung von rechtem Gedankengut innerhalb und außerhalb der eigenen Reihen. Ich bin optimistisch, dass das locker gelingt, selbst mit den Erschwernissen der piratischen „Basisdemokratie“, die alles tendenziell verlangsamt. Das innerparteiliche Gewürge erinnert mich an leidenschaftliche Diskussionen in meiner wilden Jugendzeit: da haben wir auch darüber gestritten, ob man sich mit „denen“ inhaltlich auseinander setzen soll oder nicht – wobei recht schnell Leute als „Rechte“ etikettiert wurden, die mal einen falschen Satz gesagt hatten.
Lockerer Politik-Stil: Menschen wie du und ich
Na, eigentlich ist dieses Einstiegsritual in Richtung „Gemeinsamkeit der Demokraten“ aber gar nicht mein Thema, sondern das Phänomen, dass selbst innerpiratisch kritikwürdige Äußerungen beim Wahlvolk eher „werbend“ wirken. Z.B. die erste spontane Stellungnahme der Piraten, in der es schnoddrig hieß: „In jeder Partei gibt es einen gewissen Prozentsatz von Idioten!“
Hach, wie erfrischend! Gegenüber den verschwurbelten Textbausteinen üblicher Partei-Äußerungen spricht so ein „unbedachtes“ Statement doch vielen direkt und unverstellt aus der Seele! Da sprechen Menschen wie du und ich, ist der bleibende Eindruck – und genau das wünscht man sich.
Drohung mit großer Koalition schreckt nicht mehr
Die nächste Keule, mit der nun auf die allzu erfolgreichen Newcomer eingedroschen wird, ist der Vorwurf, sie seien Schuld daran, dass bald nurmehr mittels großer Koalitionen regiert werden könne. Verantwortungsvolle Menschen dürften sie nicht wählen, denn dann werde es für Rot-Grün nicht reichen. Dazu kann ich nur sagen: Für mich haben große Koalitionen ihren Schrecken verloren, gefühlt haben wir sie ja schon lange – und sogar der Atomausstieg wurde unter „Mutti“ festgeklopft. Zudem hat auch Rot-Grün die Erwartungen massiv enttäuscht: Deutsche Soldaten wurden zu Kriegseinsätzen entsandt, die AGENDA 2010 brachte massiven Sozialabbau. Auch zur aktuellen Schulden/Euro/Finanzkrise hört man nichts grundstürzend ANDERES von SPD und Grünen: Was mitgemacht werden muss, weil „die Märkte es erzwingen“, wird auch weiterhin gemacht werden. So zumindest mein Eindruck – was also soll ich fürchten?
Im Artikel „Piraten entern ein morsches Schiff“ auf TheIntelligence schrieb Rüdiger Rauls zu alledem, was so von unseren Regierenden mitgemacht wird:
„All das tut man doch nicht, weil man mutwillig die Grundlagen der Gesellschaft erschüttern will. Sie tun es, weil sie aufgrund ihres Verständnisses von kapitalistischer Wirtschaft und Gesellschaft keinen anderen Ausweg sehen. Und sie müssen es tun, weil die Gesetze der kapitalistischen Wirtschafts- und Gesellschaftsordnung immer weniger Alternativen zulassen.“
Meinen Kommentar dazu gebe ich hier abschließend wieder:
Warum dennoch die PIRATEN immer mehr Menschen – m.E. zu Recht – als Alternative erscheinen, liegt daran, dass dieses „Mitmachen müssen“ weder richtig kommuniziert noch sonstwie mit der Bevölkerung abgestimmt wird. Politiker geben ihre eigene Machtlosigkeit eben verdammt ungern zu, da sie es gewohnt sind, als Mr. und Mrs. Wichtig Wohltaten zu verteilen, bzw. als diejenigen angesehen zu werden, die das könnten, wenn sie nur wollten (= die da oben machen ja doch, was sie wollen..).
Deshalb halten sie den „Anschein der Macht“ so lange wie möglich aufrecht – und wenns dann nicht mehr geht, wird halt die Meinung geändert, wegen geänderter Rahmenbedingungen (was beim Wähler als „Umfallen“ ankommt).
Man stelle sich vor, die wesentlichen Entscheidungen müssten vom Volk abgestimmt werden (immerhin lebt die Schweiz damit ja recht gut) – oder als Schritt in diese Richtung zumindest von den jeweiligen Parteimitgliedern. DANN könnten/müssten/sollten die Akteure ganz genau sagen, WAS JEWEILS DROHT, wenn man nicht so oder so entscheidet (wie es grade wieder „die Märkte erzwingen“). Und der Bürger könnte auch mal sagen: ok, das nehmen wir in Kauf….
BILDUNG wäre in diesem Szenario kein Politik-Inhalt, der allein dem Ziel dient, „den Standort wettbewerbsfähig zu halten“, sondern ureigenes Interesse der Regierenden und der sie tragenden Parteien.
Sie müssten sich z.B. dazu bequemen, die Inhalte des Regierungshandelns im Detail zu kommunizieren – so, dass es jeder Interessierte versteht. Bzgl. Netzpolitik ist ja durch die Aktivitäten vieler Publisher/Blogger so ziemlich alles auf den Tisch gekommen, was da so an internationalen Verträgen im Schwange ist – aber wie stehts mit der Agrar- und sonstigen Außenwirtschaftspolitik?? Welche Mehrheit der Bevölkerung WILL denn bittschön, dass hierzulande immer mehr Massentierthaltungen entstehen, damit gefrorenes Billigfleisch in Afrika den heimischen Markt kaputt macht?
Genug – ist mir zu lange geraten, sorry! Jedenfalls gibts haufenweise Gründe, eine Mitbestimmungs-Partei wie die PIRATEN zu wählen – auch wenn das „nur“ dazu führt, dass alle mal wieder auf den Boden ihrer Wählerschaften herunter kommen (müssen).
Für den NRW-Wahlkampf werde ich übrigens 15 Euro spenden, wenn 500 andere das auch tun (aktuell fehlen noch 176 Spender/innen).
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Aktuell: Piraten NRW einstimmig gegen ESM
Warum sind die Piraten so pupulär? Maybrit Illner / Youtube
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7 Kommentare zu „Piraten sind wie Badeschaum…“.