Wenn ich mir so die derzeitigen Kommentarstrecken auf SPON (z.B. hier) durchlese, wird mir richtig schlecht. Wieviele raus-aus-dem-Euro- oder lasst-den-Laden-doch-zusammenbrechen-Statements da abgegeben werden geht auf keine Kuhhaut – und ich verstehe diese Leute einfach nicht.
Es kann doch jeder mit nur ein klein wenig mitlesen und googeln die Fakten erkennen, die sich nicht wegdiskutieren lassen: derzeit macht der Export über 50% des bundesdeutschen BIP aus. Deutschland konnte sich kürzlich für 0% Zinsen Geld leihen, weil alle Welt glaubt, hier sei ein „sicherer Hafen“. Würde der Euro zerfallen und wir zur DM zurückkehren müssen (die DM-Nostalgie hab ich auch nie verstanden), wäre doch sonnenklar, was passiert: die DM würde drastisch aufwerten und die deutschen Waren würden sehr abrupt für die Welt viel zu teuer werden. Und damit ginge die Wirtschaft so tief in den Keller, dass wir alle davon extrem betroffen wären – auch und gerade wenn wir nicht zu den Vermögenden gehören. Denn wenn die Steuereinnahmen sinken, werden die Sozialausgaben zuerst zusammen gestrichen (weil die anderen Subventionierten sich besser wehren können).
Abgesehen davon: wieder Schlagbäume, Grenzkontrollen, 17 unterschiedliche Währungen – wer kann sich das denn allen Ernstes wünschen? Und das Gebashe Richtung Euro-Bürokratie trifft m.E. auch nur einen Teil der Wahrheit: hierzulande wird gefühlt jedes zweite Umwelt-. Kultur- und Sozialprojekt mit Europa-Geldern gefördert. Davon steht nur kaum etwas in den Medien, wohl aber, wenn die EU vorschreibt, wie die Gurken zu wachsen haben (und selbst das stellt sich anders dar, wenn man sich über die Hintergründe genauer informiert).
Ich wünsche mir MEHR Europa, nicht weniger. Gleiche Steuern, gleiches Arbeitsrecht, gleiche Sozialgesetze, gemeinschaftliche Kontrolle der Banken, und natürlich: mehr Bürgerbeteiligung. Aber gerade beim letzten Punkt zeigt sich die ganze Zwiespältigkeit vieler Stammtischmeinungen: auf der einen Seite wird dagegen gewettert, dass die Regierenden (Ministerrat) das Sagen haben und nicht die Bürger – will man aber das Europa-Parlament aufwerten und ihm mehr Macht geben, ist es auch nicht recht.
Kurzum: mir drängt sich der Eindruck auf, dass ich von deutschtümelnden Nostalgikern umgeben bin, die ernsthaft glauben, man könne in gemütlichere alte Zeiten zurück, indem DE aus dem Euro austritt. Die Welt hat sich seitdem aber verändert, drastisch sogar. Als 27 oder auch 17 verschiedene im Weltmaßstab kleine Länder, die zusammen nichts auf die Reihe bringen, wird man nicht besser da stehen. Aber genau das scheinen viele zu glauben. Ich versteh‘ es einfach nicht!
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73 Kommentare zu „Ich versteh‘ die Euro-Gegner nicht“.