Dieses Medienereignis ist an mir vorüber gegangen, da ich einen Tag nicht online war. Nun kann ich den Ausgangstext auf SPON nicht mehr selber lesen, da sie ihn offenbar „wg. Shitstorm“ entfernt haben.
Aber ich kann mir genug aus den erschienenen Postings und Kommentaren zusammen reimen. Und ja, ich finde auch, dass die Sensations-geile Presse, die News aus Nichts kreieren will, um uns Klickvieh Futter zu geben, sich üblerweise keine Gedanken macht, was ihr Zusammengeschustere bewirken mag.
Dennoch: Ich glaube NICHT, dass es wirklich funktioniert, mittels der bloßen Reihung von wahren oder unwahren Behauptungen (er sei Autist, Asperger oder was auch immer…) das gesellschaftliche Image der jeweils Benannten neu zu definieren!
Wäre er Moslem gewesen, DANN hätte die Benennung dieses Fakts Gemütswellen verstärkt, die bereits da sind. Aber mal ehrlich: AUTISTEN mit Gewaltbereitschaft zu verbinden .- meint Ihr ernsthaft, das könnte gelingen?
Autisten – ich kenne keine/n persönlich – haben aus meiner Erfahrung ein ganz ANDERES IMAGE: Irgendwie verrückte Leute, die ein Problem mit Kommunikation und menschlicher Nähe haben, weil ihre Wahrnehmung ihrer selbst und der Welt eine andere ist. Diesem “Nachteil” stehen oft diverse geniale Benefits gegenüber – zumindest in der “kolportierten” gesellschaftlichen Erzählung, die ja auch von Medien der letzten 30 Jahre geschaffen wurde.
Platt gesagt, ordnet man die Autisten eher den Schüchternen zu, die lieber gar nicht mit der Mitmensch-Welt in unübersichtlichen Kontakt kommen wollen. Sondern sich an irgendwelchen Ordnungen festhalten, seien es wiederholte Verhaltensweisen, Repetieren von Bewusstseinsinhalten oder die Neigung für abstrakte Gedankenweltem wie Schach, Mathematik o.ä.
Die Autisten umweht ein Geheimnis: “auto” heißt “selbst” – und Autisten sind sich anscheinend selbst genug. Das ist etwas, was “Normalen” nicht so leicht fällt, vorsichtig gesagt – insofern ist der gesellschaftlich imaginierte Autist auch ein Faszinosum.
Wie gesagt: ich habe keine Ahnung von realen Autisten. Kenne nicht mal einen Freund, dessen Freund einen Autisten kennt. Aber hier geht es ja gerade um ein MEDIEN-Ereignis – genau wie das von mir geschilderte “Bild des Autisten” durch MEDIEN erschaffen wurde.
Dass eine Autistin bloggt, wundert mich jetzt z.B. – andrerseits auch nicht, weil das ja eine sehr kontrollierte Form des Umgangs mit der Mitmenschwelt ist (die ich selber auch sehr schätze!).
Langer Rede kurzer Sinn: Ich glaube, Angst ist nicht angebracht. Das etablierte Bild der Autisten ist so FERN von Gewaltbereitschaft, dass ein einziger blöder SPON-Artikel daran nicht wirklich kratzen wird.
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Mehr dazu:
- Doch wieder da: der Urspungsartikel auf SPON (diese Benennung eines Links wäre z.B. SICHER im Sinne des künftigen „Leistungsschutzrechts“, das die Verleger durchdrücken wollen. Ziemlich arm, findet Ihr nicht?
- Aspergerfrauen: Mein Name ist Sabine und ich bin keine Massenmörderin (Ein Statement zur Medienberichterstattung)
- Autzeit: Fremdbestimmt
- Die Amy bloggt: OT: Newtown, Connecticut
- Fotobus: Ich töte keine Menschen
- Fuchskind: Feiertagsblues
- Quergedachtes: Autismus: Das Medienbild und die Wirklichkeit
- Realitätsfilter: Lieber Spiegel-Online
- Jens Scholz: Fickt euch, Medien!
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8 Kommentare zu „Heute kommentiert zum Thema „Autisten als Amokläufer““.