Thema: Autobiografisches

Claudia am 25. November 2006 — 23 Kommentare

Die LIEBE und das ÄLTER WERDEN

Ein Stück Autobiografie

Als ich um die dreißig war, dachte ich, mit 50plus sei man quasi scheintot und die geschlechtliche Liebe läge komplett außerhalb des persönlichen Horizonts. Meine Beziehungen waren eher Schlachtfelder als friedlich-lustvolle Inseln im Meer des stressigen Alltags. Wie ein lieber Freund es so treffend bezeichnete: ich spielte das Papi-und-Mami-Spiel, mit jedem Partner aufs Neue.

In diesem Spiel geht es um Macht und Anerkennung, um die Suche nach dem Eigenen im Kontrast zu dem, was der Partner will. Ohne darum zu wissen, wählte ich meine Geliebten „nach dem Bild des Vaters“ – nur eben andersrum: ER sollte ganz anders sein, nicht so ein unberechenbarer Choleriker, der mich stets zu etwas zwingen will, das ich nicht mag, und mir gleichzeitig jede Anerkennung verweigert (um meinen Ehrgeiz anzustacheln, wie er mir in späteren Jahren mal sagte!). Doch seltsam seltsam: Obwohl sie zunächst „ganz anders“ wirkten, verstrickte ich mich mit ihnen in genau die Art Kampf, den ich mit meinem Vater geführt hatte. Stets hatte ich das Gefühl, sie wollten mich beschränken, unterdrücken, meine Freiheit einzäumen, wogegen ich mit aller Macht rebellierte – bis ich eines Tages merkte, dass dieser Kampf keine Sieger kennt. Wer gewinnt, hat ebenfalls verloren, nämlich das, was eine Liebesbeziehung eigentlich sein soll: ein Verhältnis, in dem ich nicht kämpfen muss, sondern angenommen werde, wie ich eben bin. Weiter → (Die LIEBE und das ÄLTER WERDEN)

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Claudia am 01. Juni 2006 — 49 Kommentare

König Alkohol: Der Kontrollversuch ist der Kontrollverlust

Wenn es mir zu intim wäre, könne ich den Text auch gern per Mail ganz privat schicken, schreibt mir der Leser, der sich dieses Thema gewünscht und es auch „gesponsert“ hat. (Danke!). Zu intim? Wikipedia zählt 4,3 Millionen Alkoholkranke in Deutschland, über 40.000 Menschen in Deutschland sterben jährlich in Folge übermäßigen Alkoholkonsums und etwa zwölf Prozent der Bundesbürger pflegen einen „riskanten Umgang“ mit Alkohol. Die Droge Nr.1 wird von Wissenschaftlern mittlerweile zu Recht als „harte Droge“ eingestuft, ebenso gefährlich wie Heroin & Co., obgleich legal. Weiter → (König Alkohol: Der Kontrollversuch ist der Kontrollverlust)

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Claudia am 14. Juni 2004 — Kommentare deaktiviert für Über Sein und Sollen

Über Sein und Sollen

Braucht es eigentlich eine „Lizenz zum Dasein“? Muss mir erst jemand erlauben, SO zu sein, wie ich gerade bin? Habe ich die Pflicht, mich dafür zu rechtfertigen? Muss ich gar Gründe und Ursachen benennen, wissenschaftliche Forschungen heran ziehen, mein Denken, Fühlen und Verhalten stets mit dem Denken und Meinen anderer abgleichen? Zwingt mich irgend etwas dazu, heute genauso zu sein wie gestern oder vorige Woche? Muss ich „logisch nachvollziehbar“ bzw. „vernünftig“ sein? Oder gar politisch korrekt? Weiter → (Über Sein und Sollen)

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Claudia am 07. Juni 2004 — Kommentare deaktiviert für Vom Buchstabenglück

Vom Buchstabenglück

Schreiben heißt, ganz nah bei mir zu sein.

Jetzt steht er da, dieser Satz. Zwar ist er nicht in Stein gemeißelt, hört sich aber so an. Und gleich fühlt sich das Denken provoziert und rattert Kommentare herunter: Stimmt nicht, wenn du über Berlin oder HTML schreibst, bist du nicht bei dir. Und wenn dir nichts einfällt, wo bist du dann? Und überhaupt, was soll der Scheiß? Wer bitte ist hier bei wem? Woher fällt etwas ein – und wohin fällt es dann? Weiter → (Vom Buchstabenglück)

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Claudia am 03. Juni 2004 — Kommentare deaktiviert für Kein „Ruck“ – aber die Blockade zerbröselt

Kein „Ruck“ – aber die Blockade zerbröselt

Über Geld spricht man nicht – woher stammt eigentlich diese seltsame Volksweisheit, die selbst im Jahre 2004 noch immer jedem einfällt, wenn man es doch einmal tut? Eine Teilnehmerin in einer Frauenliste fand es sehr problematisch, dass ich so „offenherzig“ über meine Situation schreibe wie im letzten Diary-Artikel. Sie sei Kauffrau und würde nun ganz gewiss erst länger recherchieren, bevor sie mir einen Auftrag gibt, und dann versuchen, die Preise zu drücken. Das war aber auch schon die einzige negative Resonanz! Ansonsten konnte ich mich über allerlei Zuspruch und Ermunterung, konkrete Ideen und Angebote freuen – bis hin zu einer hilfreichen Spende. 1000 Dank!

Dass ich sogar das Kühe-Hüten in Betracht zog, brachte mir eine Anfrage, ob ich mich nicht um eine offene Stelle in einer Bergbauern-Initiative bewerben möchte. Und eine ehemalige Bauernmagd setzte mir auseinander, dass der Sennerinnen-Job ein Knochenjob sei – man „hütet“ ja nicht nur, sondern muss auch melken und Käse machen. Dafür gibt’s zwar in der Schweiz 100 Euro/Tag, aber man schafft es körperlich nur bis ungefähr 30. Naja, so ganz ernsthaft war ich in Sachen „Kühe hüten“ ja nun doch nicht…

Besser gefällt mir die Idee, „problematische Immobilien“ für Menschen zu verkaufen, die keine Lust auf Makler haben. Das ist mir schon mal im Leben zugestoßen und war eine interessante Erfahrung in einem Metier, das mir doch ziemlich fremd ist. Mit dem Honorar konnte ich dann eine Stadtteilkneipe eröffnen, die mir auch eher „zuflog“, als dass ich mich drum gerissen hätte. Gern würde ich auch hochpreisige Liebhaberobjekte im Web präsentieren – hier in der Nähe gibt’s so ein Gebiet mit interessanten Neubauten, darunter einige, die offensichtlich bisher keine Käufer oder Mieter fanden. Wenn ich mal ausrecherchiere, wie die im Web angeboten werden, treffe ich nur auf langweiligst gestaltete Datenbanken mit ein paar Angaben und je einem winzigen Bild. Muss das so bleiben?

Motivationskrise

Ach ja, es gibt viele Möglichkeiten – auch solche, die ein bisschen näher dran sind an meiner bisherigen Arbeit. Es ist ja nicht so, dass ich in den letzten Wochen schwer gewirbelt hätte, um bestimmte Angebote an den Mann bzw. die Frau zu bringen, eher war ich außerstande, meine „To-Do-List“ mit all den Ideen wirklich abzuarbeiten. Eine Art Motivationskrise, in der es absolut nichts gebracht hat, endlos über Möglichkeiten und Ursachen zu grübeln. Trotz aller Sorgen vergingen die Tage, ohne dass ich „effizienter“ wurde. Erst das immer neue Scheitern am Versuch, mich erfolgreich anzutreiben, führte zu einem inneren Loslassen. Ein paar Tage tat ich wirklich NICHTS – und zu meinem Erstaunen hab‘ ich auf einmal wieder Lust!

An den äußeren Bedingungen, z.B. am mittlerweile grundstürzend gewandelten Internet, ändert das zwar nichts – wohl aber kann ich mit Freude an der Sache wieder kreativ auf geänderte Bedingungen antworten (toi toi toi!). Einfach „irgendwas machen“, ohne einen Funken von Begeisterung, das konnte ich auch vor den Zeiten der Netze nicht. Hab‘ es ausprobiert, schon gleich nach dem Abitur und als Studentin. In den Semesterferien-Jobs lernte ich viele Unternehmen und Behörden von innen kennen und kämpfte ständig mit dem Einschlafen. Damals herrschten in Sachen Arbeit noch paradiesische Zeiten („Kommen Sie zu uns, Sie können gleich mit BAT 2A anfangen, wenn Sie Ihren Abschluss haben“), aber in so einer Behörde anzuheuern, erschien mir nur als lebendiges Begraben-Sein.

So ist es halt ein Patchwork-Lebenslauf geworden und keine Beamtenlaufbahn, wie mein Vater es sich gewünscht hätte. Die letzten acht Jahre – also die Netz-Zeit – waren verdammt spannend und abwechslungsreich. Ich bin gespannt, wie es weiter geht!

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Claudia am 24. September 2003 — Kommentare deaktiviert für Wie ich schreiben lernte

Wie ich schreiben lernte

Ich schreibe. Nicht für „Bewusstheit und Selbsterkenntnis“, nicht um als Autorin unsterblich zu werden, nicht fürs Geld verdienen, nicht um mich meiner selbst zu vergewissern, nicht um mein Publikum zu unterhalten oder gar die Welt zu retten – ich schreibe einfach. Alles das ist vielleicht zeitweise im Kopf, im Gefühl intendiert, aber in Wahrheit schreibe ich einfach nur. Weil ich es gelernt habe. Nicht als „Methode“ mit Werten und Kriterien, sondern als „Geste“. Weiter → (Wie ich schreiben lernte)

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Claudia am 12. Januar 2003 — Kommentare deaktiviert für Richtungswechsel – eine Zwischenbilanz

Richtungswechsel – eine Zwischenbilanz

Seit einer knappen Woche lebe ich wieder allein – nach etwa zwölf Jahren Zweisamkeit! Nur noch ein paar wenige große Möbel meines liebsten Freundes stehen im Nebenzimmer, am Montag früh ist der Abtransport. Er hat eine Wohnung in Kreuzberg gefunden, ich bleibe in Friedrichshain, ziehe aber ein paar hundert Meter weiter: rüber über die S-Bahn-Geleise, näher an die Spree, direkt neben die Oberbaumcity. Alles verläuft ganz organisch, es geschieht, was geschehen muss und wir sind es beide zufrieden. Eine gute Erfahrung, daß nicht jede wichtige Veränderung unter Hauen & Stechen stattfinden muss.

Beim Verein der Freunde alter Menschen bin ich im November ausgestiegen: für ein paar wenige alte Menschen Kaffeenachmittage zu organisieren ändert nichts an der Situation in den Alten- und Pflegeheimen, auch nicht an der Isolation der Unzähligen die noch in ihren Wohnungen schlecht und recht versorgt werden. Und JA, ich will wieder etwas ändern, wenn ich mich schon engagiere, nicht nur einfach „irgendwas in dem Bereich“ machen und sehen, wie es mir bekommt.

Türen schlagend verließ ich kurz vor Weihnachten auch meinen langjährigen Yoga-Lehrer. Über die verschiedenen Anlässe will ich mich hier nicht verbreiten. Ich verdanke ihm viel und werde das nicht vergessen! Der Zeitpunkt war allerdings länger schon überschritten, an dem ich hätte gehen sollen: der ist immer dann, wenn ich nur noch das „Immerselbe“ erlebe und bereits mehrfach auf alle mir möglichen Weisen reagiert oder eben nicht reagiert habe. Da zu bleiben und das Bekannte endlos weiter zu „konsumieren“ ist dann kontraproduktiv, denn die Punkte, an denen es weiter gehen muss, sind durch diese Konstellation blockiert: bei ihm und durch ihn geht nichts mehr – aber auch nicht mit Hilfe eines Anderen, denn ER ist ja da! Und er macht natürlich SEINS, seinen Yoga, sein Leben, seine Philosophie und seine Weltanschauung – wenn ich wichtige Teile davon ablehne, aber trotzdem dran bleibe, ergibt das nur einfach zunehmende Ärgerlichkeit im zwangsläufigen Stillstand.

Gut, dass es jetzt zu Ende ist, zehn Jahre sind vermutlich auch genug. Mit ihm zu streiten wäre müßig. Ganz abgesehen von der Frage, ob er Kritik und Auseinandersetzung auch einmal zulassen würde, bin ich ja nicht gekommen, um IHN, den zwanzig Jahre Älteren zu ändern, sondern um MICH mit seiner Hilfe ändern zu lassen. Wenn allerdings in mir keinerlei Verlangen mehr brennt, in dieser oder jener Hinsicht zu werden wie er, dann läuft da nichts mehr. Lange schon nicht!

Form wird Leere, Leere wird Form

Es gab auch noch ein paar weniger bedeutende Trennungen in letzter Zeit, die alle ein Grundmotiv gemeinsam haben: die Phase, in der ich nur beobachtetete, wie die Außenwelt mich formt, in der ich immer nur übte, möglichst ohne Widerstand ein Maximum an innerer Flexibilität zu realisieren, ist vorbei. Lange lebte ich aus der Mitte dreissig gewonnenen, damals ungeheuer befreienden Einsicht: Ich bin niemand, also bin ich (potenziell) alles. Kann daher zu allem JA sagen, denn nichts stellt mich in Frage. Weil da ja kein substanzielles Ich existiert , weil „ich“ nur eine Denkweise ist, definiert mich auch nichts außer mir selbst – ich kann es also gleich ganz lassen und einfach nur Beobachterin sein. Beobachterin auch eigener Gedanken, Gefühle und Aktionen, die einfach stattfinden weil ein Tag dem anderen folgt und immer irgend etwas geschieht.

Demut, Hingabe, Gelassenheit – diese Haltungen kamen in meinem ersten Lebensentwurf nicht vor: der zeigte mich als Macherin meiner Welt, als stets Betroffene und Verantwortliche, die mit vollem Einsatz kämpft und um Macht und Einfluß ringt; natürlich immer für die Menschheit und die Weltrettung und niemals für sich selbst – zumindest in der Selbsteinschätzung, also in fast völliger Blindheit.

Als diese Art des In-der-Welt-Seins dann auf selbstzerstörerische Weise zum Ende kam und vor nun fast dreizehn Jahren endlich zusammen brach, bewegte es mich wie in einer Pendelbewegung hin zum anderen Ende er Dualität: Nicht ICH mache, sondern ich werde gemacht – alles geschieht immer schon ganz ohne dass ich die Welt auf meinen Schultern trage. Etwas Konkretes wollen, etwas Bestimmtes meinen, ja, alles Meinen und Diskutieren, Argumentieren und Grübeln – all das sind nur Formen der Unfreiheit und Selbstfesselung. Nur nie mehr versuchen, eine Form zu verteidigen!

Ich kann kaum schildern, was das für eine Umwertung alle Werte bedeutete – und was für ein spektakulär anderes Lebensgefühl. Es war eine Art zweite Geburt. In der ersten Zeit schwebte ich denn auch wie auf Wolken, und auch später ging es mir durchgehend besser als je zuvor: anstrengungslos ergriff ich Möglichkeiten, die sich mir anboten. Menschen wollten etwas von mir, also tat ich das – das Leben wurde ungeheuer einfach und erstaunlicherweise lebte ich in jeder Hinsicht besser, auch was Arbeit und Einkommen angeht. Offensichtlich war ich in meiner Macher-Phase selbst der Urgrund all meines Unglücks und meiner Verzweiflungen gewesen.

Die „Entdeckung der Gelassenheit“ war allerdings nicht das Ende, wie ich heute merke. Das Pendel hält nicht etwa an, sondern schwingt weiter von einem Pol zum andern – vermutlich werden nur die Ausschläge kürzer und ein Leben ist (im niemals real existierenden Idealfall) dann vollendet, wenn es in der Mitte zur Ruhe kommt.

Weit entfernt von dieser mittigen Ruhe erlebe ich derzeit wieder den Richtungswechsel: von der Leere zur Form, vom Nichts zum Alles, vom Loslassen zum Zupacken, vom Forschen und Beobachten zum Erschaffen und Pflegen. Es fühlt sich an wie eine Häutung, alles Erleben ändert seinen Geschmack, alle Wahrnehmung ist anders, eben noch in einer alten Routine steckend merke ich ständig: hey, auch DAS ist ja nicht mehr so, wie gehabt! Auch hier ist etwas neu und ich muss es mir genauer ansehen, muss einen neuen Umgang damit finden.

Aus der Wüste zu den Sternen

Wie ist das gekommen? Was hat sich verändert? Der Umschlag hat sich schon lange Zeit angebahnt, so seh ich das zumindest jetzt. Einige Jahre fühlte ich mich schon wie in einer Art Wüste: keine Wünsche mehr, keine wirklich ernst gemeinten Projekte, keine Gedanken an Zukunft (weil die sowieso nicht existiert..) – und der verrückte Versuch, immer mehr zum Nichts zu werden, eine Art Nullstelle im Dasein, allenfalls ein paar vielleicht hilfreiche Beobachtungen absondernd, die aufgrund eigener Interesselosigkeit einen ganz besonderen Anspruch auf Wahrheit anzumelden hätten – wie absurd! Was für eine Selbtvergewaltigung!

Während mein Yogalehrer sein Buch über „Daseinsgefräßigkeit“ vorbereitete, verging mir so langsam aller Appetit aufs Leben. Und im Zusammenwohnen in einer um jeden Preis friedlichen Zweisamkeit scheiterte ich zeitgleich mit dem Bemühen, als Form, als Jemand, an dem der Andere anecken, sich irgendwie stören könnte, zu verschwinden. Mich immer weiter zurücknehmend konnte ich es locker bis zur konturlosen grauen Maus bringen, die in einem unauffälligen Loch sitzt und den Kopf einzieht, um nur nicht Stein irgend eines Anstoßes zu sein – nichts wollend, nichts meinend, nichts wünschend – und doch alles zwecklos! Der Andere stößt sich trotzdem, das kann gar nicht anders sein, wenn man sich so nahe ist.

Das eigene Verschwinden ist nun aber nicht wirklich machbar, selbst der Symbolisierung und Virtualisierung in einem Online-Leben sind natürliche Grenzen gesetzt. Wenn also die eigentlich „beziehungstypischen“ Auseinandersetzungen vermieden werden sollen, bleibt als einzige Möglichkeit, die alltägliche Zweisamkeit zu beenden und eine größere Distanz einzunehmen. (….jetzt freu ich mich schon wieder, wenn er zum Kaffee kommt!)

Seit dies beschlossen ist, also seit ein paar Monaten, zerbröckeln eine ganze Menge innere Mauern, die ich offensichtlich gegen Veränderungen errichtet hatte. Es ist machbar, ja sogar leicht, etwas Wesentliches zu verändern: Anstatt zugunsten Anderer wegzuschrumpfen, kann ich mir auch einfach mehr Raum nehmen. Ja, irgendwann bleibt einfach nichts anderes mehr übrig, selbst wenn ich „eigentlich“ nichts derartiges vorhatte, ja, sogar ängstlich davor zurück schreckte..

Es macht einen wichtigen Unterschied, dies an sich selber erneut zu erleben, anstatt es nur zu wissen bzw. zu erinnern. Wie Dominosteine purzelt nun alles in eine andere, eine neue Richtung: wenn ich an diesem allerwichtigsten Punkt meines Lebens nicht anders kann, als SO zu entscheiden, dann ist nicht mehr einzusehen, warum ich mich in weniger wichtigen Bereichen weiter um die eigene „Nichtung“ mühen sollte!

Als wäre die Sehne eines Bogens überspannt worden und letztlich gerissen, drehe ich mich um 180 Grad, schwinge mit dem Pendel wieder in die andere Richtung und fühle voller Freude: Ich bin völlig ok, meine individuelle „Form“ ist gut so! Sollen doch diejenigen, die immer gerne an mir herumkritisieren, erstmal dahin kommen, sich mit sich selbst so wohl zu fühlen wie ich. Mein Atem ist mir lang genug, warum zum Teufel soll ich ihn eigentlich NOCH weiter verlängern??? Wenn nicht gerade jemand an mir zieht und mir vermittelt, ich sei irgendwie falsch, geht’s mir super! Sogar unabhängig vom Stand des Bankkontos, vom Wetter und von kleinen Zipperlein wie Mausarm, Tietzesyndrom und Probleme mit dem Nerv aus L5/L6 ! Richtig krank bin ich nie, meistens sogar gut gelaunt, in meinem Kopf geben sich weder Ängste und Bedenken die Klinke in die Hand, noch füllen Klage und Anklage über Selbst und Welt alle Speicher, die doch für das Wunder der Wahrnehmung und ein freudvolles schöpferisches Handeln in der – tatsächlich verbesserungsbedürftigen! – Welt weit besser genutzt werden können.

Und das will ich nun auch tun. Es geht mir nicht darum, irgend eine Wahrheit zu demonstrieren oder gar zu verteidigen. Wesentlich wichtiger ist das Gefühl der inneren Ruhe und Klarheit, dieses Ganz-bei-sich-Sein, egal, was da für Turbulenzen im Äußeren toben mögen. Das Pendeln zwischen den Polen der Dualität – zwischen Form und Leere, Wille und Hingabe, zwischen Zeitlichkeit und ewigem Augenblick – ist die Bewegung des Lebens. Auf immer neuen Ebenen erlebe ich sie, vielleicht lerne ich ja doch, einfach freudig mit zu tanzen.

Dass im Scheitel des Pendels, im „Auge des Orkans“, absolute Stille herrscht, hat damit überhaupt nichts zu tun.

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Claudia am 14. Dezember 2002 — Kommentare deaktiviert für Weihnachtsstimmung ?

Weihnachtsstimmung ?

Ein paar Tage ohne Diary verbracht, dafür umso aktiver das Webwriting-Magazin angeschoben. In den nächsten Tagen wird sich da einiges tun. Das Log auf Seite 1 scheint zu gefallen und ich bekomme viele positive Mails. Dass ein Leser auf den Nielsen-Artikel auch gleich mit einer Virus-Attacke reagiert hat, gehört wohl dazu: Manchen fehlen eben die Worte, ihre andere Meinung anders auszudrücken.

Aber genug davon. Es ist Mitte Dezember, noch zwei Wochen bis zum dunkelsten Tag des Jahres. Trotz Weihnachtsbeleuchtung, die auch hier im Dorf Gottesgabe Volkssport ist, will eine weihnachtliche Atmosphäre nicht aufkommen. Die warmen Stürme, der Matsch, der alle unversiegelten Oberflächen zu Gummistiefelfallen macht, die orkanartigen Böen, die hier im Schloßwald ein beeindruckendes Dröhnen hören lassen: Weihnachtsstimmung ist das nicht gerade.

Was aber wäre denn Weihnachtsstimmung? Ich erinnere mich daran, wie es mir als Kind schon ab zehn zunehmend PEINLICH wurde, wenn der Event namens „Bescherung“ auf die Jahr für Jahr gleiche Weise zelebriert wurde. Fast bin ich vor Scham in den Boden versunken, wenn wir drei Kinder am sogenannt heiligen Abend mit einem Glöckchen zu Konservenklängen von „Ihr Kinderlein kommet“ ins geschmückte Weihnachtszimmer mit brennendem Lichterbaum geklingelt wurden. Wie in der Auslage eines Warenhauses hatten meine Eltern die Geschenke arrangiert:

Bescherung, altes Foto

Alles war natürlich schon ausgepackt, denn allzu viel Verpackungsmüll verträgt sich nicht mit echten Wachskerzen am Baum. Trotzdem standen hinter dem Baum noch zwei Eimer mit Wasser, man weiss ja nie!

Auch wir Kinder hatten erstmal „staunend davor“ zu stehen. Denn erst mußte das Lied zu Ende gesungen sein, bevor es uns erlaubt war, „jubelnd“ auf die Geschenke zu stürzen. Erlaubt? Ich jubelte schon, ehe ich überhaupt alles gesehen hatte, denn ich wollte dieses „Kinderjubeln“ schleunigst hinter mich bringen, das meine Eltern offenbar so sehnlichst erwarteten. Was mir an der ganzen Sache so peinlich war und von Jahr zu Jahr immer peinlicher wurde, konnte ich gar nicht sagen. Man hätte Weihnachten jedenfalls ersatzlos streichen können, ich wäre erleichtert gewesen. Doch so gab ich zur Zufriedenheit meiner ahnungslosen Eltern das „jubelnde Kind“, Jahr für Jahr wieder, bis mir der Geist des Protestes von 1968 endlich eine Sprache gab, um meinem Unmut Ausdruck zu verleihen: konsumorientierter stockspießiger Scheiß! Alles Lüge!

Damit war erstmal Schluß mit Weihnachten und ähnlichen „hohlen“ Ereignissen, denen ich mich fortan zu verweigern suchte. Wenn das absolut nicht ging (jetzt zeigte sich der Zwangscharakter der Sache: ich MUSSTE mitmachen!), dann stand ich allenfalls mäkelnd dabei und verdarb den anderen wenigstens erfolgreich die Stimmung. Mit jeder Geste schwitzte ich meine Kritik aus, dass nämlich weder Kerzenduft noch Lichterglanz, weder die gefüllte Riesenpute noch die Zwangsbeschallung mit Weihnachtsliedern darüber wegtäuschen könne, was in unserer Familie IN WAHRHEIT Sache war: blanker Hass und Machtkämpfe Tag für Tag, halt so ein ganz normales Familienleben.

Seither ist viel Zeit vergangen, so richtig warm bin ich mit Weihnachten nie geworden, zumindest nicht in seinem mehr denn je dominanten Shopping-Event-Charakter. Das eigentliche Anliegen solcher Feste kann ich heute verstehen und gutheißen. Sie sollen nicht etwa eine üblicherweise schlimme zwischenmenschliche Realität für einen Tag oder für Stunden einfach nur verbergen, mit Glitzerkram und Hulligully zuschütten. Sondern sie sind als Ausdruck eines Konsenses gemeint, der in Worten lauten könnte: Ja, wir wissen, dass wir alle Egoisten sind und DER ANDERE uns normalerweise nicht viel bedeutet. Dieses Fest ist Ausdruck unserer Unzufriedenheit mit diesem Zustand: Wir leben mal für ein paar Stunden, wie wir es „eigentlich“ gerne hätten, wenn…. tja, wenn wir nicht solche Bestien wären, wie wir es nun mal sind.

Gerade von dieser weihnachtlichen Wahrheit spüre ich allerdings wenig im Bewußtsein meiner Mitmenschen. Die meisten glauben von sich, sie seien ganz wunderbare Typen, stets bereit zu helfen und über alles zu reden, immer auf der Seite des GUTEN, Wahren und Schönen. Und wenn ausnahmsweise mal nicht, dann sind Andere oder „die Umstände“ schuld. Diesen Glauben möchte kaum jemand erschüttert sehen und ein erfolgreich inszeniertes Weihnachten mit maximalem Warenumschlag gehört eben einfach zum Leistungsspektrum erfolgreicher Individuen.

Der Bericht hier wäre unvollständig, ohne anzufügen, dass ich „trotz alledem“ auf Weihnachten konditioniert bin. Ich mußte feststellen, dass ich glitzernden Baumschmuck, den Duft angesengter Tannennadeln, jubelnde Familien und die großen Fressen zu Weihnachten irgendwie mag. Die sinnlichen Einzelheiten des Weihnachtsszirkus‘ sind tief in mich eingeschrieben, in die Schicht, die nicht diskutiert, sondern nur fühlt und reagiert. Und DARÜBER reg‘ ich mich heute nicht mehr auf, sondern genieße es, soweit das im Überangebot der dreimonatigen Kommerzweihnachten überhaupt noch möglich ist.

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