Thema: Alltag

Claudia am 24. Juli 2001 — Kommentare deaktiviert für Geburtstag

Geburtstag

Gestern hatte ich Geburtstag, wie immer ohne Feier oder besonderes Aufhebens. Ich wüßte gar nicht, was ich da veranstalten sollte, mag sowieso keine Feste und wenn mir jemand gratiuliert – so richtig face to face, mein‘ ich – dann spüre ich Verlegenheit, weiß nicht, was ich sagen soll und komme mir wie ein schlecht programmierter Automat vor.

Mit 18, also ab dem ersten selbstbestimmten Geburtstag, hab‘ ich das alles ersatzlos gestrichen und war einfach unendlich froh, daß mich niemand mehr an den Ohren zieht. Das ist nämlich eine Form des Gratulierens, die in Italien üblich ist, wo ich neun Jahre lang mitten im Familienurlaub zu einem Zwangsfest mit großem Auftrieb verdonnert war. Mein Vater hatte dafür immer Unmengen bayrisches Bier und Würstchen angeliefert, es erschienen bis zu 100 Gäste, mehrere italienische Großfamilien mit unüberschaubarem Anhang – und alle alle alle kamen auf mich zu, überschütteten mich mit ihrem Redeschwall, umarmten mich überschwenglich und zogen mich rituell an beiden Ohren. Nach wenigen Stunden glühten die Ohrläppchen – oh wie gerne wäre ich einfach unsichtbar geworden!

Bin ich ja dann auch, zumindest, was Geburtstage angeht. Dabei hat mich neulich ein guter Freund nochmal nachdenklich gestimmt: Es sei eine Frage der eigenen Wertschätzung, ob und wie man Geburtstage feiert, sich also selber feiert oder eben nicht. Gestern ist mir das dann eingefallen, ich hab‘ mir tatsächlich überlegt: Soll ich ‚was Besonderes machen? Mir richtig ‚was gönnen? Aber wie meistens ist mir nichts eingefallen, ich wollte einfach nur weiter am PC sitzen und am Design einer neuen Website experimentieren.

Das war gerade sehr sehr spannend: Zum ersten Mal nach langer Zeit gelingt mir nämlich ein neuer Stil, eine andere Herangehensweise, eine andere Art, mit Raum, Bild und Farbe umzugehen – und GESTERN war der Durchbruch in diese Richtung! Endlich weicht die Stagnation von mir, die mich lange davon abgehalten hat, meine Ideen und anstehenden Projekte definitiv anzugehen und umzusetzen. Ich war mir selber so unendlich langweilig geworden, wollte mich nicht immer nur wiederholen, so gut das im Einzelfall auch aussehen mag. Jetzt auf einmal geht etwas Anderes und vor mir liegt offene Weite, ein riesiges Spielfeld, auf dem ich das Neue in vielen Gestalten verwirklichen kann. Wie wunderbar! Ist das nicht ein tolles Geburtstagsgeschenk?

With a little help from my friends. Ohne die Inspiration durch andere Webwerker würde ich vermutlich noch lange in der Stagnation gesessen haben: Steffen (digitab.de), Becz (Becz.de) und Mia (Pandora’s Büchse) zeigten mir auf ihren Seiten ganz andere Webwelten – und für Mias Feedback, ihre konkreten Tips und Tricks bin ich ganz besonders dankbar! Nicht zu vergessen Udo, der bereit ist, mit seiner künftigen Homepage das Spielfeld abzugeben, auf dem ich mich in aller Freiheit austoben kann.

Ja, es war ein guter Geburtstag! Zum ansehen gibts erst was, wenn ich weiter bin… Weiter → (Geburtstag)

Diesem Blog per E-Mail folgen…

Claudia am 20. Juli 2001 — Kommentare deaktiviert für Der Bär tobt

Der Bär tobt

Aus der Nebenwohnung Techno, Trance, Sound pur, das Wummern der Maschine, doch in einer erträglichen Form, das Maschinenhafte in mir wohlig ansprechend. Ich wippe auf dem Stuhl vor und zurück wie ein orthodoxer Jude im Gebet. Fühlt sich satt an, heimelig.

Am Prenzlberg lassen sie gleich die Kuh fliegen, aus vierzig Meter Höhe stürzt der Aktionskünstler Flatz eine tote Kuh vom Hubschrauber in eine Baugrube, wo sie dann – pyrotechnisch angereichert – explodiert, während der Künstler „blutüberströmt“ an einem Kran hängt und lacht. Ich bin nicht dabei, stelle es mir aber bildlich vor – igitt! Eigentlich wollte ich ja heut‘ ausgehen und im Dharmakaya e.V. den Vortrag von Lama Dechen hören: „Nirvana, kann ich wirklich Leid beenden?“ – aber auch gestern schon hab ich’s nicht ins Zeit-Los geschafft, zum „Lachen nach Lachübungen des indischen Arztes Dr.Kataria“. Die Möglichkeit, diese Veranstaltungen aufzusuchen, reicht mir meistens völlig aus, ich muß es nicht wirklich machen.

Gestern an der Tankstelle stand da Wolfgang Thierse, schon recht naß, trat von einem Bein auf’s andere und fand kein Dach gegen den heftigen Platzregen. Spontan grüßte ich ihn, war auf dem Weg zur Toilette, deren Schlüssel man nur zusammen mit einer großen leeren Weichspülerflasche bekommt, eine Vorsichtsmaßnahme gegen das Vergessen. Ich wollte ihm schon anbieten, ihn irgendwohin zu fahren, man kann ja selten ‚was für seine Abgeordneten tun, aber als ich aus der Toilette kam, war er weg.

Berliner Abendschau, natürlich wieder Bankgesellschaft, Sparmaßnahmen, dann Entrüstung über die tot Kuh, deren Flug vom Senat gefördert wird. Eine einstweilige Verfügung, die eine 13-Jährige beantragt hatte, ist abgelehnt: Man muß es sich ja nicht ansehen. Ich finde, Kunst darf provozieren, sofern das noch gelingt, darf auch ein Sakrileg begehen – aber nach den Bergen mit zigtausend brennenden Kühen in England ist die Pyro-Kuh völlig überflüssig, reine Flatz-PR.

In der Küche kann man die Stimmen der Nachbarn hören, ganz nah. Die Worte verschwimmen gottlob, doch die Gefühle kommen an. Erst glaubt man, Zeuge eines Streits zu sein, doch bald wird klar, daß das der ganz normale Umgangston ist. Von oben das schon bekannte Stampfen, da tritt jemand seinen Frust in den Boden, daß die Decke zittert. Wie es den Menschen doch zeitlebens gelingt, andere zu finden, um gemeinsam noch schlechter dran zu sein als allein. Warum gehen sie nicht auseinander, warum spielen sie füreinander so bereitwillig den Fußabtreter?

Von rechts das Rollen der Straßenbahn, beim Bremsen quietscht es ein wenig. Autos rollen suchend umher. Parkplätze sind um diese Zeit eine Seltenheit, besetzt von den Gästen der Simon-Dach-Straße, in der jeden Abend der Bär tobt.

Ich lasse ihn toben. Ohne mich viel aus dem Zimmer zu bewegen, sitze ich mitten im Geschehen, umstellt von Möglichkeiten, umgeben von Ereignissen und fühl‘ mich glücklich. Wie sonderbar. Weiter → (Der Bär tobt)

Diesem Blog per E-Mail folgen…

Claudia am 15. Juli 2001 — Kommentare deaktiviert für Vom Mangel

Vom Mangel

Markus schrieb mir ins Forum: „Lese mal wieder.. 16.7.99, angekommen, Gottesgabe Tag 2.“ Was will er mir damit sagen? Ich lese selber den Beitrag nochmal, eine fast euphorische Schilderung des Neuen, voller Freude an der Natur, an der Landschaft und der großen Wohnung mit Blick ins Grüne. Ich lese es ohne Wehmut, fühle kein „Heimweh“, erst recht keine Reue, diesen Ort nach zwei Jahren wieder verlassen zu haben. Es ist ausgelebt, war die Verwirklichung eines Traums, an dem ich für den Rest meines Lebens fest gehangen hätte, wäre ich nicht aufs Land gezogen. Es ist gut, dort gewesen zu sein und auch gut, den Absprung rechtzeitig wieder geschafft zu haben, bevor sich das Gefühl des Mangels zu äußeren Katastrophen verdichten konnte. Weiter → (Vom Mangel)

Diesem Blog per E-Mail folgen…

Claudia am 12. Juli 2001 — 1 Kommentar

Was du nicht erfühlen kannst, das wirst du nicht erjagen

Vier Tage ohne Diary. Ohne mich zu verbiegen bzw. „zusammenzureißen“ hätte ich einfach keinen sinnvollen Satz hinschreiben können, also laß ich es lieber ganz. Eine Phase der Leere hat mich im Griff: Der große Umzug ist überstanden, die Stadt wieder ein Stück Normalität geworden – und was kommt jetzt? Weiter → (Was du nicht erfühlen kannst, das wirst du nicht erjagen)

Diesem Blog per E-Mail folgen…

Claudia am 08. Juli 2001 — Kommentare deaktiviert für Ein Jahr gewonnen… ;-)

Ein Jahr gewonnen… ;-)

Die Hitze ist vorbei, die Tage der Trägheit finden so ihr natürliches Ende. Leider hab‘ ich das Gewitter, nach dem ich mich so gesehnt hatte, heute nacht gar nicht mehr mitbekommen. Jetzt ist es angenehm kühl, richtiges Arbeitswetter!

Arbeiten? Sonntags? Warum nicht, schließlich hat mich auch nichts abgehalten, am Freitag an den Werbelliner See zu fahren. Ein alter Freund hat dort einen Wohnwagen stehen, meine Güte, es ist 31 Jahre her, daß ich einen Campingplatz von innen gesehen habe! Damals – jeden Sommer zwischen 9 und 17 – war Camping-Urlaub DER große Familienevent, auf den das ganze Jahr hingespart und hingesehnt wurde, immer ging es auf denselben italienischen Campingplatz, der uns zur zweiten Heimat wurde. Ich sprach schon bald fliessend italienisch und meine Sozialisation bezüglich des anderen Geschlechts wurde wesentlich von den Jungs auf dem Platz beeinflußt. Die waren schwer romantisch, aber auch sexuell sehr direkt, dauernd mußte ich mich verteidigen, fast war es eine Art Krieg.

Mit 18 hatte sich „Camping“ dann erledigt, ich fand das Ganze schon lange schrecklich spiessig (=uncool), fuhr mit meinen Freunden selbstbestimmt nach Frankreich und Spanien und genoß die Freiheit ohne Family – doch immer auf der Suche nach diesem harzigen Piniengeruch, ohne den die richtige Urlaubsstimmung einfach nicht aufkommen wollte, genauso wenig wie beim Übernachten in Hotels. Solche Konditionierungen sitzen verdammt tief, noch jetzt genieße ich den Duft der Brandenburger Kiefern ganz besonders.

Wie wir so gemütlich beisammen saßen, erwähnte mein Gastgeber sein Alter: „Mit meinen 46 Jahren….“. Ich stutzte, denn mit diesem Mann war ich dereinst nach Berlin gezogen und ich wußte noch genau, daß wir doch mal gleichaltrig waren! Wieso hatte ich auf einmal ein Jahr mehr auf dem Buckel? Ich rechnete nach und – oh wunder! – stellte fest, daß ich wieder mal meiner Zeit ein Jahr voraus gewesen war. Wie bei D-Mark-Beträgen hab‘ ich mir nämlich angewöhnt, ab der Hälfte aufzurunden: Im Winter, mit 46,5 Jahren, antwortete ich auf die Frage nach dem Alter immer schon: 47. Durch meine Vergeßlichkeit war ich dann bald der festen Meinung, mein nächster Geburtstag sei der 48! Tja, so kann man sich irren und jetzt fühle ich mich, wie ein ganzes Jahr zurück versetzt. Schon komisch. :-)

Mir scheint, heut krieg ich die Kurve zu allgemein interessierenden Themen einfach nicht hin! Deshalb hier ein Lese-Tipp von weltwichtiger Bedeutung:

Berliner Zeitung:
Müssen wir uns Bill Gates als einen glücklichen Menschen vorstellen?
Über den reichsten Mann der Welt – von Mathias Greffrath

Sehr lesenswert. Von dem gebotenen Blick auf die Welt kann einem zwar richtig schlecht werden – aber langweilen wird Euch der Artikel sicher nicht! Was mich wirklich beängstigt – neben der Charakterstudie, die wieder mal zeigt, dass die Welt von den gestörtesten Typen beherrscht wird – ist die Aussicht, daß Gates tatsächlich die Macht über die Inhalte dergestalt übernehmen will, daß der gemeine Netz-User einfach keine Seiten mehr aufrufen kann, die nicht von Microsoft (oder anderen Privaten) „zertifiziert“ sind. Das wäre das Ende des privaten und auch allen nonkommerziellen Webworkings. Und weit und breit sehe ich keine Lobby, die unsere Politiker gegen solche Vorhaben einnehmen könnte…. oder was meint Ihr? Weiter → (Ein Jahr gewonnen… ;-))

Diesem Blog per E-Mail folgen…

Claudia am 06. Juli 2001 — Kommentare deaktiviert für Stadtluft macht frei

Stadtluft macht frei

Was sind schon verlorene Papiere? Die Bullin in der Friesenwache versichert mir freundlich, dass ich doch in Deutschland gar keinen Ausweis mit mir führen muß. Und auf dem zentralen Fundbüro wird mir geraten, einfach noch zwei Wochen zu warten, meistens fänden sich verlorene Ausweise wieder ein. Wenn nicht, einfach neu beantragen! Warum also hab‘ ich mich über den verschwundenen Geldbeutel nur so aufgeregt?

Kontrollverlust macht Angst, das ist mir lange klar. Doch Kontrolle ist nur eine Illusion, je mehr ich ihr verfalle, desto stärker irritiert es mich, wenn mal was daneben geht und nicht so läuft, wie ich mir das vorstelle. Jetzt ist der Anfall wieder vorbei. Ganz entspannt korrespondiere ich mit Ämtern und Behörden, bereit, alles zu tun, was sie mir raten. Für alles existiert ein Algorithmus, eine Folge von „Wenn-dann-Vorschriften“, und wenn sich alle friedlich daran halten, gibt es keine Probleme – das ist die Utopie der Stadt, der ganzen technischen Zivilisation.

Als wir eingezogen sind, hat das Umzugsunternehmen rechtzeitig Halteverbotsschilder platziert, damit der Laster dann auch Platz zum Ausladen findet. Natürlich hielten sich die Anwohner nicht daran (schließlich ist das hier ein sozialer Problembezirk), Auto reihte sich an Auto. Kein Problem, signalisierte der türkische Umzugsunternehmer, holte per Handy die Polizei, die ihrerseits ein paar Formulare prüfte und dann den Abschleppdienst verständigte. Das Ganze zog sich ein wenig hin, die Leute in der Straße wurden aufmerksam, Bauarbeiter stiegen von den Gerüsten, Kunden aus dem Getränkeladen gegenüber eilten herbei – und als das „Umsetzen“ begann, stand nur noch ein einziger Wagen im Weg, der dann mit großer technischer Eleganz ein paar Meter weiter abgesetzt wurde. Wow!

Jetzt geht die dritte Woche in Berlin zu Ende. Noch immer geht mir der Lärm nicht auf die Nerven. Daß auch mal nachts um eins der Techno aus der Nachbarwohnung schallt, trifft mich komischerweise nicht. Selbst die Feststellung, daß offensichtlich ein anderer Nachbar nachts seine Frau schlägt, geht mir lange nicht so nahe, wie das auf dem Land, in der Isolation mit wenigen, ganz konkret bekannten Menschen der Fall gewesen wäre. Untätig bleibe ich deshalb nicht, rufe die Frauenbeauftragte im Bezirksamt an und lasse mich beraten, was zu tun ist. Eine Plakataktion in ganz Berlin bewirbt derzeit eine einschlägige Telefonnummer – ich erzähl das nur, weil selbst die Wahrnehmung dieser bekannten sozialen Schrecklichkeiten mir auf einmal ganz anders vorkommt: Immerhin wird es wahrgenommen, immerhin kümmert man sich darum, es gibt Anlaufstellen und Hilfseinrichtungen, es wird darüber gesprochen. Jede „hilflose Person“ wird von der Straße geklaubt, wogegen in Kleinwelzin, draußen in der Mecklenburger Pampa, die Insassen eines Alten- und Pflegeheims gelegentlich halb angezogen bei eisiger Kälte ziemlich weit durch das Land marschieren können, bevor sich jemand findet, der den Flüchtling zurückbringt.

Ich fühle mich zuhause, wie ich mich lange nirgends mehr zuhause fühlte. Es ist sogar körperlich spürbar, denn seit die Stadt mich wieder umgibt, ist ein bestimmter Bereich in der Gegend des Solar Plexus wieder entspannt, dessen Verspannung ich „draußen“ schon gar nicht mehr bemerkt hatte. Das macht wohl die Geborgenheit des Ameisenhaufens, das heimelige Gefühl, in der Metropole für alles und jedes Problem, aber auch für alle Wünsche und Möglichkeiten mit Sicherheit andere Menschen finden zu können. Darunter viele mit „Breitbandbewußtsein“, Leute, die gewohnt sind, flexibel zu denken und zu reagieren und die nicht schon gleich komisch gucken, wenn man mal einen ungewöhnlichen Hut aufsetzt. Stadtluft macht frei, das stimmte schon im Mittelalter und gilt heute erst recht.

Große Städte, in denen es nicht mehr möglich ist, daß jeder jeden kennt, sind virtuelle Gemeinschaften, also Communities der Möglichkeiten: WENN dies oder jenes geschieht, WENN ich dies und das brauche, WENN es mich nach X oder Y verlangt, DANN kann ich es haben, DANN finde ich meine Gegenüber. Ansonsten aber, und das ist verdammt wichtig, werde ich in Ruhe gelassen, jeder läßt den anderen sein, im Guten wie im Schlechten. Man kann also auch ganz ungestört unglücklich, krank, verrückt oder einsam werden, solange man nicht auffällig wird, das Getriebe nicht stört oder sich hilfesuchend bei den „Zuständigen“ meldet, ficht das keinen an. Das ist der Januskopf der Freiheit, die eben ihren Preis hat.

Ein Freund hatte sich kurz vor meinem Gang aufs Land in der Nähe von Belzig in eine genossenschaftliche Siedlung eingekauft. Als wir neulich telefonierten und er von meinem Rückzug erfuhr, meinte er etwas wehmütig: „Tja, als Mieter kann man sich sowas erlauben!“ Es hatte ihn schon kurz nach seinem Einzug gestört, daß er die anderen Siedlungsbewohner dauernd grüßen muß, womöglich noch stehen bleiben und ein paar Worte plaudern, ohne ihnen doch wirklich etwas zu sagen zu haben. Ich weiß jetzt, daß genau das der Punkt ist, der die Stadt „wahrer“ erscheinen läßt: Man hat sich nichts zu sagen, tut es also auch nicht, es gibt keine derartigen Erwartungshaltungen, jedenfalls nicht im Raum physischer Nachbarschaft oder zufälliger körperlicher Nähe. Wogegen die Kultur des Landlebens noch immer von einer Gemeinschaft ausgeht, die lange schon nicht mehr existiert. Die Dörfer da draußen sind voller Rentner, dazu ein paar Pendler. Wo kein Tourismus ist, sagen sich Fuchs und Hase gute Nacht. Es gibt faktisch keine Gemeinsamkeiten, da die gemeinsame ARBEIT des Landes, die Landwirtschaft, durch technische Evolution gesellschaftlich bedeutungslos geworden ist. Die anonyme Stadt ist so gesehen überall, nur daß man ihre Vorteile auf dem Land kaum genießen kann.

„Häuser in Brandenburg sind billig zu haben, jetzt sogar renoviert“, erzählt mir Hans, der Mann, mit dem ich 1979 nach Berlin gezogen bin. Ich wundere mich, schließlich ist doch die Schnäppchenzeit der Nachwendejahre lange vorbei. „Nee“, meint er, „die kommen alle wieder zurück und verkaufen ihre restaurierten Buden. Da sinken halt die Preise.“ Aha! Wieder mal bin ich also mitten im Mainstream… :-) Weiter → (Stadtluft macht frei)

Diesem Blog per E-Mail folgen…

Claudia am 04. Juli 2001 — Kommentare deaktiviert für Im Papierkram untergehen

Im Papierkram untergehen

Es dauert wohl noch eine Weile, bis ich wieder voll Stadt-kompatibel bin. Gerade rudere ich in den seltsamen Bedingungen und Algorythmen der verwalteten Welt umher und sehe kein Land, ja, es scheint stündlich schlimmer zu werden. Das Chaos, das ich aus der Welt der physischen Gegenstände glaubte verbannt zu haben, hat sich auf die Papier- und Behördenwelt verlegt – und entfaltet sich da zu ungeahnter Größe: Ich kann mich nicht anmelden, weil mein Ausweis mitsamt Geldbörse und weiteren Papieren verloren oder geklaut ist. Das zentrale Fundbüro sagt, ich solle mindestens zwei Wochen mit der Neubeantragung der Papiere warten, mich aber doch möglichst bald in Berlin anmelden. Wie denn, frag ich, wenn doch mein Ausweis weg ist? Weiter → (Im Papierkram untergehen)

Diesem Blog per E-Mail folgen…

Claudia am 01. Juli 2001 — Kommentare deaktiviert für GAU der kleinen Dinge

GAU der kleinen Dinge

Endlich wieder online! Seit Freitag funktioniert mein Telefonanschluß, die Telekom hat es im zweiten Anlauf nun doch geschafft, mich wieder mit der Netzwelt zu verbinden, wenn auch vorerst nur „analog“. Doch kaum ist diese letzte Hürde überwunden, die mich noch vom üblichen Alltag trennte, veranstalte ich eine neue Verwaltungskatastrophe: Mein Geldbeutel ist weg, am Ende eines langen Abends im Chamissokiez abhanden gekommen. Zwar konnte ich jeden Schritt nachvollziehen: Zahlen im Heidelberger Krug, Taxi rufen, Bezahlen des Taxifahrers, Ankommen in Friedrichshain – aber irgendwo auf diesem recht transparenten Weg ist das Teil verschwunden und auch tags darauf weder im Krug noch im Taxi aufzufinden gewesen. Weiter → (GAU der kleinen Dinge)

Diesem Blog per E-Mail folgen…

Neuere Einträge — Ältere Einträge