In jungen Jahren war ich lange Zeit eine fast militante Vertreterin des „kreativen Chaos“. Seit ich mit 19 zuhause ausgezogen war, genoss ich die „Freiheit“, alles stehen und liegen zu lassen, wie es kam. Endlich niemand mehr da, der einem rein redet, der schimpft und droht und auch mal alle Schubladen heraus zieht und auf dem Boden ausschüttet, wie es mein Vater gelegentlich tat. Ich fand das oberspießig und unverschämt, fühlte mich als Person nicht geachtet und machte mich vom Acker, sobald es gesetzlich erlaubt war – nicht bloß wegen der Ordnungsfrage, aber auch.
Es folgten viele Jahre, in denen ich zwar eine eigene Wohnung hatte, die mir aber mehr als Stützpunkt und Absteige diente denn als wohnlicher Aufenthaltsort: Immer unterwegs, meine Wohnzimmer waren WGs und Kneipen, später dann auch die Arbeitsräume der Initiativen und Vereine, in denen ich Politik machte. So richtig zum „wohnen“ kam ich erst, als diese wilden Jahre vorbei waren und ich mit einem Mann zusammen zog, der es sehr übersichtlich mochte: wenig Gegenstände, klare Ordnung, alles im Blick. Da mir die ruhige Atmosphäre in seiner Wohnung sehr gefiel, passte ich mich an, so gut ich konnte. Während der Zeit in besetzten Häusern war ich so oft umgezogen, dass sich mein Besitzstand auf das reduziert hatte, was ich alleine an einem Nachmittag von Wohnung A nach Wohnung B tragen konnte, ohne jemanden um Hilfe zu bitten. Das war schon mal eine gute Ausgangsposition und ich wurde schnell zum Fan klarer Formen und zur Feindin chaotischer Gerümpelecken.
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