Thema: Leben & Arbeiten

Claudia am 18. Juli 2006 — 22 Kommentare

Kraft zur Veränderung ?

Jeden Morgen öffne ich die Espressokanne, indem ich die obere Hälfte aus dem Gewinde drehe. Der Alu-Einsatz mit dem feuchten Kaffeesatz von gestern wird über dem Mülleimer ausgeklopft, dann ausgespült. Nun kommt Wasser in die untere Hälfte, dann mahle ich den Kaffe, fülle den Einsatz mit dem duftenden Pulver, streiche die Oberfläche glatt und schließe die Kanne wieder. Die Milch kommt in einen extra Topf, dann entzünde ich die Gasflammen. Gute fünf Minuten werden verstreichen, bis der Kaffe durch den entstehenden Dampfdruck in die obere Hälfte der Kanne gepresst wird und mittels eines röchelnden Geräusches signalisiert, dass er fertig ist. Wenn ich in dieser Zeit an den PC gehe und mich in die ersten Mails des Tages vertiefe, kann es gut sein, dass ich es überhöre, bzw. vergesse. Dann erinnert mich irgendwann der Kaffeeduft, ich springe auf und rette, was zu retten ist – die Milch ist schon mal übergekocht, hat sich aber auch wieder „beruhigt“. Nun gieße ich den Espresso aus der Kanne in den Milchtopf und dann in eine Tasse – der Tag kann starten! Weiter → (Kraft zur Veränderung ?)

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Claudia am 12. Juni 2006 — 6 Kommentare

Schreiben und Verstummen: Selbstmanagement

„Oh entschuldige, ich versacke zur Zeit wieder mal in den 10.000 Dingen“, schreibe ich an eine Freundin, deren Mail ich lange lange liegen ließ. Seit dem letzten Diary-Artikel ist auch wieder unziemlich viel Zeit verstrichen, das „Lustgespinst-Blog“ hat noch immer kein Design und wartet im Verborgenen auf Befassung. Das „Modersohn-Magazin -ein Blog aus der Hauptstadt“, besteht bisher aus Bildern und Ideen, die leider das Licht des Netzes noch nicht erblickt haben und wenn ich z.B. ans Webwriting-Magazin denke, das seit Jahren als Webleiche dahin dümpelt, wird mir ganz schlecht! Das hat es bisher nämlich nicht mal auf die ToDo-Liste geschafft und fällt mir jetzt nur ein, weil ich mal wieder über Webdesign schreiben will, für Diary-Leser eher ein ödes Thema. Dafür aber müsste ich es erst „runderneuern“, und dazu komm‘ ich einfach nicht, wie ich auch zu vielem anderen nicht komme, was ich als „Vorhaben“ vor mir her schiebe. Weiter → (Schreiben und Verstummen: Selbstmanagement)

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Claudia am 19. September 2005 — Kommentare deaktiviert für Die Wüste belebt sich

Die Wüste belebt sich

Erste Schritte aus dem Tief

Seit meinen „Meldungen aus dem persönlichen Finanztief“ sind vier ereignisreiche Wochen vergangen. Die Republik hat gewählt, doch nichts ist entschieden. Der Hurrikan Katrina verwüstete New Orleans und zeigte, was ein „schwacher Staat“ bedeutet. Rot-Grün ist Geschichte, Fischer wird Hinterbänkler, Schröder gibt den Wiederauferstandenen und führt vor, wie man Realitäten umdefinieren kann, bis sie passen. Was der Fall ist, ist das, was eine Mehrheit glaubt und wünscht, Macht wird errungen, indem man sie behauptet – ich bin gespannt, wohin die Magie der Behauptungen führen, welche Wirklichkeit sie erschaffen wird.

Meine ganz persönliche Wirklichkeit ist im Moment noch unübersichtlich. Als ich den letzten Diary-Beitrag schrieb, schien es möglich, dass ich mich bald ins Heer der Hartz4er einreihen muss. Diese „mögliche Zukunft“ hat sich zum Glück nicht verwirklicht, ist aber auch noch nicht ganz weg vom Fenster. Ich arbeite dran, sie zu verhindern und freu‘ mich über jede Unterstützung!

Zu „schwächeln“, wie man das gern so herablassend nennt, wenn jemand sagt, dass er Schwierigkeiten hat und sich gar um die nächste Miete sorgen muss, bringt auf jeden Fall innere Entspannung: Ohne um die „Außenwirkung“ besorgt zu sein, kann man die Situation besser überblicken, kann die Probleme, ihre Ursachen, aber auch die Chancen und Möglichkeiten unverstellt erkennen. Auf die eigene Lage schauen, als ginge es um jemand Anderen, führt zu einer subtilen „Freude am spannenden Problem“. Lust auf Veränderungen stellt sich ein und ich werde offener für Experimente.

With a little help from my friends…

Wenn das Ende des Dispo ganz nah ist, die geschäftlichen Horizonte sich verdüstern und der Glaube an die Kraft, sich selber an den Haaren aus der Sch… ziehen zu können, plötzlich erlahmt, dann braucht es mehr als ermunternde Worte, um diese Situation zu verändern. Dieses „Mehr“ ist mir geschenkt worden, als ich wirklich nichts Positives mehr erwartete, nicht von „da draußen“ und nicht von mir selbst. Ich konnte es kaum glauben, als ich den Brief eines lieben Freundes öffnete, der nichts enthielt als ein paar Geldscheine und die Worte „fürs Frühstück – Liebe Grüße!“. Und das von einem Menschen, von dem ich weiß, dass er selber auch so seine Finanztiefs auszuhalten hat! Ich war entzückt und unsäglich erleichtert, denn aktuell war mir einfach NICHTS mehr eingefallen, was ich hätte tun können, um die drastisch zugespitzte Lage „auf die Schnelle“ zu verbessern. Jetzt fiel ein Sonnenstrahl in diese Düsternis, die unerwartete Finanzspritze verschaffte mir ein bisschen Luft: ich spürte wieder „Lust auf das Problem“ und die Kraft, mich ihm auf neue Weise zuzuwenden.

Auch andere, näher und ferner stehende Menschen halfen mir mit Rat und Tat, empfahlen mich Bekannten als Webdesignerin, ein „Auftraggeber in spe“ zahlte Raten an, und ich bekam interessante Vorschläge, wie ich meine Fähigkeiten und Talente vielleicht ein wenig ertragreicher unters Volk bringen könnte. Ein lieber Leser, der mich zufällig genau am „Tag vor dem Gerichtsvollzieher“ in Berlin besucht hatte, machte sich gar die Arbeit, eine Art Coaching-Prozess mit mir durchzuziehen: ich veranstaltete eine Inventur all meiner Kosten, Außenstände, Schulden und Einkommenserwartungen bis zum Jahresende, listete sämtliche Aktionsfelder auf und prüfte sie mittels verschiedener Fragen: Warum tue ich das? Ist es eine rein kommerzielle Aktivität oder geht es um andere Ziele? WAS soll dabei im besten Fall heraus springen? Wie wäre es zu verbessern? Was kann ich NOCH tun?

Und jetzt bin ich schon ein paar Tage am „Umsetzen“, erfinde meine berufliche Seite ein Stück weit neu und werde auch weiter darüber schreiben: Sagen, was ich brauche, suche, anbiete und WAS GENAU ich gerne arbeiten würde, findet hier in Zukunft genauso Platz wie meine mehr oder weniger erbaulichen „Betrachtungen über Gott und die Welt“.

Konkrete Vorhaben, neue Experimente

Eine wesentliche Neuerung wird der Minijob sein, den ich ab Oktober übernehme: zweimal die Woche pflege ich dann die Website eines Printmagazins (Connection Spirit – das Magazin fürs Wesentliche) – das bringt zwar nicht viel, aber endlich mal ein bisschen verlässliches, monatliches Einkommen! Und es motiviert, nach weiteren regelmäßigen Quellen zu suchen, wenn ein „Grundstein“ schon mal gelegt ist. Am besten gefiele mir eine weitere Site-Pflege oder eine Community-Betreuung. Schließlich bin ich ein bewährtes Kommunikationsmonster und kann auf unterhaltsame Art Foren und Mailinglisten aus dem Tiefschlaf erwecken. Warum nicht mal gegen Honorar?

Nächste Idee: Verkaufe alles, was du hast! Nun ja, ich besitze nichts über das hinaus, was ich zum Leben und Arbeiten brauche, aber um die immer noch bestehende Finanzlücke zu schließen, werde ich mich entschlossen von dem trennen, was ich nicht wirklich, sondern nur „vielleicht mal“ brauchen kann. Das ist vor allem mein immer noch ungenutzter Samsung-Notebook – leicht und flach, technisch up to date – vielleicht genau das, was du gerade suchst? (lies mehr..)

Schreiben und schreiben lassen: Mit zu dem, was ich am Liebsten tue, gehört das freie Schreiben über Dinge, die mich bewegen. 1996 und 1997 schrieb ich für Zeitungen und Magazine. Es war eine Zeit, in der ich mein jeweiliges Thema selber wählen konnte, Hauptsache, es hing irgendwie mit dem Internet zusammen, das gerade mit Macht ins Bewusstsein der Öffentlichkeit drang. Das änderte sich jedoch schon bald, reduzierte sich auf Themen wie Shoppen, Arbeiten, Erotik im Internet, immer weniger Kultur war gewünscht, dafür Technik, Technik, Technik. Nach einem Artikel über „HomeSite 3.0, den neuen Code-Editor“ sah ich ein, dass das nicht mein Weg war und hängte das Schreiben gegen Zeilenhonorar an den Nagel. Im Rahmen verschiedener selbst erschaffener Projekte (Missing Link, Glück, Webwriting-Magazin, u.a.) erkundete ich dann die Möglichkeiten eigener Veröffentlichungen im Web und seit 1998/99 ist das Digital Diary die Form, mit der ich rundum glücklich bin.

Glücklich schon – aber leider finde ich heute viel zu selten die rechte Muße, um morgens, in der Zeit des noch unverschmutzten Geistes, auf ein leeres Winword-Dokument zu schauen und meditativ in mich hinein zu lauschen, was „sich schreiben will“. Ich werde es weiter mit Freude tun, wann immer es mir möglich ist, doch ab sofort gibt es ZUSÄTZLICH für die Freunde des Digital Diary einen Weg, die Abstände zwischen den einzelnen Beiträgen zu verringern und sogar Themen selbst zu wählen. Es ist ein Experiment und ich bin gespannt, was dabei heraus kommt! (lies mehr..)

Weiterbildung – technische Neuerungen: Im Zuge des Minijobs muss ich mich in ein umfangreiches CMS (Content-Management-System) einarbeiten, wovon in Zukunft auch andere Kunden profitieren werden. Außerdem plane ich, das gesamte Diary seit 1999 in ein Blog-Script oder MiniCMS zu überführen – es sollte optisch so bleiben können, also auch mit DIESER Art Menü anstatt der üblichen Monatskalender. Über Vorschläge freue ich mich – und danke gleich auch mal denen, die mich da bereits mit Tipps und eigenen Erfahrungen beraten haben!

Die Schreibimpulse-Kurse werde ich weiter veranstalten. So etwa vier Kurse pro Jahr wären gerade die richtige Dosis! (Im Lustgespinst * sind soeben die ersten Texte aus dem letzten Erotik-Kurs erschienen. Weitere folgen in Kürze!) Ich bin sehr froh, dass der Kurs „Gegen den Strom – über Lust und Last des Alterns in Zeiten des Jugendwahns“ * nach zweimaliger Verschiebung nun doch zustande kommt. Es sind noch ein paar Plätze frei: vielleicht bekommt ja noch jemand Lust, das spannende Thema im „geschützten Raum“ einer überschaubaren Runde schreibend zu erkunden? Wer sich bis zum 30. September noch entschließt und auf diesen Artikel beruft, bekommt den Frühbucherpreis – umdefiniert zum „Last-Minute-Rabatt“. :-)

Ich hab‘ im Moment viele Ideen, wie ich „mein Business optimieren“ könnte, doch will ich nicht mit Unausgegorenem zur Ankündigungsministerin werden. Eine Idee, ein Konzept, ein neues Projekt ist schnell erdacht und auf ein paar Seiten verschriftlicht. Schwierig wird es erst, wenn die Mühen der Ebene beginnen – nur Beharrlichkeit bringt Gelingen und genau DA liegt des öfteren mein Problem!
Für heute belasse ich es deshalb bei den kleinen Schritten, die dieser Beitrag berichtet – alles weitere folgt, sobald die Dinge über das Ideen-Stadium hinaus gewachsen sind.

Und jetzt bin ich gespannt, wie lange es dauern wird, bis die künftige Regierung dieses Landes mehr ist als eine Reihe verrückter Ideen!

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Claudia am 22. August 2005 — Kommentare deaktiviert für Durch die Wüste zu den Sternen?

Durch die Wüste zu den Sternen?

Meldungen aus dem persönlichen Finanztief

Als ich kürzlich in einem Forum erwähnte, dass mein Konto derzeit zwischen plus und minus 500 schwankt, hat mir ein eifriger Moderator den Satz wegzensiert: „Hey, denk noch mal drüber nach, ob du das wirklich schreiben willst!“ Diese ungebetene Sorge um meine finanzielle Privatsphäre hat mich seltsam berührt, handelte es sich doch um ein erotisches Forum, dessen Teilnehmer ein weitgehend „tabuloses“ Selbstverständnis in Bezug auf die verhandelten Themen pflegen. Wie man sich fühlt, wenn man komplett in Aldi-Klarsichtfolie verpackt ist, darf berichtet werden, aber beim Geld ist Schluss mit lustig!

Die Sorge um den eigenen Arbeitsplatz ist bei „abhängig Beschäftigten“ aus bekannten Gründen zur allgemein üblichen Geste geworden, doch von Selbständigen wird nach wie vor erwartet, dass sie eine Aura des Erfolgs um ihre berufliche Sphäre erzeugen. Wer hat, dem wird gegeben, deshalb tun wir lieber so, als hätten wir genug, zumindest aber keine echten Probleme! Allenfalls die allernächsten Freunde erfahren, wie es wirklich steht – und manche trauen sich nicht einmal das, fressen ihre Sorgen in sich hinein, pflegen eiserne Selbstdisziplin und verdoppeln ihre Anstrengungen, um „irgendwie“ die Fassade des Funktionierens aufrecht zu erhalten: Bloß nicht schwächeln! Bis sie vielleicht eines Tages durch Krankheit oder Unfall gewaltsam aus der Bahn geworfen werden, deren freiwilliges Verlassen gänzlich undenkbar schien. Das zumindest wird mir nicht passieren!

Hartz 4?

Als ich vor ein paar Tagen darüber nachdachte, ob ich demnächst „Hartz4“ beantragen soll, um meine übernächste Miete zu sichern, war ich an einem Tiefpunkt angelangt: Ein langjähriger Kunde ist quasi insolvent und zahlt ausstehende Honorare nicht, mit denen ich fest gerechnet hatte. Den Schreibimpulse-Kurs zum Thema „Altern“ musste ich verschieben, da mir Teilnehmer abgesprungen waren – und mehr braucht es gar nicht, um mich in echte existenzielle Nöte zu versetzen, denn über Rücklagen verfüge ich nicht. Als sich dann noch der Gerichtsvollzieher wegen einer uralten Inkasso-Sache aus wilden Jugendjahren ankündigte, erschien mir der Punkt erreicht, meine Selbständigkeit an den Nagel zu hängen und mich ins Meer der Arbeitslosen einzureihen. Zumindest hätte ich dann wieder mehr Zeit und Muße zum Schreiben: wer vermittelt schon eine 50plus, die fast ein Jahrzehnt selbstständig war und alles Andere als einen marktkompatiblen Lebenslauf vorzuweisen hat!

Die Schachspielerin, die ich früher einmal war, meldete sich im Hinterkopf zu Wort: WAS DROHT? Die schlimmste aller denkbaren Möglichkeiten ins Auge fassen und schauen, ob ich damit leben kann – so hatte ich Schach gespielt, so begegne ich noch immer Schwierigkeiten, wenn sie sich zeigen. Nun defilierten also die zu erwartenden Härten vor meinem inneren Auge vorbei: Statusverluste? Kein Problem, an so etwas hatte ich nie gehangen. Armut? Ich lebe sowieso sehr bescheiden, was soll’s! Umzug in eine kleinere Wohnung? HALT! Das will ich nicht! Meine zwei großen Altbauzimmer mit viel Licht und genug Raum über dem Kopf, mit Ausblick auf mehr als nur eine Hauswand gegenüber – daran hänge ich! Da ich zuhause lebe und arbeite, brauche ich eine Umgebung, die mich nicht mit Enge und Dunkelheit bedrückt. In irgend ein Hartz4-verträgliches Loch will ich nicht ziehen – was für ein übertriebener Aufwand auch, wenn man bedenkt, dass schon bald alles wieder viel besser aussehen könnte!

Einige Zeit kreiste ich in deprimierenden Zukunftsvorstellungen, kritisierte mich selbst für das „Anhaften“ am Luxus (Wohnung!), das eine leidvolle Beschränkung meiner Flexibilität bedeutet. Wer an nichts hängt, braucht keinerlei Verluste fürchten – ich sehnte mich nach der Freiheit der Asketen und Stoiker und imaginierte mir Zilles zugige Dachkammer als künftiges Rufugium: ob ich mich daran gewöhnen könnte?

Mein innerer Problemlösungsautomat schlug mir vor, mir im Fall des Falles lieber eine Bürogemeinschaft zu suchen, wo ich z.B. gegen Web- oder auch Putzdienstleistungen in Höhe der Miete meinen gewohnten Tag am „Cockpit der Macht“ verbringen könnte – und an dieser Stelle erkannte ich endlich, dass ich auf dem falschen Dampfer war! Egal, wie materiell beschränkt und schwierig meine Zukunft werden würde, ich sah mich darin nie und nimmer als das, worauf ich mich gerade behördentechnisch versuchsweise einlassen wollte: als ARBEITSLOS.

Die Liebe zur Arbeit

„Venus im sechsten Haus: Sie haben eine Begabung, die vielen Menschen abgeht: Sie lieben Ihre tägliche Arbeit!“. Zwar glaube ich nicht an Astrologie, doch dieser „Aspekt“, den mir ein lieber Freund neben anderen horoskopischen Bemerkungen zuschickte, trifft den roten Faden, der sich durch mein gesamtes Arbeitsleben zieht. Es ist eine Wahrheit mit einer hellen und einer dunklen Seite: Was ich tue, tue ich mit Begeisterung und Herzblut – wenn ich mich aber nicht begeistern kann, bringe ich auch nichts zustande. „Irgend etwas“ tun, egal was, nur um Geld oder noch mehr Geld zu verdienen, war mir immer vollkommen fremd. Abstraktes Marketing, das von der eigenen Person absieht und ausgewählten Zielgruppen Dienste anbietet, die so auch jeder Andere im gleichen Metier anbieten könnte, war nie meine „Methode“, um an Aufträge und Jobs zu kommen. Ich war überhaupt nie methodisch, sondern lebte ein aktives Leben, mischte mich ein, wo mich ein Thema interessierte, leistete Beiträge im Rahmen meiner Fähigkeiten, entwickelte Ideen und Projekte, oft jenseits jedes kommerziellen Gedankens. Dies aber nicht aufgrund einer wie immer gearteten moralischen Verurteilung des Geld Verdienens, nicht aus Ressentiment gegen „Kommerzialisierung“, sondern einfach, weil ich andere Prioritäten lebe, die mir so selbstverständlich erscheinen wie ein bestimmter Geschmack in der Wahl der Klamotten. Ich verwirkliche mich arbeitend, drücke mich dadurch aus – und der Aspekt des Gelderwerbs ist mir inhaltlich ungefähr so wichtig wie der unvermeidbare Papierkram, der mit fast allem einhergeht, was man in dieser Welt unternehmen kann.

Die Liebe zur Arbeit – ein Luxus, den man sich leisten können muss? Eine Krise wie die jetzige stellt in aller Schärfe aufs Neue die Frage: Soll, kann, muss ich mich ändern? Ist diese Einstellung, die ich eher wie eine Veranlagung empfinde, das Problem? Sie hat mich zwar nie reich gemacht, doch ging es mir auch nie wirklich schlecht. Immer gab es Menschen, die genau das nachfragten, was ich gerade anbot – sei es, dass sie mich im Rahmen meiner frei gewählten Arbeiten kennen lernten und unbekannten Dienstleistern vorzogen, sei es, dass sie direkt an dem Gefallen fanden, was ich inszenierte (z.B. die Schreibimpulse-Kurse). Manche mögen die Art, wie ich Webseiten gestalte und empfehlen mich weiter, andere schätzen meine „Schreibe“ – Aufträge kamen allermeist wie von selbst, was mich gar nicht in die Lage kommen ließ, mich irgendwie „anpreisen“ zu müssen.

Dass die Zeiten schlechter wurden, merkte ich gleichwohl. Immer öfter musste ich den Dispo in Anspruch nehmen, die vierteljährliche Umsatzsteuer klappte „gerade so“ – und jetzt hat sich die Lage in einer Weise zugespitzt, dass Veränderungen unvermeidlich scheinen. Aber welche? „Hartz 4“ ist keine Lösung, allenfalls ein Weg, der gegangen werden muss, wenn sonst nichts mehr geht. Was aber ist in meinem Fall dieses „sonst“? Soll ich versuchen, was ich noch nie beherrschte: Marketing auf Teufel komm raus? Mich in alle möglichen Dienstleister-Datenbanken eintragen, Zielgruppen anschreiben, Business-Netzwerken beitreten, kommunizieren allein um des kommerziellen Effektes willen?

Ich käme mir dabei ähnlich vor, wie wenn ich versuchte, auf einmal sehr weibliche Rüschchenkleider zu tragen: so authentisch wie ein Karnevals-Transvestit ohne echte Neigung! Gleichzeitig würde ich mit denen konkurrieren, denen diese Art Selbstvermarktung selbstverständlich ist und oft sogar Freude macht – keine wirklich erfolgversprechende Aussicht. Die Dachkammer liegt mir da glatt näher!

Energie!

So grübelte ich also in etlichen düsteren Stunden über die Lage, empfing zwischendurch den Gerichtsvollzieher, der sich nicht mal groß umsah, sondern gleich sagte: „Ich taxiere ihre Wohnung mit einem Blick: Sie sind vermögenslos im Sinne des Gesetzes!“. Wo er Recht hat, hat er Recht – aber was mach‘ ich jetzt?

Keine Stimmung, kein Gefühl hält sich über längere Zeit, wenn man es einfach betrachtet. Überrascht merkte ich, wie sich meine Laune wieder besserte. Ja, auf einmal spürte ich die brisant-abenteuerlichen Aspekte meiner Situation: Etwas NEUES beginnen, alle Trägheit hinter mir lassen, wieder aktiv werden und Ideen umsetzen, anstatt im Gewohnten zu verharren – wer nichts hat, hat nicht viel zu verlieren, und wer zuwenig Aufträge hat, hat Zeit!
Warum nicht Dinge tun, die mir lange schon durch den Kopf geistern, denen ich bloß nicht näher trat, weil sie zu entlegen oder gar „zuwenig kommerziell“ erschienen? Wer aktiv ist, dem tun sich neue Möglichkeiten auf, die dem grübelnden Verstand per direkter Suche weder auf- noch einfallen. Und Fakt ist, dass ich weit besser „im Geschäft“ war, als ich noch keinen Gedanken daran verschwendete, ob das, was ich gerade tue, auch einen „Return on Invest“ haben wird. Vielleicht ist ja meine „Veranlagung“, diese Liebe zur Arbeit mit Herzblut, nicht etwa das Problem, sondern die Lösung? Und ich bin nur vom Wege abgewichen, hab‘ mich einlullen lassen vom Mainstream, mir ein schläfriges „business as usual“ mit Stolz aufs freie Wochenende angewöhnt, das kaum mehr die Highlights vermittelt, die lange Zeit „Claudia Klingers Webwork“ ausmachten?

Ein Kribbeln im Bauch, im Wind ein lang vergessener Blütenduft – Veränderung geschieht, ich werde sie zur Begrüßung umarmen!

, Geld

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Claudia am 15. November 2004 — Kommentare deaktiviert für Mit dem Notebook im Bett

Mit dem Notebook im Bett

Zum ersten Mal bin ich mit dem Computer im Bett. Ein lieber Freund hat mir einen Notebook geschenkt, weil er meine Klagen über das Leiden am langen Sitzen nicht mehr hören mochte. Schon einmal hatte ich ernsthaft ins Auge gefasst, künftig liegend oder halbliegend zu arbeiten und mir dafür auch eine Möbelkonstruktion ausgedacht. Aber damals hörte ich letztlich auf den Rat eines Geliebten, der meinte, unzählige Menschen verbrächten täglich viele Stunden am Monitor, ohne deshalb krank, behindert oer missgelaunt zu werden. Es läge an mir, eine gesunde Herangehensweise zu entwickeln, anstatt die zeitgemäße Standardstellung zu vermeiden. Mehr Bewegung, öfter ins Fitness-Center, bessere Ernährung – ich weiß, ich weiß!

Aber ich tu’s nicht, bzw. nicht genug. Der Mausarm und die Druckschäden an gottlob nicht so wichtigen Nerven werden nicht etwa besser. Doch davon soll jetzt nicht die Rede sein, ich habe keine Lust mehr, mich öffentlich am Riemen zu reißen und Ermunterndes über die Zukunft zu sagen. Eine Zukunft, die sobald sie Gegenwart wird, mich doch wieder auf dem Stuhl vorfindet…

Hierjetzt aber liege ich im Bett, Kissen unter dem Rücken und unter den Knien eine Rolle, geformt aus der zweiten Bettdecke – toll! Ich habe darauf geachtet, keine eierlegende Wollmilchsau zu erstehen, sondern ein schlankes, leichtes Gerät, dessen Gewicht (nur 1,8 Kilo!) ich jetzt kaum spüre. Die Maus hab‘ ich gar nicht erst dran gesteckt, nur das Netzteil.

Zur Verwendung des Notebook kam mir schnell die Idee, ihn NICHT in meine Arbeitswelt einzubinden, KEINE zweite Fassung meines Tower-PCs zu erschaffen mit allem, was ich so brauche – und vor allem keinen Internet-Zugang! Dann könnte ich nämlich E-Mail lesen, wäre für alle erreichbar, hätte alle meine halb erledigten Aufgaben und Werke griffbereit – es wäre ein zweiter Arbeitsplatz und dessen Forderungen könnte ich mich nicht entziehen. Ich würde noch mehr arbeiten, halt jetzt in liegender Stellung.

Lieber nicht! Ich habe nicht vor, meine Arbeitszeit zu verlängern, das Reich der Pflichten und Ziele noch weiter wachsen zu lassen, sondern ich sehne mich nach Zeit für mich. Für mich am PC! Dazu komme ich kaum noch, denn wenn ich alles geschafft habe, was ich schaffen muss, bin ich üblicherweise viel zu malträtiert vom Sitzen, als dass ich da nun noch ein bisschen schreiben, bildbearbeiten oder eigene Webseiten entwerfen wollte (auch ein Grund für die Diary-Flaute). Und schon morgens mal eben drei Stunden in ein Thema versinken, bevor ich die Außenwelt an mich heran lasse, kann ich mir derzeit nicht leisten.

Mit dem Notebook steht mir nun auch außerhalb der „Sitzzeiten“ ein PC zur Verfügung – eine Zuflucht, die mir signalisiert: hier befindest du dich im nicht vernetzten Sektor. Tu, was du willst!

Oh nein, bitte nicht schon wieder! Überall muss ich tun, was ich will, muss mit den Gegebenheiten interagieren, um es zu erreichen, muss es pflegen und erhalten, wenn es dann da ist, muss immer Neues wollen und Neues schaffen – und weiter und weiter. Es ist ok, ich kann nicht klagen, im Gegenteil, meine Arbeit macht mir Freude. Und das ist keine Schönrederei, denn zum Beispiel der gerade laufende Kurs „Erotisch schreiben“ ist der spannendste, der bisher stattfand. Ich genieße die entstehenden Texte, das offene und friedlich-lustfreundliche Miteinander von Männern und Frauen, das gelegentliche erotische Knistern – kann Arbeit schöner sein? Auch im Webseiten-Sektor baue ich gerade an einem Projekt, das mir gefällt. Ok, alles könnte etwas einträglicher sein, aber daran arbeite ich ja, oder bilde mir das zumindest ein.

Umso besser es gelingt, in selbst geschaffenen Feldern und Formen zu arbeiten, mich „zu verwirklichen“, wie man so sagt, umso sinnvoller erscheint die Frage, ob es eigentlich noch mehr gibt als DAS. Wenn ich es mal abstrahiere, besteht mein Leben daraus, Misstände zu bemerken und zu bereinigen, mich vom Gegebenen inspirieren zu lassen, Änderungen und Verbesserungen ins Werk zu setzen, die jedoch auch immer wieder verbesserungsbedürftig sind, zu weiterem Bearbeiten heraus fordern – und immer so weiter. Ein übergeodnetes Ziel gibt es – zum Glück! – nicht, ich bewerte meinen Erfolg oder Misserfolg anhand der Resonanz, die ich erfahre, und daran, ob das, was ich tue, nun auch das ist, was ich mir erträumt habe, als ich damit anfing. Ich bin die Maus in einem zu großen Teilen selbst gebauten Laufrad, das eingebunden ist ins große Räderwerk, das unsere Welt am laufen hält. Nichts dagegen, aber ist das schon alles?

Der Raum des Schreibens

Mir scheint, ich bin reif für die Insel. Doch nicht das entlegene Eiland im Pazifik, nicht der Urlaub, die Kur, die Ayurveda-Wellness-Woche locken mich, sondern ein immaterieller Ort des Innehaltens, den ich gelegentlich aufsuche, um frei von Zielen und Zwecken dem nachzuspüren, was Dasein sonst noch bedeutet. Einfach Ruhe, Beruhigung der bewegten Oberfläche, egal in welchen Formen das stattfindet – aber KEINE Sitzmeditation!!! (Wenn ich DARAN denke, fällt mir die ganze Absurdität auf, die darin liegt, Menschen, die in der Mehrzahl den ganzen Tag sitzen, zum Zweck der Besinnung dazu anzuhalten, noch mehr zu sitzen!)

Der „Raum des Schreibens“ jenseits eines „Um-Zu“ war mir im Zuge der mehr werdenden Arbeit entglitten. Gleichzeitig hatte ich in diesem Sommer damit aufgehört, „alles, was mich bewegt“ und doch nicht ins Diary passt, an jenen fernen Geliebten zu mailen: diese alte Geste des Mich-Mitteilens, die ich einst auch jahrelang gegenüber meinem Yogalehrer pflegte, passt nicht mehr. Besser gesagt, hat sie Nebeneffekte, die zunächst nicht auffallen, aber im Lauf der Zeit eine Art „Zweitrealität im Kopf“ erschaffen, die mit den real existierenden Beziehungen zwischen Sender und Empfänger kaum mehr etwas zu tun hat. Ich nenne es die „Internet-Verstrickung“: das Ausbluten der Realität zugunsten der Virtualität. Was „der Möglichkeit und Kraft nach vorhanden“ ist, ist dennoch nicht WIRKLICH vorhanden – aber das ist oft kaum mehr spürbar, bis das Reale sich zurück meldet und klar wird, was bloßer Gedanke ist und was Fakt.

Heute kommuniziere ich anders, beziehungszentrierter. Der Wunsch, schreibend etwas auszudrücken, was mich beeindruckt, hat im Web und anderen, an ein allgemeines Publikum gerichteten Medien den rechten Ort – nicht aber in der persönlichen Kommunikation, deren Charakter immer dialogisch bleibt, auch wenn man bis zum Abwinken und in beiderseitigem Einverständnis monologisiert. Denn was der Andere nicht sagt, denke ich mir dazu, lege ich in sein Schweigen hinein, ob ich mir dessen bewusst bin oder nicht. Ich öffne mich, zeige mich, ergründe die letzten Winkel meiner Seele – und das Schweigen des Gegenübers interpretiere ich als liebevolles Zuhören: Er versteht mich, wie niemand sonst.. und das ist nur die erste einer Reihe aufeinander aufbauender Annahmen, die zusammen ein Gebäude ergeben, das nicht auf Grund steht, sondern ein Luftschloss ist. Herrlich anzuschauen, aber nicht real!

In dieser Irrealität erlebte ich ein Gefühl der Geborgenheit, das mich inspirierte, die Selbstentblößungen auf ungekannte Gipfel zu treiben. Gleichzeitig dümpelte die „Außenseite“, nämlich dieses Webdiary in zunehmender Langweiligkeit vor sich hin. Ich habe ja kein Interesse daran, mein Denken und Erleben zu „diskutieren“: es ist, wie es ist, und je näher mir etwas geht, desto weniger möchte ich mich mit Lesern auseinander setzen müssen, bei denen ich vielleicht anecke. Wozu sollte das gut sein? Ich schreibe ja nicht, um mir Rat zu holen, jemanden zu meiner Sicht der Dinge zu bekehren, oder um zu streiten, sondern … ja WARUM DENN???

Hier stockt der Schreibfluss und mir fällt nichts ein. Ich schreibe, weil ich schreibe – ich projiziere meine Deutungen in die Leere und das tut mir gut.

Was ich an Nähe und Geborgenheit in einer „tief gehenden“ und schrankenlosen persönlichen Kommunikation erlebe, das bin ich selbst, das ist einfach das „bei mir sein in Wahrheit“. Es kommt nicht vom Anderen, wie man meinen könnte. Der Andere bietet lediglich einen „geschützen Raum“, vergleichbar dem, den ich in meinen Kursen und privaten Coachings errichte.

So ein „geschützter Raum“ ist wundervoll: er gibt Gelegenheit, sich selbst zu begegnen, ohne Angst haben zu müssen. Auf Dauer aber muss man ihn verlassen, genau wie man irgendwann den Sandkasten verlässt, um die Welt zu gewinnen.

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Claudia am 09. November 2004 — Kommentare deaktiviert für Diary-Flaute unterm Gerüst

Diary-Flaute unterm Gerüst

Die vierte Woche unterm blickdicht verhangenem Gerüst ist rum. Hab‘ ich mich dran gewöhnt? Der Bauarbeiter vor meinem Fenster wuchtet gerade eine Platte in den vierten Stock, ich sehe grobe, farbverkleckerte Schuhe und ebensolche Hosen, höre dumpfe Stimmen sich etwas Unverständliches zurufen. Die laute Geschäftigkeit hält erfahrungsgemäß etwa eine Stunde an, dann machen sie ihre erste Pause.

Gleich werde ich die Texte der Teilnehmer aus dem Kurs „Philosophieren in der ersten Person“ kommentieren. Die neuen Szenen der „Erotiker“, wie ich die Mitschreiber aus „Erotisch schreiben“ bei mir nenne, hab‘ ich gestern nacht noch geschafft. Auch die beiden Coaching-Klienten sind versorgt, warten jedoch auf neue Schreibimpulse, genau wie alle Anderen.

Vor einem guten Jahr hab‘ ich mit Schreibimpulse.de angefangen: das erste eigene Webprojekt im kommerziellen Sektor. Ein gänzlich neuer Versuch, dem, was ich gerne tue, die Form einer Dienstleistung zu geben, die zu meinem Einkommen beiträgt. Wenn gute Nachrichten auch langweilig sein mögen: es ist ein Erfolg! Zwar ist nicht jeder Kurs ausgebucht, denn meine Werbemöglichkeiten sind beschränkt, doch ist der Spaßfaktor in jeder neuen Runde hoch: Es ist wunderbar, dabei zu sein, wenn sich Menschen ihren „wesentlichen Themen“ öffnen, wenn sie schreibend Neues, gar Brisantes riskieren – auch wenn es mal schlaffe Phasen gibt, kommt immer wieder ein Text, der alle berührt, der MICH berührt und aus dem „Alltagsschlaf“ heraus reißt.

Es ist das erste Mal, dass ich zwei Kurse und einige Einzelpersonen gleichzeitig betreue. Liegt es daran, dass hier im Digital Diary wochenlange Flaute herrscht? Ja und nein. Ich empfinde ein Gefühl der Verpuppung, passend zum verhangenen Gerüst, das mir den Blick nach draußen versperrt, passend zum November, den ich spüre, aber kaum sehe. Jahrelang war ich mit der Form, die ich fürs eigene Schreiben in Gestalt des Digital Diary wählte, vollkommen zufrieden: es war nie ein Tagebuch, das vom Frisörbesuch am Morgen und vom Problem mit dem Lebensgefährten berichtet, auch kein Blog, das mit ein paar Sätzen mehrmals am Tag bekannt macht, dass es mich noch gibt, sondern im wesentlichen eine Plattform für meine „Gedanken über die Welt“: unsortiert, ohne Zwang, mich selbst in eine Schublade einzuordnen, weder, was die Textsorte angeht, noch von den Themen her.

Im Moment habe ich das Gefühl, aus der selbst geschaffenen Mega-Schublade heraus zu wachsen. Was ich über die Welt, das Leben, und mich selbst denke, reizt mich zur Zeit nicht zu Artikeln für die Allgemeinheit. Es wird vielleicht durch die Kurse und die damit einher gehenden Privatgespräche „dialogisch verbraucht“, bzw. sinnvoll genutzt. Zudem begegne ich im Erotik-Kurs der Faszination des belletristischen Schreibens. Schien mir das früher belanglos, bloßes „Werke schaffen“, dem ich mein mich tief befriedigendes „Philosophieren in der ersten Person“ entgegen setzte, so erkenne ich jetzt das Potenzial, das in solchem Schreiben steckt: nicht mehr am Faktischen, selbst Erlebten kleben und gedanklich um Einordnung und Bewertung ringen, sondern im freien Spiel der Worte dem Form geben, was man ausdrücken will: es ZEIGEN, nicht SAGEN!

Als ersten Schritt, diesem Schreiberleben Gestalt zu geben, werde ich auf Schreibimpulse.de ein erotisches Webzine eröffnen: mit Teilnehmertexten, eigenen Beiträgen und Einsendungen frei schweifender Autorinnen und Autoren. Der Plan bringt mich ein Stück „back to the Roots“: 1996 bis 1998 gab es die Cyberzines „Human Voices“ und „Missing Link“ mit Gedichten, philosophischen Prosa-Texten und einer aktiven Community rund ums Geschehen. Ich bin gespannt, wie das neue Projekt im Vergleich dazu werden wird! (Wer dazu Beiträge einsenden will, kann sie mir bereits schicken: ich wähle allerdings nach eigenen Kriterien aus, welche ins Webzine kommen).

Und das Digital Diary? Die Flaute wird vorüber gehen, wenn das Neue festere Konturen gewonnen hat. Es ist noch jedes Mal weiter gegangen, auch wenn ich immer mal wieder dachte: Was soll ich denn da noch schreiben? Ich hab‘ doch eigentlich alles gesagt!

Jetzt ruft mich die Arbeit: im Moment pflege ich einen wenig nachhaltigen Stil, esse unregelmäßig, ignoriere das Fitness-Center, gönn‘ mir nicht mal Sauna und war prompt über zwei Wochen schwer erkältet. „Mich-selbst-am-Riemen-reißen“ kommt derzeit allein den festen Pflichten zugute. Ansonsten überlasse ich alles seiner Eigendynamik, bemühe mich nicht ums „gesunde Leben“ oder andere Meta-Ziele: in der Verpuppung löst sich alles, was war, vollständig auf – zumindest ist das bei Raupen so, wie es bei mir ist, wird sich zeigen.

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Claudia am 08. September 2004 — Kommentare deaktiviert für Von der Lust an der Arbeit

Von der Lust an der Arbeit

Mein Problem mit der Selbstdisziplin, von dem der letzte Beitrag handelte, ist wieder einmal vom Tisch: einfach weggefegt, aufgelöst in der Begeisterung für ein neues Projekt, das mir diesen gewissen „Geschmack von Abenteuer“ bietet, der mich beflügelt. Ein Kurs „Erotisch schreiben“ – hätte mir jemand zum Start meiner Schreibimpulse-Kurse vor einem Jahr prophezeit, dass ich „so etwas“ machen werde, ich hätt’s nicht geglaubt! Wie ich dann doch dazu gekommen bin, steht im Artikel „Erotisch schreiben – vom Spannungsfeld zwischen Lust und Literatur“. Bemerkungen, Tipps, Fragen und Meinungen zu dieser Kurspräsentation sind sehr erwünscht! (auch per Privatmail).

* * *

Wenn ich mein Verhältnis zum Arbeiten insgesamt betrachte, dann sehe ich, dass ich Arbeit als „notgedrungenes Muss“ immer schon gern vermeiden wollte. Lange Zeit glaubte ich, ich sei schlicht „faul“, weil es ja so normal zu sein schien, Dinge zu arbeiten, an denen man nicht das geringste persönliche Interesse hat. Verwaltungskraft in einer Behörde, Mitarbeiterin in einer großen Firma – nichts fand ich abschreckender als so einen „9 to 5-Job“, von denen ich einige während des Studiums aus der Nähe besichtigen konnte.

Also versuchte ich zeitlebens, mit dem Geld zu verdienen, was mir gerade Spaß machte. In den Jahren des Stadtteil-Engagements hatte ich „prekäre Honorarjobs“ auf niedrigem Niveau. Geld und Sicherheiten waren mir egal, ich ging in der Arbeit auf, was wollte ich mehr? Als es mir dann mal gelungen war, einen großen öffentlichen Auftrag für unseren Verein an Land zu ziehen, stellte ich mich selber für ein halbes Jahr an – und ab da kam ich in den Genuss der „originären Arbeitslosenhilfe“: unbefristet wie nirgendwo sonst, im Grunde eine lebenslängliche Rente, in die man bequem „zurückfallen“ konnte, wenn ein befristeter Job zu Ende war. In einer solchen „Lücke“ entdeckte ich dann 1996 das Internet und arbeitete mich begeistert ein. Meine selbst organisierte „Umschulung und Weiterbildung“ zur Webworkerin führte schon bald zu ersten Aufträgen, zudem schrieb ich nebenbei für Printmedien: schlecht bezahlt, aber ich konnte so ziemlich schreiben, was ich wollte: Hauptsache Internet!

Anfang ¨98 konnte ich dem Arbeitsamt ade sagen. Es lief so gut, dass ich nicht einmal das Übergangsgeld in die Selbständigkeit beantragte: Zuviel Papierkrieg für Peanuts! Ein einziger Auftrag brachte mir mehr als die Förderung für ein halbes Jahr ausgemacht hätte, also verzichtete ich dankend. Ich war „auf dem Markt angekommen“ und was ich da erlebte, gefiel mir sehr. Alles lief „wie von selbst“, ich hatte immer wieder neue, interessante Webprojekte, die Kunden fanden sich von alleine ein. 1999 streifte mich sogar der „Net-Hype“: ich verdingte mich als „Art-Directorin“ bei einem kleinen Start-Up-Unternehmen. Als „feste Freie“ verdiente ich ganz kurz soviel wie noch nie zuvor und fühlte mich auf einmal als „besser Verdienende“. Dass ich um das Honorar kämpfen musste, weil mein Auftraggeber von Beginn an an der Pleite entlang schrammte (wer zu spät kommt, den bestraft das Leben), bestätigte allerdings meine Vorurteile: sobald es richtig Geld gibt, beginnt das Hauen & Stechen – dazu hatte ich keine Lust, musste mich schwer überwinden und war dann richtig froh, dass ich den Vertrag kündigen konnte.

Obwohl es nun nicht mehr ganz so locker Aufträge regnete, hatte ich weiterhin mein Auskommen. Doch immer wieder beschäftigte mich die Frage: Soll ich anstreben, zum Geld verdienen „Brotjobs“ zu machen, um daneben dann Zeit zu haben für das, was mir wirklich Spass macht? Oder soll ich versuchen, von dem, was mich am meisten inspiriert und Herzblut kostet, auch zu leben? Beide Vorgehensweisen haben Vor- und Nachteile. Zudem sind sie nicht wirklich zu trennen, solange ich nicht mit einem „Herz-Projekt“ so erfolgreich bin, dass ich nichts Anderes mehr brauche. Doch selbst, wenn das eintritt: Wie lange fasziniert es mich, Monat um Monat dasselbe zu tun? Schnell werde ich zur Angestellten des eigenen Projekts und sehne mich wieder nach „Freiheit“. So richtig „in den Griff“ bekomme ich das Thema Arbeit bisher nicht. Es bleibt ein Spannungsfeld zwischen Lust und Notwendigkeit, auf dem ich mir manchmal vorkomme, wie auf dem Hochseil; insbesondere dann, wenn ich mit Dingen, die es so noch nicht gab, frischfröhlich dem Markt ins kalte Auge sehe (wie jetzt mit dem neuen Kurs).

Harz 4 – der erzwungene „Ruck“

Die unbefristete Arbeitslosenhilfe, die mir einst Zwischenfinanzierung und Starthilfe war, ist nun abgeschafft. Ohne sie hätte ich 1996 meinen befristeten Projektleiter-Job nicht auslaufen lassen, sondern halbtags weiter gemacht. Ich hätte dann eben in der anderen Tageshälfte das Netz erforscht, weniger gemütlich, aber so begeistert, wie ich war, wäre das kein Problem gewesen. Selbst mit Sozialhilfe hätte nichts mich davon abhalten können, meinem Dämon zu folgen…

Ich denke oft an die vielen Menschen, die jetzt genötigt sind, auf die Schnelle etwas zu finden: einen Mini-Job, eine Ich-AG oder was immer. 500.000 sollen es sein, die plötzlich gar keine „Stütze“ mehr bekommen. Diejenigen mit Vermögen und Besitz tun mir weniger leid als diejenigen, die auf einmal vom Einkommen des Partners leben sollen. Was für eine Belastung für die Beziehung, wenn diese bisher keinerlei gegenseitigen Unterhalt umfasst hat! Man hat ja aus guten Gründen nicht geheiratet – und nun das! Ich würde auf jeden Fall lieber auseinander ziehen anstatt zur „Bedarfsgemeinschaft“ zu werden.

Druck von außen – ob er dazu führen wird, dass sich mehr Menschen aufs Neue fragen: Was will ich eigentlich wirklich? Was macht mir Freude? Was ist mein UREIGENES Ding, das mich so fasziniert, dass es mehr Spiel als Arbeit ist?

Ein Freund von mir lebt lange schon von Sozialhilfe und hat von Harz4 (erst mal) nichts zu befürchten. Wir sprechen gelegentlich darüber, was das alles für Wirkungen haben wird, aber auch über das Arbeiten ganz allgemein. Er hält sich für faul, doch ich meine, dieselbe „Pseudo-Faulheit“ in ihm zu erkennen, die mich auch selbst überkommt, wenn mich anödet, was ich da tun soll.

Ich glaube, das merke ich in diesen Gesprächen, dass es für jeden Menschen etwas gibt, was er gerne tut. Aber der Schritt, es auch zu suchen und niemals – arbeitend und nicht arbeitend – nachzulassen, kommt vielen gar nicht in den Sinn. Das wundert mich richtig, denn ein solches Leben im ungeliebten Job oder in der „sozialen Hängematte“ kann ich mir nicht vorstellen. Wo würde ich meine „Kicks“ finden, meine Abenteuer erleben, meine Fähigkeiten ausprobieren und weiter entwickeln? Auch auf das Gefühl, an der Gestaltung der Welt mitzuwirken, das eigene „für besser halten“ tätig einzubringen, könnte und wollte ich nicht verzichten. Auch nicht, wenn ich morgen eine Million auf dem Konto hätte: der Kurs „Erotisch schreiben“ würde trotzdem stattfinden!

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