Kürzlich wurde ich von einer lieben Bekannten, die ich 2006 in Phnom Pen zum ersten Mal „von Angesicht“ getroffen habe, in eine Kambodscha-Mailingliste eingeladen. Dort sind Menschen versammelt, die auch ganz privat Hilfe leisten, Projekte unterstützen und jenseits großer Organisationen Spenden sammeln, die bist auf den letzten Cent die Adressaten erreichen. Ich bin begeistert!
Vitamintabletten statt Spielzeug
Und gleichzeitig auch wieder entsetzt, denn es gab‘ auch Bilder zu sehen, privat fotografiert, die Kinder, Jugendliche und Kranke in allermiesesten Verhältnissen zeigen. Man kennt Hungerbilder aus Afrika, aus Kambodscha waren mir solche Extreme noch nicht bekannt. Rachitische, verwachsene Kinder, deren lebenslange Schädigung einzig dem Vitaminmangel zu verdanken ist. Dazu die Info, Reisende sollten keine Schulhefte und Spielzeuge mitbringen, sondern Vitamintabletten. Die Mangelernährung mit ausschließlich Reis, die vielerorts aufgrund der Armut der Bevölkerung üblich ist, reicht einfach nicht und ergibt Folge-Schäden, die man hierzulande lange schon nicht mehr kennt.
Vitamintabletten helfen – ja verdammt nochmal, ist es denn so schwer, das Land damit zu beliefern und sie z.B. über die mönchischen „Wats“ zu verteilen?? Ich stecke zu wenig im Thema drin, als dass ich die Möglichkeiten und Rahmenbedingungen von Hilfsprojekten überschauen könnte, doch die Privatinitiative, die ich über die Liste mitbekomme, ermuntert mich, es nicht dabei zu belassen.
Free Burma – und dann?
Ja, die Aktion „Free Burma“ hat mich nicht kalt gelassen, doch schien es mir dabei auch darum zu gehen, die publizistische „Macht der Blogger“ auszutesten. Das ist nichts Böses, die Situation in Burma rechtfertigt jegliche Solidaritäts-Aktivitäten, doch fühle ich mich selbst nicht mehr danach, über die Widerlichkeiten der Welt immer nur zu schreiben, zu schimpfen, zu mahnen – heute über Burma, morgen über das nächste Land, das das Glück hat, die Aufmerksamkeit der Großmedien auf sich zu ziehen, auf deren fahrenden Zug man dann aufspringen kann. (Die „Macht“ der Blogs wäre aus meiner Sicht erst dann erwiesen, wenn es gelänge, selber ein Thema zu setzen, dass dann von der Presse aufgegriffen wird).
Davon abgesehen bin ich mir sicher, dass kein Diary-Leser in dieser Sache auf MICH angewiesen war, um von der Aktion etwas mitzubekommen.
Etwas Konkretes tun
In den acht Jahren, die es das Digital Diary schon gibt, hab‘ ich immer mal wieder über das Helfen geschrieben: wie es im persönlichen Umfeld fast unmöglich ist, irgend jemandem wirklich zu helfen, der zwar klagt, aber sich der Einsicht in die eigene Situation versperrt. Die Probleme des Nächsten können wir oft ganz gut sehen, doch den sprichwörtlichen „Balken im eigenen Auge“ erblicken wir nicht, bzw. wollen ihn nicht sehen, solange das Leiden nicht überhand nimmt.
Was das Helfen im größeren Rahmen angeht, konnte ich mich nur selten zu etwas Konkretem entscheiden. Während meiner Aktivistinnen-Jahre in der Stadtteilpolitik Kreuzbergs hatte ich jede Menge persönlichen Bezug zu all den Missständen, um deren Veränderung wir uns bemühten. Nicht so beim „Elend der Welt“, das an so vielen Ecken virulent ist, das ich mich immer fragte: warum hier und nicht dort? Auf welchen heißen Stein soll ich meinen persönlichen Tropfen denn schütten? Und kann ich überhaupt sicher sein, dass er ankommt?
Mir scheint, diese Situation ändert sich gerade. Ich spüre einen neuen „persönlichen Bezug“, denn ich werde zum zweiten Mal nach Kambodscha fahren. Und wenn ich von den dortigen Umständen erfahre, geht es mir auf einmal anders als bei „irgend einem Elend“: es empört und irritiert mich die konkrete Erfahrung, mit WIE WENIG MITTELN man dort sehr viel erreichen und sehr großes Leid lindern kann!! Das setze ich automatisch in Bezug zu der Art, wie achtlos ich hierzulande gelegentlich „ein paar Euro mehr“ als nötig ausgebe, ohne dadurch auch nur ein Gefühl des Luxus zu genießen. Dabei reichen 20 Euro pro Monat, um mein kambodschanisches Patenkind zu versorgen und zu beschulen, 30 bis 50 Euro / Monat kostet eine engagierte Arbeitskraft – und die paar Euro, die ein Kind im Jahr für Vitamintabletten bräuchte, will ich gar nicht erst ausrechnen!
So geizig sind wir gar nicht
In vieler Hinsicht gehe ich in der Beurteilung anderer von mir selbst, vom eigenen Erleben und Fühlen aus – und von daher sage ich: So GEIZIG sind wir gar nicht! Man denke an die Spendenaktionen bei der Oderflut oder nach dem Tsunami in Thailand – es kam weit mehr ‚rüber als aktuell nötig gewesen wäre, denn alle hatten auf einmal das gute Gefühl, etwas SINNVOLLES zu tun, das nicht in irgendwelchen Organisationen und Bürokratien versackt.
Viele Menschen spenden auch regelmäßig vor Weihnachten an Hilfsorganisationen, doch vielen anderen fehlt (wie mir bisher) der persönliche Bezug zum Thema. Hinzu kommt das Misstrauen, ob man nicht mit dem Spendengeld bloß das gute Leben der Helfer in Drittweltländern finanziert, ohne dadurch viel zu bewegen.
Ich werde den Bereich „Kulturschock Kambodscha“ in diesem Diary ausbauen und im Vorfeld meiner nächsten Reise Projekte erkunden, die eine gute Adresse für konkrete Hilfen sind. In den nächsten Tagen bekomme ich eine DVD zur Arbeit einer Fraueninitiative auf dem Land, die – unterstützt von hiesigen privat Engagierten – das Dengue-Fieber bekämpft, Brunnen baut, wo es nur faulige Pfützen gibt, und Krankenstationen mit dem Nötigsten ausstattet. Ich stelle mir vor, meinen Leserinnen und Lesern ein Projekt vorzuschlagen, es zu beschreiben und Spenden dafür zu sammeln (natürlich nicht an mich, sondern an die Träger-Initiative). Wer sich von mir zum Mittun verführen lässt und ein paar Euro locker macht, käme (mit Link, wenn gewünscht) auf die Spenderliste. Und ich besuche im Februar das Projekt und berichte, damit auch alle sehen, was aus dem Geld wird.
Als Diary-Stammleser/in ist das vielleicht auch für Dich ein Stück „persönlicher Bezug“, um mehr zu tun als nur über das Elend zu schreiben. Zumindest hoffe ich das! :-)
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6 Kommentare zu „Burma, Kambodscha, 3.Welt: Wie helfen?“.