Claudia am 10. September 2012 —

Wir sind Europa! Und wollen es auch bleiben…

Als ich 1979 nach Berlin zog und in Kreuzberg meine neue Heimat fand, kursierte gerade das Mem „1 Berlin Kreta“. „1“ stand für die erste Postleitzahl von Berlin, und das „Berlin Kreta“ spielte auf „Berlin Kreuzberg“ an – so wurden damals die Stadtteile Post-gerecht bezeichnet. KRETA war seit Jahren ein angesagter Urlaubsort für Non-Mainstream-Touris wie du und ich. Halb Berlin war sommers in Kreta. Selber war ich nicht dabei, denn aufgrund der Familienurlaube meiner Kindheit war ich eher italienisch sozialisiert. Aber kein Problem: Griechenland war überall, Restaurants, Zaziki, Mussaka, Weinblätter mit Reis, Alexis Sorbas, Syrtaki, wunderbare Inseln und Landschaften – und niemand, wirklich NIEMAND hat sich beschwert, dass es bei den Griechen gemütlicher zuging mit dem Erwerbsleben. Ganz im Gegenteil, das machte einen großen Teil des Charmes aus!

Genau wie in BELLA ITALIA! Was war das doch für ein anderes, angenehmeres, gelasseneres und Lust-orientierteres „In-der-Welt-Sein“!!! Seit den 60gern reiste man als Germane dorthin, sparte ganzjährig, um ein paar Wochen dieses anderen Lebensgefühls mit besserem Essen genießen zu dürfen. Pizza, Melonen, Spaghetti, wundervolle Schnulzen, große Romantik rund um den Sex, tolle Altertümer und Strandleben ohne Ende: Sommers machten alle Firmen gleichzeitig dicht! Zugunsten von FERIEN! In der heißen Mittagszeit arbeitete niemand, anstatt dass man Klimanalagen einführte.

Als ich meine Herkunftsfamilie dann verließ, bekam ich mit, wie ANGESAGT Südfrankreich war; Weißbrot, Rotwein und Käse, wilde Pferde in der Camargue! Hippie-Treff in Saintes-Maries de la Mer – und tolle Autos mit CHARAKTER! Ganz spontan nach Paris fahren war fast Pflicht! :-)

Und Spanien! Wow, was für ein tolles Land! Letztes Jahr war ich in Barcelona und kam mir vor wie in einem mediterranen, gelasseneren und ausgelasseneren Berlin. Soviel Kunst, soviel Jugend, soviel zu sehen und zu erleben – und auf dem „Kudamm“ von Barcelona gabs sogar ein kleines Hotelzimmer für 60 Euro! Ich liebe auch Cadaques, die Heimat von Dali – der hat „Schuld“ daran, dass dort keine Hotel-Bauten in den Himmel wachsen dürfen wie in Loret de Mar, das mir mit 18 als der optimale Kontakthof für sommerliche Sex-Eskapaden bekannt gemacht wurde. (Hingefahren bin ich nicht, ich hatte in jungen Jahren genug Sex-Offerten, dafür musste ich nicht extra reisen!),

Portugal – mit 24 war ich mal dort – quer durchs Innere des Landes, abseits aller Touristenströme. Die Leute waren unglaublich gastfreundlich und interessiert, in den Dörfern gab es billige Gemeinschaftskantinen, für mich was ganz Neues! Die beeindruckenden Felsen an der Algarve und das meditarrane Lebensgefühl – wie wunderbar!

Ich LIEBE diese Länder und empfinde sie nicht als fremd, sondern als Teil meiner Heimat Europa. Die Türkei ist übrigens für mich gefühlt auch schon lange dabei!

Und es KOTZT MICH UNSÄGLICH AN, wenn die germanischen Gazetten um mich her anlässlich der „Euro-Krise“ die niedersten Instinkte bedienen: Geiz, Überheblichkeit, Arroganz, das Gegenteil von Solidarität – und am Schlimmsten all jene, die meinen, zurück zur D-Mark zu wollen, zum rein deutschen Wesen, vor dem wir alle seit 50 Jahren in Nachbarländer fliehen, um uns ein wenig von dem damit verbundenen Stress zu erholen!

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Diskussion

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2 Kommentare zu „Wir sind Europa! Und wollen es auch bleiben…“.

  1. Am Sonntag abend fragte Jauch, wieviel Milliarden denn jetzt die EZB an Anleihen aufkaufen würde? „Dazu dürfte man keine Zahlen nennen,“ kam eine Antwort“ um den Spekulaten nicht Tür und Tor zu öffnen“.

    Ich verstehe von alle dem schon lange nichts mehr, aber das hat mich mehr getroffen, als wenn mich ein Pferd getreten hätte. Was ist dann hier los?

    Spekulanten, die wie die Ratten in den Löchern sitzen, bestimmen die fiskalische Zukunft Europas mit allen unkalkulierbaren Folgen? (In meiner Wut darüber leihe ich mir mal Su.. Bezeichnung für diese menschliche Brut aus)

    Doch, liebe Claudia:
    Europa, wie du es oben beschreibst, wie auch ich es seit Kindheitstagen kenne und bis heute von Herzen mit Freude und Liebe bereise, werden wir uns NICHT nehmen lassen.

    Darauf einen: Dujardin

  2. Es gibt einen zentralen Punkt bei dieser ganzen Finanzmarkt-Problematik, der in den vielen kritischen Artikeln meist überhaupt nicht zur Sprache kommt:

    Es sind eben nicht bloß „Spekulanten, die wie die Ratten in den Löchern sitzen“, die das ganze Dilemma verursachen. Sondern es sind zu großem Teil ganz normale, meist institutionelle Anleger, die nicht ihr eigenes Geld, sondern das ihrer Kunden gewinnbringend anlegen müssen. Lebensversicherungen, Bauspargelder, Sparguthaben – all das lagert ja nicht irgendwo, sondern wird von Banken und Versicherungen insvestiert. Teils gebunden an „seriöse Anlagen“, was früher einmal vornehmlich Staatsanleihen waren. Klar geraten all diese angesammelten Vermögenswerte in Gefahr, wenn es nicht mehr genug „seriöse“ Anlagen gibt, die auch etwas bringen – oder von denen man gar erwarten muss, demnächst von einem „Schuldenschnitt“ entwertet zu werden. Also wird Kaufzurückhaltung geübt, bzw. es werden hohe Risikoaufschläge gefordert, wie bei den Anleihen der Südstaaten.

    Menschen, die von der Hand in den Mund leben oder gerade einmal vierstellige Rücklagen haben, können das leicht ignorieren, denn sie haben nichts oder nur wenig zu verlieren. Aber ich kann nicht darüber hinwegsehen, dass es auch viele gibt, die in ihrem Leben lange „entfremdet gearbeitet“ und dafür ordentlich verdient haben – es sind ihre Gelder, die als „Not leidendes Kapital“ nach GUTEN Anlagen suchen. Genau wie mancher böser HedgeFont aus USA im wesentlichen Renten/Rücklagen von Arbeitnehmern anlegt.

    Deshalb verstehe ich, warum die Politik „von den Märkten getrieben“ wird.

    Das ist nur EIN Aspekt und natürlich könnte man das Ganze besser regeln, Steuern kassieren etc. Trotzdem greifen Argumente wie „lasst sie doch alle pleite gehen“ zu kurz, bzw. sind ziemlich ignorant gegenüber den Interessen vieler ganz normaler Bürger.

    Und noch etwas: Wer zahlt, schafft an! Wenn man als Staat dermaßen viele Schulden anhäuft, die am laufenden Band „refinanziert“ werden müssen, ist ja klar, dass man nicht darüber hinwegsehen kann, ob man noch Geldgeber findet, die diese Refinanzierung auch (zu moderaten Zinsen!) ermöglichen.