Thema: Liebe, Beziehung, Geschlecht

Claudia am 26. Januar 2005 — Kommentare deaktiviert für Neu: Das Lustgespinst

Neu: Das Lustgespinst

Nach längerer Pause stell ich Euch heute eine neue Website vor:

Lustgespinst – Szenen und Geschichten aus Lust und Leidenschaft

Es sind Texte aus dem Kurs „Erotisch schreiben“, die von den Teilnehmerinnen und Teilnehmern für die Veröffentlichung frei gegeben wurden. Dabei muss es aber nicht bleiben: Wer mag, kann einen Beitrag einreichen – mehr dazu steht auf der Seite „Mitschreiben“.

Wer noch Fehler auf den Seiten findet: Ich bin immer für Hinweise dankbar!

Und jetzt bin ich erstmal bis Sonntag offline und besuche meine Mutter in Wiesbaden.

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Claudia am 12. Oktober 2004 — Kommentare deaktiviert für Porno für Frauen

Porno für Frauen

Seit das Internet die Welt vernetzt, schaue ich mir neugierig alles an, was es im Web so zu sehen gibt. Immer wieder mal surfe ich auch durch die „Schattenreiche“, betrachte die Bilderwelten der Sex-Seiten mit ihren unzähligen „Galerien“ und lese so manche „Erotic Story“. Es heißt, Frauen werden eher durch Geschichten angesprochen, Männer durch Bilder – und so „im Großen und Ganzen“ stimmt das vielleicht auch. Weiter → (Porno für Frauen)

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Claudia am 16. Juli 2004 — Kommentare deaktiviert für Zärtliche Entsagung

Zärtliche Entsagung

Vor über 15 Jahren lernte ich meinen „liebsten Freund“ kennen. Diesen Titel hab ich schon bald für ihn erfunden, weil er – genau wie unsere Beziehung – in keine Schublade passte.
Wir waren (und sind) kein Paar, aber auch nicht nur Freunde, vielleicht so etwas wie „Wahlverwandte“, aber das passt auch nicht so recht. Klingt viel zu leidenschaftslos,
zu cool.

Leidenschaft? Das übliche „Entbrennen zwischen Mann und Frau“ war es nicht – davon hatte ich gerade genug, als ich mich eines Abends neben ihn setzte. Hochwichtige konfliktreiche Beziehungen lagen hinter mir, eine nach der anderen, seit den Teeny-Jahren. Liebe als Kampf um das Sagen, endlose Streitigkeiten, euphorische und deprimierte Phasen, Liebe, die in Hass umschlägt, innere Leere und Verzweiflung, immer wieder Hoffnung und Enttäuschung, selten eine „Hoch-Zeit“ – halt all das Schöne und Schreckliche, das den gewöhnlichen Geschlechterkrieg ausmacht, zumindest in der ersten Lebenshälfte.

Dann saß ich neben ihm, Abend für Abend. Wir plauderten, philosophierten über Gott und die Welt – ich bewunderte ihn, aber ich verstand ihn nicht. Und gerade das faszinierte mich. Er war mir ein Rätsel.

Ein Mensch, der nichts will und nichts vorhat – gibt es das? Sollte ich das glauben? Dass er von mir nichts wollte, war spürbar, und doch hatte ich den Eindruck, dass er zumindest unsere Gespräche mochte. Sonst saß er immer alleine an einem kleinen Tisch, ein Glas Wein vor sich, und schaute so vom „Rand des Geschehens“ auf all das Getriebe, das in einer
Berliner Kiez-Kneipe die Menschen umtreibt. Unberührt, ohne Verlangen, ganz zufrieden mit dieser Art Rand-Existenz.

Seine Eltern waren früh gestoben und das Erbe versetzte ihn in die Lage, den Verstrickungen aus dem Weg zu gehen, die ein Arbeitsleben mit sich bringt. Er lebte von seinem Bankkonto, kaufte gern mal den Rosenverkäufern den ganzen Strauß ab, spendete Geld, wenn jemand ihn darauf ansprach, aber ansonsten war es ihm egal. Er machte sich auch nie Gedanken, wie er es erhalten oder gar mehren könnte – ich konnte nur den Kopf schütteln über soviel weltfremde
Naivität und Sorglosigkeit. Meine größte Sorge war, er könnte denken, ich sei hinter seinem Geld her – dabei liebte ich ihn doch nur.

Er war mir wie eine kühle Quelle nach einem langen anstrengenden Marsch durch glühende Wüsten und Steppen. Bei ihm konnte ich „einfach da sein“, ohne befürchten zu müssen, von ihm be- oder verurteilt zu werden. Er verlangte nichts, begehrte nichts, allenfalls musste ich aufpassen, ihn nicht durch allzu vieles Reden, durch heftige Emotionen und mein gesamtes damaliges Engagement in 10.000 Dingen und zig Projekten zuzutexten. Ich lernte, auf mein Gegenüber zu achten, lernte zuhören und auch mal zu schweigen. Zusammensitzen und den Rest der Welt beobachten – nie hätte ich gedacht, dass das so angenehm sein könnte!

Ich versuchte mit aller Kraft, das Rätsel zu lösen. Ich forschte, fragte ihn aus, scannte sozusagen sein gesamtes Leben, Denken und Fühlen, immer auf der Suche nach etwas, das er vielleicht doch ersehnte, wenn auch ganz im Geheimen. Aber da war nichts, allenfalls eine leise Melancholie, die ihn umgab wie ein ganz besonderer Blumenduft. Betörend – aber weit weg von der Art Leidenschaft, Liebe und Sex, wie ich sie kennen gelernt hatte. All das war viel zu grob für ihn, zu drastisch, zu handfest und folgenreich. „Wenn man drüber reden muss, ist es eh schon zu spät“ – solche und ähnliche Sätze sagte er oft. Mich trafen sie wie ein eisiger Hauch, denn ich glaubte noch an das Machbare, an den Sinn des Sich-Anstrengens und daran, dass es immer eine Lösung gibt, die allen Seiten gerecht wird. Er dagegen verzichtete von vorneherein, erwartete von sämtlichen „Realisierungen“ nichts Gutes, jede Verwirklichung möglicher Wünsche war ihm nur Weg in die Entzauberung, lieber blieb er am Rand und schaute zu. Ein Blickwechsel unter Fremden – davon konnte er richtig schwärmen. In der Fremdheit läge die größte Wahrheit, sagte er, und alles, was danach komme, alles Bemühen, das Fremde zum Bekannten zu machen, führe in Verstrickung und Leid.

Er hat mich verändert, ohne jedes Wollen mehr beeinflusst als irgendjemand bis dahin. Was er sagte und wie er lebte erschreckte mich, zog mir den gewohnten Boden unter den Füßen weg. Und doch klebte ich an ihm wie eine Klette, hatte ja so sehr die Nase voll von meinem gesamten Wollen und Machen, meinen Engagements, meinen vielen Kämpfchen um dies und das, von all diesen kräftezehrenden, Herz-verletzenden, gierigen und rücksichtlosen Zwischenmenschlichkeiten, die als „normal“ gelten. Er war mein Licht in der Finsternis, in der ich mich verirrt hatte, doch es war ein „schwarzes Licht“: die Wärme musste ich mir oft dazu denken; was es erhellte, war kein Weg, sondern die Leere.

Mein liebster Freund – durch ihn hab‘ ich verstanden, was Zärtlichkeit ist. Eine unendlich sanfte Berührung, die nichts will. Nicht formen, nicht besitzen, nichts erreichen, nichts vermeiden, nichts kritisieren, nichts ändern. Ein seltenes Geschenk.

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Claudia am 09. Juli 2004 — Kommentare deaktiviert für Einstürzende Altbauten: meine Liebe zum Mann

Einstürzende Altbauten: meine Liebe zum Mann

Vor etwa sieben Jahren traf ich einen Mann im „richtigen Leben“, der mir über das gemeinsame Thema „Netzliteratur“ per E-Mail zum Freund geworden war. Zwanglos hatte sich ein Besuch ergeben, er bekochte mich ganz wunderbar, wir plauderten, tranken Wein und gingen auch eine Runde spazieren.

Während ich mit ihm so durch die Stadt wanderte, fiel mir auf, dass er stets darauf achtete, links von mir zu gehen. Das ergab sich nicht „von selber“, denn – das bemerkte ich jetzt erst – ich neigte ganz automatisch dazu, selbst links von ihm gehen zu wollen. Bei jeder Kreuzung, an der wir anhielten, vor jedem Schaufenster, in das wir hinein sahen, beim Überqueren einer Straße – überall, wo ein Seitenwechsel beiläufig möglich war, fand ich mich schnell wieder zu seiner Linken. Was er dann jeweils bei nächster Gelegenheit wieder korrigierte.

Ich wunderte mich und fragte ihn, warum er denn immer links von mir gehen wolle. Es war die reine Höflichkeit, wie sich herausstellte, eine alte Benimm-Regel, für ihn ebenso selbstverständlich wie das Aufhalten der Tür für die Frau an seiner Seite.

Natürlich tat ich ihm den Gefallen, lief rechts von ihm, bemerkte aber zu meinem Erstaunen, dass ich mich dabei nicht so recht wohl fühlte. Dieses Empfinden war so subtil, dass es normalerweise gar nicht ins Bewusstsein tritt. Ich fühlte mich unsicher, irgendwie eingeschränkt, unruhig, und zwar ganz unabhängig davon, auf welcher Seite des Gehsteigs ich „rechts von ihm“ zu laufen hatte. (Die Benimm-Regel, in der das Ganze nach seinem Wissen wurzelte, erlaubt nämlich Variationen: der Mann geht immer auf der „Gefahrenseite“, dann ist auch mal „rechts von der Frau“ in Ordnung.)

Solche Dinge hätten mich nur wenige Jahre zuvor allenfalls belustigt, noch früher hätte ich mich darüber aufgeregt: wie kommt bitte irgend jemand dazu, mir als Frau vorschreiben zu wollen, wo und wie ich durch die Straßen zu laufen habe, bloß weil ein Mann an meiner
Seite geht? Die Idee, ich könne mich nicht selber „vor Gefahren schützen“, nicht mal im Straßenverkehr, den ich seit meiner Kindheit ohne Probleme selbständig meistere, kann frau ja wohl nur als patriarchalisch motivierte Anmaßung begreifen!

Glücklicherweise hatte ich sowohl die reflexhafte Ablehnung tradierter Höflichkeitsformen (70ger Jahre!) als auch die grobschlächtige Feministinnen-Brille schon einige Zeit hinter mir gelassen. Mein Freund hatte mich auf etwas aufmerksam gemacht, das mit einem mir unerklärlichen inneren Empfinden korrespondierte und mit solch schlichten Erklärungen nicht abzuhaken war.

Ich schaute also genauer hin, beobachtete mich, wann immer ich mit einem Mann durch die Straßen lief, spürte den Gefühlen nach, und bemerkte nun auch, dass der Mann, mit dem ich zusammenlebte, seinerseits „automatisch“ auf meine rechte Seite strebte und es gar nicht mochte, wenn ich das mal änderte.

Wie eigenartig! Die Verhaltensweisen, die ich da entdeckt hatte, verlaufen üblicherweise gänzlich unbewusst. Niemand denkt darüber nach, es geschieht einfach, und wenn man fragt, weiß der Andere meist selber nicht, warum er die eine oder andere Seite bevorzugt.

Eine Zeit lang beobachtete ich das weiter, wechselte auch mal bewusst die Seite, probierte aus, ob es bei verschiedenen Männern anders war oder immer gleich. Aber egal, wo und mit wem, ich klebte „links von ihm“ und fühlte mich rechts unwohl. Die erste Beobachtung bestätigte sich in jedem Fall.

Stärke zeigen

Was be-deutet mir das? Natürlich dachte ich darüber nach und bildete mir eine Meinung: Ich bin Rechtshänderin, die Rechte ist meine „starke Seite“. Würde ich mich verteidigen müssen, würde ich den rechten Arm schützend vor mich halten, müsste ich gar zuschlagen, käme das erst recht nur „mit Rechts“ in Betracht. Die „Gefahr“, der ich mich unbewusst „stelle“, so folgerte ich, geht nicht vom Straßenverkehr oder draußen vom Walde aus, sondern vom Mann an meiner Seite. Wobei das Wort „Gefahr“ hier aber NICHT hauptsächlich die Gefahr eines Angriffs meint, sondern alles einschließt, was man als „Gefährdung meiner inneren Ruhe“ verstehen kann, zum Beispiel auch „die Gefahr, ihm nicht zu gefallen“.

Der Mann, mit dem ich plaudernd oder schweigend durch die Straßen laufe, ist in diesem Moment das Wichtigste für mich, wichtiger als die Eindrücke aus der Umgebung und wichtiger als mein eigener innerer Monolog. Also fühle ich mich am Besten, wenn ich meine größte Stärke, meine maximale Kompetenz IHM zuwende – das gilt selbst dann, wenn er auf diese oder jene Weise „schwächer“ ist als ich, z.B. weniger „weltmächtig“. Die „Gefahr“, der ich mich mit der rechten Seite zuwende, ist in diesem Fall nicht die eigene innere Unsicherheit, sondern die „Sorge“ um sein Wohlergehen, manchmal auch eine Mischung aus beidem.

Diese kleine Beobachtung beschäftigte mich eine Zeit lang, dann achtete ich nicht weiter darauf. Ich hatte ja nicht vor, durch äußeres Anders-Verhalten irgend etwas zu ändern, das offensichtlich von innen kommt. Warum hätte ich auch etwas ändern sollen? Ich zeigte IHM (= jedem Mann…) meine Stärke und das war doch gut so!

Rechts von IHM

Dass sich im Lauf der folgenden Jahre mein Mit-einem-Mann-Sein drastisch veränderte, bemerkte ich wiederum erst hinterher. Als ich nämlich neben dem geliebten, begehrten und bewunderten „Mann meiner Träume“ durch die Straßen lief: rechts von ihm! Nicht zufällig, sondern weil ich mich dabei wohler fühlte. „Links gehen“ fühlte sich auf einmal gar nicht mehr gut an. Ich hatte nur Augen für ihn, er war im Zentrum meiner Aufmerksamkeit – und doch musste ich ihm deshalb nicht meine aktionsbereite Rechte zuwenden!

Da mir erst mal JEDER Mann, dem ich je intensiv nahe komme, als „Mann meiner Träume“ begegnet, konnte diese Veränderung nicht etwas sein, das speziell von diesem Geliebten gekommen wäre. Eher hatte ich IHN dafür erwählt, es mit ihm zu erleben.

Was? Eine vollständige Öffnung und Hingabe, das Zusammenfallenlassen sämtlicher Mauern, die gegen „den Anderen“, speziell gegen „den Mann“ in meiner Seele standen. Einige Teile dieser inneren Festung waren immer schon da gewesen, andere hatte ich aufgrund schlechter Erfahrungen selbst erbaut. Ein paar äußerst standfeste Abwehranlagen verdankte ich auch der Auseinandersetzung mit Strömungen meiner Zeit, vor allem dem Feminismus. Alles in allem war es eine ordentliche und starke Burg, die mich erfolgreich gegen Verletzungen und allerlei Missbrauch schützte und mir dadurch den nötigen Freiraum gab, aus mir heraus zu leben: zu tun und zu denken, was ICH für richtig hielt, auch wenn ich dem Wort geliebter Männer immer schon größte Bedeutung beimaß.

Mauern, die nicht mehr benötigt und deshalb nicht mehr ausgebessert werden, beginnen zu bröckeln. Auf einmal stehen da nur noch Ruinen herum, deren Überreste der freien Bewegung im Wege sind, fertig zum Abräumen. Wie wunderbar, wenn dann auf einmal ein Frühlingssturm kommt und alles zu Sand zerfallen lässt!

Jetzt erst war ich wirklich frei: nicht mehr bestimmt von den Lasten der Vergangenheit und vom Manipulieren-Wollen der Zukunft, frei von Ideologien und dem, was „man so tut“, ganz allein mit mir selbst und meinem geliebten Gegenüber.

Seither kann ich das leben, was ich immer schon suchte, ohne es zu erkennen: Mich der Liebe hingeben, dem Verlangen nach Verschmelzung und Vereinigung folgen, indem ich „mich“ beiseite lasse; das nörgelnde, Bedenken-tragende, abrenzungsgeile und kontroll-süchtige „Ich“, das mich vom Anderen (von ALLEM!) trennt, zumindest in der Zweisamkeit mit dem Geliebten in den verdienten Urlaub entlassen – wie wunderbar! SEIN Wohlbefinden ist mir oberster Wert (weil mir MEINS kein Problem mehr ist), und auf einmal ist es ein freudiges Abenteuer, seiner Lust zu dienen. Der Krieg der Geschlechter ist für mich zu Ende, ich erkläre dem Mann den Frieden und erhalte ohne konkretes Wollen weit mehr zurück, als ich je als erfolgreiche Kämpferin bei einem Mann erreichen konnte.

Heute gehe ich „rechts vom Mann“, und zwar nicht nur rechts vom „einen Geliebten“. Denn es wäre ein Irrtum, zu meinen, dass ER, der jeweils Meistgeliebte, derjenige sei, der hier als Märchenprinz ein Dornröschen wachgeküsst hätte und nun weiter wach halten müsste. Mein inneres Sein hängt nicht von ihm ab. In Wahrheit gebe ich mich ja nicht IHM hin, jedenfalls nicht der vordergründigen Persönlichkeit, die er im Leben ist; sondern ich benutze ihn nur als „Stellvertreter des Göttlichen“, mit dessen Hilfe ich mich vergessen und ekstatisch im Alles-Was-Ist auflösen kann. Damit werden ALLE Männer zu solch potenziellen „Stellvertretern“ – ich begegne ihnen mit selbstverständlicher Liebe und Ehrerbietung, selbst wenn sich zwischen unseren Persönlichkeiten „nichts Besonderes“ abspielt. (Das bedeutet NICHT, dass ich „immer lieb“ bin!)

WER ist der Geliebte?

Im Blick auf die Vergangenheit und alle früheren Beziehungen erkenne ich heute, dass ich die ganze Zeit im jeweils gewählten Mann das suchte, was ich mir gleichzeitig selbst verbaute: vordergründig wollte ich, dass mir der Mann zu Füßen liegt, in Wahrheit suchte ich einen, vor dem ich endlich den Kopf neigen, bei dem ich den Verstand abgeben könnte – tat aber alles, um genau das unmöglich zu machen.

Männer beklagen oft, dass Frauen ihre Partner nach Kriterien von Macht und Status auswählen. Mir erschien dies lange nur als die Entsprechung zum männlichen Verlangen nach einer Frau mit Sanduhr-Figur: schmale Taille, große Brüste und ein ausladendes Becken signalisieren Fruchtbarkeit – ein gut gefülltes Bankkonto und weltliche Macht sind die dem entsprechenden „Nestbau-Werte“. (Kein Grund also, sich gegenseitig zu verurteilen!)

Das sehe ich immer noch so, doch hat jedes Verhalten auf mehreren, also auch auf „höheren“ Ebenen Bedeutung. Jenseits rein biologischer Fortpflanzungsbedingungen gibt es immer auch psychische und spirituelle Bedürfnisse, die die Wahl des Geliebten mitbestimmen. Um mich im oben erläuterten Sinne selbst aufgeben zu können, muss ER von vornherein MEHR sein als ich: sicherer, selbstbewusster, souverän, mit sich selbst im Reinen in allen Aspekten, die fürs erotische Miteinander von Bedeutung sind. Jemand, der sich in seinem Verlangen selbst ein Problem ist, dessen Selbstzweifel und Selbsthass ich spüre, dem kann ich mich nicht öffnen und hingeben. Allenfalls kann ich da ein bisschen Mutter Theresa spielen, wenn ich ihn mag. Das aber hab‘ ich persönlich aufgegeben, es macht keine Freude und hilft IHM auch nicht. Genau wie ich es erlebte, muss auch er, muss jeder Mann sich selbst befreien, ganz alleine. Was nicht heißt, dass ich wüsste, was mann dazu tun könnte.

Ich hab‘ ja auch nichts „getan“. Es hat sich einfach ereignet, als ich bereit war, zu allem JA zu sagen, was ich gegenüber dem begehrten Mann empfinde, in meinen Träumen UND in der Wirklichkeit. Seither lebe ich in erotischer Hinsicht im Paradies.

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Claudia am 24. Mai 2004 — Kommentare deaktiviert für Zugeschaut: Männer im Fitness-Center

Zugeschaut: Männer im Fitness-Center

„Mein“ Fitness-Center ist eher eines von der gemütlichen Sorte. Mit gut 40 Euro pro Monat sehr erschwinglich, kein anonymer Massenbetrieb, kein glitzernder SPA&Wellness-Tempel für besser Verdienende, sondern ein von immer denselben Leuten seit über zehn Jahren betriebenes Kiez-Studio in Berlin Friedrichshain, das jedem etwas bietet. Menschen zwischen siebzehn und siebzig trainieren und schwitzen oder lassen es locker angehen, besuchen die nun endlich wunderschön erneuerte Sauna oder hängen einfach nur ein bisschen ´rum. Die Mädels hopsen in Kursen mit beeindruckenden Namen zu hektischer Musik, die junge Männlichkeit bevorzugt Karate. Und in der großen Fabrik-Etage mit all den Geräten sind sie fast alle mal zu sehen – allerdings deutlich mehr Männer als Frauen. (Die Mittsechzigerin, die da bemerkenswerte Gewichte stemmt, ist eher die Ausnahme.)

Während ich mich auf dem Laufband aufwärme, sehe ich gerne zu: Was sie tun und wie sie es machen, wie ihre Körper aussehen und wie sie sich beim Üben geben. Die Unterschiede sind erstaunlich: sowohl zwischen den einzelnen „Typen“, als auch der zu den trainierenden Frauen. Männer leiden offenbar gern, sie üben im Schmerzbereich, genau am Rand ihrer Kraft – sie wollen MEHR. Oft steht ihnen der Schweiß auf der Stirn, manche stöhnen schon mal, wenn sie gewichtige Hanteln nach oben drücken. Wogegen ich noch nie eine Frau im Center sah, die schmerzvoll ihr Gesicht verzerrt hätte.

Frauen kommen allein oder zu zweit, ziehen ihr Ding durch und bleiben für sich. Männer bilden gelegentlich „Expertenrunden“, stehen schon mal zu dritt oder viert um einen „Gerätebaum“ und reden. Was sie reden kann ich nicht mithören, aber es ist sichtbar, dass die Geübteren das Wort führen. Oft tragen sie besondere Assesoires, die einen schwer professionellen Eindruck machen: etwa einen breiten Gürtel um die Taille, oder schicke mattschwarze Handschuhe, die die Finger frei lassen. Ledermanschetten um die Gelenke sind auch recht beliebt. Da ich öfter komme und immer wieder dieselben Männer fachsimpeln sehe, konnte ich feststellen, dass einige von ihnen kaum noch selber üben. Das Center ist ihr Wohnzimmer, hier haben sie eine Aufgabe – ja warum auch nicht? Wenn ich falsch stehe, während ich so ein Ding am Seil nach unten ziehe oder drücke, werd‘ ich schon mal beraten, wie es richtig ist. Angenehm – es sei denn, ich zweckentfremde gerade ein Gerät absichtlich zu anderen Zwecken, als es gedacht ist, massiere mir z.B. mit so einem Wulst den Rücken, anstatt ernsthaft Beuge-Übungen zu machen. Das verstehen sie nicht, sehen nicht, dass ich mir grad nur „was Gutes tue“. Lust ist halt nicht das, was sie hier suchen.

Der Alpha-Mann

Gibt es einen dominierenden Fitness-Center-Typus? Der Profi-Bodybuilder mit den extremen Formen ist es heute nicht mehr, von denen gibt’s hier nur noch ganz wenige. Ich sehe eher den engagierten Amateur vorherrschen, üblicherweise ein Mann zwischen 20 und Mitte dreißig, der seinen Körper konsequent „in Form gebracht“ hat. Ständig arbeitet er dran, vor allem den Oberkörper zu „entwickeln“ und am Bauch den sogenannten „Sixpack“ entstehen zu lassen. Er trägt ein ärmelloses Hemd, damit die Erfolge seines Tuns auch gut zu besichtigen sind – und oft sind seine Oberarme mit modisch schwarz-weißen Tattos verziert. Er sieht STARK aus! All die anderen Männer, die dünneren, schmächtigeren und (noch) schlafferen, die mit den normalen Büro-Körpern und die aus der Form geratenen Bierbauchträger würden ganz gerne auch so werden – zumindest sind die Vorzeige-Typen davon überzeugt. Sie bewegen sich als selbstbewusste Alpha-Männer gänzlich anders durch die Räume als der zahlenmäßig größere Durchschnitt der (noch?) Unauffälligen.

Gefallen sie mir? Ich frag‘ mich das öfter, wenn ich ihre schwellenden Muskeln betrachte, die so „wohldefiniert“ zeigen, wie schwer sie daran gearbeitet haben. Also: wenn sie noch halbwegs „harmonisch entwickelt“ sind, finde ich sie ganz hübsch anzusehen. Ja, zu SEHEN, aber mehr nicht. An erotischer Ausstrahlung gewinnen sie für mich nichts, im Gegenteil, da ist ein schmaler Grat, den leider viele überschreiten, der sie mir ein wenig lächerlich erscheinen lässt. Was soll denn heutzutage so ein hypertrophierter Oberkörper bringen? Wozu braucht MANN den? Schnell wirken sie wie aus dem Comic gefallen, oder wie diese Plastikheldenfiguren, die den Kids immer passend zu den TV-Serien verkauft werden. Mehr komisch als attraktiv.

Was ist es wohl, das mir diese männliche „Super-Form“ erotisch gesehen eher als Minus erscheinen lässt? Zum einen verfehlen viele die physische Ausgewogenheit: Obenrum alles super, auch noch ein knackiger Hintern – aber die Beine vernachlässigen sie und bemerken nicht mal, dass es seltsam aussieht, wenn so ein Megamuskelmann auf dünnen (naturbelassenen?) Waden daher kommt. Aber selbst, wenn alles stimmt: so ein Körper ist überdeutlich das Ergebnis großer Mühen. Er ist gewollt, gemacht, erarbeitet, ist Werk, vielleicht Kunstwerk – also weit „mehr“ als nur die physische Seite des Mannes, den ich erlebe. Unübersehbar wird mir durch einen solchen Körper mitgeteilt, dass mein Gegenüber eben diesen Körper als Objekt verstanden wissen will, etwas, das ausgestellt, gewürdigt, bewertet, belobigt oder getadelt werden will – nicht einfach nur erlebt und genossen.

Natürlich gehört STÄRKE unzweifelhaft zum Archetypus des Männlichen, und wer sich auffällig starke Muskeln antrainiert, tut es vermutlich – neben gesundheitlichen und sportlichen Motiven – auch, um diesem „starken Mann“ weiblicher Fantasien nahe zu kommen. Und gewiss gibt’s auch genug Frauen, die mit so einem „Bild von Mann“ zufrieden, ja, entzückt sind! Meine Eindrücke sind rein subjektiv und mir reicht das halt nicht. In meinem Verständnis ist männliche Stärke mit Mühelosigkeit und Selbstverständlichkeit untrennbar verbunden. Mein „Traum-Mann“ HAT es einfach – er braucht nicht zu malochen wie ein Irrer, um dies und jenes an sich zu Vorzeige-Qualitäten aufzublasen (das gilt übrigens nicht nur für die körperliche Seite). Wenn ich einen Körper sehe, von dem ich die vielen „Stunden pro Woche am Gerät“ geradezu ablesen kann, dann ist es einfach nicht DAS!

Anders, wenn jemand durch reale körperliche Arbeit muskulös geworden ist – diejenigen sehen aber niemals so „wohldefiniert“, keinesfalls „übertrieben“ aus. Auch im Center gibt’s durchaus „harmonisch“ trainierte Männer: wenn ich so jemanden auf der Straße treffe, seh ich es ihm nicht direkt an, wie er sich in Form bringt – er sieht nur einfach GUT aus.

…in Bewegung

Soviel zur Optik – und jetzt guck ich mal auf den „Mann in Bewegung“. Krafttraining mit Geräten ist ja ein steter Wechsel zwischen Übung und Pause. Die Übung selbst kann langsam und bewusst oder schnell und schmutzig ausgeführt werden (bei letzterem hab‘ ich mir kürzlich meinen ersten Muskelfasserriß geholt und bin seitdem ein gebranntes Kind). Zwischen den Geschlechtern seh‘ ich da kaum Unterschiede, außer dem, dass sich Männer mehr anstrengen und dadurch deutlichere Kraftzuwächse erreichen, wogegen Frauen mit einer „allgemeinen Straffung“ meist schon zufrieden sind und es eher locker angehen.

Aber die Pause. Dieser Moment, wenn das Maximum der Anstrengung, Konzentration und Anspannung im Nichts-mehr-Tun endet – schon erstaunlich, dass manche das offenbar weit weniger vertragen als die schmerzliche Hochspannung zuvor! Sie halten kaum mal richtig inne, sondern dehnen und schlenkern die Glieder, massieren sich die Gelenke, gehen zweimal ums Gerät herum, schauen auf die Uhr oder reden mit dem Nachbarn. Ab und zu sehe ich sogar Männer, die sofort zum mitgeführten Spiegel, Stern oder Auto-Bild greifen, sobald sie die Finger von der Stange lassen. Das sind die echten Extremisten: bloß keinen Moment mit nichts als sich selbst sein, immer muss irgend ein Input passieren, Eindruck muss auf Eindruck folgen, Reiz auf Reiz – ich muss an Luftballone denken, die an einen Wasserhahn angeschlossen werden: immer mehr fließt rein, mehr und mehr… ich will nicht dabei sein, wenn das Ding platzt!

Dabei empfinde ich den Moment, wenn die Anspannung nachlässt, als die interessanteste Phase im Üben. Es rieselt und strömt durch den Körper, fühlt sich so lebendig an wie selten. Selbst eine Übung für die Schultern spüre ich dann bis in den kleinen Zeh – und so angenehm! Wie man darauf freiwillig zugunsten irgendwelcher Zeitungsartikel verzichten kann, ist mir ein Rätsel. Es erinnert mich an Handwerker, die niemals ohne Radio arbeiten – ob es ihnen irgendwie „unheimlich“ wird, wenn die Gedanken frei schweifen können und die Aufmerksamkeit nicht festgebunden ist?

Meine „Aufwärmphase“ ist zu Ende – und damit auch das Rumgucken. Grad‘ hab ich beschlossen, das Thema „Krafttraining“ mal am eigenen Leib zu erforschen. Nicht mehr nur „sanftes Straffen“ unter geringer Belastung, sondern selber erleben, wie es ist, an die Grenzen zu gehen. Aber davon handelt dann ein anderer Artikel.

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Claudia am 05. Mai 2004 — Kommentare deaktiviert für Der Andere, der Täter – ich armes Opfer!

Der Andere, der Täter – ich armes Opfer!

An manchen Tagen ist viel los in der alten Markthalle, die Wege zwischen den Ständen sind nicht sehr breit, die Menschen drängeln – auf einmal rempelt mich da doch einer richtig an!

Was geschieht? Werde ich böse und remple zurück? Gehe ich ungerührt weiter, denn schließlich kommt so was dauernd vor, wenn es eng ist? Stelle ich ihn zur Rede und mache ihn zur Schnecke? Oder fühle ich mich unfähig, weil ich schon wieder nicht in der Lage bin, eine „richtige Antwort“ zu finden? Bin ich zu ängstlich und mach mir daraus ein „Gewissen“? Mache ich einen lockeren Witz und ziehe fröhlich weiter?

Kann alles sein! Ja, ich hab‘ einige dieser Varianten schon erlebt, nix besonderes. Das Besondere ist: es ist immer dasselbe Ereignis, nur meine Reaktionen sind gänzlich unterschiedlich. Je nach Stimmungslage, je nach dem, was gerade in mir vor geht, was für ein Gefühl zu mir selbst und meiner „Lage in der Welt“ ich gerade habe, dem entsprechend fällt meine „spontane“ Reaktion aus.

Was lerne ich daraus? Es kommt nicht auf den Anderen an, wie ich ihn empfinde, sondern auf mich selbst. Und WEIL das so ist, kann ich gut damit aufhören, mich als Opfer meiner Mitmenschen zu betrachten: was ich empfinde, ist „mein Bier“ – und wenn ich damit unzufrieden bin, wenn ich darunter leide, was ich empfinde, dann sollte ich etwas ändern. AN MIR – nicht am Andern!

Fühlen deiner Wahl…

„Was immer du auch fühlst von mir, ist Fühlen deiner Wahl“ – ein guter Freund, von dem ich in diesem Leben viel gelernt habe, hat mir diesen bedenkenswerten Satz in einem Gedicht geschrieben. Ich habe ihn nicht verstanden und auch nicht glauben wollen – ja, ich hab mich dagegen gewehrt! Wo kämen wir denn da hin, wenn alle die Verantwortung für die Folgen ihres Handelns für die Betroffenen derart locker beiseite stellen könnten!

Ja, wo kämen wir hin? Und: ist es wirklich „verantwortungslos“? Ist es denn überhaupt MÖGLICH, die Folgen meiner Handlungen im Empfinden anderer Menschen voraus zu sagen, geschweige denn, sie zu „bestimmen“?

So gesehen, wirkt der Satz schon weniger absurd. Und im Lauf der Zeit hab ich verstanden, dass „die Verantwortung“ nicht etwa negiert, sondern nur anderswo angesiedelt wird: meine Handlungen verantworte ich – aber nicht die Reaktionen des Anderen. Dafür übernehme ich die volle Verantwortung für MEINE Gefühle und Empfindungen in Bezug auf alles, was mir vom Anderen so blüht. DAS ist nicht unbedingt das leichtere Geschäft, ich muss mich dazu beobachten, in Frage stellen, mein In-der-Welt-Sein reflektieren, genau unterscheiden, woher wann und warum meine „spontanen Reaktionen“ eigentlich kommen – und sie nicht als „gegeben“ und unveränderbar ansehen. Sondern begreifen, dass sie Ergebnis eigener Haltungen und Meinungen sind: wenn ich überzeugt bin, dass ich ein unfähiger Trottel bin, dann werde ich das in den Handlungen anderer immer bestätigt bekommen! Die Welt zeigt sich mir so, wie ich sie erwarte – nicht unbedingt immer bewusst, aber das lässt sich ändern.

Das oben genannte Beispiel ist sehr einfach, gewöhnlich, banal. Betrachten wir ein anderes, nicht weniger häufiges: Ich will etwas von einem Anderen: er soll sich mit mir befassen, soll mir auf meine „wichtige Mail“ von gestern schnellstens antworten, er soll für mich da sein und mir Resonanz geben auf etwas, was gerade in mir wühlt. Aber er tut es nicht. DER SAUBÄR! Was für ein Unmensch! Prompt laufen in mir allerlei „spontane“ Gedankenspiele ab: war ich nicht selber immer für ihn da? Habe ich nicht ein RECHT auf seine Zeit, sein Eingehen, seine Zuwendung? Ist es denn nicht „allgemein üblich“, dass Menschen, die sich mögen, füreinander da sind? Ich rechtfertige also meine Erwartungen an den Andern vor mir selbst, indem ich „eigene Leistungen“ und „allgemeine Moral“ auffahre. Und dann fang ich an, zu deuten und zu urteilen: Warum reagiert er nicht, wie erhofft? Aha, er mag mich nicht, ich bin ihm nicht wichtig genug…. er ist ein arroganter Schnösel, ein in sich selbst verstrickter Egoist. Und ich werd ihm jetzt lange böse sein, das muss er erst mal wieder „gut machen“!

Hat er überhaupt etwas „gemacht“? Nichts von dem, was da in meinem Denken und Fühlen abgeht, hat ER erzeugt. Das mache ich mir selber, das ist, wenn man es so im Detail betrachtet, ganz deutlich. Ich bin mit meinen Erwartungen an ihn heran getreten, und er hat sie nicht so beantwortet, wie ich es wünschte. Warum, kann ich gar nicht wissen! Selber schuld, wenn ich solche „Annahmen“ hege, die mich in üble Gefühle stürzen.

Ich könnte auch ganz anders mit demselben Ereignis umgehen: Aha, er reagiert jetzt nicht auf das, was mir gerade wichtig ist. Nun, er wird anderes zu tun haben, oder er hat seine spezifischen Gründe, auf ein bestimmtes Thema nicht so einzugehen, wie ich es will. Also wende ich mich mir selber zu: Hab ich denn eigentlich ein RECHT, dass der Andere so sei, wie ich ihn wünsche? Ist er mein Papi oder meine Mami, die sich immer ums Kind kümmern müssen? Warum geh ich davon aus, dass er mein „Zuwendungs-Automat“ zu sein hat, wenn mir danach ist? Etwa, „weil ich ihn liebe“? Was für eine Liebe wäre das, die dem Anderen spezifisches Verhalten abfordert? Will irgend jemand ernsthaft solche Bedürftigkeit, solches Anspruchsverhalten mit dem wunderbaren Wort „Liebe“ in Zusammenhang bringen??? (Der möge sich melden und es mit mir im Forum austragen!)

Nein, wenn ich genauer hinsehe, sehe ich tatsächlich: ich bin WIRKLICH auf der „Papi-Schiene“ gewesen, als ich meine Ansprüche umzusetzen suchte (und „verurteilte“, wenn ich keinen Erfolg im Sinne meiner Vorgaben hatte) . Bin es in gewisser Weise immer, zumindest bei Männern, die mir wirklich etwas bedeuten. Das ist nun mal das „Urmodell“ für den Umgang mit dem gegengeschlechtlichen „Anderen“ – im Guten wie im Schlechten, im Normalen wie im Abstrusen, spezifisch Verrückten. Davon kann man sich nicht verabschieden, indem man im Lauf des Lebens nur eben mal die verschiedenen Beeinflussungen bekämpft und mit dem Gegenteil beantwortet – das ist nur der erste Schritt. Ist reine Reaktion, nicht Freiheit, nicht eigene Wahl.

Na, ich will jetzt nicht ins rein Autobiografische abdriften, sondern auf den Leitgedanken zurück: Nicht der Andere ist der „Schuldige“, der „Täter“, sondern ich muss mir schon angucken, wie es dazu kommt, DASS er es zu sein scheint: wie ich ihn also dazu MACHE! Wie ich denkend und fühlend, Eindrücke (Datenlage) auswähle aus vielen möglichen Auswahlen, und dann daraus mein „eigenes Gesamtes“ erbaue – vielleicht darunter leide oder Lust daran empfinde – und von daher versuche, den Anderen als „Automaten in mein Spiel“ einzubauen!

Wenn ich damit aufhöre, bin ich frei. Niemand kann mir „üble Gefühle einbrocken“, also muss ich niemanden verurteilen. Meine Lust und meine Leiden hängen nicht von Anderen ab – seit mir das klar ist, ist das Leben deutlich leichter. Kein inneres Herum-Rechten mehr, kein Grübeln, keine „Beziehungsdiskussionen“, keine Manipulationsversuche, vor allem kein „Festkleben“ an Frustrationen, denn ich weiß ja: die hab‘ ich selbst erzeugt, indem ich eine Erwartung hegte und pflegte, die ich ebenso gut wieder loslassen kann. Anfänglich bedarf es eines kleinen inneren Rucks, braucht eine kurze Konzentration der Aufmerksamkeit auf all das – aber bald wird es selbstverständlich. Meine Wünsche sind keine „Ansprüche“ mehr, sondern nurmehr Vorschläge. Und dass nicht alle meine Vorschläge angenommen werden, erscheint mir heute ganz normal.

*** Philosophie end – – –

Glaubt bloß nicht, ich wär aus meiner innovativen Geisteskraft zu diesem Text und seinen Aussagen gekommen! Es ist vielmehr so, dass das „auf mich selbst zurück geworfen sein“, das mir einzig übrig blieb, wenn sich mein jeweiliger Hauptgesprächspartner verweigerte, zu diesen Erkenntnissen führte. Gewiss ist auch der übliche Einwurf berechtigt: Das ist doch nichts Neues, zu alledem gibt’s ja ganze Buchregale…

Schreiben?

ABER ich sag immer, es ist ein Unterschied, ob man etwas erlebt und dann versucht, die gewonnene Erkenntnis in Worte zu fassen – es mögen alte Worte sein, es mögen bekannte Gedankenfiguren vorkommen, oder auch neumodisch esoterisch-wirres Zeug… ;-) .. – ODER ob man nur „zu einer Frage Stellung nehmen“ will. (Weil ja jeder, der in der Infogesellschaft ernst genommen werden will, zu allem etwas sagen kann, muss, sollte… und es macht ja auch Spass!)

Dieser Unterschied ist die „Lizenz zum Schreiben“. Etwas, wonach mich ein großer Teil meiner Kursteilnehmer mit je eigenen Worten immer wieder fragt: Wie kann ich wagen, etwas von MIR zu berichten – wenn doch alles, was ich „dazu sagen“ könnte, schon tausendmal gesagt wurde? Falls mir überhaupt was einfällt…

Wer so fragt, hat schon die halbe Miete! Ist auf dem besten Weg zur „Lizenz“. Warum?

Die Schreibenden teilen sich für mich in zwei Gruppen auf: diejenigen, die auf dem Markt des Geschriebenen Fuß fassen (oder sich im Job besser formulieren/rüber bringen) wollen, und die anderen, die aus sich heraus schreiben wollen, weil es sie danach verlangt. Wer ohne Blick auf literarische Weihen und kommerzielle Erfolge „einfach schreibt“, wird auf jeden Fall etwas gewinnen: Klarheit, Gelassenheit, Distanz zum eigenen Erleben, auf der manche Frucht der Erkenntnis reifen kann – für die Schreibenden, manchmal auch für die Leser.

Das Leben und das Schreiben – ich weiß letztendlich nicht, in welchem Verhältnis sie ganz genau zueinander stehen, sondern experimentiere es aus. Deshalb schreibe ich ja immer weiter.

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Claudia am 27. April 2004 — Kommentare deaktiviert für Die Liebe zum DU

Die Liebe zum DU

Gewidmet den Geliebten, in der Nähe und in der Ferne

Der Andere, der Mitmensch in der Lichtgestalt des Geliebten, fasziniert wie nichts sonst auf der Welt. Auch, wenn wir meinen, ihn gut zu kennen, wenn er uns also berechenbar erscheint, wissen wir doch, dass das nicht die ganze Wahrheit ist. Immer bleibt ein Rest Geheimnis, ein innerer Raum, in den wir nicht sehen können – für die einen ein Faszinosum, Quell des Verlangens nach weiterer Annäherung, ja Verschmelzung, für die anderen eine Gefahr, untergründige Drohung, Quelle der Angst.

Was wir beim Anderen nicht sehen können, ist nicht deshalb verborgen, weil unser Gegenüber bewusst etwas verbirgt. Mag sein, dass er Aspekte seiner Persönlichkeit oder gewisse Tatsachen seines Lebens lieber nicht zeigen will, warum auch immer. Dies ist nicht gemeint, ja, genau diese aus allzu bekannten Motiven ungern gezeigten Aspekte sind unschwer erkennbar und meistens banal. Fehler, Versäumnisse, Versagen, Verrücktheiten, Ecken und Kanten, Charaktermängel – wer zeigt sowas schon gern? (Und wer hätte sie nicht?)

Das Geheimnis des Anderen

All dies berührt das Geheimnis des Anderen nicht einmal am Rande. Es liegt nicht dort, wo er etwas ihm Bekanntes nicht zeigt, sondern dort, wo er selber nichts von sich weiß, sich selbst (noch) nicht kennt. Im Raum der Möglichkeiten also, die erst in einem zukünftigen Augenblick Wirklichkeit werden – oder auch nie. Konfrontiert mit etwas So-noch-nie-Dagewesenem – WER ist er da?? WIE wird er reagieren? Weder er noch ich kann das wissen, alles Zusammensein und Erleben ist (auch) ein ständiges Erforschen dieser Frage, sofern es sich nicht nur um Wiederholungen schon bekannter Dinge handelt. Und selbst dann weiß ich ja nie sicher, ob er WIEDER bzw. IMMER NOCH so ist, wie bisher – oder ob er sich nicht auf einmal verändert hat und plötzlich „ganz anders“ reagiert.

Gäbe es diese Ungewissheit nicht, diese „Leerstelle“, die im menschlichen Miteinander niemals gänzlich verschwindet, wäre meine Liebe bald keine wirkliche Liebe mehr, nämlich bar jeder Brisanz für mich selbst. Sie wäre allenfalls so ein „gutes Gefühl“ wie man es als Frauchen gegenüber einem geliebten Hund verspürt.

Dem nachspürend wundere ich mich, staune über die Entdeckung: Zunächst „gefällt“ der Andere ja durch seine persönlichen Eigenheiten und ich meine, sagen zu können: Ich liebe dich, WEIL du so und so bist. Doch je mehr ich von den Reizen der Oberfläche in immer größere Tiefen von Psyche und Geist eintauche, stelle ich fest: ja, all diese „konkreten“ Eigenschaften mag ich (andere wiederum nicht…), aber nicht SIE sind es, die mich immer neu faszinieren, verlocken, verführen, binden – sondern es ist das Unbekannte, Undefinierbare: WER ist er noch, außer alledem? Was mag da noch alles „dahinter“ stecken?

In diese Frage hinein, mitten in das schwarze Loch, das der Andere in seiner Unerkennbarkeit ist, können wir alles projizieren, was wir uns nur vorstellen können und tun es auch, je nach persönlicher Gestimmtheit: Gott und Teufel, Freund und Feind, Mensch und Raub- oder Schoßtier, Partner und Gegner, Verfolger und Beute, Kind und Guru. Der Andere kann ALLES sein, solange er nichts tut, was die gerade aktuelle Projektion definitiv stört.

Diese Vorstellungen (statische Bilder!) halten wir gern für Realität, für tatsächlich existierende Aspekte des „Da draußen“, die sich in Gestalt des Anderen zeigen. Ein Irrtum, den wir im Lauf des Lebens in zunehmender Selbsterkenntnis aufklären können: Was ich in dir sehe, sagt mehr über MICH aus als über DICH – Projektionen eben. Der Andere ist mein Spiegel, in dem ich mich selbst erkenne – aber das ist nicht alles.

Da ist noch der „Leerraum“ selbst: Was ist das? Er ermöglicht das Projizieren und Sich-darin-spiegeln – aber was ist er, für sich genommen? Ist diese Leerstelle, aus der die Fülle kommt (kommen kann… könnte….), ein „Teil“ von IHM, vom Geliebten? Im Raum der Möglichkeiten existiert der Andere doch noch gar nicht, ist als Persönlichkeit und auch als Individuum noch gar nicht geboren! Wie kann ich also davon ausgehen, dieses „Nichts“ sei „ER“?

Und das tue ich, tu ich immer schon ganz unbewusst und automatisch, solange ich zurückdenken kann. Erst jetzt, diese Sätze schreibend, wird mir klar: Es hört gerade auf! Über längere Zeit ist dieses unbedachte „Für-wahr-halten“ schier unmerklich schwächer geworden – jetzt ist da nur noch ein großes Fragezeichen.

?

In jedem ernst gemeinten „Ich liebe dich“ erkenne ich heute im Hinsehen aufs Jetzt und im Rückblick auf Vergangenes letztlich die Liebe zum „Dahinter“: das Fasziniert-Sein vom Ungekannten, vom Numinosen, das mir als der geliebte Andere in lebendiger Realität gegenüber tritt. Wo wäre da „er“? (es könnte auch mal eine „Sie“ sein..sag niemals, nie!) Steht er nicht dem eigenen Unbekannten genauso fremd gegenüber wie ich? Ist er nicht ebenso unwissend wie ich im Blick auf die eigene „Leerstelle“, die mir gleichwohl tägliche Wirklichkeit ist, mit der ich rechne, nach deren „beredtem Schweigen“ ich mich manchmal richte, die ich aber niemals „verstehe“?

Weiter gefragt: Ist denn jeder seine EIGENE Lichtung? Handelt es sich nicht vielmehr um denselben „Raum der Möglichkeiten“, dasselbe „Reich des Ungeborenen“, an dem wir alle auf unerforschliche Weise Teil haben – oder eben keiner von uns?

Wen liebe ich also, wenn ich sage „ich liebe dich?“ Meine ich DICH damit – oder gerade nicht? Inwiefern hat es noch „mit dir“ zu tun, wenn du mir „nur“ Tor zum Blind Date mit dem Unerforschlichen bist?

Liebe ich also wirklich „den Anderen“? Oder löst sich persönliche Liebe letztlich irgendwo im spirituellen Nebel des Absoluten auf? Verliere ich im Zuge dieses Erkennens etwas, das ich schätze, wie nichts anderes auf der Welt? Im Moment ein bedrückender Gedanke – aber ist er zwingend?

In der lebendigen Wirklichkeit menschlichen Miteinanders erlebe ich allein den Geliebten: als einen, der in ungeklärten Beziehungen zum Raum des Numinosen steht, aus ihm lebt, ihn mir durch seine grundsätzliche Unberechenbarkeit ins Bewusstsein hebt. (Genau wie ich es für ihn tue, ob er es nun bemerkt oder nicht.) Was hat das noch „mit uns“ zu tun – so ganz persönlich betrachtet?

Um das zu erfassen, bietet es sich an, zu fragen: Was fangen wir denn mit dieser Situation an? Das ganze Potenzial des Menschen, dessen Grenzen zu „allem Anderen“ nicht so ganz klar definiert sind, tritt mir in Gestalt des Geliebten entgegen – und nun? Klar, da ist in der Regel der Alltag, wir können zusammen das Dasein genießen oder auch mal gemeinsam arbeiten, Welt gestalten. Das ist die „Oberfläche“ des Miteinanders. Schaut man tiefer, entdeckt man das Wesentliche: im Genießen und Gestalten bzw. im damit zwangsläufig einher gehenden (nicht ausschließlich rationalen!) Dialog ERSCHAFFEN wir erst gemeinsam die zu genießende oder zu gestaltende Welt. Im Dialog mit dem Geliebten mache ich mit ihm aus: DAS HIER ist Wirklichkeit, jenes ist Illusion. DAS HIER bin ich, und DAS DA bist DU – der Rest ist also „Welt“. Und da wir beide in Richtung der „Lichtung“ offen sind, uns jederzeit aus dem Raum der Möglichkeiten heraus neu kreieren können, ist dieses Welt-schaffende Gespräch niemals zu Ende. Es gibt keine „letzte Antwort“, es gibt (wir geben!) nur das, was wir von Augenblick zu Augenblick aus unserem in Liebe vernetzten Bewusstsein als „Welt“ erkennen.

So gesehen lässt sich leicht feststellen, wann und warum ich „persönlich“ liebe: Wie sieht die Welt aus, die DU mit mir definieren/erfinden/erschaffen willst? Ist sie nur dunkel und kalt, nur Kriegsschauplatz und Jammertal – oder scheint das Licht in sie hinein, so hell und durchdringend, dass wir unter jedem harten Pflaster noch den Strand erkennen können?

Bin ich mit mir alleine, schwanke ich ständig zwischen diesen Sichtweisen, kann mich kaum je „stabilisieren“ zu einer festen Sicht, die mich handlungsfähig macht. Und doch weiß ich, was ich bin und was ich will: dass ich nämlich die „Variante mit Licht“ vorziehe!

Im Geliebten treffe ich den Anderen, der mir hilft, diese Sicht zu stabilisieren – indem ich zwar noch immer alleine hinsehe, aber den Blick des anderen Standpunktes als „möglicherweise ebenso richtig und wahr“ einbeziehe. Dabei erschließt sich eine tiefere Dimension – genauso, wie man eben mit ZWEI AUGEN (=zwei verschiedene Blickwinkel) anders und besser sieht als mit nur einem.

Die jeweiligen Standpunkte und Blickwinkel können wechseln: mal sehe ich nur das Dunkle, das Leiden und die Sinnlosigkeit und bringe das in den Dialog ein – ein andermal bin ich diejenige, die „die Welt rettet“ und das Schöne, das Wunderbare, das in Richtung Paradies weisende aufzeigt. Wichtig ist, dass beide beide Positionen grundsätzlich anerkennen und erleben können – Zyniker und restlos Verzweifelte kann ich bedauern, aber nicht persönlich lieben, genauso wenig wie die Träumer und Schwärmer, denen ihre rosarote Brille auf der Nase festgewachsen ist.

Und natürlich auch nicht diejenigen, für die die Welt „fest definiert“ ist, gänzlich unabhängig von unserer – einsamen oder gemeinsamen – Sicht. Mit ihnen mag ich nicht mal mehr darüber diskutieren, ob und inwiefern das stimmt oder nicht. (Bin ja immerhin fast 50 und ich WEISS!) Ich kann sie sowieso nicht „überzeugen“, denn niemand ändert sein grundsätzliches Weltverständnis aufgrund von Argumenten.

Da widme ich mich doch lieber dem großen Spiel, dass ich mit dem Geliebten (mit allen Geliebten, es ist nicht auf den „Einen“ begrenzt) spielen kann: dialogisch Welt erschaffen, in die das Licht herein scheint – und an dieser Welt dann ein bisschen mitbauen. Die Energie, die das möglich macht, ist die erotische: Das Verlangen, das Sich-Hingezogen fühlen zum Anderen ist das für jeden erlebbare „positive Beispiel“ am eigenen Leib. In der Sexualität sind es die „Schmetterlinge im Bauch“, auf der Ebene des Herzens erleben wir es als persönliche Liebe – und jenseits dessen ergießt sich das Licht umfassender Liebe auf alles-was-da-ist.

Ohne dass dabei etwas „verloren geht“! Wie wunderbar!

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Claudia am 30. März 2004 — Kommentare deaktiviert für ENIGMA – oder WER ist der Andere?

ENIGMA – oder WER ist der Andere?

Nur selten erlebe ich ein Theaterstück. Die „Hochkultur“ der Opern, Konzerte, Theater, Museen und „Lesungen“ ist mir eher fremd geblieben. Wer da nicht „reinsozialisiert“ ist, fragt sich auch später nicht aus eigenem Antrieb: Sollte ich mal ins Theater gehen? Das, was ich mir dann doch ansah, weil Freunde mich mal mitschleppten, hat auch nicht recht begeistert. Die Geste der Klage und Anklage ödet mich an, das bemühte Skandalisieren und Provozieren ebenso. In Stücken aus ferner Vergangenheit schlafe ich fast ein, es erinnert mich an den Deutschunterricht, in dem es mir ebenso ging: Was will uns der Dichter damit sagen? Und dann dieses stockende Gewürge, wenn die Lehrerin versuchte, aus den uninteressierten Teenys ein Verständnis im Sinne eines „Zeitbezugs“ herzustellen – meist ohne Erfolg, denn wir lebten ja noch gar nicht „in unserer Zeit“.

Später dann faszinierte mich kurzzeitig die Berliner Schaubühne mit Stücken von Botho Strauss, inszeniert von Peter Stein. Da gab es „Zeitbezug satt“ – meist ging es um das Scheitern von Beziehungen, das ins Leere laufen aller Erwartungen an „den Anderen“, die Personen redeten grundsätzlich aneinander vorbei, und zwar so, dass das auch alle Zuschauer mitbekamen und sich im Spiegel sahen. Zwei, drei mal ist das ganz schön, aber DANN frage ich mich doch: Warum soll ich mir das immer wieder antun? Das „Bewusst machen“ dessen, was ist, ist ein endliches Vergnügen. Ich bin nun mal keine Dauerkonsumentin negativer Gefühle, sehe nicht ein, für den kunstvoll generierten Blick auf Scheitern und Hoffnungslosigkeit auch noch Geld zu bezahlen! Bye bye Theater, ich BRAUCHE dich nicht!

Neulich dann das Renaissance-Theater. Wieder hat mich ein Freund „mitgeschleppt“ und weil es ein Stück mit Mario Adorf war, ging ich das Risiko ein. Es war wider alles Erwarten ganz wunderbar, deshalb erzähl ich hier davon. Aber Achtung: Wer vor hat, das Stück noch anzusehen, sollte besser nicht weiter lesen! Denn es lebt einerseits von den genialen Schauspielern, aber auch von verblüffenden Wendungen, die natürlich nicht mehr verblüffen, wenn man sie schon kennt.

Als denn:

ENIGMA
Zwei-Personen-Stück mit Mario Adorf und Justus von Dohnányi
Regie: Volker Schlöndorff

Ein gealterter Großschriftsteller, Nobelpreisträger, hat sich auf eine Insel im Norden zurückgezogen, um den Banalitäten des Mensch-Seins möglichst ferne zu bleiben. Als sein 21. Buch ist soeben der Briefwechsel eines Liebespaars erschienen, das nur wenige Monate „im realen Leben“ zusammen war. Dann hatte ER, der Protagonist des „Romans in Briefen“ die Trennung verlangt – und dass die beiden ihre Leidenschaft nur noch schreibend leben, um sie so zu erhalten. SIE willigte letztlich ein und der Briefwechsel währte tatsächlich 15 Jahre. Wo er dann ohne Erklärung abbricht.

Einem Journalisten gelingt es, beim Literaturgenie einen Interviewtermin zu bekommen. Der Großschriftsteller hat das zwar vergessen, als er ankommt und schießt zunächst auf ihn – aber der Besucher erreicht das Haus doch noch lebend. („Wenn Sie vor meinem Haus sind, sind Sie der Feind, wenn sie drin sind, mein Gast“).

Es entspinnt sich ein vielschichtiger Dialog mit mehreren „Schocks“, die jeweils die Grundlagen der Situation vollständig verändern. Dabei staunte ich über die drastischen Bezüge zu philosophischen „Netz-Themen“, ohne dass je explizit ein Bezug zu „Real bzw. Virtual Life“ hergestellt wird.

In den Dialogen des Stücks wird Literatur und Leben, Wahrheit und Lüge genial diskutiert und variiert. Das „Erlebte“ bzw. Geschehen der Geschichte ist dann aber weder Wahrheit noch Lüge, ist beides und nichts davon, sondern vollendete Virtualität. Das „Virtuelle“ entfaltet sich in einer Reihe aufeinander folgender „Schocks“, die jeweils die Realität völlig neu und anders darstellen.

Und das geht so:

Eingangs löchert der Journalist den Schriftsteller, er möge doch zugeben, dass der Briefwechsel etwas mit seinem Leben zu tun hat. Was dieser entrüstet abstreitet (Literatur ist „Erfindung“, ist Poesie, nicht schnöder Alltag…) – später aber doch zugibt, um das Interview zu verlängern. Offensichtlich freut er sich doch, mal ein Gegenüber zu haben, ist in Wahrheit nicht ganz glücklich auf seiner einsamen Insel im Norden, wo es sechs Monate Tag und sechs Monate Nacht ist.

Es stellt sich heraus, dass der Journalist aus derselben Stadt kommt (und wohl nur deshalb diesen Termin bekam!), wie die ferne Geliebte des Schriftstellers. Ja, er kennt sie sogar – es ist nur eine recht kleine Stadt.

1. Schock

Auf einmal outet sich der Journalist als Ehemann der fernen Geliebten. Vor 15 Jahren (!) haben sie geheiratet..

Der Schriftsteller ist durch diese Nachricht zunächst etwas verstört, dann aber schwer erbost: War es doch über all die Jahre eine wahrhaftige, intensive und umfassende Kommunikation! Sie schrieben sich täglich, erzählten sich ALLES! Und nun muss er erkennen, dass SIE ihm diese Ehe verschwiegen hat. Er entrüstet sich, hadert, tobt, wütet – und gibt dem Jüngeren auf, ihr all seine Vorwürfe zu überbringen. Sie könne auch gerne alle Rechte und Einnahmen am Buch übernehmen, schließlich sei SIE die Autorin, die Lügnerin!

Der Journalist muss das ablehnen, denn

2. Schock

Helene ist TOT! Nach ihrem Tod hat er die Briefe in ihrem Schreibtisch gefunden. Auch die, die sie NICHT abgeschickt hat. Die, in denen sie mehr Nähe und Miteinander verlangt hat als bloß diese Schreiberei. Er überreicht dem Älteren dessen ungeöffnete Briefe aus den letzten Monaten.

Der Schriftsteller bricht nun zusammen, trauert, bedauert – und willigt ein, seine Insel zu verlassen und dem Witwer in die kleine Stadt zu folgen, um IHR Grab zu besuchen. Betont allerdings, dass er lediglich „wegen Helene“ diese Reise unternehme, dass zwischen ihnen beiden niemals so etwas wie Freundschaft sein könne…

Nichtsdestotrotz lässt er sich von dem Jüngeren die Tasche packen, ist selber zu unbeholfen, das Miteinander wirkt jetzt sehr anrührend, fast liebevoll.

Beiläufig dann, beim Hinaus-Gehen, lässt der Jornalist (der seine Zeitung nur erfunden hat) die nächste Bombe platzen:

3. Schock:

Helene ist tot, ja. Sie starb vor zehn Jahren an Krebs. Er fand die Briefe, schlüpfte in ihre Rolle und schrieb sie weiter – SO blieb sie für ihn noch „irgendwie lebendig“.

Der Großschriftsteller ist nun wahrhaft verstört. Schwer irritiert. Seit zehn Jahren korrespondiert er also nicht mit „Helene“, sondern mit ihrem Witwer! Fassungslos greift er zu Buch 21 und zitiert daraus erotische Stellen (Ich streichle deine Schenkel, spürst du das Kribbeln, dort, wo das Weiche beginnt?): „Und DAS haben SIE geschrieben?“

Ja, er hat. Und fragt unschuldig: „Bei mir ist das so, bei Ihnen nicht?“

**

Was für ein wunderbares Stück! Für diejenigen, die einer klaren Botschaft bedürfen, fällt der Satz „Die Liebe hat kein Geschlecht“. Gewiss, das ist ein Aspekt des Ganzen, doch für mich transportiert es viel mehr. Ich erinnerte mich auf einmal an die Enttäuschung, als ich vor vielen Jahren jemanden traf, mit dem ich bereits Monate lang Mails getauscht hatte. Er war nicht etwa unsympathisch, hässlich, verschroben oder sonst etwas, das meine Enttäuschung hätte begründen können. Er war nur einfach anders als der, den ich mir „imaginiert“ hatte! Deutlich anders. Ich fiel in eine Art emotionales Loch, denn: WO war jetzt dieser Andere, mit dem ich mailend eine starke Beziehung entwickelt hatte? Trauer überkam mich – fast, als wäre jemand gestorben, doch es war im Grunde schlimmer als das: Es hatte ihn NIE GEGEBEN!!!

Wer ist „der Andere“? Hat er eine eigene Wirklichkeit, oder ist er vollständig das, was ich mir erdenke, vorstelle, imaginiere? Die Frage gilt keinesfalls nur in Bezug auf Brief- und Mailbeziehungen, dort ist sie lediglich besonders gut erlebbar. Der ANDERE – bin ich das letztlich selbst? Ein Rätsel, ein Geheimnis: ENIGMA.

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