Thinkabout hat ein besinnliches Posting mit dem Titel Die Zeit ist immer veröffentlicht. Darin reflektiert er das Zeit-Problem, wie es heute vielen vertraut ist: Zuwenig Zeit für alles, was wir tun wollen, tun könnten, tun sollten. „Zeitmanagement“ gilt als angemessener Umgang mit der vermeintlich immer knappen Zeit, doch hift das wirklich? Ist es doch bloß eine elaborierte Form der ToDo-Liste, die wir sowieso alle im Kopf (und im Gefühl!) haben.
„Sich das Bewusstsein erarbeiten, Zeit zu haben, ist pure Lebenskunst. Und etwas ganz Wundervolles. Das, immerhin, wissen wir alle. Fangen Sie jetzt nicht auch noch an, Ihren guten Vorsätzen Zeitmanagement hinzuzufügen (was ja wahrscheinlich eh schon drauf steht). Nein. Greifen Sie einfach zu. Nehmen Sie davon. Gehen Sie spazieren. Machen Sie ein Telefonat, das schon lange wartet, weil Sie sich die Zeit dafür nicht gegönnt haben“.
Ja, so einfach geht das. Für die meisten aber nur an Feiertagen, und nur, wenn man sich diese nicht mit einem Feiertagsprogramm voll stopft.
Wenn ich mal nichts tun muss…
Weihnachten war für mich eine schöne Auszeit! Einfach mal gar nichts tun, auch nicht „Online-Präsenz“ zeigen, Weihnachtsgrüße posten, Weihnachtsbotschaften senden, an alle Welt mailen – angesichts meiner auf sieben Blogs, drei soziale Netzwerken, mehrere Foren und acht Mail-Accounts verteilten Aktivitäten hab‘ ich das gar nicht erst versucht. Es wäre stressiger gewesen als das ganze Rest-Jahr!
Statt dessen also NICHTS getan. Was war das konkret? Abgesehen vom Besuch eines alten Freunds an heilig Abend mit gutem Essen und Geplauder, war ich alleine und hab‘ es genossen, einfach meinen Impulsen zu folgen. Geleistet hab‘ ich dabei gar nichts, nicht mal im Sinn von „forcierter Besinnung“. Sondern ganz ohne Eile im Web über Themen gelesen, zu denen ich sonst nicht komme, auch mal einen halben Tag über den richtigen Mixer recherchiert, um in Zukunft mehr Grüne Smoothies in meine Ernährung einzubinden. Zwischendurch hab‘ ich mir was gekocht, bin tatsächlich eine halbe Stunde spazieren gegangen – und hatte auch kein Problem damit, vor der Glotze zu hängen und herum zu zappen. Das Elend der Welt wollte ich allerdings mal NICHT sehen, weder als Doku noch als Fiction.
Hab‘ ich diese Zeit also „verschwendet“?? Kann man Zeit überhaupt verschwenden, besitzen, managen, verlieren? Ich könnte mich vervierfachen und dann alle vier Klone locker ganztags beschäftigen – hätte ich so vervierfacht MEHR ZEIT?
GIBT es ZEIT?
Rund um den Weltuntergangs-Hype am 21.12. erinnerte ein Blogger daran, dass jedes Datum auf diesem Planeten 48 Stunden „in Gebrauch“ ist. Dieses leicht absurd wirkende Phänomen der Zeitzonen auf der sich drehenden Erde macht deutlich, dass es „in Wirklichkeit“ so etwas wie Zeit gar nicht gibt. Es existiert nur Bewegung von Materie und Licht im Raum, wobei selbst diese Koordinaten unserer Weltwahrnehmung wissenschaftlich lange schon grundstürzend zur „Raumzeit“ relativiert wurden.
Hat das alles etwas mit mir und meinem Alltag zu tun? Alles und nichts! Das Gefühl, keine oder nicht genug Zeit zu haben, ist eine Folge der Machtergreifung des Verstands in Form des berechnenden Denkens, verbunden mit der Potenzierung der Handlungsmöglichkeiten, die uns in der heutigen Welt offen stehen.
Das lässt sich am Mixer-Beispiel gut zeigen: Viele Informationen sagen mir, dass es unglaublich viel gesünder wäre, den Anteil grüner Blattgemüse in der Ernährung drastisch zu erhöhen. Das soll sogar gegen vielerlei Krankheiten helfen bzw. ihnen vorbeugen. Faktisch schaffe ich es aber nicht, das mittels normalem Essen umzusetzen. Wer mag schon dauernd soviel Grünzeug verschlingen? Die Lösung ist die Zubereitung von Mixgetränken aus 50% Grünzeug und 50% Obst, verflüssigt mit genug Wasser. Und selbstverständlich bietet der MARKT gefühlte 1000 Mixer, um das Problem zu lösen – preislich so zwischen 20 und 1500 Euro. Da eine Entscheidung zu treffen, braucht dann halt einen guten halben Tag! Zeit, die anderswo wieder fehlt….
Die ganze Angelegenheit ist Folge der Dominanz rechnenden Denkens: Mache ich dies oder jenes, wird es mir (vielleicht) besser gehen. Und schon bin ich verstrickt in eine „Zeit-fressende“ Aktivität, die definitiv nichts mit realweltlich vorhandenen Gelüsten, Empfindungen, Gefühlen und Befindlichkeiten zu tun hat. Niemand verlangt nach „grünen Smoothies“, so lange man sie nicht kennt, von ihren „Problemlöserqualitäten“ nicht überzeugt ist.
Wir wissen allerdings immer mehr darüber, was wir noch alles tun könnten und sollten. Jede nicht verwirklichte Möglichkeit, von der wir wissen, verstärkt das Gefühl, nicht genug Zeit zu haben.
Allein das darüber nachdenken hilft mir, daran nicht zu verzweifeln – und mich beim „Zeit verschwenden“ nicht schlecht zu fühlen. Ein weiterer Denkanstoß ist die Frage nach dem Subjekt der Entscheidungen: ist es wirklich so wichtig, dass ICH etwas tue oder lasse? Inwieweit ist es z.B. sinnvoll, für die eigene Gesundheit zu „arbeiten“? Sollte es nicht zu denken geben, dass es eine noch nie dagewesene „Lebe-gesund-und-tu-was-dafür-Welle“ gibt, während auf der Ebene der Politik die „Alternativlosigkeit“ herrscht?
Diese Fragen transzendieren das Thema Zeit – und der Artikel ist sowieso schon zu lang. Ich mache also hier Schluss und wünsche allen Mitlesenden angenehme Zwischenjahres-Tage.
Mit VIEL ZEIT für alles, was Ihr Euch wünscht!
Diesem Blog per E-Mail folgen…
Diskussion
Kommentare abonnieren (RSS)
14 Kommentare zu „Haben wir Zeit? Verrinnt sie? Können wir sie uns nehmen?“.