Thema: Alltag

Claudia am 02. Januar 2002 — Kommentare deaktiviert für St.Hedwig

St.Hedwig

Gestern mittag draußen gewesen. Ich wollte über die Festmeile der Silvesternacht schlendern und mit der Digicam festhalten, wie „Berlin – the Day after“ aussieht. Wegen Aufräumarbeiten und einem Neujahrslauf war die Straße Unter den Linden immer noch gesperrt, mit dem Auto konnte ich nicht ganz bis zum Brandenburger Tor fahren. Parkte also vor der Humboldtuniversität, schoß ein einziges Bild, dann meinte der Apparat schon, die Energie reiche nicht mehr weiter. Sollte ich jetzt nach Batterien suchen? In den Andenkenshops wühlen? Wieder ins Auto steigen und eine Tankstelle anfahren??? To much, es muss ja nicht sein! Ich schaltete um von „jagen & sammeln“ auf „erleben“ und wußte nicht recht, was tun. Guckte mir die Gebäude an, Prachtbauten im trüben Winterlicht, es war noch wenig los, insgesamt eine seltsame Atmosphäre, als mache die Welt gerade Pause. Weiter → (St.Hedwig)

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Claudia am 17. Dezember 2001 — Kommentare deaktiviert für Nichts Besonderes

Nichts Besonderes

Heute wollte ich eigentlich zu einem Meeting über „barrierefreies Webdesign“ – doch nachdem ich mich eine Stunde durch den Stau gewühlt hatte, stellte sich heraus, dass das Treffen am anderen Ende der Stadt stattfindet – verlegt ohne rechtzeitige Ankündigung! Das war mir dann doch zuviel, ich fuhr wieder nachhause. Die Inhalte werde ich von Kollegen ja sowieso erfahren und offizielle „Funktionsträgertreffen“ sind eh nicht so mein Fall. Jetzt sitze ich also ganz unverhofft wieder hier und genieße die gewonnene Zeit.

Diese letzte Woche vor Weihnachten ist einfach wunderbar, so langsam kommt die gewöhnliche Geschäftigkeit zum Erliegen, die Dinge verlangsamen sich. Zwar erleben viele noch eine Art Endspurt, aber das Augenmerk liegt nicht mehr so auf Neuanfängen, sondern auf Abwickeln, fertig bekommen – und dann ist erstmal Pause. Es fehlt nur noch eine eiskalte Schneedecke, die alle Geräusche auf den Straßen dämpft und alles ist perfekt.

Und jetzt verlasse ich den Monitor und mach‘ selber Pause – lese gerade das Buch von Francois Jullien „Der Weise hängt an keiner Idee – Das Andere der Philosophie“ – und als Kontrastprogram „Die Hirnkönigin“ von Thea Dorn „Die Hirnkönigin“. Weitere Lesetipps für stille Tage kämen mir jetzt ganz recht… :-)

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Claudia am 08. Dezember 2001 — Kommentare deaktiviert für Jahresendwuselei

Jahresendwuselei

Ob ich zum Diary keine Lust mehr habe, fragt mich eine Leserin. Oh doch, aber ich komm‘ nicht dazu, bin regelrecht verschüttet unter einer Menge kleiner und großer Aktivitäten, die jetzt alle in diesen Tagen fertig werden müssen. Am Schlimmsten ist „Steuer 2000“, zumindest solange ich’s nicht angefangen habe, sondern nur mit Grauen an das Zusammensuchen von 1000 Zetteln denke, ans Durchwühlen der Festplatte nach nicht ausgedruckten Rechnungen, das Durchforsten und Abgleichen der Kontoauszüge und vieles mehr. Macht mich ganz krank, dieser Papierkram und ich schieb es immer vor mir her bis auf den letzten Drücker.

Zudem ist grad noch ein letztes Update des Webwriting-Magazins für dieses Jahr in Arbeit, vier Artikel, darunter ein längeres Tutorial über „Seiten gestalten ohne Tabellen“. Ewig lang hab ich mich geweigert, jeden technischen Schnickschnack mit zu machen, doch das ist jetzt mal eine Weiterentwicklung in Sachen Webdesign, die wirklich ‚was bringt. Lernen ist also angesagt, wo Michael schon so gut dabei ist, das ganze Thema breit und verständlich aufzubereiten. Weil ich aber immer gleich ein Ergebnis sehen will, soll das derzeit etwas grausig aussehende *Portal der Liste Netzliteratur ein schöneres Outfit bekommen – ohne Tabellen!

Und wenn ich schon mal viel zu tun habe, melden sich natürlich auch noch diverse Auftraggeber mit kleinen Nacharbeiten: hier ein Dokument ‚rein, dort ein neuer Link – und dann neuerdings Autoren, die in meinen Uralt-Projekten ‚was gelöscht oder geändert haben wollen: ganze Artikel ‚raus oder zumindest die Mailadresse weg – Himmel nochmal, ich glaub‘ wenn ich nochmal ein „Mitschreibprojekt“ aufziehe, nehme ich Gebühren für jede Änderung und lasse mir das vorher bestätigen!

Weihnachtsrummel? Findet bei mir gottlob nicht statt. Wenn ich wie heute mal in eine Markthalle gerate und dort herrscht die Weihnachtseinkaufswochenendhektik in grellem Lichterglanz, lautstark mit „Stille Nacht“ untermalt und alle treten sich in der Eile gegenseitig auf die Füße, dann treibt es mich gleich rückwärts wieder ‚raus. Nix gegen Aufschwung, aber ich versteck‘ mich dann lieber in meinen halbwegs ruhigen vier Wänden. Meine Adventskalenderliste vom vorigen Jahr hab‘ ich dann aber doch noch aktualisiert, als ich auf einmal merkte, daß da plötzlich viele Surfer landen. Ein „Dead End“ oder „Loch im Netz“ (404 file not found) mag ich einfach nicht in meinem Web.

Buddhastatue Derweil hab‘ ich für mich Ebay entdeckt! Bisher nur davon gehört und gelesen, konnte ich mir nicht vorstellen, was mich persönlich da reizen könnte. Mein Interesse an Gegenständen geht ja eher in die Richtung ‚Wie werde ich sie los?‘ Wow, jetzt hab‘ ich aber mal versuchsweise nach Buddhastatuen gesucht und bin ganz entzückt von der Vielfalt, die sich da zeigt. Stundenlang Buddhastatuen angesehen, obwohl ich weiß Gott anderes zu tun hätte – hab mich sogar registriert, „beobachte“ neun verschiedene Objekte und morgen werd‘ ich vermutlich erstmalieg BIETEN. Bin ganz hingerissen…. ich liebe ja Buddhastatuen und wenn ich viel Geld hätte, wäre ich Sammlerin. Naja, es gibt auch ganz preiswerte kleine Buddhas… :-)

War’s das jetzt? Nein! Schrecklich gern würde ich sofort zum Thema „Drin sein – Öffentlichkeit / Offenheit“ weiterschreiben, zu dem im Diary-Forum ein interessantes Gespräch läuft – im Hinterkopf entstehen ganze Artikel-Webs, aber dazu brauch‘ ich Ruhe, Besinnlichkeit, Stille – kommt gewiß, kann sich nur um Tage handeln.

Buddhastaue

 

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Claudia am 28. November 2001 — Kommentare deaktiviert für Zum Lernen gezwungen?

Zum Lernen gezwungen?

Seit gestern starke Wurm-Attacken, ich bekomme Mails von Bekannten und Unbekannten mit Anhängen wie „me_nude.mp3.scr“ – und allermeist wissen die armen Opfer nicht, dass ihr PC den Virus hat. Er verschickt sich selbst an alle, die im Adressbuch des Mailprogramms stehen, zusammen mit Dateien, die er vermutlich auf dem PC des Betroffenen findet – z.B. im Ordner „eigene Dateien“.

Ich habe KEIN Virenschutzprogramm installiert, das hätte auch nichts genützt, denn nur die allerneuesten Updates hätten ihn erkannt. Zudem verhält sich so ein Programm, auf „volle Wächterfunktionen“ geschaltet, oft selber so sperrig, daß es mich mehr stört als die Viren, vor denen es doch schützen soll. Mich schützt allein Wissen und Erfahrung: Niemals zweifelhafte Attachements öffnen, doppelte Datei-Endungen (.doc.rsc) sind unsinnig, also vermutlich feindselig. Ganz wichtig: Jedes „automatisch“ irgendwo mitgelieferte zusätzliche Microsoft-Programm erhöht die Gefahr. Die meisten Viren sind für das MS-Mailprogramm geschrieben, denn es ist am verbreitetsten: Wer macht sich schon die Mühe, etwas anderes auszusuchen, zu installieren und zu lernen, wenn Outlook doch „im Bundle“ mitkommt und keine weitere Arbeit macht? Und so entsteht eine Monokultur, die – genau wie in der ersten Natur – für Virenangriffe immer anfälliger ist.

Was hier stattfindet ist eine Art Bürgerkrieg auf dem PC und auf Internet-Servern. Er wird meist „just for fun“ geführt, die oft jugendlichen Programmierer wissen offensichtlich nicht wohin mit ihrer Kreativität und freuen sich, weltweit für Ärger und Verunsicherung zu sorgen. Neben Datenverlusten, die gelegentlich echte Schäden anrichten, ist der übelste Effekt solcher Virenattacken der, daß unzählige Menschen dazu gezwungen werden, sich mit schlichter Verteidigung zu befassen und nicht mit Inhalten, die die Welt wirklich braucht.

Guru-Wissen ?

Seit 1992 arbeite ich am Computer und ich erinnere mich gut, wie interessant es im ersten Jahr noch wahr, die seltsamen Fehlfunktionen zu erforschen. Ein kundiger PC-Freak half mir, wenn er mal streikte. Wir saßen stundenlang zusammen vor dem schwarzen DOS-Screen und ich fragte immer wieder: Was machst du jetzt? Woran hat es denn gelegen? Zwar wußte ich um die Grundstrukturen und Funktionen eines PC, denn das Arbeitsamt gönnte mir gerade eine Umschulung/Weiterbildung zur EDV-Fachkraft – aber bis in die Feinheiten reichte mein Anfängerwissen nicht. Lernbegierig bewunderte ich den Könner neben mir, der in die Tasten hackte und kryptische Meldungen erzeugte, immer neue „Parameter“ ausprobierte, dies und jenes neu installierte bis irgendwann das Gerät wieder brav tat, was es sollte.

Im Lauf mehrerer solcher Sessions, die oft bis tief in die Nacht reichten, erkannte ich dann zu meiner großen Enttäuschung, daß mein kundiger Helfer keinesfalls „wußte“. Alles was er tat, war ein stetes Ausprobieren und Austauschen, Aus- und wieder Einschalten, ein Modulwechsel im Stil Versuch & Irrtum – er war genauso weit entfernt davon, zu wissen, „woran es denn gelegen hat“ wie ich. Und er vermittelte mir beiläufig, dass es ein solches „totales Wissen“ hier gar nicht geben kann, denn schon an einem einzigen Großprogramm haben hunderte Menschen entwickelt, Fehler bereinigt, dabei neue erzeugt, neue Versionen geschaffen und neue Technologien & Strategien eingearbeitet – und von derlei Programmen „lebt“ eine ganze Armada auf jedem PC, es ist geradezu ein Wunder, wenn er mal länger einwandfrei funktioniert. Genausowenig, wie man heutige Autos noch „kundig“ reparieren kann, sondern nur noch Teile austauscht, ist der PC nicht mehr wirklich durchschaubar, lange schon nicht.

Das war das Ende meines Interesses an der Maschine selbst. Ich war nicht weiter bereit, Hirnschmalz und Arbeitszeit zu investieren, um meinen PC zu „pflegen“ und „auf dem Stand“ zu halten. Geradezu amüsiert hat mich die Tatsache, dass sich so mancher, meist männliche Besuch „just for fun“ mit meinem Gerät beschäftigte, mal ein bißchen Platte komprimieren, mal kaputte Dateien entfernen, dies und jenes „eleganter“ anordnen, Einstellungen verändern, damit es SCHNELLER geht – es machte ihnen offensichtlich Freude. Mir kam das zunehmend so vor, als würde man während eines Besuchs mal eben ein bißchen zusammen das Auto waschen und schnell mal den Motor reinigen… nicht unbedingt ein Zeitvertreib nach meinem Geschmack, aber wenn es jemanden glücklich macht…

Was droht?

Mich macht es nicht glücklich, es raubt mir nur die Zeit für sinnvolle und freudige Aktivitäten. Einen PC will ich benutzen, um etwas zu tun – also schau ich strikt auf den Schaden, der schlimmstenfalls droht, wenn ich mich der Technik als solcher verweigere und NICHT jedes Update, jedes „Patch“ und vielfältige Sicherungen und Verteidigungsanlagen installiere. Was droht? Im übelsten Fall ein voller Datenverlust – na und? Meine sämtlichen Webwerke und Arbeitsstadien für Kunden sind auf Webservern im Netz, könnte ich mir alles neu herunterladen. Eine zweite Festplatte dient als Parkraum für weitere Daten, selten gehen mal beide Festplatten gleichzeitig kaputt! Und dann brenn ich noch gelegentlich eine CD, naja, nicht oft genug, aber bisher ist mir noch nichts Schlimmes zugestoßen.

Wenn ich überlege, wieviele Arbeitsstunden mir diese Herangehensweise schon gerspart hat, komm ich locker auf die Kosten des neuen PC, den ich mir alle drei Jahre kaufe! (Volles Update inbegriffen, ob ich will oder nicht).

Und doch: ein bißchen um die Basics wissen, ist schon ganz sinnvoll! Erst dann kann man nämlich kundig Lern- und Arbeitsverweigerung betreiben. Die Mär, es sei „alles ganz einfach“ ist eine glatte Lüge, die Menschen dazu verführen soll, zum Beispiel die Microsoft-Monokultur auf ihrem Gerät automatisch wachsen zu lassen. Viele wissen auch nicht, was das Internet ist und wie das Zusammenspiel zwichen den verschiedenen Diensten (Web, Mail, FTP etc.) eigentlich abläuft. Wenn dann plötzlich etwas nicht funktioniert oder in der Presse über Viren, Trojaner, Sicherheitslücken, Ausspioniert-werden und Datenklau berichtet wird, können sie diese Ereignisse und Meldungen nicht einordnen, fühlen sich verunsichert und ausgeliefert. Mit Tretroller-Kenntnissen einen Jumbo fliegen – vermutlich geht das heute, denn es gibt ja den Autopiloten und automatisierte Start- und Lande-Prozesse. Aber wer würde sich schon gern einem solchen Piloten anvertrauen?

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Claudia am 22. November 2001 — Kommentare deaktiviert für Keine Zeit? Leben & Arbeiten

Keine Zeit? Leben & Arbeiten

Das war jetzt mal eine lange Diary-Pause! Der „Endspurt“ für einen wichtigen Auftrag hat mich derart beschäftigt, dass ich kaum noch über irgend einen Tellerrand gucken konnte. Bzw. nicht wollte, mich hat ja niemand gezwungen, ich hätte es auch lockerer angehen können.

Komischerweise fällt mir das immer noch schwer. Immer neige ich dazu, die Dinge linear, eins hinter dem anderen, abzuarbeiten. Wenn dann was Größeres anliegt, wird zwangsläufig anderes längere Zeit vernachlässigt – wobei es interessant zu beobachten ist, WAS unter solchen Bedingungen als das Wichtige und weniger Wichtige erscheint. Klar, zuerst kommt die Brotarbeit, alles, worauf ein Auftraggeber wartet. Danach folgen dann verbindlich vereinbarte Projekte mit anderen: zum Beispiel das Webwriting Magazin, dessen Update ich auch grad‘ hinter mir habe. Als nächstes folgen Vorhaben, die anderen zugesagt sind, die aber unter der Überschrift „just for fun“ oder Kulturarbeit entstehen – oder auch nicht. Ganz zuletzt kommt das Eigene, angefangen vom Diary bis hin zu verschiedenen Projekten aus der umfangreichen Liste „mach ich, wenn ich Zeit habe“.

Neben dieser Web-Schiene gibts noch die Ebene „Behördendschungel“, die ich gern ganz ans Ende stelle. Schon wieder mal die Umsatzsteuervoranmeldung zu spät eingereicht – obwohl es richtig lächerlich ist, das vor mir her zu schieben, kostet es doch nur ein paar Minuten. Gottlob betreibe ich ja keinen Versandhandel und auch keinen Tante-Emma-Laden mit vielen einzelnen Vorgängen! Aber selbst das „Rechnungen schreiben“ hat komischerweise keine Priorität, sondern rangiert als „Papierkram“ ziemlich weit hinten.

Was ich hier berichte, ist eine „innere“ Bewertungsskala. Natürlich setze ich sie in der Realität nicht exakt so um, sondern schreibe auch mitten im „Endspurt“ mal Diary, mach‘ ein paar schöne Bilder, schau mal in die Mailinglisten – doch alles, was nicht der „Reihenfolge der Wichtigkeit“ entspricht, ist mit schlechten Gewissen verbunden, als würde ich mir die Zeit STEHLEN müssen, nein, nicht mir, sondern anderen.

Bei alledem hab‘ ich ein paar wirklich schöne Dinge des Lebens noch gar nicht erwähnt: Menschen treffen, Spaziergänge, körperliche Aktivitäten – all das beglückt und bereichert mich weit mehr als das Sounsovielte Web-Projekt, aber gerade das steht oft an letzter Stelle, wenn ich glaube, zuviel zu tun zu haben. Immerhin: hier bin ich schon ein wenig weiser geworden im Lauf des Lebens und gebe mir gelengentlich einen Tritt, um wieder mal hinter dem Monitor hervor zu kommen!

Was ich mir wünsche ist eine Art diszipliniertes Multitasking: In aller Frühe erstmal Yoga, dann Diary-Schreiben, vormittags die Brotarbeit, mittags Fitness-Center mit Sauna oder Spaziergang, nachmittags die Eigenarbeit – mit anderen und alleine. Und abends mit dem Lebensgefährten ausspannen oder andere inspirierede Menschen treffen, zumindest zweimal die Woche. Dies alles unterbrechbar durch Ausnahmen: Dinge, zu denen ich auf einmal Lust habe – und bitte ohne schlechtes Gewissen!

Ob ich da nochmal hinkomme? Hat es unter Euch jemand geschafft, sich in diese Richtung „umzuerziehen“? Gerade bewerbe ich mich um einen Auftrag, der mich „von Tag zu Tag“ beschäftigen wird, wenn’s klappt. Langfristig! Das wär‘ super, dann ginge es nämlich nicht mehr anders als mittels einer Routine, wie ich sie mir hier erträume.

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Claudia am 09. November 2001 — Kommentare deaktiviert für Sag niemals nie!

Sag niemals nie!

Seit Anfang September geh‘ ich in ein Fitness-Center, ich glaub es kaum!. „Sport ist Mord“ war schließlich jahrzehntelang mein Wahlspruch: Verschwitzte Jogger mit modischem Stirnband, muskelbepackte Bodybuilder an martialischen Geräten, Mädels im Aerobic-Wahn, alles Mitglieder einer verirrten Sekte, die „Fit for fun“ und einen gestylten Body als oberste Werte zelebriert. Geistflüchtlinge, Renegaten, bedauernswerte Gestalten, die ihre Orientierungslosigkeit im Physischen zu überwinden suchen: Gewicht, Puls, Kraft, alles immerhin verlässlich messbare Größen, da weiß man, was man ist!

Fitnesscompany BerlinUnd jetzt lauf‘ ich selber übers Band. Glücklicherweise ist Joggen heute out und „walken“ angesagt, sonst‘ hätt‘ ich den Einstieg vermutlich nie geschafft. Bei 6,2 km/h bring ich in zehn Minuten einen virtuellen Kilometer hinter mich, verbrauche dabei 75 Kalorien, gerate leicht ins Schwitzen und fühl‘ mich so wohl dabei, daß ich oft noch zehn Minuten „rudern“ dranhänge, oder gar‘ weiterlaufe zum wöchentlich angesagten „Cardio-Training“: 40 Minuten auf der Stelle treten, mein Gott, wo bin ich gelandet?

Im September hatte ich die Einladung zum (fast) kostenlosen Probemonat im Briefkasten gefunden, ein Center in meiner Nähe, dass ich auch zu fuß erreichen kann. „Jetzt probierst du’s einfach mal aus“, dacht‘ ich mir. Gerade war ich nämlich dabei, wieder in eine verschärfte „Gesund-Leben-Phase“ einzuschwenken, fettarm essen, viel Rohkost, nicht rauchen, abnehmen – selber orientierungslos geworden, ödete mich alles an, was nur über einen Monitor zu erleben ist, von der Brotarbeit über die vielfältigen Kommunikationsformen bis hin zum künstlerischen Selbstausdruck und politischen Engagement. Immer nur Tasten drücken, Maus-klicken und denken? Nein danke, das kann doch nicht alles sein! Die Sauna als wunderbare Abwechslung in einem Bildschirmleben hatte ich ja schon kennen gelernt – nun war es vom passiv Schwitzen zum aktiven Anstrengen gar kein so großer Schritt. Und eine Sauna gibt’s im Center ja auch, da spart man richtig Geld!

Yoga

Yoga-AsanaGanz unbedarft in Bezug auf die körperliche Ebene war ich nicht, als ich mein „Probetraining“ absolvierte. Über zehn Jahre ZEN-Yoga liegen hinter mir und ich bin nicht so verrückt, das eine durch das andere ersetzen zu wollen, bewahre! Obwohl eine Yogastunde von außen betrachtet vornehmlich aus körperlichen Übungen und Haltungen besteht, liegt der Schwerpunkt doch auf der psychisch-geistigen Ebene: Sich selbst kennen lernen, indem man das Zusammenspiel von Körper, Gefühl und Denken bemerkt, dazu die Schwingungen aus der Umgebung, die Veränderungen im Lauf der Jahreszeiten, Momente der Stille, Entspannung, Nicht-Denken… – wer bis dahin hauptsächlich auf der mental-intellektuellen Ebene lebt, lernt die Welt auf ganz neue Art kennen, die vordergründige Abgetrenntheit des „Ich denke“ entpuppt sich als Illusion, aber auch das völlige Ausgeliefertsein an Emotionen – Wut, Ärger, Panik, Euphorie – nimmt deutlich ab. Man erkennt: Eindrücke von außen (und auch innere Grübeleien) erzeugen üblicherweise automatenhafte Gefühlsreaktionen, die wiederum das Denken bestimmen. Aber diese „Gefühle“ sind samt und sonders im Grunde körperliche Reaktionen – im Bauch, im Brustbereich, um den Solarplexus, im Becken -, gepaart mit Veränderungen der Atmung.

Je mehr ich mir dieses Geschehens übend und beobachtend bewußt werde, desto weniger kann ich dieser Ebenen-Verkettung verfallen. Wenn der Körper einmal gelernt hat, auf eine plötzliche Verspannung (Angst, Angriff…) mit Tiefer-in-den-Bauch-atmen zu antworten und sie so augenblicklich wieder zu lösen, dann bedeutet das einen ungeheuren Freiheitsgewinn im Psychisch-Geistigen, im Realen Leben mit all seinen Schrecken und Freuden. Voraussetzung ist eine Flexibilisierung des Körpers, damit er seine Zustände überhaupt von Augenblick zu Augenblick verändern kann und nicht in jahrzehntelang entwickelten Dauerverspannungen festhält, die nicht nur zum Muskel- , sondern auch zum Charakterpanzer geworden sind, wie man ihn überall beobachten kann, wo man Menschen trifft.

Obwohl nun Yoga, wie ihn mein Lehrer Hans-Peter Hempel lehrt, dazu herausfordert, sich vollständig kennen zu lernen, alle unberührten Räume und Gerümpelecken des eigenen Daseins zu betreten und zu „belichten“, ist es mir doch in all diesen Jahren gelungen, ganz unbemerkt eine bestimmte Ebene weitgehend zu vermeiden, die mir schon als Kind als der Horror schlechthin erschien: alles, was richtig anstrengt und Kraft kostet, wobei man heftig ins Schwitzen gerät, wo die Muskeln nicht nur gedehnt werden, sondern auch Krafteinsatz bringen müssen. Es gibt solche Übungen, auch im Yoga, aber sie machen eher einen kleinen Teil aus und den konnte ich durchaus „halblang“ angehen, ganz unauffällig, lange Zeit sogar, ohne dass es mir bewusst geworden wäre.

Und jetzt walke ich 40 Minuten, mach‘ Sonntags den Langhantel-Kurs, verausgabe mich an den Geräten und GENIESSE es auf einmal, ins Schwitzen zu geraten! Ich hab‘ keinen Ehrgeiz, schwere Gewichte zu stemmen, sondern stell‘ mir alles so ein, dass ich gerade mal eine gewisse Anstrengung verspüre – und in nur fünf Wochen mußte ich pro Gerät schon ein- bis zwei „Briketts“ nachlegen, damit das Gefühl das gleiche bleibt. Wow! Da ich den ganzen Tag am Computer sitze, fühle ich mich wie ein neuer Mensch, wenn ich mittags eineinhalb bis zwei Stunden Fitness plus Sauna einschiebe. Meine Freude an der Arbeit ist weit größer, die Laune besser und auch der Output ist MEHR geworden, obwohl ich geglaubt hätte, soviel Zeit könne ich doch der Sache nicht opfern.

Ach ja, bevor ich’s vergesse: Auch die Angst, mit einem nicht-perfekten Körper unter lauter jungen Halbgöttinen und Göttern zum Gespött zu werden, war völlig unbegründet: Solche sind – zumindest in meinem Center – eher eine kleine Minderheit. Das mittlere Alter ist stark vertreten und derzeit steigt der Anteil der Over60s gerade spürbar an!

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Claudia am 06. November 2001 — Kommentare deaktiviert für Herbstspaziergang

Herbstspaziergang

Einfach mal durchs Kiez spatziert, über den Boxhagener Platz:

Boxi - Platz in Friedrichshain

Ein besetztes Haus: „Alle Macht geht vom Fernsehen aus“

Hausfassade

Baum im Herbst:

Baumgestalt

S-Bahn-Geleise, gesehen von der Modersohnbrücke aus:

Geleise

Nochmal ein Baum:

Gelbe Blätter

Ein gelbes Haus in der Holteistraße:

Gelbes Haus

Herbstgestrüpp:

Gestrüpp

***

Update: Das sind keine besonders schönen Fotos! Ursprünglich wurden sie auch ganz anders gezeigt:

Javascript-Galerie

Bevor das Digital Diary ein WordPress-Blog wurde, war es noch möglich, eine Art klickbare Javascript-Galerie einzufügen. Mit dem Mausklick auf die runden Bildchen poppte ein zweites Fenster in der Größe des jeweiligen Fotos auf. WordPress macht sowas nicht mit, schade!

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Claudia am 02. November 2001 — Kommentare deaktiviert für Identität und Gewohnheit

Identität und Gewohnheit

Derzeit rauche ich wieder. Nicht viel, nicht mehr so, daß das Zimmer total verqualmt ist, aber immerhin: Das „innere Gestell“ ist wieder da und stützt meinen Tag.
 
Die Summe der Laster (oder der Lasten?) bleibt immer gleich: Aus meiner Herbstdepression bin ich ‚raus, dafür aber wieder an der Kippe – bei bester Laune! Eine Zeit lang, mehrere Wochen, hab‘ ich gar nicht geraucht und es war tatsächlich ganz easy. Dann gelegentlich das Mitrauchen bei Freunden, draußen, bei Besuchen und in Kneipen. Schließlich der Entschluß, mich wieder zum Rauchen zu bekennen – Erleichterung!
 
Im Diary-Forum ist ein schönes Gespräch über Identität zu lesen, das hat mich zu diesem Eintrag inspiriert. Anders nämlich, als in anderen Nichtraucherphasen, hab‘ ich diesmal einen Identitätsverlust verspürt – deutlicher, als alle anderen Empfindungen, die auftreten, wenn ich meine abstinenten Zeiten durchlebe. Wie schon öfter beschrieben, erlebe ich die Wirkungen der Zigaretten als eine Art „inneres Gerüst“: die Wahrnehmung wird ein bißchen abgedichtet gegen körperliche Empfindungen, es wird leichter, ganz in Gespräche oder in die Welt hinter dem Monitor zu versinken. Mit Zigaretten kann ich „virtueller“ leben, mehr im Geist, weniger im Körper.
 
Als Nichtrauchende hatte ich mein Leben entsprechend verändert: Oft ins Fitnesscenter, viele Spazergänge, viel Bewegung – und immer weniger hatte ich Lust auf die Welt der Worte, Bilder, Ideen und Texte. Der Sommer ist sowieso eine Zeit, die das von sich aus nahelegt, wogegen der Herbst mit seinen kühlen Wettern und heftigen Winden eine Verinnerung bedeutet: Genau wie die Blätter vom Baum herunter wirbeln, fühle ich mich leichter, konzentrierter, dem Denken, Reden und Schreiben zugeneigter. Wie eine Art Heimkommen.
 
Und genau da liegt meine Identifizierung. Die Claudia im Fitnesscenter, in der Sauna, draußen am Strahlauer Strand, ist eine Spätentwicklung. Eine Art Update und Zusatzfeature: ganz wunderbar, fühlt sich toll an, solange sie neu ist. Aber dafür die alte, die „eigentliche Claudia“ verlieren? Die Frau, die seit Jahrzehnten Texte und Bilder, Ideen und Projekte generiert? Das ist das Zentrum meiner (relativen!) Identität und wenn ich bemerke, daß ich daran immer weniger Freude habe, ja, mich von allem, was nur auf dem Papier, im Kopf oder hinter dem Monitor stattfindet, geradezu genervt fühle – dann wird es wirklich ernst!
 
Ein interessantes Phänomen: Die Gründe, wieder mit dem Rauchen anzufangen, verlagern sich im Lauf des Lebens auf höhere Ebenen. Mitte zwanzig konnte ich keine 24 Stunden „ohne“ durchhalten, weil mein gesamtes Nervenkostüm, all meine psychophysischen Empfindungen derart durch den Wind waren, daß ich zwischen Schreien und Heulen schwankte: Agressivität und Wehleidigkeit wechselten sich ab und ich war schlicht nicht gesellschaftsfähig. Heute kann ich locker aufhören, verlebe Tage und Wochen eine angnehme Intensivierung körperlicher Empfindungen, fühle mich befreit vom inneren Gestell und bekomme Lust, zu tanzen und zu singen. Und zwar so nachhaltig, daß mir mein ganz persönliches Leben entgleitet, das, was ich über Jahrzehnte als „Ich“ entwickelt, kennen und schätzen gelernt habe: die Schreibende, die Kreative, die Computer-Frau… :-)
 
Für alles gibt es günstige und ungünstige Zeitpunkte: meine nächste Nichtrauch-Phase werde ich in den Frühlung legen, am besten in den Mai. Wenn die Zeit des Nach-außen-Gehens anfängt, wenn Texte und Monitore sowieso langweilig werden und die Energien des allgemeinen Erwachens und physischen (!) Wachsens das Innere nach Außen drängen. Dann hab‘ ich länger Zeit, mich mit einer neuen Identität auseinander zu setzen – auch jetzt schon behalte ich ja ein Stück „Claudia 2.0“ bei, gehe immerhin weiter ins Fitness-Center…
 

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