Thema: gesund leben

Claudia am 29. Februar 2004 — 1 Kommentar

Nachrichten aus der Schreibflaute

„Viel Spaß!“, sagt der Bademeister und schließt die Tür des höhlenartig gestalteten Saunaraums von außen. Was er wohl meint? Er hat nur ein bisschen Frischluft herein gewedelt, grad mal drei kleine Kellen Wasser auf den Ofen gegossen – womit sollen wir jetzt Spaß haben? Mein Blick schweift über die auf ihren Handtüchern sitzenden Frauen und Männer, ich zähl mal durch: 24 Nackte auf drei Etagen, im Alter zwischen Mitte zwanzig und siebzig, alle sehen aus wie echte Menschen und nicht wie von den Werbetafeln gefallene Vorzeigekörper, einer der vielen Gründe, warum ich Sauna so mag: der Anblick des Mitmenschen, wie er wirklich ist, korrigiert die medial vermittelten Körperbilder aufs Angenehmste. Ich schaue gern hin und hab auch nichts dagegen, angeschaut zu werden. Wie anders als noch vor Jahren, als ich mir Sauna nur „vorstellte“ und automatisch davon ausging, dass hier vornehmlich Männer den Anblick nackter Frauen voyeuristisch konsumieren wollen. Mag ja sein, dass einige wenige, vor allem die ganz Jungen mit ihrem leidigen Triebstau, „so“ schauen – die Regel ist es nicht. Die drastischen physischen Eindrücke, schwitzen bei 90 Grad und dann das kalte Wasser, befreien sehr effektiv vom Kopfkino aller Art. Ein Ort der Entspannung eben, der GEMEINSAMEN Entspannung!

Vögelgezwitscher dringt aus verborgenen Lautsprechern, rechts neben mir steht der Sauna-Ofen, ausgestaltet als feuriger Vulkankrater. Und als er zu „glühen“ und Dampf zu speihen beginnt, setzt auf einmal der berühmte Chor aus den Carmina Burana ein: Oh, Fortuna!!! Wow, was für ein Erlebnis, ich bin begeistert! Daran ändert auch der kurze Hinweis meines kritischen Verstandes nichts, dass ich mich hier doch in einem ganz schön dekadenten Wellness-Ambiente befinde, während große Teile der Menschheit darben und ums Nötigste kämpfen. Der aufsteigende Dampf erhöht die Temperatur und lässt die Gedanken ersterben, schweigend und schwitzend lauschen wir der euphorisierenden Musik, geraten langsam näher an die Grenze des physisch Erträglichen, bis am Ende wieder Stille herrscht. Noch ein wenig Vogelgezwitscher, dann nichts mehr.

Für einen Moment wirkt es, als hinge da ein Bann über der „Gemeinde“: niemand traut sich, zuerst aufzustehen und den mittlerweile qualvoll heißen Raum zu verlassen. Wenn es noch lange dauert, werde ich es sein – aber nein, eine blonde Frau mittleren Alters erhebt sich und steigt zwischen den Anderen die Holz-Etagen hinunter. Erleichtert folgt ihr die Hälfte der Anwesenden in Richtung Abkühlung, ich gehe mit. Nach einer kalten Schwalldusche und einigen sanften Schlauchgüssen fühl ich mich wie neu geboren. Liebe Leserin, lieber Leser, macht das doch auch mal!

Vom Sitzschaden

Dieser Diary-Beitrag widmet sich ganz dem Physischen, für manche ist ja nur das das sogenannte „Reale Leben“. Dass ich eine Schreibflaute erlebe, hat jedenfalls physische Gründe. Ich kann kaum mehr sitzen, will und muss aber trotzdem sitzen, meine Arbeit machen, per Internet mit Auftraggebern, Kursteilnehmern, Freunden und Bekannten kommunizieren. Nie hatte ich vor, öffentlich über „Krankheiten“ zu jammern, wenn es aber mal soweit ist, dass ich deshalb weniger schreibe, mach‘ ich eine Ausnahme. Zudem passt das Wort Krankheit nicht, ich habe einfach eine Reihe von „Sitzschäden“: nach jetzt zwölf Jahren am PC ist das auch kein Wunder. Der „Mausarm“ mit einer Schwellung im Oberarmmuskel, der mich seit über einem Jahr zur Links-Klickerin gemacht hat, ist das Geringste. Auch die mittlerweile chronische leichte Taubheit am rechten Oberschenkel stört nicht wirklich. Wenn sich das alles aber dann mittels „flottierender Empfindungsstörungen“, die gelegentlich in der rechten Hand und am rechten Fuß auftreten, sowie Verspannungen in Hals und Schultern zu einem Kontinuum gefährlichen Missbefindens verbindet, dann ist wirklich der Punkt erreicht, an dem sich etwas ändern muss!

Aber was? 10.000 Möglichkeiten bieten sich an und ich weiß nicht, welche ich mir wirklich antun soll. Ich will nicht Dauerpatient werden und die große Ärzte-Tour beginnen: Allgemeinarzt, Neurologe, Orthopäde – sie würden mich vom einen zum andern schicken, jede Menge Diagnose-Prozeduren anwenden, mich dann durch ihren Gerätepark jagen (bestrahlen, Reizstrohm-behandeln, strecken, dehnen, schütteln, schaukeln…), mir allerlei Cremes und Tabletten verschreiben, und letztlich anhand von Röntgenbildern erläutern, dass man vielleicht an meinen Wirbeln ein bisschen herum operieren sollte. Dies alles zusammen sehe ich als ebenso große, wenn nicht größere Gefahr an, wie die „Krankheit“ selbst. Hinzu kommen die „alternativen Therapieformen“, undurchschaubar in ihrer Vielfalt – wie könnte ich beurteilen, was davon wirklich nützt? Soll ich mich auf eine Chi-Machine legen und die Fersen in Gestalt des Unendlichkeitszeichens rotieren lassen? Ich weiß nicht recht…

Sensorische Neuropathie – und dann?

Iß Vitamin B, rät ein lieber Freund. Das hat ihm geholfen und netterweise bringt er gleich eine Packung mit. Und ich lese im Beipackzettel: „Periphere sensorische Neuropathien (Missempfindungen vorwiegend an Händen und Füßen) wurden bei langfristiger Einnahme von Mengen über 50mg, sowie bei kurzfristiger Einnahme über 1g/Vitamin B6/Tag beobachtet“. Das irritiert mich, schließlich hab ich ja bereits solche „Missempfindungen“ und will sie weg haben! Aber wer weiß: vielleicht gilt hier ja auch das Gesetz der Homöopathie: Ähnliches hilf Ähnlichem?

Ohne technische Diagnosen weiß ich ja immerhin, was los ist: Das viele Sitzen staucht die Zwischenwirbelscheiben zusammen, verschärft noch durch zuwenig Trinken. Dadurch werden Nervenbahnen geklemmt und/oder zumindest gereizt, was ich dann als Gefühle der Wattigkeit, Taubheit oder Phantomberührungen an den Stellen spüre, die von diesen Nerven versorgt werden. Hilfreich wäre mehr Trinken, mehr Bewegung, weniger Sitzen. All das versuche ich auch, stoße aber immer wieder an Grenzen: die eigene Trägheit, eingefleischte Gewohnheiten, wichtige Arbeiten – es gibt immer Gründe, sich grad nicht um die Gesundheit zu kümmern. Ein Trauerspiel, das eine Verschärfung der Lage erzeugt, die mich dann doch droht, aus dem Spiel zu werfen: Wenn ich, wie seit einiger Zeit, beim Sitzen wirklich leide, ist Schluss mit lustig!

Ergonomie am Arbeitsplatz

Nächste Woche kommt endlich der neue Monitor, den mir ein lieber Diary-Leser gesponsert hat: ein 17-Zoll-Flat-Screen, leicht genug, dass ich ihn ohne mich zu überheben auf Bücherstapel stellen kann und so zumindest die Verspannungen in Hals und Nacken vermindern. Auf der Suche nach dem ergonomischen Arbeitsplatz kam mir auch schon eine radikale Idee: Warum nicht im Liegen arbeiten, wenn Sitzen nicht mehr geht? Ich hatte schon ein fertiges Konzept für so ein Arrangement: eine Art Zahnarztliege, links daneben der Monitorhalter auf einer Teleskopstange, mit einem Schwenkarm nach rechts, der den Monitor in frei kippbarer Stellung hält. Von rechts ein ähnliches Element für Tastatur und Maus. Ein Schlosser könnte so was locker bauen, dachte ich mir und war schon drauf und dran, das zu verwirklichen. Dass ich dafür die gesamte Ästhetik meines Arbeitszimmers opfern müsste, schien mir verkraftbar. Doch dann machte mir ein Freund klar, dass ich mich damit in die falsche Richtung bewege: ich akzeptiere die Behinderung, passe ihr die Lage an, die irgendwann eine neue Behinderung nach sich ziehen wird. Auch das Arbeiten in der Halbliege wird Nachteile haben, die sich auswirken.

Nun ja, ich bin Pragmatikerin: ich hätte dann ja vielleicht nochmal zwölf Jahre, bevor das eintritt! Da es aber doch eine verdammt aufwändige Lösung ist, hab‘ ich mich erst mal davon abbringen lassen und suche jetzt nach anderen Möglichkeiten. Versuche, öfter ins Fitness-Center zu gehen, wieder mehr Yoga zu machen, insgesamt gesünder zu leben – und ich frage herum, was andere Leute in Sachen Sitzprobleme alles schon hinter sich haben.

Und jetzt sortiere ich erst mal offline den Papierstapel mit Verwaltungs-, Steuer- und Behördenkram, der sich in den letzten Wochen angesammelt hat. Zum Abarbeiten muss ich dann aber wieder an den PC – sitzen, sitzen, sitzen!

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Claudia am 02. November 2003 — Kommentare deaktiviert für Veränderungen im Nahbereich

Veränderungen im Nahbereich

Man muss sich Zeit zum Krank-Sein nehmen, um zu gesunden! Zwar bin ich immer noch sehr erkältet, doch in Sachen Mausarm vielleicht ein Stück weiter – und das kam so:

Über den Tag war die Erkältung wieder stärker geworden, ich fühlte mich schwächer, fiebriger – und wagte es schließlich um 14 Uhr, innerlich Schluss zu machen, ohne noch meine Kursteilnehmer besonders zu informieren. Im Grunde hatte ich für heute alles getan – warum dieses komische Gefühl, mich extra „abmelden“ zu müssen?

Ich telefonierte mit einem Freund und fragte ihn, wie es ist, während einer Erkältung „was zu rauchen“ – er bot mir sogleich eine „Hauslieferung“ an, die ich dankend annahm. Kochte also Tee, plauderte kurz mit meinem Gast, wir rauchten einen Joint… dann ging er wieder und ich legte mich aufs Bett. Bekifft und fiebrig, sehr angenehm. Endlich konnte ich einfach abliegen, keine Stimme murmelte mehr im Hintergrund: Du solltest jetzt lieber…!

Ruhe, fließende Wärme. Ich fragte mich, ob die homöopathischen Globuli, die ich vor einigen Stunden eingenommen hatte, wohl etwas bewirken würden. Immerhin, das Gefühl der Übelkeit, das ich beim Husten immer verspürt hatte, war verschwunden. Meine Aufmerksamkeit wanderte weiter durch den Körper. Plötzliche Schauder schickten Empfindungsgewitter durch alle Nerven und Zellen – war es etwa zu kalt? Oder kam das vom Fieber, bzw. von der erhöhten Temperatur? So „richtig“ Fieber bekomme ich nämlich nie: diese großartige Selbstheilungsmethode des Körpers ist leider in der Kindheit mit heftigen Medikamenten unterdrückt und somit „abgewöhnt“ worden. (So wird ein Grundpfeiler gelegt, auf dem der beständige Profit der Pharmaindustrie dann selbstgewiss ruhen kann!).

Einmal noch holte ich eine dickere Decke, bei den nächsten Schauern entspannte ich mich dann, genoss einfach die winzigen stromstoßartigen Sensationen, die mich vielfältig durchfluteten, versuchte, sie möglichst WEIT durchfließen zu lassen – vom rechten Zeh ins Scheitelchakra – und immer mehr zu genießen. Wie angenehm…

Heureka!

Auf einmal realisierte meine Aufmerksamkeit Stellen, wo etwas im Argen lag. Wo es nicht „durchfloss“, sondern im Gegenteil schmerzhafte Empfindungen ihren Ursprung hatten. Zum Beispiel der rechte Oberarm, mindestens an zwei Stellen – und an der Schulter auch, eine beständige Verspannung, wirbelsäulennah. Klar, das war der „Mausarm“, lang bekannter Teil der chronischen Beschwerden, die vom zuvielen Sitzen herrühren. Interessant, dass so als dichte, dunkle Stelle von innen zu spüren! Ich versuchte, die Energien, die mich rieselnd durchwanderten, sämtlich auf diese blockierten Stellen zu „jagen“ – ein bisschen wirkte es auch, die Schmerzpunkte am Arm wurden plötzlich heißer. Ich nahm den Vibrator und massierte die schmerzenden Stellen – nachhaltig, insistierend. Es war sehr „lustvoll“ und ich bekam als „inneres Bild“ fast eine Art Diagnose, was da im Einzelnen eigentlich los ist, physisch gesehen.

Während ich so in den „kranken Bereich“ hinein spürte, erinnerte ich mich auf einmal an die Haltungen, die ich täglich vor dem PC einnehme. Nicht als Bild, von außen gesehen, sondern als „Empfindungserinnerung“, von innen erlebt. Und plötzlich fiel es mir wie Schuppen von den Augen: NA KLAR!!! Ich saß ja ständig SCHIEF, unsymmetrisch, beide Arme und Schultern unterschiedlich belastet und angespannt – immer auf die gleiche „unharmonische“ Art!

Und warum? Wegen der „ausgebauchten“ Form meines neuen Schreibtischs, den ich mir beim Einzug in der Gärtnerstraße als „Fortschritt“ zugelegt hatte. So ein Übereck-Teil, dessen Innenseite im Halbrund nach rechts übergeht. Was zur Folge hat, dass der Arm im Bereich dieses Halbrunds keine „natürliche“ Auflage findet, sondern ständig „im Leeren“ schwebt. Und nicht nur mal kurz, sondern seit zwei Jahren!

GENAU!!! 2001 im Sommer hatte ich den Tisch gekauft, im Frühjahr 2002 fingen die „Mausarm-Beschwerden“ an, und Anfang 2003 musste ich die Maus nach links legen, weil ich vor Schmerz nicht mehr klicken konnte. Seither keine Verschlimmerungen mehr, aber auch keine deutliche Besserung auf der rechten Seite – obwohl da doch gar keine Maus mehr zu bedienen war!

Ich wusste plötzlich: Ich muss auf einer geraden Seite des Schreibtischs sitzen, egal, wie ich ihn dafür hinstellen muss und wie das aussehen wird! HEUREKA, ich hatte es gefunden! Wie konnte ich das nur jahrelang übersehen???!!!

Mach’s jetzt, mach’s gleich…

Sofort aufgestanden und die Lage besichtigt. Mein „Arbeitsplatz-Arragement“ war dergestalt angeordnet, dass der Über-Eck-Schreibtisch einen kleinen Teil des Zimmers gegen den großen Rest abtrennte – wie eine Empfangsdame saß ich da „hinter dem Tresen“, überschaute das ganze Zimmer mit den Türen zum Wohnzimmer, zum Balkon und zum Flur, rechts der Blick aus dem Fenster – Feng Shui-mäßig alles voll in Ordnung. Aber: Auf, unter und hinter dem Schreibtisch zwei Computer, ein Drucker und ein riesiger Kabelverhau, der auch noch den Scanner auf dem Regal hinter mir einbezog, und mich immer wieder durch seine verworrene Unübersichtlichkeit anwiderte. Durch den neuen PC hatte sich das alles noch vervielfacht! In diesem meinem „Cockpit“ klebte ich im Prinzip den ganzen Tag. Alles, was ich brauchte, war in Griffweite, Maus, Tastatur, Telefon – und auch der Aschenbecher und der Tabak. Eine kompakte Situation, aus der man sich „um der Gesundheit willen“ gelegentlich heraus reißt, natürlich nicht oft genug, denn einen „echten Grund“ dazu gibt es ja nicht.

Ich überlegte, wie ich den Schreibtisch umstellen könnte, wo dann der Beistelltisch hinkäme, die beiden PCs, der Drucker – oh, ich merkte sofort, dass es ein Riesenaufwand werden würde, kein Stein würde auf dem andern bleiben! Wollte ich das wirklich tun? Jetzt, in DIESEM ZUSTAND? Egal, ich wusste: wenn ich es jetzt nicht sofort angehe, wird das nichts! Mach’s jetzt, mach’s gleich, mach’s richtig, ermunterte ich mich, und begann, die Kabel eins nach dem anderen abzuziehen. Drei Stunden später war das Zimmer ein völlig anderes!

Ich zuerst – und dann das Gerät..

Das war vor zwei Tagen. Jetzt sitze ich sehr exotisch an der kleinsten geraden Seite des Schreibtisches, die in Richtung Zimmermitte ragt. Mit ein bisschen Monitor drehen und Stuhl rücken kann ich noch zwei andere Sitzweisen mit dieser abwechseln. Der Bildschirm steht vor der Wand, hinter mir (und zu beiden Seiten!) ist freier Raum. Ich kann den Stuhl locker zurück schieben und zum Durchlesen aufstehen! Das Telefon steht zwei Meter weiter am Fenster – ich muss mich erheben und ein Stück laufen, wenn es klingelt, und das ist wunderbar so! Es gibt auch kein Kabelchaos mehr auf engstem Raum, sondern alle Geräte sind über mehrere, an der Wand aufgereihte Tische verteilt, genügend weit auseinander, um ganz übersichtlich vekabelt zu sein. Die „Dünen“ aus vermischten Materialen, Papieren, Technikteilen, Post, Daten- und Musik-CDs sowie Büromaterial sind ganz nebenbei in überschaubare Ordnung gebracht. Der zweite Tisch steht nicht mehr nutzlos rum, bis Gäste kommen, sondern dient als zweiter Schreibtisch für alles, was den PC nicht braucht.

Das Zimmer ist jetzt – sieht man von der „Büro-Zeile“ an der rechten Wandseite ab – ein großer leerer Platz: Ausgesprochen einladend, darin im Kreis herum zu gehen, während ich nachdenke. Es wäre jetzt auch gut Platz für einen Flipp-Chart fürs spontane Malen, bestimmt eine gute Abwechslung für den malträtierten „Mausarm“. Meine To-Do-Listen könnte ich da auch hinschreiben – groß und weithin sichtbar!!! Mal sehen, ob ich mir sowas gönne!

Sogar meiner alten Idee, auch mal im Liegen zu arbeiten, bin ich ein Stück näher gekommen. Im Moment sitze ich im frei nach hinten kippenden Stuhl, die Beine vor mir auf dem Tisch ausgestreckt. Mit den Zehen berühre ich den Monitor, die Tastatur liegt auf den Oberschenkeln. Wegen der Entfernung zum Bildschirm steht die Schrift auf 16 Punkt. Und ich hab mir die Tastaturbefehle von Windows und Word ausgedruckt, um auch mal ohne Maus auszukommen. Ein bisschen sperrig am Anfang, aber es geht.

Klar, das ist nur ein Experiment, der Stuhl ist fürs „Halb-Liegen“ nicht wirklich geschaffen. Ich werde mir eine Spracherkennungssoftware zulegen – etwas, das ich bis heute für gänzlich unnötig und überflüssig hielt – und allen Ernstes versuchen, Texte zu diktieren, langsam im Kreis herum gehend! Denn so, wie ich jetzt „an den PC sitze“, motiviert mich vieles, auch mal wieder aufzustehen, ohne dass ich das Gefühl hätte, mich wirklich von der Arbeit zu entfernen. Warum sollte ich auch immer sitzen bleiben, wenn ich auf den nächsten Satz warte?

Vermutlich wird die Genesung des „Mausarms“ genauso lange dauern, wie seine Erkrankung. Doch ich fühle, ich habe viel mehr gewonnen als nur die Chance auf Gesundung von dieser einen chronischen Beschwerde. Nach dreizehn Jahren „am Gerät“ bin ich zum ersten Mal dabei, das Equipment und alles was dazu gehört, MIR und meinen ganz konkreten individuellen Bedürfnissen anzupassen, anstatt umgekehrt. Dass ich dazu solange brauchte, ist ganz typisch: Selbstveränderung geschieht nicht per Beschluss und Verbesserungsvorsatz, sondern erst, wenn der Status Quo so richtig weh tut!

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Claudia am 25. Dezember 2002 — Kommentare deaktiviert für Vom Mausarm – ein Leiden mit Sinn

Vom Mausarm – ein Leiden mit Sinn

Nach vier einschlägigen Texten ist es also wirklich Weihnachten geworden – jetzt aber will mir nichts „Weihnachtliches“ mehr in die Tasten fließen. Macht nichts, denk ich mir, wer jetzt durchs kühle Web surft, anstatt zuhause in Lichterglanz, Süßigkeiten und Geflügel zu versacken, sucht vermutlich sowieso nicht nach „mehr vom gleichen“. ;-)

Hey, das war ein Scherz! Ich MAG Weihnachten und meine Entenbrust mit Schwäbischen Breitband-Nudeln an Wintergemüse war großartig. Draußen ist es unendlich still, als hielte die Welt den Atem an, die Straßen sind leer und es gibt jede Menge Parkplätze, wo man sonst zwanzig Minuten um den Block kreisen muss. Die Studies sind daheim bei ihren Eltern, andere sind abgeflogen in den Süden, Berlin Friedrichshain wirkt ziemlich öd, erst recht, wenn weder Schnee noch Sonnenschein von den unzähligen Hundehaufen ablenken, die die Gehsteige zieren. Wie schön, ich zieh ja bald ein Stück weiter, in eine etwas Hunde-ärmere Gegend!

Auf der Suche nach Inspirationen hab ich gerade in der Vergangenheit „geblättert“ und den Beitrag vom 26. Dezember 2001 gelesen: „Weihnachten, ein Opferfest“. Wie seltsam! Zwar ist die Beschreibung des ausgestorbenen Stadtteils fast wörtlich identisch, doch ansonsten ist es ein Artikel, wie ich ihn jetzt ganz bestimmt nicht mehr schreiben würde. Was für eine deprimierende Stimmung: verhaltene Verbitterung, Klage und Anklage, weise Entsagung, unterschwellig agressiv, und dann doch wieder dieser in Melancholie auslaufende Sound gepflegter, um Haltung bemühter Hoffnungslosigkeit: „Tote Götter plastern unsern Weg“ – ach je! Dabei ist das gar kein schlechter Spruch, kommt nur drauf an, wie man ihn ausspricht – eher klagend oder als Erfolgsmeldung. Ich finde, Götter, die sich von Menschen zu Tode bringen lassen, sind doch nicht wirklich der Rede wert, oder?

Mit links

Seit über zehn Tagen liegt übrigens meine PC-Maus nun schon links von mir – und ich kann alles machen! Da ich extreme Rechtshänderin bin, bzw. war, ist das ein kleines Wunder. Eines von der Art, die einfach kommen MüSSEN, denn mit rechts verschärfte ich ständig meinen „Mausarm“ und konnte zeitweise nur noch unter großen Schmerzen arbeiten. Wenn ich nun schon auf letztes Jahr zurück blicke, fällt gleich auch der Beitrag Vom Elend des Sitzens ins Auge: dieses Leiden ist lang schon im Anmarsch, und die Idee, mit der Hand zu schreiben und hinterher abzutippen, war nicht wirklich ernst gemeint.

Es ist ein Leiden, das ich nicht einfach aussitzen kann, denn wie sich zeigt, wird es mit der Zeit schlimmer und nicht etwa besser. Trotz Yoga und Fitness-Training, trotz Entspannung in der Sauna und deutlicher Reduzierung der Arbeitszeit (ich sitz nicht mehr 12 bis 16 Stunden am Gerät!) ergreift mich dieses Konglomerat aus Symptomen, die sich um die Arbeit am PC entwickeln, immer heftiger. Falsches Sitzen, zu langes Sitzen – es hört sich einfach an, aber es zu verändern, ist eine sehr komplexe Bemühung, die auf mehreren Ebenen ansetzen muss: beim Gerät, bei den Möbeln, bei den Bewegungsabläufen, bei den Arbeitsrythmen, der Abfolge von Arbeitszeiten und Pausen, von Minipausen und größeren Pausen, bei der Einübung genau passender Dehn- und Entspannungsübungen – es ist fast eine Wissenschaft und ich muss alles selber erforschen. Zwar gibt es Erfahrungen, Tipps und Therapien – aber wie immer sind es zu viele, zu widersprüchliche auch, und jeder muss seinen Weg in die ganz persönliche Ergonomie letztlich doch selber ausexperimentieren.

Und darauf freue ich mich! Schon jetzt mach ich interessante Erfahrungen, denn nie nie nie hätt‘ ich gedacht, MIT LINKS arbeiten zu können! Das ist mir erst aufgefallen, als ich an einem anderen PC wieder auf Maus rechts umsteigen musste – die plötzliche Irritation, das Gefühl des etwas unbequem Ungewohnten machte mir klar: Das Umsteigen hat ja funktioniert! Und das bedeutet wiederum: Selbst drastische Veränderungen sind möglich, nicht nur in jungen Jahren.

Im Rahmen meiner Recherchen in dieser Sache bin ich auch auf ein Wundermöbel gestoßen: den Sitz-Stehtisch, automatisch per Knopfdruck höhenverstellbar. Fährt samt schwerem Monitor zu Stehhöhe `rauf, wo ich weiter arbeiten könnte, bis ich mich müde fühle und wieder sitzen will. Einfach toll! Gerade erforsche ich, wieviele Modelle welcher Hersteller es gibt – ich will nicht bloß so einen Tisch für mich und ganz allein gesunden, sondern verspüre Lust, ein Webprojekt in diesem Themenbereich zu machen, schließlich sind viele I-Worker krank vom falschen Sitzen oder gerade dabei, es zu werden.

Wer weiß, wohin mich die Auseinandersetzung mit diesem Leiden noch bringen wird. Falsch fände ich es, einfach sitzen zu bleiben und mir einzureden, der Widerstand gegen den Schmerz sei das eigentliche Problem. Ich leiste keinerlei Widerstand, betäube mich nicht, lenke mich nicht ab sondern wende mich der Sache zu, beobachte, forsche und nehme alles sehr ernst. Mein Suchen und mein Handeln hat Tiefe und ich fühle den Sinn. Das Leiden gibt mir Orientierung und dient als Schlüssel zu neuen Erfahrungen. Doch nicht, indem ich da sitze und JA, AMEN dazu sage, sondern indem ich Kraft und Sorgfalt darauf richte, es zu verändern

Ich führe das mal so genau aus, weil ich in den letzten Jahren mit dieser Unterscheidung echte Probleme hatte. Voller Angst, wieder in den alten Macherwahn und das zwanghafte Weltverbessern zu verfallen, an dem ich Mitte dreißig so drastisch gescheitert war, hatte ich eigentlich seither gegenüber jedem Tun, jedem Wollen, jedem Begehren und jedem Veränderungswunsch vor allem Bedenken, Einwände, Ja-Abers. Ein gebranntes Kind lernt eben nicht nur dazu, sondern scheut auch das Feuer.
 
Als Feuer-Luft-Temperament geht’s mir allerdings auf Dauer nicht gut, wenn ich mich allzu lange dem Leben verweigere und nur lamentierend auf dem Zaun sitze. Kann schon sein, dass ich mir immer wieder mal die Finger verbrenne oder gegen eine Wand laufe – na und? Ebenso wahrscheinlich ist, dass ich interessante Möglichkeiten zu wunderbaren Wirklichkeiten mache. Und wenn ich – anders als früher – vor allem das tue, was mir nicht erst im Erfolg, sondern im Tun selber Freude macht, kann sowieso nichts schief gehen.

„Wer jetzt kein Haus hat, baut sich keines mehr…“ – ach ja ?
Im November hab‘ ich mit der Suche angefangen, Anfang Dezember meine Wunschwohnung gefunden und im Januar ziehe ich um!

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Claudia am 21. November 2002 — Kommentare deaktiviert für Fühlen, schlemmen, zu viel sitzen

Fühlen, schlemmen, zu viel sitzen

Die Wohnungssuche schreitet voran! Ich hab‘ etwas in Aussicht und recht gute Chancen, es auch zu bekommen. Mein erster Plan, die Wohnung direkt neben der jetzigen zu mieten, die seit längerem leer steht, war vor ein paar Wochen gescheitert, doch jetzt auf einmal bietet die Hausverwaltung sie mir DIREKT an – ohne Makler. Plötzlich hab ich freie Auswahl, aber mein Gefühl hat schon anders entschieden: nicht mehr der TOP-STANDARD eines grundsanierten Altbaus, sondern eine Wohnung als „Aufgabe“, zwar von der Mieterin modernisiert, aber doch so, dass für mich – SOFERN es überhaupt klappt – jede Menge zu tun bleibt. Einen wunderbaren Blick in die Weite bietet die Wohnung auch – ein echter Glücksfall.

Freu dich nicht zu früh, sagt mir ein lieber Freund. Wenn es sich dann zerschlägt, bist du enttäuscht! Was aber, das frag ich mich dann, sollen wir im Leben eigentlich fühlen, wenn wir uns dem Verlangen, der Sehnsucht, der Hoffnung verweigern, weil wir die Enttäuschung, die Traurigkeit, den Verlust scheuen?

Viel essen, gut essen und trotzdem abnehmen – wer wünscht sich das nicht? Und genau das erlebe ich seit etwa zwei Wochen! Seit ich im Mai mit dem Rauchen aufgehört hatte, war ich kontinuierlich schwerer geworden, so drei, vier Kilo, mit der Tendenz zum weiter wachsen. Das hat mir nicht mehr gefallen, bin also mal dem Hinweis aus einer Mailingliste gefolgt: Kohlsuppendiät! Das hört sich dermaßen absurd an, aber ich dachte: WENN ich schon sowas Irres mache wie eine Diät, dann kann es ruhig gleich was ganz Verrücktes sein! Natürlich hab‘ ich nicht „5 Kilo in einer Woche“ abgenommen, wie es der Umschlag des kleinen Buches „die magische Kohlsuppe“ versprochen hatte (sie meinten damit auch den Verlust an Wasser, der bei völliger Befolgung der Rezepte und weitgehendem Salzverzicht einsetzt). Aber ich hab‘ eine neue Weise des Essens kennen gelernt: warme Suppen am Mittag, richtig scharf statt besonders salzig, über den Tag dazu jede Menge Obst und/oder Gemüse, gelegentlich Fisch und Geflügel – also das ist wirklich eine Essweise, die mich zufrieden stellt. Und ich nehme täglich ab, tatsächlich, obwohl ich soviel esse wie sonst nie.

Was mir hauptsächlich in dieser Erfahrung aufgefallen ist: Wie sehr man doch gewisse Überzeugungen verinnerlicht hat, die gar nie im Bewußtsein stehen und deshalb auch nicht mehr hinterfragt werden! Man schleppt sie als Altlasten mit sich, sie bestimmen das Leben und man denkt, die Welt sei nun mal so – dabei schaffen diese überzeugungen ihre jeweilige Erfahrung!
So ist offensichtlich bei mir die Überzeugung sehr stark gewesen, eine „gesunde“ Ernährung, die auch noch zum Abspecken führt, sei in jedem Fall eine Form von Darben, von Sich-Zusammen-Reißen, von kontrolliertem Essen, das nie den tatsächlichen Appetit befriedigt. Vielleicht im schlimmsten Fall mal für ein paar Tage lebbar, aber gewiß nicht als Alltag! Für eine abstrakte Gesundheit und ein sowieso unerreichbares (ebenso ungesundes, bzw. verrücktes!) Hungerharken-Schönheitsideal ein viel zu hoher Preis.

Tatsache ist, ich hab noch selten so viel geschlemmt wie derzeit! Der trübe November macht echt Appetit, ich halte mich (mal versuchsweise) an keinerlei Mengen- und Zeit-Vorgaben, sondern esse, wann und wieviel ich Lust habe. Dabei erlebe ich wirklich jede Menge „Du sollst nicht-…“, die sich protestierend zu Wort melden, wenn ich etwa den dritten Teller Suppe verdrücke – ODER wenn ich schon eine Stunde später einen Obstsalat zubereite. Mein Askese-Über-Ich schlägt die Hände über dem Kopf zusammen – und ich nehme ab! Fühl mich dabei ganz wunderbar, denn schon zwei Kilo weniger ergeben ein Gefühl zunehmender Leichtigkeit. Mittlerweile hat auch dieses gesteigert Eßbedürfnis wieder deutlich nachgelassen.

Arbeiten und Sitzen

Immer noch bzw. schon wieder arbeite ich ungeheuer viel. Komme praktisch nicht mehr zu privaten Dingen, keine Mailinglisten mehr, kein Herumsurfen, lange schon kein Diary-Eintrag. Ein paar liebe Leute müßten Mail von mir bekommen, andere will ich eigentlich anrufen, die Gründung meiner Coaching-Gruppe zum hoffentlich nützlichen regelmäßigen Austausch (Freiberuflerinnen) schleppt sich auch so dahin und wartet auf meinen Einsatz – Himmel, es kann sich eigentlich nur noch um Stunden, wenige Tage handeln, bis sich der Dschungel lichtet!

Das sag ich mir und anderen schon ein paar Wochen lang, aber bisher hat es sich dann immer anders dargestellt. Nun ja, ich will ja umziehen, ich werde Geld brauchen, zudem sind meine Kunden allesamt wirklich angenehme Menschen, mit denen ich gern Kontakt habe – und trotzdem ist es manchmal heftig für mich. Im Grunde bin ich eine weniger „ausgelastete“ Gangart gewöhnt – vielleicht aber auch einfach mal urlaubsreif?

Manchmal macht der Körper nicht mehr mit. Das viele Sitzen auf dem tollen Grahl-Duo-Back-Bürostuhl, den ich mir für teueres Geld vor ein paar Jahren als letzte und beste Lösung zugelegt hatte, macht mich krank! Ich sitze offensichtlich so bequem, dass ich (erstmal) alles Physische vergesse – nur meine Wirbelsäule vergißt nicht. Über den Tag staucht ständiges Sitzen sie zusammen, was zunehmend unerträgliche Folgen zeitigt. Und ich MERKE es dann doch, es ist ja nicht so, dass es mir schlecht ginge und ich müßte mich fragen: Woher kommt das jetzt wohl? Nein, ich merke oft und oft über den Tag, dass es nun eigentlich reicht – und doch gibt es nun mal Zeiten, wo ich dieser Einsicht nicht folge. Bis es schlicht nicht mehr geht und es mich vom Stuhl weg treibt! Gestern hab ich den tollen Stuhl mal beiseite gestellt und einen schlichten Holzstuhl benutzt, es war eine Erholung. Da kann man nämlich gar nicht erst solange drauf sitzen.

Tja, die einfachen Dinge, die Basics, sind die interessanten Spielfelder, auf denen sich immer wieder etwas ändert, sich immer wieder Herausforderungen und Leiden zeigen, aber auch erstaunliche neue Erfahrungen machen lassen. Wohnen, essen, sitzen. Handeln, fühlen, das ganz Konkrete erleben – so komme ich zum Mittelpunkt der Welt.

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Claudia am 09. Oktober 2002 — Kommentare deaktiviert für Vom Klick, mit dem die Schmerzen kommen

Vom Klick, mit dem die Schmerzen kommen

Dass man vom Tippen und Maus-bewegen eine art „PC-arm“ bekommen kann, wußte ich nicht, spürte es aber schon Monate lang, ohne doch deshalb meine arbeit „am Gerät“ herunter zu fahren. Bin also selber schuld, wenn die Sache jetzt eine Dimension errreicht hat, wo man sie mit Recht Berufskrankheit nennen kann. Oberarm und rechte Schulter tun zeitweise verdammt weh, das Fitnesscenter hab ich idiotischerweise fast ganz gestrichen. Mein arbeitsschub hält immer noch an, so dass ich tatsächlich wie die Maus im Laufrad meine aufgaben abarbeite, nicht links, nicht rechts guckend, und sogar dieses „RSI-Syndrom“ nicht ganz so ernst nehme wie ich sollte – Himmel, ob das mal wieder aufhört???

Interessant, aber auch typisch in dem Zusammenhang, sind meine Recherchen im Web verlaufen: unter „RSI-Syndrom, Tennis-arm, Golferarm“ findet sich der „PC-arm“ schon recht häufig. Was an Behandlungen empfohlen wird, reicht wie üblich von Spritzen über Tabletten bis zur Operation, davor liegt die gewöhnliche Odysse von arzt zu arzt, jede Menge Tests und teure Diagnoseverfahren – gut, hier und dort wird auch eine Physiotherapie empfohlen, aber auch das sind dann komplizierte teure Verfahren unter Einsatz von Spezialgerät (z.B. Reizsstromtherapie). Um all das ranken sich die Berichte von Betroffenen, die mich dann auch zu einer Seite führten, wie man sie mittlerweile – dem Web sei’s gedankt! – für viele Krankheiten vorfindet: die selbstgestrickte Info-Site eines Laien, der aus eigener Erfahrung und dank der Kommunikation mit anderen Leidenden die Sache in prägnanter Kürze auf den Punkt bringt: Berichte, Diagnose, Tests („Ist’s WIRKLICH ein Tennisarm?) und als Therapie ein paar effektive Dehnübungen mit genauen anleitungen. Nach aussagen der Surfer im Gästebuch sollen die übungen nach 3 Tagen bis drei Wochen deutliche Besserung bringen. Was man ruhig glauben kann, denn es handelt sich ja um eine organische Veränderung durch einseitige Körperhaltung und allzu punktuelle Kraftausübung.- was könnte da sinnvoller sein, als die verkürzten Muskeln wieder zu dehnen???

„Diese Tennisarm-Seiten sind nicht kommerziell. Ich bin (war) ein persönlich Betroffener der gerne seine Erfahrungen mit anderen austauscht. Es soll hier nichts verkauft werden. Sie probieren alles auf eigene Verantwortung.“

..schreibt Thomas auf seinen Seiten – und kein Mensch rechnet aus, wieviel Kosten er den Kassen erspart und gibt ihm einen Orden!

Zwar tu‘ ich einzelnen engagierten Ärzten dieser Welt jetzt unrecht, aber sei’s drum, ich sag’s trotzdem mal in dieser Allgemeinheit: das meiste, was man erlebt, wenn man mit einer x-beliebigen Beschwerde zu einem ganz normalen Arzt geht, ist teuer, meistens überflüssig, selten hilfreich, aber gelegentlich gefährlich. Mit Grausen denk ich dran, wie es mal sein wird, wenn ich mal WIRKLICH krank bin und tatsächlich Hilfe brauche – na, auch dann wird es Infos im Web geben, also keine Panik!

Was mich regelmäßig entrüstet, ist der Geist des Absahnens, der sich wie Mehltau über das Gesundheitswesen gelegt hat und der sich hinter angeblich dem Patienten dienenden Regelungen versteckt: zuvorderst die Tatsache, dass auf Kassenkosten jeder auf eigene Faust von Arzt zu Arzt rennen kann, sich dort zig verschiedene Dinge verschreiben lassen, gern auch doppelt und dreifach, und sei es für den Müll oder zur Weitergabe an Dritte. Alte Menschen nehmen, als wäre es das Selbstverständlichste der Welt, bis zu zehn, fünfzahn verschiedene Tabletten pro Tag ein: die Altlast der Arztbesuche aus den letzten Jahren. Arztbesuche, die sie oft nur deshalb unternehmen, weil es für sie sonst keine Möglichkeit gibt, im Mittelpunkt der Aufmerksamkeit eines anderen Menschen zu stehen (einfach reden würde vermutlich oft schon reichen). Welche Nebenwirkungen all diese Medikamente in der Kombination so haben mögen, scheint niemanden zu interessieren, im Gegenteil, das sind ja neue therapierbare „Krankheiten“: Zur Not gibt’s eben noch die 15. Tablette dazu, gegen Magenleiden bzw. Übelkeit.

Meine wenigen eigenen Arztbesuche der letzten zwanzig Jahre waren samt und sonders überflüssig, nutzlos und ohne jede Perspektive auf Heilung der Beschwerde, mit der ich gekommen wahr. überdeutlich nahm ich die Interesselosigkeit, die Eile und Unaufmerksamkeit, oft auch den Zynismus des Arztes wahr, der mich vor allem durch seinen Gerätepark schleusen wollte, schließlich muss der Krempel sich rechnen. Besonders abgestoßen hat mich, daß sie mich auch bei „handfesten“ Zipperlein niemals berührten (wie es für die Ärzte meiner Kindheit noch selbstverständlich war): ich kam z.B. wegen einer gefühlten Schwellung an der Rippe, aber keiner der deshalb aufgesuchten Ärzte hat da jemals hingefaßt, um zu prüfen, ob die Schwellung wirklich da ist oder nur Ausgeburt meiner Einbildung. Statt dessen Bluttests, Röntgen, Ultraschall – ganz egal, ob das evtl schon ein Arzt zuvor hatte machen lassen, danach fragten sie nicht mal. Ich habs dann einfach aufgegeben und lebe mit meinem „Tietze-Syndrom“ seit Jahren in Frieden, ohne dass noch jemand dran verdient.

Na, ich höre jetzt besser mit dem Lästern auf, es könnte über Seiten so weiter gehen, und vermutlich könnten mir Leser locker mehrere Foren und Gästebücher mit ähnlichen Klagen voll schreiben. Wir sind, was die Medizin angeht, in einem absurden Theater: die Versicherungsbeiträge steigen, aber wenn wir wirklich Heilung suchen, müssen wir doch dorthin gehen, wo man selber zahlt: in den alternativen Sektor, bzw. den „komplementären“ Bereich. Nicht, dass dort nicht auch viel Schatten und manche Scharlatanerie das Bild trübt und die Suche schwierig macht: man trifft jedenfalls viel mehr Menschen, die echtes Interesse am Heilen haben – und am Zusammenhang zwischen Heil-Sein und Lebensweise, womit wir die Verantwortung zurück gewinnen für Gesundheit und Krankheit, für Wohlbefinden oder Leiden.

Tja, und damit bin ich wieder beim „PC-Arm“ und bei mir selbst: ich denk‘ ja nicht dran, einen Auftrag abzulehnen, solange ich die Maus noch klicken kann. Bis jetzt jedenfalls nicht, muss ich doch die Flaute vom ersten Halbjahr ausgleichen – und Umziehen will ich demnächst auch, das kostet auch wieder Geld! (Gut, ich mach jetzt deutlich mehr Dehnübungen für den Arm und im Moment schreib ich seltener Diary. Ob das aber schon reicht, damit ich wieder „in Ordnung komme“? Oder ob die Globuli was bringen, die mir ein lieber Freund schicken will?)

Genug für jetzt, die Arbeit ruft. Zum Glück kann ich dem Ruf noch folgen!

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Claudia am 17. Juli 2002 — Kommentare deaktiviert für Kurz dahin geplaudert…

Kurz dahin geplaudert…

Einfach mal in die Tasten tippen und schauen, was dabei heraus kommt. Nicht lang überlegen, immer im Rhythmus bleiben – oh, jetzt hab‘ ich den verbotenen Gedanken gedacht und schon stockt das Ganze, noch bevor es richtig angefangen hat. Okay okay, also lieber Zeit lassen, die Leere im Hirn genießen, nicht nach Themen und Lesern fragen, nicht nach arbeit, die lautstark nach mir ruft und nicht nach dem nächsten Kaffee, für den die Milch nicht mehr reicht, sondern erst beim Bäcker gegenüber geholt werden muss.

Es ist halb neun und schreibend komme ich mir vor, als würde ich die Schule schwänzen. Ich verbrauche Energie, die für andere Dinge verplant ist, um Sätze aneinander zu reihen, einfach nur, weil es mich glücklich macht. Manchmal schreib ich nur kurz, wie jetzt, manchmal dauert so eine Session aber auch bis zu zwei Stunden; dann ist eine Pause fällig, in der ich allenfalls mechanische Dinge tun kann, ganz gewiss nichts Kreatives mehr!

So manches mal verschwindet auch schon recht früh am Tag die Bereitschaft, immerzu auf einem Stuhl zu sitzen. Der Körper mag einfach nicht mehr – und das wirkt sich auf alles aus, was ich dann noch tue, denke, schreibe und gestalte, nicht unbedingt zu dessen Vorteil.
Lieber mal aufstehen – BEVOR es richtig ätzend wird! – und eine Yoga-Übung einschieben. Kaum etwas regeneriert, erfrischt, belebt, beruhigt und klärt die Gedanken in kürzerer Zeit.

Zum Beispiel mach‘ ich gerne die Vorbeuge: Rücken gerade, aus der Hüfte heraus langsam „abknicken“, den Oberkörper nach unten hängen lassen, die Haare berühren den Boden, ein ulkiges Gefühl. Durch die Beine hindurch sehe ich die Welt um 180 Grad gedreht, ich schaukle mit dem Kopf, um sicher zu sein, dass er ganz locker nach unten baumelt – wie angenehm!

Zumindest sieben Atemzüge sollte man in einer solchen „Asana“ ausharren, so lange dauert es nämlich, bis alle Ebenen meines Wesens die Veränderung bis in ihre Einzelheiten mitbekommen und mitgefühlt haben. Bei Übungen wie dieser bleibe ich auch gerne länger in der Stellung, genieße sie richtig, ja, ich genieße alle Übungen, die nicht auf aktiver Muskelanspannung (Kraft-ausübung) beruhen – vermutlich einer der Gründe, warum ich „zusätzlich“ ins Fitness-Center gehe. Dort begegnet mir das Thema Kraft nämlich als „Problem mit einem Gerät“ – und DaS ist schließlich eine heute ganz übliche und ausgesprochen gewohnte Form, der Welt ins kalte auge zu schauen.

Tja, und wenn ich das mal so aus der Distanz betrachte, stelle ich fest, dass ich auch im Center die Gerätschaften tendenziell eher meide, die Zeiten werden kürzer, die Wiederholungen weniger, eigentlich macht mir das Ganze schon keinen Spaß mehr. Dafür sind Fitness und ausdauer im Cardio-Training (Walken, Rudern, Steppen) gewaltig gewachsen. Im letzten September schaffte ich gerade mal zehn Minuten, heute laufe, rudere und steppe ich locker eine dreiviertel Stunde, fühl‘ mich dabei blendend und genieße das Schwitzen. Dazu 20 Minuten nicht mehr so richtig ernst gemeintes Krafttraining, und dann, ja dann geht’s in mein persönliches Paradies, die SaUNa. (Ohne die Sauna wär‘ ich nämlich gar nicht erst Mitglied geworden!)

Wenn ich dann hinterher auf der Bäderliege entspanne, empfinde ich jedes Mal große Dankbarkeit für das mir ohne Zutun geschenkte Dasein in der entwickelten Industriegesellschaft, die dieses privilegierte Schwelgen im reinen Wohlgefühl ermöglicht: in Frieden und Freiheit, mit frischer Luft und sauberem Wasser, zu einem für die große Mehrheit erschwinglichem Preis. Wer hat das schon, mal weltweit umher geschaut? Schade nur, dass es für selbstverständlich genommen wird und kaum noch jemanden glücklich macht. Die meisten laufen hierzulande mit einer Miene herum, als hätten sie in den Wüsten des Sudan Hunger und Krieg zu erleiden oder neben den lecken Pipelines im ölverseuchten Nigeria dem Shell-Konzern ein paar Dollar abzubetteln. Aber was rede ich, vermutlich sehen die Leute dort vergleichsweise gut aus, sind weder übergewichtig noch neurotisch und lachen sich ganz oft an!

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Claudia am 11. Juli 2002 — Kommentare deaktiviert für Donner, Blitz und wahrer Wille – von der höheren Macht

Donner, Blitz und wahrer Wille – von der höheren Macht

Heute morgen, während der letzten zehn Minuten im Bett, hatte das Schreiben schon angefangen: Satz um Satz floss durch mich hindurch und wollte hinaus. „Merk dir das für nachher“ redete der innere Lektor auf mich ein, obwohl es wahrlich nichts Besonderes war, was da nach Veröffentlichung drängte. Ich sehnte mich einfach nach dem weißen Raum, nach der Tastatur, nach der Stille, die eintritt, wenn der Strom der Gedanken endlich im Fokus der Aufmerksamkeit steht wie ein geladener und freudig erwarteter Gast. An Schlaf war nicht mehr zu denken.

„Sieben Tote in Brandenburg“, sagte mein Lebensgefährte, als ich mir den ersten Kaffee aus der Küche holte. 1000 Bäume sind heute Nacht umgestürzt, einige davon auf Autos, Zelte und Menschen! Es scheint, als verstärkten sich in letzter Zeit die Unwetter, die Schäden werden größer, die Verletzten und Toten immer zahlreicher. Ist das die Klimaveränderung? Ich glaube, dass es sich hier zumindest auch um Kollateralschäden des Info-Zeitalters handelt: von klein auf gewohnt, Medien weit wichtiger zu nehmen als das meiste „Realgeschehen“, ist jeglicher Respekt vor den Naturgewalten abhanden gekommen. Wer hat denn noch Angst vor Blitz und Donner? Wer fragt sich, ob er „Schutz bei Buchen suchen“ oder lieber „unter Eichen weichen“ soll? Vielleicht fallen mir gleich noch ein paar Sinnsprüche meiner Kindheit ein, deren Richtigkeit zwar angezweifelt wurde, nicht aber deren Berechtigung!

Die Freaks und Trinker auf dem Boxhagener Platz bleiben einfach sitzen, wenn der Himmel sich verdunkelt und der Sturm die Blätter treibt als sei es schon Herbst, wenn die Äste der Kastanienbäume hin und her peitschen, wie man es ihnen gar nicht zutrauen würde und die Abstände zwischen Blitz und Donner immer kürzer werden. „Du musst die Sekunden zählen“, sagte mein Vater mit gesenkter Stimme, wenn ein starker Blitz das Zimmer erhellte und die ganze Welt in einer Schrecksekunde gefangen war: „Einundzwanzig, zweiundzwanzig, dreiundzwanzig, weiterzählen bis es donnert! Dann weißt du, wie viele Kilometer das Gewitter noch weg ist.“ Und ich zählte, ja, ich zähle heute noch und überlege mir viel zu lange, ob es jetzt Zeit ist, den PC herunter zu fahren und den Stecker zu ziehen. Oder ob das nicht doch ein bisschen übertrieben ist? Wer denkt denn ernsthaft daran, der Blitz könnte „ins Gerät fahren“???

Bisher hatte ich Glück in meinem Leichtsinn. Nicht so ein guter Freund, der bei einem Gewitter den für computergestützte Menschen größten anzunehmenden Unfall erleben musste: es hat ihm beide Festplatten gleichzeitig zerschossen. Ich muss ihn doch mal anrufen und fragen, ob er mittlerweile immer den Stecker zieht.

Endlich Nichtraucherin?

Gut sechs Wochen sind es nun schon, die ich rauchfrei zubringe und zum ersten Mal seit 32 Jahren fühle ich mich als Nichtraucherin. Während der vorhergehenden Aufhörversuche – drei Wochen im letzten Jahr oder damals 1998, als ich monatelang ein Nichtraucher-Tagebuch schrieb – war es anders. Ich blieb geistig im Raum des Rauchens, wenn auch in einer negativen, ablehnenden Weise. Man ist kein Nichtraucher, solange man ans Nicht-Rauchen denkt, solange man sich innerlich ständig bestärken und mit Rauchern vergleichen muss, um weiterhin der Meinung zu bleiben, „ohne“ sei das Leben besser als mit der Kippe.

Heute komme ich tagelang ohne Gedanken ans Rauchen oder Nichtrauchen aus – glücklicherweise hat auch mein liebster Freund die Kippen aus der Wohnung und unserem gemeinsamen Leben verbannt, so dass der Übergang in ein rauchloses Dasein vergleichsweise leicht geglückt ist. In den ersten zwei Wochen erlebte ich noch häufige „Verlangensattacken“, doch dann sind sie fast ganz aus meinem Leben verschwunden und melden sich nur noch sehr selten. Ein guter Gedanke in einer solchen Situation ist: „Ob ich jetzt rauche oder nicht rauche: das Verlangen wird in kürzester Zeit vorbei sein“. aber wie gesagt, es kommt kaum noch vor, ich kann das alles für lange Phasen vergessen, wie wunderbar!

Neben allen Veränderungen auf der körperlichen und psychischen Ebene nehme ich dieses Mal deutlicher denn je wahr, dass eine geistige Vernebelung von mir gewichen ist, die mein ganzes Leben umfasste. Mit den Giften aus der Zigarette konnte ich bestimmte aspekte meines Daseins verstärken und andere unterdrücken, ganz ohne dass mir das im Einzelnen bewusst gewesen wäre, bzw. dass ich da etwas GEWÄHLT hätte. Meine Bereitschaft, Dinge hinzunehmen oder mich ihnen zu wiedersetzen, mein Vermögen, aktiv das Leben zu gestalten oder es nur passiv zu beobachten, mein Vertrauen in das eigene Empfinden und ins Selber-Denken (!) – all dies war durch das Rauchen zumindest schwer verzerrt, teils sehr stark beeinträchtigt.

Weil viele immer nur die psychophysischen aspekte des Rauchens erwähnen, will ich das an einem Beispiel erläutern: Wir sind es ja alle gewohnt, immerzu die Welt zu kritisieren, Missstände zu benennen, uns über alles und jedes aufzuregen und Verbesserungen zu fordern: ob es die Politik, das Wirtschaftsleben, die ganz persönliche arbeitswelt oder unsere Beziehungen betrifft: so vieles ist nicht so, wie wir es gerne hätten! aber was soll eigentlich das ganze Kritisieren und Herummäkeln, wenn wir uns – ungerührt vom eigenen Verbesserungs-Geplapper – Tag für Tag das Leben wissentlich selbst verkürzen, die eigene Gesundheit sehenden auges zerstören, Woche für Woche, Jahr für Jahr? Und dafür, als Gipfel des Irrsinns, auch noch ein kleines Vermögen ausgeben?

Warum denn die Natur schützen, wenn ich meine Lungen zur braun verklebten Müllhalde umfunktioniere? Warum die Hühner aus den Käfigen befreien, wenn ich doch jeder Zelle des eigenen Körpers ein „inneres Gerüst“ aus Nikotin verpasse, damit ich weniger spüre?

Es geht hier nicht um Fragen der Glaubwürdigkeit in Bezug auf eine „außenwelt“, nicht um andere Menschen, die so denken und mich nicht ernst nehmen könnten. Diese Gefahr ist tatsächlich gering, denn das Rauchen gilt als derart normal, dass eher diejenigen unter Verdacht geraten, die diese Gedanken offen aussprechen. Mir geht es jetzt einzig und alleine um mich: was ich selber von mir halte, wie ernst ich mich selbst nehmen kann, inwiefern ich meiner eigenen Wahrnehmung (von mir selbst UND der Welt da draußen) vertrauen und mein Denken und Handeln daran ausrichten kann.

Wow, und das hat jetzt eine ganz andere Qualität! Seit es gelungen ist, das, was nervt und stinkt und schmerzt und kostet, endlich los zu lassen, hat alles andere in meinem Leben auf neue Weise Hand und Fuß. Das ist KEINE Sache des Denkens, des oberflächlichen Sich-selbst-bewertens: Ich habe mich ja wegen des Rauchens nicht etwa verurteilt oder auch nur ernsthaft kritisiert, sondern im Gegenteil stets getröstet, gerechtfertigt und verteidigt: auch Nichtraucher müssen sterben! Wer macht schon alles richtig im Leben? Bin ich denn eine Heilige?

aber unterhalb dieses Mich-Beschwichtigens, weit unterhalb des „vernünftigen Denkens“ und all der Unvernünftigkeit, zu der es fähig ist, lebt etwas, das sich nicht bestechen und belügen lässt. Dort ist der Ursprung der angst, das Leben selbst, das nun mal Überleben will und alles Todbringende ablehnt und fürchtet. Man kann nicht mit ihm diskutieren, man kann nur seine Wahrnehmung ablehnen, die eigenen Kanäle verstopfen, sich betäuben und benebeln.

Das klappt. Sogar sehr gut. Allerdings verliert man dabei nicht „nur“ die Wahrnehmung der angst und des eigenen Leidens, sondern gleich alle „Tiefenwahrnehmung“, die uns Menschen eigentlich natürlich ist. Das Gespür für den anderen, für die Situation, für den richtigen Zeitpunkt: die 360-Grad-Wahrnehmung des augenblicks im Hier & Jetzt, quer durch alle Ebenen des Daseins. Im Yoga spricht man von den Siddhis, den „Fähigkeiten“, auch diese sind hier mit gemeint. Sie werden idiotischerweise auf dem Eso-Buchmarkt als „‚was ganz Besonderes“ vermarktet und sind doch nur verfeinerte Wahrnehmungsweisen, die allen Menschen zugänglich sind, mal mehr, mal weniger, je nach Offenheit, Veranlagung und Temperament. Jeder sieht ein bisschen hell, solange er nicht mutwillig den eigenen Blick (besser: das Gespür) verdunkelt, zum Beispiel mit stofflichen Giften und Suchtmitteln.

Die Chancen wachsen!

Ich weiß, dass solche Texte den Noch-Rauchenden nicht gerade angenehm sind. Weil es nun mal nicht in der je eigenen Macht liegt, das Rauchen von jetzt auf gleich zu lassen, fühlt man sich ziemlich beschissen. Man ist adressat von Vorwürfen, ausgesprochen oder nicht, und dabei kann doch kein Nichtraucher nachvollziehen, wie man sich tatsächlich befindet. Es SCHEINT ja so, als könne man das Elend jederzeit beenden: die Kippen wegwerfen und mit einer der üblichen Methoden – von der Gehirnwäsche mit alan Carr übers Nikotinpflaster bis hin zum gefährlichen Zyban – in ein hoffentlich langes Nichtraucherleben starten. Aber der Wille ist eine begrenzte Ressource, alleine reicht er nicht aus, um „mal eben so“ zum Nichtraucher zu werden. Kaum einer schafft es beim ersten Mal, egal, ob das Loslassen nun als schwierige langwierige Unternehmung oder mit a. Carr als „ganz leicht“ betrachtet wird. Immerhin: bei jedem aufhören wird es wahrscheinlicher, dass der Raucher frei wird, das ist mittlerweile statistisch bewiesen.

Was ist Wille? Wenn ich sage, der Wille allein reicht nicht, meine ich damit nicht nur die heftige Willensanstrengung, die zusammen mit der „Punkt-Schluß-Methode“ in Verruf geraten ist, weil sie die meisten Rückfälle produziert. Auch jede geschickte art und Weise, die Dinge anders zu betrachten, sie mal genau zu beobachten, um dabei festzustellen, dass all die vermuteten Leiden, die mit dem Entzug herein brechen sollen, in Wirklichkeit halb so wild sind – all diese geistigen Methoden zähle ich zum „inneren Ikebana“, das ich erst einmal anwenden WOLLEN muss, bevor es funktionieren kann.

Und: Ich kann zwar lernen, zu wählen, was ich denken will, aber mir eben NICHT aussuchen, was ich wollen soll. Dazu reiche ich nicht aus, bzw. das, wozu ich (aus guten Gründen!) gewohnt bin, „ich“ zu sagen, reicht nicht bis in die Tiefendimension des Ganzen hinein, aus der der wahre Wille sich täglich neu gebiert. Was immer dieser Wille sein mag: es handelt sich in jedem Fall um ein ganz anderes Kaliber als dieses blasse „ich denke, ich sollte…“, das wir manchmal Wille nennen.

Kann man also etwas tun? Sicher! Ich habe immer wieder versucht, das Rauchen aufzugeben. Dafür muss ich mich immer wieder freiwillig in den „Entwöhnungsraum“ begeben: diese hässlichen Informationen über die Schäden des Rauchens lesen, mit anderen kommunizieren, neue Versuche starten, das Beste hoffen, den Willen anstrengen, den Willen ignorieren, alles genau beobachten, nicht dran denken, das Thema vergessen, die Geister beschwören, oder auch bitten, betteln, beten und befehlen – alles, alles, alles, was irgendwie nützt!

Was aber letztlich geschieht, habe ich NICHT im Griff. Einzig dieser Gedanke – ihn zu REALISIEREN, nicht nur zu denken – erlöst von aller Sucht.

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Claudia am 14. Juni 2002 — Kommentare deaktiviert für Gifte und andere Sünden

Gifte und andere Sünden

Seit ein paar Tagen kämpft der arme Osterkaktus, der gerade noch einen starken Wachstumsschub hatte, ums Überleben. Etwa ein Drittel seiner Segmente hat er bereits abgeworfen. Sie faulen von innen heraus, werden schlaff und fallen ab.
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