Thema: Leben & Arbeiten

Claudia am 25. August 2004 — Kommentare deaktiviert für Das Rätsel der Disziplin

Das Rätsel der Disziplin

Seit zehn Jahren bin ich nun schon selbständig, arbeite in und mit den Netzen und verbringe den Großteil der Tage vor dem Monitor. Arbeitsfelder und Aufträge entstehen entlang an meinen sich verändernden Interessen, niemand sagt mir, was ich falsch oder besonders gut mache und wo es hingehen soll. Zudem lebe ich allein, muss niemanden versorgen und meine materiellen Bedürfnisse sind bescheiden. Meine Wohnung in Berlin Friedrichshain besteht aus einem großen Arbeitszimmer und einem ebenso geräumigen Wohn- und Schlafzimmer -zum Arbeiten muss ich das Haus also gar nicht erst verlassen: paradiesisch, so hab‘ ich es mir immer gewünscht.

Man sollte meinen, dass alle Probleme, die durch diese Arbeitssituation entstehen können, lange bekannt und gelöst sein müssten, aber weit gefehlt! Ja, ich hab‘ das Gefühl, in mancher Hinsicht bisher nur an der Oberfläche gekratzt zu haben und nicht wirklich in die Tiefe der diversen Schwierigkeiten gedrungen zu sein, die mich immer wieder mal heimsuchen.
Nach der kreativen Flaute der letzten Wochen scheint es jetzt, als gelinge ein neuer Einstieg ins Arbeiten, der mir neue Blickwinkel eröffnet. Zum Beispiel den, dass es bei der Selbständigkeit nicht das Problem ist, die eigene Chefin zu sein, sondern die eigene Angestellte. Für mich eine seltsame Erkenntnis, da mein gesamtes bisheriges Arbeitsleben gerade DAS weiträumig zu umschiffen versuchte.

Immer wieder geht’s um „Disziplin“ – ein mir seit den aufmüpfigen Jugendzeiten eher verhasster Begriff. Natürlich bin ich mittlerweile „gereift“, lebe ziemlich ordentlich, kann zum Beispiel Chaos in meiner Wohnung gar nicht mehr tolerieren, Termine halte ich immer schon pünktlichst ein, sogar in den Papieren nimmt die Ordnung zu. Nur wenn es darum geht, allein aus mir heraus alte und neue Arbeitsfelder zu strukturieren und diese dann auch tatsächlich „abzuarbeiten“, dann beginnen die Probleme. Es ist so leicht, sich vom „eigenen Plan“ ablenken zu lassen, da ist ja niemand, der sagt: Hey, du MUSST das aber bis morgen früh geschafft haben! Ich muss es mir selber sagen – und oft glaub ich mir einfach nicht: Wieso „muss“ ich? Wieso bis morgen???

„Was hältst du von der Disziplin als solcher?“ fragte mich ein Diary-Leser in ähnlicher Situation. Dankbar, den Ball mal von jemand anderem zugeworfen zu bekommen, dachte ich ein wenig drüber nach: Disziplin ist ja eine sogenannte „Sekundärtugend“. Sie dient Zwecken, kann nicht selbst Zweck sein. Darin liegt auch ein Teil meines Problems: ich glaube immer, ich müsste erst großartig „das Ziel wählen“, den Weg und die Stationen bestimmen, und dann…. dann könne ich auch ausreichend Disziplin aufbringen, um das Anstehende zu leisten. Das stimmt sogar, nur dass ich das, was ich tue, wenn ein klares Ziel (am besten mit Termin!) in Sicht ist, nicht mehr wirklich „Disziplin“ nennen kann, sondern eben nur: viel arbeiten… Es braucht dann keine Disziplin mehr, weil ich eben „drin“ bin und jeder Schritt sich aus dem vorherigen ergibt, nach und nach Verbindlichkeiten und Termine auftauchen, die eingehalten werden müssen… kein Problem!

Muss ich? Will ich? Und was eigentlich?

Ein klares Ziel ist üblicherweise ein Auftrag oder ein Schreibkurs. Darüber hinaus fällt es mir schwer, eigene „Meta-Ziele“ zu bestimmen, wie etwa: Wieviel will ich im Jahr verdienen? Wie soll sich das auf die Arbeitsbereiche verteilen? Wie soll mein Leben im günstigsten Fall aussehen? Solche Überlegungen gehören zur Grundausstattung des „Existenzgründer-Wissens“, aber erst jetzt, wo ich es mir wirklich für die eigene Situation auszumalen versuche, geht mir die Komplexität der Frage richtig auf.

Da ich allein selbst bestimme, was ich anstrebe, kann ich ja jederzeit umdenken. Mir ist außerdem bewusst, wie sehr meine LUST an einzelnen Arbeitsbereichen schwanken kann – warum sollte ich mich da „disziplinieren“??? Hab‘ ich nicht mein Leben lang dran gearbeitet, mich zu „befreien“, mich nicht festnageln zu lassen auf langweilige Routinen des Immergleichen?

Man kann hier gut beobachten, wie eine jahrzehntelang gepflegte „Eigen-Konditionierung“ bei Erfolg ins Negative umschlagen kann: Irgendwann ist wahrhaftig genug „befreit“! Wenn die disziplin- und planungsfeindliche Grundhaltung dann einfach beibehalten wird, wird sie zu einer Beschränkung des eigenen Potenzials.

Im Moment versuche ich, mich aus dem vor der Sommerpause beschriebenen „kreativen Leerlauf“ heraus zu bewegen, indem ich an drei Punkten ansetze: bei der „Arbeitsstimmung“, bei den „Zielen“, und beim „Durchfluss der Werte“.

Es wird ja immer gern geraten: Stell dir deine Ziele verwirklicht vor, male dir den Idealzustand aus, dann hast du die psychische Energie, die Mühen der Ebene durchzustehen! Dem hab‘ ich mich bisher nach nur kurzer Prüfung verweigert, weil es meinem Selbstbild und der Art, wie ich es gewohnt war, mit mir selber umzugehen, widerspricht. Schließlich bin ich ganz erfolgreich darin, mit dem, was ist, glücklich und zufrieden zu sein. Diesen „Seelenfrieden“ soll ich des schnöden Mammons wegen wieder aufs Spiel setzen? Bewahre! Schließlich hab‘ ich kaum materielle Wünsche, sehne mich nicht nach mehr Konsum – und das ist doch gut so! Oder doch nicht?

Hätte ich nicht immer wieder finanzielle Durststrecken, könnte man ja meinen: ok. Lass‘ alles, wie es ist, klappt doch gut! Da dem NICHT so ist, stimmt zwangsläufig auch etwas am Selbstbild und an den Umgangsweisen mit den Problemen nicht: Zumindest soviel Einkommen sollte sein, dass ich mich auf meine Wunsch-Arbeiten konzentrieren kann und nicht ständig davon abgelenkt werde. Das ist doch ein durchaus materielles Ziel! Und – darauf bin ich erst neuerdings gekommen! – wenn mir nicht genug „Verbesserungswünsche“ für mich persönlich einfallen, dann ist es vielleicht angesagt, endlich die Bauchnabel-Perspektive zu verlassen und an Andere zu denken. Nicht zuvorderst im Sinne des Spendens für soziale oder andere bedürftige Projekte, sondern ganz konkret im Freundeskreis. Ich würde gerne Geld und materielle Gegenstände VERSCHENKEN können – und zwar ohne dass es mir weh tut! Gerne würde ich auch mal teurere Aktivitäten unternehmen, nicht allein, sondern mit Anderen, die sich „so was“ nicht leisten können oder wollen. Und kaum beginne ich, SO zu denken, fallen mir jede Menge Wünsche ein!

Geben & Nehmen

Im Kleinen hab‘ ich schon angefangen, Dinge abzugeben. Gegenstände, die etwas wert sind, die ich selbst aber nicht mehr dringlich benötige. Sie weiter zu geben an Leute, die sie gut brauchen können, ist sehr viel glückbringender als das Verkaufen und Restwert einstecken. Ich bin ja selbst im Lauf des letzten Jahres von verschiedenen Menschen reich beschenkt worden – da will ich auch mal mitmachen können!

Ich spüre, wie mich jeder Akt des Abgebens motiviert, meine Arbeits- und Einkommenssituation zu verbessern – und damit habe ich allen Grund, den „Nehmern“ dankbar zu sein. Das Nehmen fällt nämlich vielen genauso schwer, wenn nicht schwerer, als das Geben. Das hab‘ ich ja selber erst lernen müssen, hab‘ es mir Anfang 2003 regelrecht verordnet wie einem kranken Gaul: Jetzt sagst du mal zu allem „Ja“, was sich dir anbietet, nimmst alles an, was dir geschenkt wird, überwindest endlich dein Misstrauen, eingekauft und eingefangen zu werden!

Die Unfähigkeit, Geschenke anzunehmen, weil man Verstrickungen und Pflichten fürchtet, findet im eigenen Kopf statt – und DA hab‘ doch eigentlich ICH das Sagen!

Die so erreichte Veränderung der inneren Haltung hat dazu geführt, dass ich in der Folgezeit gewaltig beschenkt wurde, man glaubt es kaum! Und nicht nur von einer Person, nicht einmal nur von Nahestehenden. Es wirkte wie eine Art Wunder – und jetzt kann ich nicht nur annehmen, sondern hab‘ auch große Lust, abzugeben. Es ist, als erzeugte ich durch das Abgeben einen Sog, dass wieder etwas herein kommt: Egal wie, unter anderem mittels eigener Arbeit, zu der ich „wie durch Zauberhand“ auf einmal weit besser motiviert bin.

Es muss – um mal einen gesellschaftlichen Bezug herzustellen – nicht JEDER arbeiten, um so „sein Glück zu schmieden“. Es genügt, dass diejenigen, die wie ich GERNE arbeiten, genug verdienen und genug abgeben. Der innere und äußere Reichtum einer Gesellschaft zeigt sich darin, wie viele Nicht-Arbeitende sie sich leisten kann. In anderen Kulturen erhält die arbeitende Bevölkerung zum Beispiel einen hohen Prozentsatz von Nonnen und Mönchen – und zwar mit Freude! Daran sollten wir uns ein Beispiel nehmen und nur versuchen „Arbeitswillige“ in Arbeit zu vermitteln – und nicht sämtliche „Arbeitsfähigen“.

Die Stimmung macht’s…

So richtig „diszipliniert“ bin ich immer noch nicht. Letztlich weiß ich gar nicht, was für ein inneres Potenzial damit eigentlich gemeint ist. Selbst jetzt, wo ich wieder einmal eine neue Art teste, meine Arbeitswoche zu strukturieren, um effektiver zu sein, empfinde ich das nicht als harte Disziplin, weiß gar nicht, wie das geht. Wenn ich zu arbeiten beginne, setze ich mich erst still hin und lausche in mich hinein. Stelle mir die Dinge vor, die jetzt anstehen und betrachte sie eine kleine Weile. In dieser „Kurz-Versenkung“ entfalten die Vorhaben dann eine Eigendynamik, werden farbiger und verlockender, zeigen ihre abenteuerlichen Aspekte – und damit ist der Punkt erreicht, an dem ich loslege.

Ist das Disziplin? Vermutlich nicht. Aber ich muss mit dem leben und arbeiten, was ich kann, nicht mit dem, was ich können sollte.

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Claudia am 30. Juli 2004 — Kommentare deaktiviert für Vom kreativen Leerlauf

Vom kreativen Leerlauf

In meinen Schreibkursen gebe ich manchmal die Aufgabe, den „inneren Kritiker“ zu Wort kommen zu lassen. Es entstehen dann lustige Texte, in denen sich diese „Teilwesenheit“, die nichts im Sinn hat außer Nörgeln und Niedermachen, voll ausleben darf. Besonders für Anfänger ist es eine tolle Übung, sie befreit von der Dominanz dieses Kritikers und zeigt, dass niemand anders als der Autor bzw. die Autorin in den inneren Welten letztlich das Sagen hat. Der Kritiker ist Dienstpersonal, man kann ihn rufen, wenn man ihn braucht, ihm aber auch für eine gewisse Zeit den Mund verbieten.

Für mich ist dieses spezielle „Gespenst“ kein Problem mehr, dafür kann mich eine andere Teilwesenheit aus dem inneren Kosmos zur Weißglut treiben: die „Kreative“. Ich sollte sie vielleicht besser die „Kreativ-Maschine“ nennen, eine, die sich selber einschalten kann und nur mit größter Mühe zum Stoppen zu bringen ist.

Ideen haben, womöglich ganz neue, Konzepte und Projekte entwerfen, die einigermaßen Hand und Fuß haben, all das gilt in der Infogesellschaft als hoher Wert. Ist ja auch schön, wenn einem leicht „was einfällt“, etwas, das tatsächlich „umsetzbar“ erscheint und gleich auch Spass, Spannung, ja sogar Möglichkeiten, Geld zu verdienen in Aussicht stellt.

Was aber, wenn sich solche Ideen und Projekte „am laufenden Band“ ins Bewusstsein drängen? Wie soll ich damit umgehen? Kaum ein lockeres Gespräch, zu zweit oder zu mehreren, in dem meine Ideenmaschine nicht anspringt: man könnte doch auch… wie wäre es denn mit… mal angenommen, man würde… – und schon bin ich mitten drin, im Kopf entsteht ein tolles „Projekt“, fächert sich auf in schillernde, verführerische Möglichkeiten. Je nachdem, wer gerade mein „Kreativpartner“ ist, entwickeln sich in Windeseile ganze Jahresprogramme möglicher Aktivitäten, die sich, wenn ich sie einzeln bedenke, durchaus weiter auffächern in noch mehr „interessante Projekte“. Im Kopf hab‘ ich so schon jede Menge Arbeitsplätze geschaffen – warum zum Teufel wird davon sowenig Wirklichkeit?

Können? Wollen?

Es liegt nicht an mangelnden Fähigkeiten. Ich KANN umsetzen, wenn ich… ja WAS???? Was ist es, das aus Ideen und Plänen Wirklichkeit schafft? Ich beobachte das schon lange, versuche, heraus zu spüren, was es ist, das mich zu Taten treibt oder, wie in den meisten Fällen, einfach zur Tagesordnung übergehen lässt, bis zum nächsten „Anfall“.

Erfolge kann ich bei dieser Beobachtung noch kaum vorweisen. Es ist, als stocherte ich in einer Nebelbank herum, die mir die Sicht vertellt. Wenn ich nichts sehe, kann ich nur denken, nur spekulieren, und das ist ein sehr begrenztes Instrument in Sachen Selbsterkenntnis.

Immer wieder erlebe ich, dass meine Ideen nur wenig später von anderen verwirklicht werden. Klar, es gibt viele kreative Geister und die Themen liegen quasi „in der Luft“. Einerseits fühle ich mich dadurch bestätigt: Ich spinne nicht nur wild herum, meine Ideen sind tatsächlich „machbar“. Andrerseits frag ich mich: Warum machen es Andere, während ich weiter hier herum sitze, meine üblichen Aufgaben abarbeite und zeitweise lieber nicht auf den Kontostand gucke?

Bin ich schlicht zu faul? Was ist Faulheit? Ich gehöre zu denen, die lieber arbeiten als ausspannen, denen der reine Müßiggang nur kurze Zeit Freude macht. Gelegentlich muss ich mich geradezu zwingen, mich vom Computer zu entfernen und mir mal die Beine zu vertreten. Vor dem Monitor bin ich „im Cockpit der Macht“ – aber was MACHE ich wirklich? Jetzt zum Beispiel schreibe ich Diary, zuvor war der morgendliche Mail-Check dran, eine kurze Antwort an jemanden, der vielleicht demnächst seine Website umgebaut haben will. Mehr „Arbeit“ war da fürs erste nicht. Nachher werde ich die Texte meiner Kursteilnehmer kommentieren und neue Schreibaufgaben stellen. Meinen alten PC muss ich heut‘ auch noch verpacken, denn mittags holt ihn ein befreundeter Familienvater ab, der ihn dringlich für seine Kinder braucht. Wie schön: ich kann einer Familie nützen, ein bisschen Stress abbauen helfen mit einem Gerät, das bei mir nur sinnlos Platz wegnimmt.

Und dann? Das ist für heute das „Minimum“. Jeder Tag beinhaltet so ein Minimum absolut zwingender „To-Dos“, die ich auf jeden Fall abarbeite. Jenseits dieser unaufschiebbaren Dinge liegt dann das Feld der „auch noch anstehenden“ Aufgaben: weniger dringliche, aber doch klar definierte Arbeiten: ein Update auf Schreibimpulse.de, ein bisschen Pflege für eine Kunden-Website, ein Brief ans Finanzamt (ihhhh!) – wenn ich länger überlege, kommt da einiges zusammen, teils sind es reine Idiotenarbeiten, teils Dinge, die mich kreativ fordern und auch Freude machen, wenn ich erst mal „drin“ bin. WENN….

Heute ist Freitag, sagt eine innere Stimme. Wochenende! Gönn dir einen frühen Schluss, geh‘ raus und genieße den Sommer! Richtig ranklotzen reicht auch ab Montag noch gut – und wenn’s dir danach ist, kannst du ja auch Samstag mittag oder Sonntag früh was tun, in diesen wunderbar stillen Stunden, in denen niemand aus der Arbeitswelt mit Recht etwas von dir wollen kann!

Je nachdem, wie erfolgreich diese Schluss-für-heut-Stimme ist, komme ich an einem ganz normalen Tag von den unaufschiebbaren Arbeiten zu mehr oder weniger „anstehenden“ Aufgaben. Und dann gelüstet es mich nach „Freizeit“, wobei es mir meistens reicht, mal kurz einkaufen zu gehen, mir was zu kochen oder draußen zu essen. Wenn ich dann nicht verabredet bin, lande ich schon bald wieder vor dem PC, auch mal vor der Glotze, oder ich leg mich mit einem Buch ins Bett. Ah, endlich nicht mehr sitzen!

So sind meine „ganz normalen Tage“.. Sie haben ihre eigene Schwerkraft, ihre beflügelten und eher langweiligen Phasen. Ich schaffe mehr oder weniger, bin entsprechend zufrieden oder unzufrieden mit mir – aber dahinein nun allein aus mir heraus ein neues Projekt zu platzieren, scheint so entlegen, wie zwischendurch mal eben auf den Teufelsberg zu steigen. Ja, der Teufelsberg ist tatsächlich näher, denn er bietet immerhin körperliche Abwechslung.

Begeisterung und innere Filter

Für ein neues Projekt brauche ich auch fürs Umsetzen den inneren Kontakt zur Begeisterung, die ich beim „Ausspinnen“ empfinde. Zumindest, um damit zu beginnen. Bin ich mal drin, entfaltet sich die Freude am kreativen Tun von selber, da muss ich mich dann nicht mehr groß kümmern. Aber wie gelange ich dahin, zu diesem ernsthaften „Beginnen“?

In vielen Fällen zeigt mir ein nüchterner Blick auf das neulich noch so begeistert entwickelte Ideen-Werk: Ja, das ist gar nicht schlecht, sogar durchaus realisierbar – aber will ich das? Will ich tatsächlich im Rahmen dieses Vorhabens monatelang arbeiten und Verantwortung tragen? Wird mir das Tun als solches wirklich Freude machen? Will ich die Menschen, die ich dafür treffen muss, wirklich sehen und für sie arbeiten? Es ist eine Sache, eine „Zielgruppe“ ins Auge zu fassen, die vielleicht diese oder jene Dienstleistung gut brauchen könnte – eine andere Frage ist, ob ich mit dieser Zielgruppe persönlich etwas zu tun haben will.

Oder, das kommt auch vor, die Idee führt mich zu weit weg von den Arbeitsfeldern, die ich gut kenne. Luxuswohnungen an reich gewordene Chinesen zu verkaufen ist gewiss eine gute Idee, zum Marketing fällt mir auch jede Menge ein – aber meine Erfahrungen und Kompetenzen als Immobilienhändlerin sind nun wahrlich nicht groß! Klar, ich könnte mit meinen Ideen zu einem Makler gehen, der solche Wohnungen anbietet – aber es ist erst mal eine „Hürde“, ein neues Feld, auf das ich mich innerlich einstellen müsste. Und meistens liegt es dann weit näher, „das Übliche“ zu tun und nicht das Neue.

Der Druck, Geld zu verdienen, motiviert mich nicht dazu, mit neuen Projekten anzufangen, sondern drückt mich eher dahin, die schon vorhandenen Dienstleistungen auszubauen: neue Webdesign-Kunden finden, wenn man eine lange Latte Referenzen zeigen kann, erscheint sehr viel erfolgversprechender als das mit den Chinesen! :-) Endlich die Schreibkurse für den Herbst ins Web stellen liegt weit näher, als einen „Gedicht-Shop“ zu realisieren (nein, nicht einfach Gedichte verkaufen, das läuft nicht – aber…. das verrat ich jetzt nicht, vielleicht mach‘ ich’s ja doch noch mal!).

Träge Sommertage

Entweder, die Ideen scheitern aus solchen Gründen, oder aber – meistens! – versacken sie einfach im Alltag. Sobald ich morgens Mail abrufe, bin ich mitten drin im Business as usual, und damit auch in einem Bewusstseinszustand „wie gewöhnlich“.

Aber im Gewöhnlichen erschafft sich das Neue nicht! Wenn ich das will, muss ich mir nicht nur „einen Ruck geben“, sondern dafür sorgen, mir den Zustand der Begeisterung zu erhalten, bzw. ihn neu zu erzeugen, wenn ich mit der Arbeit beginne.

Einmal hat das schon gut geklappt. Ein lieber Freund hat mich als Coach dazu bewegt, morgens nicht mit „dem Üblichen“ zu beginnen, sondern mit dem Neuen: Frech das eigene, gerade mal als Ideensammlung vorliegende Vorhaben mitten in die Hauptarbeitszeit legen. Das hat es gebracht! So ist im Sommer 2003 das Kursprojekt schreibimpulse.de entstanden, das ich auch tatsächlich als „zweites Bein“ in meiner Arbeitswelt etablieren konnte. Es macht wirklich Freude und ich entwickle es weiter, aber ich kann es zeitlich nicht so verdichten, dass es mehr Einkommen bringt. Mein inneres Potenzial, mit Gruppen zu arbeiten, ist begrenzt, ich kann mich nicht vervielfachen, brauche Pausen und Phasen „ohne Gruppe“.

Also wär‘ eigentlich das nächste Projekt dran. Ein „drittes Bein“ – aber welches? Unermüdlich arbeitet die innere Kreativ-Maschine, nutzt jeden inspirierenden Dialog, um ihre Einfälle in die Welt zu bringen, die dann auf die beschriebene Weise an den persönlichen „Filtern“ scheitern oder im Alltag versacken.

Der Sommer ist eine Zeit allgemeiner Verlangsamung. Das Draußen lockt, viele sind in Urlaub, alles Organisatorische zieht sich länger hin als sonst – es ist, als hätte die Welt auf einmal einen längeren, entspannteren Atem. Eine schöne Zeit! Aber gleich danach, das kenn ich schon gut, folgt eine Phase verstärkter Aktivität. Im frühen Herbst geht es wieder richtig los. Und ja, ich würde gerne mitgehen, zu neuen Ufern aufbrechen, eines meiner Projekte umsetzen – aber WIE überwinde ich nur dieses innere „Hängertum“?

Es beobachten ist das erste, drüber schreiben das zweite. Schon viele Male hat sich dann „etwas ergeben“, als gäbe es eine innere Instanz, die man nur genug in den Hintern treten muss – oder sie anbetteln: Nun mach doch bitte mal!!! Und irgendwann passiert er dann ganz plötzlich: der „Ruck“, der erste Schritt in die Verwirklichung, der die nachfolgenden leicht macht.

Na, ich arbeite dran und hoffe das Beste. Noch ist ja Sommer…

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Claudia am 03. Juni 2004 — Kommentare deaktiviert für Kein „Ruck“ – aber die Blockade zerbröselt

Kein „Ruck“ – aber die Blockade zerbröselt

Über Geld spricht man nicht – woher stammt eigentlich diese seltsame Volksweisheit, die selbst im Jahre 2004 noch immer jedem einfällt, wenn man es doch einmal tut? Eine Teilnehmerin in einer Frauenliste fand es sehr problematisch, dass ich so „offenherzig“ über meine Situation schreibe wie im letzten Diary-Artikel. Sie sei Kauffrau und würde nun ganz gewiss erst länger recherchieren, bevor sie mir einen Auftrag gibt, und dann versuchen, die Preise zu drücken. Das war aber auch schon die einzige negative Resonanz! Ansonsten konnte ich mich über allerlei Zuspruch und Ermunterung, konkrete Ideen und Angebote freuen – bis hin zu einer hilfreichen Spende. 1000 Dank!

Dass ich sogar das Kühe-Hüten in Betracht zog, brachte mir eine Anfrage, ob ich mich nicht um eine offene Stelle in einer Bergbauern-Initiative bewerben möchte. Und eine ehemalige Bauernmagd setzte mir auseinander, dass der Sennerinnen-Job ein Knochenjob sei – man „hütet“ ja nicht nur, sondern muss auch melken und Käse machen. Dafür gibt’s zwar in der Schweiz 100 Euro/Tag, aber man schafft es körperlich nur bis ungefähr 30. Naja, so ganz ernsthaft war ich in Sachen „Kühe hüten“ ja nun doch nicht…

Besser gefällt mir die Idee, „problematische Immobilien“ für Menschen zu verkaufen, die keine Lust auf Makler haben. Das ist mir schon mal im Leben zugestoßen und war eine interessante Erfahrung in einem Metier, das mir doch ziemlich fremd ist. Mit dem Honorar konnte ich dann eine Stadtteilkneipe eröffnen, die mir auch eher „zuflog“, als dass ich mich drum gerissen hätte. Gern würde ich auch hochpreisige Liebhaberobjekte im Web präsentieren – hier in der Nähe gibt’s so ein Gebiet mit interessanten Neubauten, darunter einige, die offensichtlich bisher keine Käufer oder Mieter fanden. Wenn ich mal ausrecherchiere, wie die im Web angeboten werden, treffe ich nur auf langweiligst gestaltete Datenbanken mit ein paar Angaben und je einem winzigen Bild. Muss das so bleiben?

Motivationskrise

Ach ja, es gibt viele Möglichkeiten – auch solche, die ein bisschen näher dran sind an meiner bisherigen Arbeit. Es ist ja nicht so, dass ich in den letzten Wochen schwer gewirbelt hätte, um bestimmte Angebote an den Mann bzw. die Frau zu bringen, eher war ich außerstande, meine „To-Do-List“ mit all den Ideen wirklich abzuarbeiten. Eine Art Motivationskrise, in der es absolut nichts gebracht hat, endlos über Möglichkeiten und Ursachen zu grübeln. Trotz aller Sorgen vergingen die Tage, ohne dass ich „effizienter“ wurde. Erst das immer neue Scheitern am Versuch, mich erfolgreich anzutreiben, führte zu einem inneren Loslassen. Ein paar Tage tat ich wirklich NICHTS – und zu meinem Erstaunen hab‘ ich auf einmal wieder Lust!

An den äußeren Bedingungen, z.B. am mittlerweile grundstürzend gewandelten Internet, ändert das zwar nichts – wohl aber kann ich mit Freude an der Sache wieder kreativ auf geänderte Bedingungen antworten (toi toi toi!). Einfach „irgendwas machen“, ohne einen Funken von Begeisterung, das konnte ich auch vor den Zeiten der Netze nicht. Hab‘ es ausprobiert, schon gleich nach dem Abitur und als Studentin. In den Semesterferien-Jobs lernte ich viele Unternehmen und Behörden von innen kennen und kämpfte ständig mit dem Einschlafen. Damals herrschten in Sachen Arbeit noch paradiesische Zeiten („Kommen Sie zu uns, Sie können gleich mit BAT 2A anfangen, wenn Sie Ihren Abschluss haben“), aber in so einer Behörde anzuheuern, erschien mir nur als lebendiges Begraben-Sein.

So ist es halt ein Patchwork-Lebenslauf geworden und keine Beamtenlaufbahn, wie mein Vater es sich gewünscht hätte. Die letzten acht Jahre – also die Netz-Zeit – waren verdammt spannend und abwechslungsreich. Ich bin gespannt, wie es weiter geht!

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Claudia am 27. Mai 2004 — Kommentare deaktiviert für Blockiert und ratlos: Warten auf den Ruck

Blockiert und ratlos: Warten auf den Ruck

Gestern morgen funktionierten zwei meiner Mailboxen nicht mehr, ich konnte zwar Nachrichten empfangen, aber nicht mehr versenden. „Unerwarteter Verbindungsabbruch“ war alles, was ich darüber in Erfahrung bringen konnte. Anstatt groß rumzuforschen, benutzte ich zum Senden eine andere Mailbox, und siehe da: heute geht es wieder. Aussitzen ist eben manchmal doch die beste Lösung!

Nicht länger „aussitzen“ kann ich die Frage, wie ich jetzt möglichst schnell wieder Geld verdiene – auf neuen und alten Wegen. Nach den ersten fünf, sehr gut gelaufenen Schreibimpulse-Kursen war eine kreative Pause angesagt. Die hab‘ ich mir auch gegönnt, locker darauf vertrauend, dass meine sonstigen Einkünfte die Lücke überbrücken werden. Dann aber begann es auch hier zu „stottern“: ein Hauptkunde balanciert am Rande der Insolvenz und zahlt nur Mini-Beträge ab, ein anderer, von dem einige Aufträge zu erwarten sind, hat ausgesprochen lange Entscheidungsfindungszeiten – und prompt steh‘ ich finanziell vor dem Nichts!

Was tun? Diese Frage ist mir im Alltag weit näher als das meditative „Wer bin ich?“ – und doch hat das eine mit dem Anderen viel zu tun. Seit 1996 arbeite ich „im Internet“, und zunächst dachte ich, ich hätte ein neues Paradies gefunden. Ich erschuf Netz-Magazine, knüpfte unzählige Kontakte, moderierte eine große Mailingliste, die einzig der „Webkultur“ gewidmet war – und ich machte Kunst, spielte mit den Möglichkeiten der neuen Technik, drückte mich in ihnen aus, entwickelte schließlich meine persönliche „Schreibe“, die die Jahre überdauert hat und in diesem Webdiary zu besichtigen ist.

Um den Gelderwerb musste ich mich zu Beginn nicht kümmern. Mein befristeter Arbeitsplatz als Projektleiterin bei einem ABM-Träger war gerade weggekürzt worden und – ausgehend von BAT 3a Vollzeit – hatte ich mittels Arbeitslosengeld ein recht bequemes Auskommen. Ich suchte NICHT nach einem neuen, ähnlichen Job, sondern warf mich mit aller Begeisterung, neugierig, lernwillig und schier unendlich belastbar auf das neue Medium. Und tatsächlich: Das Vertrauen, dass sich in Sachen Geld verdienen schon irgend etwas ergeben werde, hat nicht getrogen. Schon sehr bald kamen die ersten Interessenten, die sich von mir eine Website bauen ließen, zudem schrieb ich für Printmedien über Internet-Themen und dann sogar ein „Netzlexikon“ – erschienen im MIDAS-Verlag, leider ein wenig der Zeit voraus.

Über die Jahre ist es dann immer so weiter gegangen. Nie musste ich „akquirieren“, um zu Aufträgen zu kommen – immer fanden sich rechtzeitig neue Auftraggeber ein: Menschen, die mich aufgrund meiner nonkommerziellen Aktivitäten bemerkt hatten und Gefallen fanden an dem, was ich so mache. Und sie empfahlen mich weiter, gaben Folgeprojekte in Auftrag – bis heute funktioniert diese „Schiene“, doch kann sie mich nicht mehr vollständig finanzieren. Schließlich hat mittlerweile jeder eine Website, der sie wirklich braucht. Und wer macht in diesen schwierigen Zeiten schon Geld für ein Update locker, wenn es nicht unumgänglich ist?

Zudem hat sich die Netzwelt grundstürzend geändert. Manchmal staune ich, wie effektiv mittlerweile alles durchkommerzialisiert ist. Sucht man irgend eine kleine Hilfe bei ganz alltäglichen Bedürfnissen, landet man auf intelligent gestalteten Angebotsseiten: winzige Basic-Infos gibt es kostenlos, doch sobald auch nur der geringste echte Nutzen gefragt ist, ist die Registrierung und das Abo fällig. Und all das funktioniert mittlerweile auch. Die Leute ZAHLEN wirklich!

Ich bin keine Nostalgikern und stehe hier nicht an, über „den Kommerz“ zu klagen. Klar müssen alle Geld verdienen und warum zum Teufel soll irgend jemand seine hart erarbeiteten Werte fortlaufend kostenlos unters Volk werfen? Ja wo leben wir denn? Ganz gewiss nicht im Paradies!

Ich frag mich nur: was bedeutet das für MICH? Die Tatsache, dass das Netz zum großen kommerziellen Nutz-Medium geworden ist, heisst auch, dass es als „Kultur-Medium“ kaum mehr wahrgenommen wird. Zwar gibt es immer noch Menschen, die auf ihren Homepages und Blogs wundervolle Inhalte bieten, aber sie werden kaum mehr gefunden. Für Erwähnungen in Newslettern und auf gut besuchten Websites muss man lange schon zahlen, in den Suchmaschinen erscheinen fast nur noch kommerzielle Anbieter, die es sich leisten können, viel Arbeit in die „Optimierung“ ihrer Webseiten für Google et al zu investieren – mit allen Tricks.

Diese Entwicklung entzieht meiner bisherigen Art und Weise, zu Aufträgen zu kommen, den Boden. Das ist lange schon spürbar, aber ich hatte, solange es noch irgendwie ging, nicht wirklich Lust, mich dem Problem zu stellen. Ein Schritt in die richtige Richtung sind immerhin schon die Online-Schreibkurse – aber davon alleine werde ich nie leben können, wenn sie GUT bleiben sollen und nicht zu einem anonymen Massenbetrieb werden, bei dem ich dann nur noch das Organisatorische abwickle.

Das klingt so „mächtig“, so als könnte ich es tun, wenn ich nur wollte – aber so ist es nicht. Im Rahmen eines Jobs bin ich auch mal eine ganz ordentliche Verwaltungs- und Organisationskraft, aber wenn ein Projekt ganz „aus mir heraus“ entstehen und blühen soll, dann muss ich an meiner Arbeit auch richtig Freude haben. Und zwar nicht nur am Erfolg, sondern am konkreten Tun von Tag zu Tag.

Unter Druck..

Wie beneide ich doch gelegentlich die Menschen, die immer schon wissen, was sie arbeiten und womit sie nützlich sein können! So ein handfester, klar definierter Beruf, Arzt, Schornsteinfeger oder Steuerfachgehilfin – muss doch toll sein! Man weiß, wann die Arbeit zu Ende ist und muss sich keine Gedanken machen, wovon man demnächst leben wird. Und man hat „richtige“ Freizeit, sogar Urlaub. Das „ganzheitliche“ Leben und Arbeiten, in dem alles mit allem zusammen hängt, ist nicht wirklich die glückbringendere Wahl. So zumindest erlebe ich das zur Zeit, nach acht Jahren Selbständigkeit als „multi-dimensionale“ Webworkerin.

Was also tun? Tagtäglich gehe ich mit dieser Frage um, wohl wissend, dass sie nicht rein grüblerisch zu lösen ist. Es gibt ja doch etliches, was ich tun könnte – immer wieder mal schreib ich eine neue To-Do-Liste, um mir die Möglichkeiten neu vor Augen zu halten, aber es bedarf zumindest eines kleinen Funkens heller Begeisterung, um so richtig mit etwas Neuem loszulegen. Statt dessen wächst nur der Druck, der von meinem Kontostand ausgeht. Noch nie hab‘ ich mich so blockiert gefühlt wie in den letzten Wochen.

Darüber schreiben ist immer eine gute Möglichkeit gewesen, mir klar zu machen, was eigentlich los ist. Im Moment scheint auch diese „Methode“ wenig Erhellung zu bringen. Ich kann die Situation beschreiben, aber der „Ruck“, der irgendwie kommen muss, geschieht nicht, indem ich Sätze aneinander reihe. Meine innere Bereitschaft, auch radikale Lösungen anzunehmen, ist mittlerweile groß – nichts dagegen, wieder mal „angestellt“ zu arbeiten oder als „feste Freie“ kommerzielle Projekte zu pflegen, Communities zu bedienen, PR- und Werbetexte zu schreiben, Newsletter zu betreuen, was immer halt gebraucht wird. Auch außerhalb des Netzes würde ich arbeiten, wenn sich etwas anböte – aber all das führt nur mitten hinein ins Heer der Arbeitslosen, die genau solche Jobs suchen.

Kühe hüten?

Kürzlich sah ich mal eine Website, die sich auf die Vermittlung von Kühe-Hüterinnen spezialisiert hatte. Auf der Alm sitzen und aufpassen, dass keine Kuh abhaut oder abstürzt – Monate lang! Was für ein Leben das wohl sein mag? Selbst das würde ich vielleicht probieren – aber natürlich wäre ich dafür „überqualifiziert“ und würde nicht genommen. Und meine Festkosten könnte ich damit auch nicht erwirtschaften.

Ja verdammt noch mal, was soll ich also tun? Einen Kredit aufnehmen, um drei Monate zu überbrücken? Bis dahin hat mich der „Ruck“ gewiss dreimal ereilt und die Zeit würde reichen, etwas Neues zu entwickeln, das mich finanziell wieder ausreichend trägt. 5000 Euro wären genug, meine materiellen Bedürfnisse sind schließlich minimal und die Festkosten hab‘ ich sicherheitshalber immer so niedrig wie möglich gehalten. Aber auch das ist keine echte Möglichkeit – einer Freiberuflerin ohne Sicherheiten gibt niemand Kredit, heutzutage weniger denn je.

Im Moment versuche ich, die eigene Blockade durch „Körperarbeit“ aufzulockern. Alle zwei Tage bin ich im Fitness-Center – die 40 Euro pro Monat hab‘ ich noch nicht eingespart, da die Kündigungszeiträume eh viel zu lange sind. Ich übe jetzt Krafttraining, in der Hoffnung, dass mir nicht nur körperliche Kraft zuwächst. Und danach dann immer die Rishikesch-Reihe – Yoga als Dehnungsübung im Anschluss an die Geräte.

Tatsache, ich fühl‘ mich dann besser, optimistischer, gelassener – aber auf den „Ruck“ warte ich immer noch.

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Claudia am 19. Mai 2004 — Kommentare deaktiviert für Zwischen Sein und Sollen

Zwischen Sein und Sollen

16 Tage kein Diary-Eintrag. Ich glaub‘, das war die längste Pause, die es je gegeben hat. Ein Teil von mir ist regelrecht in Streik getreten, leider nicht nur in Sachen „Webdiary“. Alles Tun und Machen am PC zeigte sich auf einmal als etwas, das ich lieber vermeiden würde – und ich hab‘ es vermieden bis an die Grenze des Möglichen, sprich: bis das Konto auf Null war. Acht Jahre „am Netz“ – an sowas wie Urlaub dachte ich nie. Ob es daran liegt? Ich weiß es nicht, so richtig „in die Ferne“ hat es mich ja auch nicht gezogen, nur vom Monitor wollte ich mich entfernen, ein paar Meter reichten schon aus.

Putzen, aufräumen, das Klein-Chaos in allerlei Ablage-Ecken beseitigen, Staub saugen – nie zuvor hat all das solchen Spaß gemacht. Noch lieber gehe ich spazieren, ohne Ziel, einfach den Körper in Bewegung spürend, den Duft der blühenden Bäume riechend, die Berliner Skyline mit Fernsehturm Ost bewundernd, die von den nahen Brücken über die Spree und über die S-Bahn so gut zu sehen ist. Auch Blumen gießen auf dem Balkon macht Freude – hätte mir jemand prophezeit, dass ich eines Tages spießige Stiefmütterchen und ähnliche Ex-und-Hopp-Pflanzen erwerbe, um „Frühling, ganz nah“ zu erleben, hätte ich mir an die Stirn getippt. Tja, sag niemals nie!

Auch das Fitness-Center sieht mich wieder jeden zweiten Tag. Monatelang war ich nur zahlende Karteileiche. Die große Langeweile hatte mich überkommen, damals im Januar. Immer dieselben Bewegungen, ein blödes Herumturnen an komischen Apparaten. Also dachte ich mir: Packs mal anders an! Warum nicht mal ein bisschen mehr anstrengen? Nicht nur fit bleiben und dafür eine öde gewordene Routine abziehen, sondern ein Ziel anstreben, Muskeln aufbauen, mal wirklich STÄRKER werden, so dass mir der Kasten Wasser locker in der linken Hand liegt bis hinauf in den dritten Stock. Einen Klimmzug machen können, und nicht wie ein schlaffer Sack hilflos an der Stange hängen…

Gedacht, getan. Bei jedem der Geräte legte ich ein paar „Kohlen“ auf und übte mit deutlich höherem Gewicht. Ging auch ganz gut, doch bemerkte ich erst zwei Tage später, dass der Schmerz am linken Oberschenkel nicht Teil des allgemeinen Muskelkaters war, sondern ein Muskelfaserriss: eine richtige Delle, daneben eine Schwellung. Das war´s erst mal in Sachen Fitness-Center! Erschreckend, wie leicht man sich verletzen kann – und ich hatte es nicht mal bemerkt, während es geschah.

Jetzt trau ich mich wieder, vorsichtig, langsam, und spüre, wie sich der Körper freut. Wir sind nicht dafür gebaut, unsere Tage Tasten klickend vor einem Bildschirm zu verbringen. Auch ein bisschen „zügig Gehen“ zwischendurch reicht keinesfalls aus, um allen Muskeln mal wieder das Gefühl zu geben, am Leben beteiligt zu sein. Nach einer Stunde Training fühl ich mich wie neu, könnte Bäume ausreißen! Aber leider: das braucht es halt nicht, Konto auffüllen ist angesagt, und das geht nun mal nur hinter dem Monitor.

Da sitze ich jetzt wieder und versuche, den Ehrgeiz wieder zu erwecken, den ich brauche, um etwas Neues zu erschaffen. Zum reinen Selbstausdruck reicht mir das Schreiben, mal im Web, mal in einem privaten Mail-Dialog. Könnte ich dem einfach folgen, käme gelegentlich ein künstlerisches Webprojekt hinzu – es gibt so einiges, was ich gerne zeigen, in Form bringen, in die Web-Welt setzen würde, wenn ich es mir leisten könnte. Vielleicht sollte ich diese „Herz-Projekte“ einfach mal beschreiben und Sponsoren suchen?

Zuvorderst stehen jedoch andere Dinge an, neue Schreibimpuls-Kurse zum Beispiel. Es macht Freude, mit einer Gruppe zu arbeiten, Menschen zum Schreiben zu motivieren, Resonanz zu geben, zu kommentieren und zu kommunizieren. Aber Non-Stop kann ich das nicht durchziehen, so einen Kurs nach dem Anderen, dass ich davon alleine leben könnte. Es ist, als verbrauchte ich dabei eine Energie, die ich anderwo auftanken muss: Im Allein-Sein, alleine arbeiten, OHNE dabei ans Geld denken zu müssen. Wie ich mir DAS finanziere, ist im Grunde die Frage, die ansteht.

Grad rief mich ein lieber Freund an, unterbrach mein „Ringen um die richtige Arbeitslaune“, entführte mich für kurze Zeit in seine Welt, die für wenige Minuten eine gemeinsame wurde. Meistens mag ich es nicht, telefonisch unterbrochen zu werden, und sage das auch allen, die das Telefon gern zu mehr als zum bloßen Info-Austausch benutzen. Aber nichts, was ich mir so denke, gilt ja absolut, es gibt Ausnahme-Momente – und das war jetzt so einer. Der Text war ja just in diesem Augenblick zu Ende.

Immer wieder in den Augenblick kommen, das JETZT wahrnehmen und darüber staunen, dass ICH da auf seltsame Weise verschwinde – das ist eine „Übung“, an der ich soviel Geschmack gefunden habe, dass es oft schwer fällt, ins zukunftsorientierte Planen und Arbeiten zurück zu kommen. Ich kenne viele Menschen, die offensichtlich gar keinen Zugang zu diesem immer vorhandenen Paradies haben, sie sind fortlaufend am Denken und Grübeln, am Planen und Fürchten, am Analysieren und Hinterfragen, nehmen ihre Umwelt und auch ihren Körper kaum noch wahr, bis irgend eine Katastrophe unabweisbar dazu auffordert, mal wieder ein wenig wach zu werden, wach für das, was ist.

Nun, egal, wo und wie man sich befindet: es scheint immer die passende Art Katastrophe zu geben! Bei mir ist es halt grad der Kontostand, der mich aufs Heftigste aus dem Augenblick in die virtuelle Welt zurück zieht – in die Welt des rationalen Sorgens um Zukunft und Fortkommen. Dabei will ich gar nicht FORT kommen, verdammt noch mal. Sondern einfach DA sein!

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Claudia am 15. April 2004 — Kommentare deaktiviert für Allein und undefiniert

Allein und undefiniert

In elektronischen Verschaltungen gibt es Zustände, die nennt man „undefiniert“: Wenn nämlich nicht vorgegeben und also auch nicht voraussehbar ist, ob sie im konkreten Einsatz nun zu „null“ oder „eins“ werden. Mich hat das verwundert, als ich es in meiner Umschulung/Weiterbildung zur EDV-Fachkraft erfuhr. Wozu ist das gut? Wofür braucht es unklare Verhältnisse in einer technischen Umgebung, die doch gerade dazu da ist, die Abläufe zu automatisieren, sie also vollständig in den Griff zu bekommen?

So richtig verstanden hab‘ ich es letztlich nicht, aber ich erinnere mich manchmal daran, wenn ich allein bin. Vom Aufstehen bis zum Ins-Bett-Gehen kein Kontakt zu irgend jemandem – je älter ich werde, desto paradiesischer erscheint mir dieses Alleinsein. Ob ich maile oder Mails lese, entscheide ich dann ganz nach Laune, fühle mich in jedem Moment frei, zu tun oder zu lassen, was mir gerade in den Sinn kommt, was für ein göttlicher Zustand! Alle meine Freunde wissen, dass ich nicht gern telefoniere, dass ich dieses fordernde Echtzeit-Medium fast nur zum Austausch wichtiger, zeitkritischer Infos benutze – und so kann ich tatsächlich das „Einsiedeln“ praktizieren, mitten im normalen Leben, zumindest am Wochenende, wenn ich nicht für Auftraggeber erreichbar sein muss.

Was ist so schön daran? Manchmal sinne ich darüber nach, während die Stunden verrinnen, Stunden, die mich immer weiter vom gesellschaftlichen Dasein entfernen, mich aus allen Verstrickungen heraus heben, von sämtlichen Erwartungen Anderer befreien. Was bin ich ohne den Mitmenschen? DAS erlebe ich dann und empfinde Glück: bin nicht mehr JEMAND, bin nicht in soziales Sollen und Wollen eingebunden, bin nichts Bestimmtes – bin undefiniert!

Die Webdesignerin, die Beraterin, die Kursleiterin, das Mitglied der Coachingrunde Berlin, die Schreibende, die Freundin, die Schwester und Tochter – all das ist weg, fällt von mir ab wie begrenzende Schalen, die mich in Formen pressen: durchaus gute und nützliche, manchmal lustvolle und bereichernde Formen – aber durchweg nicht das, was ich tatsächlich bin: undefiniert. Wenn ich alleine bin, kehre ich zu diesem formlosen Selbst zurück und genieße das spontane So-Sein, aus dem all diese Formen geboren werden, wenn ich mit Anderen in Kontakt trete.

Früher…

Es war nicht immer so, ich erinnere mich gut. Früher konnte und wollte ich nicht allein sein, langweilte mich dabei, fühlte mich unruhig und unausgefüllt, suchte ständig Kontakt zu irgend jemandem, besuchte dann Freunde, saß dort endlose Stunden herum und redete und redete: Erst im Angesicht des Anderen spürte ich mich, fühlte ich mich richtig als Mensch, halbwegs vollständig und handlungsfähig. Alleinsein war Angst-besetzt, obwohl ich das nie zugegeben hätte, nicht einmal vor mir selbst.

Dann die vielen Jahre mit M., meinem philosophischen Lebensgefährten. Wand an Wand, jederzeit konnte ich rüber gehen und plaudern, musste aber auch stets damit rechnen, dass ER herein kam (was aber eher selten geschah, er war immer schon gerne für sich). Im Grunde eine optimale Situation für jemanden, der nicht allein sein mag: In meinem Wohn-Schlaf-Arbeitszimmer war ich für mich, doch immer mit der Möglichkeit, in Kontakt zu treten. Ich war zufrieden, aber im Lauf der Zeit fiel mir doch auf, wie sehr wir uns einschränkten, um uns gegenseitig nicht zu nerven: kein Radio, TV nur zusammen, ein Leben ohne Musik, und nur sehr seltene Besuche. Anders wäre diese Nähe nicht möglich gewesen, nicht für uns beide, die wir jeder ein eigenes Leben lebten. Und – das merkte ich aber erst nach meinem Auszug – diese extrem rücksichtsvolle Form der Zweisamkeit hat mich fürs Alleinsein geöffnet.

Als ich dann Anfang 2003 in meine eigene Wohnung zog, zum ersten Mal seit zwölf Jahren, empfand ich dieses gänzlich neue Verhältnis zum Mit-mir-und-sonst-niemand-Sein wider Erwarten als sehr sehr angenehm: Was für eine Ruhe und Freiheit! Keinerlei „gemeinsame Gewohnheiten“ strukturieren meinen Tag, ich muss niemandem etwas erklären, wenn ich von diesen Gewohnheiten abweiche. Muss nicht sagen, wo ich hingehe und wann ich zurück komme und kann völlig verrückte Dinge tun – z.B. auch mal tagsüber schlafen, fünf mal täglich kochen oder auch gar nichts essen, laut oder still sein, Unordnung entstehen lassen und nachts um zwölf aufräumen, 15 Stunden am PC sitzen oder ihn, z.B. Samstags, gar nicht erst einschalten. Oder auch mal nichts tun, gar nichts. Niemand schaut mir zu und kommentiert, hinterfragt, fordert mich zu Erläuterungen heraus, es ist eine völlig andere Seinsweise als das ständige Miteinander – frei, entspannt, spontan, friedlich ver-rückt!

Während ich so schreibend den Freuden des Alleinseins nachspüre, merke ich, dass ich nur an der Oberfläche kratze: all das sind Äußerlichkeiten, treffen nicht den Kern. Die Routinen des Zusammenlebens hab ich schließlich sehr geschätzt, das Kochen und Essen zu bestimmten Zeiten, den Spaziergang, zu dem ich mich alleine eher schwer aufraffe – ja, in meinem Solo-Wohnen ringe ich eigentlich ständig um Selbstdisziplin und gewisse Strukturierungen meines Tages: abgesehen von den Kunden und Kursteilnehmern ist da ja nichts und niemand, was mich zwingt. Alles kommt aus mir, oder eben nicht.

Und doch: es ist gut, wie es ist. Selbst wenn ich 1000 Mal zum eigenen Ärger der Trägheit verfalle, wieder einmal nicht das schaffe, was ich mir vorgenommen habe, so weiß ich doch genau darüber Bescheid, dass ICH es bin, die nun mal so ist, im Guten wie im Schlechten. Und wenn ich morgen beschließe, jetzt ernsthaft einen Plan zu machen: eine Woche lang ausprobieren, wie sich ein anderer Rhythmus von Schlafen und Wachen, Arbeit und Freizeit, drinnen und Draußen-Sein wohl anfühlen mag – dann hindert mich nichts, das sofort in die Tat umzusetzen. Das Leben hat auf diese Weise etwas Abenteuerliches, das ich – man merkt es gewiss – schlecht in Worte fassen kann.

Vielleicht ist das Wesentliche am alleine Leben, nicht auf bestimmte Seinsweisen festgenagelt zu werden, wie es ganz automatisch geschieht, wenn ich mit jemandem sehr eng zusammen bin. Zwangsläufig entstehen Erwartungen, ich möge immer so sein, wie ich gestern war – und schon bin ich in der Situation, jedes Anders-Sein rechtfertigen und erklären zu sollen. Bedeutender noch: Ich neige dazu, das Bild, das der Andere von mir hat, einfach zu übernehmen: aha, so bin ich! Wenn ich auf ihn/auf sie so wirke, muss ich wohl SO sein. Und schon bin ich dabei, mich (durchaus unbewusst) selber einzuschränken: Jemand, der SO ist, handelt auch SO, denkt SO, und nicht etwa anders.

Nun werde ich bald fünfzig, hatte also schon genügend Gelegenheit, zu bemerken: Ich bin bei jedem/für jeden eine Andere. Jeder Dialog und jede Interaktion erschaffen mich neu, das Bild, das beim Anderen entsteht, kann mein Selbstbild bereichern und verändern, aber ich tue gut daran, nicht zu vergessen, dass es sich um bloße Bilder handelt: statische Momentaufnahmen von Aspekten des Daseins und Soseins, auf die ich mich besser nicht festnagele.

Alleinsein bedeutet vor diesem Hintergrund ein Loslassen aller Bilder und Formen, ein Bad in der Leere, ein Löschen sämtlicher Speicher. Allein bin ich nichts Bestimmtes und finde zurück zur Möglichkeit, alles zu sein – zumindest potenziell. Wie angenehm, so wunderbar „undefiniert“!

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Claudia am 15. April 2004 — Kommentare deaktiviert für Meine Wirklichkeit und wie sie entsteht

Meine Wirklichkeit und wie sie entsteht

Immer wieder wundere ich mich, wie sehr mein Erleben vom Wetter bestimmt ist. Noch vor ganz kurzer Zeit war ich in ziemlich mieser Stimmung, die Arbeit ging mir tendenziell auf die Nerven, ich sah keine Perspektiven, fühlte mich schwer und leer. Alles erschien mir als Last, nicht etwa als Lust!

Nun hat vor zwei Wochen der Frühling so richtig eingesetzt und alles ist anders. Keine einzige Rahmenbedingung hat sich verändert, Auftragslage und Konto sind wie gehabt, aber auf einmal ist mir die Welt wieder ein Abenteuerspielplatz. Ich fühle mich inspiriert, bin guter Dinge und gegenüber „Problemen“ bleibe ich gelassen, kann sogar über mich selber schmunzeln. Unglaublich – und nur wegen ein bisschen Wärme und Sonnenschein!

Per Aspera ad Astra?

Ein lieber Freund, dem ich gern berichte, was mich so in Bezug auf mein Arbeitsleben umtreibt, machte mich darauf aufmerksam, dass ich dies alles immer im Stil einer „Leidensgeschichte“ vortrage – als Aneinanderreihung von Problemen und eigenen Defiziten, die es zu lösen bzw. zu überwinden gelte. Also „per aspera ad astra“, durch die Wüste (das Leiden) zu den Sternen. Er fordert mich auf, von den „Figuren“, die ich in meinem Dasein vorfinde, zu „Skulpturen“ fortzuschreiten, die ich selber erschaffe. Dies bedeute lediglich eine Veränderung des Blickwinkels, keine völlige Neuschaffung sämtlicher Elemente, aus denen sich sowohl die Figuren als auch die Skulpturen zusammen setzen. Glücksgeschichten schreiben, statt Leidensgeschichten erzählen!

Im Grunde weiß ich, dass es geht, weiß es zum Beispiel durch die Erfahrung mit dem Frühling. Dass ich „trotz Frühling“ einen typischen „Per aspera ad astra-Bericht“ abliefere, ist einfach eine Gewohnheit. Ich könnte mich auch mit dem Frühling verbinden, also sagen: DAS bin ich jetzt, dieses Gefühl von Aufblühen, Fantasie und Kraft – und das wende ich jetzt einfach mal an und sehe, was ich daraus machen kann.

Pointers – Wegweisende Gespräche mit Sri Nisargadatta Maharaj

Dazu passt, was ich gestern in einem spirituellen Buch las, in das ich immer mal wieder schaue, ohne wirklich zu verstehen (bin ja nicht erleuchtet…). Es heißt „Pointers – Wegweisende Gespräche mit Sri Nisargadatta Maharaj“. Zu ihm kam mal eine Besucherin, die eine Frage über die Bhagavadgita stellen wollte. (In jenem Epos erscheint dem Arjuna, der gerade gegen seine eigenen Verwandten einen Stammeskrieg führen soll und darüber fast verzweifelt, der Gott Krishna, der ihn berät und belehrt).

Während sie noch im Begriff war, die richtigen Worte zu finden, fragte Maharaji: „Von welchem Standpunkt aus lesen Sie die Gita?“ Sie murmelte etwas von „wichtiger Führer für spirituell Suchende“, was der Erleuchtete jedoch als dumme Antwort ablehnte. Er frage sie ja nicht nach der Textsorte, zu der das Buch zähle, sondern nach ihrem STANDPUNKT als Lesende. Von einem anderen Besucher kam schließlich eine Antwort: „Ich lese es als einer der Arjunas in dieser Welt, zu deren Nutzen der Herr gnädigerweise die Gita gegeben hat“.

Maharaj daraufhin: „Warum lesen Sie die Gita nicht aus der Sicht des Lord Krishna?“

Ja, warum eigentlich nicht? Wenn ich mir das genau ansehe, dann ist der wahre Grund nicht etwa der, dass ich es für unmöglich hielte, die Perspektive des Glücks, des Frühlings, des Erleuchteten einzunehmen und von daher auf das eigene Dasein zu schauen. Ob es möglich oder unmöglich ist und wieweit es trägt, das zeigt sich ja erst, wenn man es TUT, wenn man es zumindest ausprobiert! Meine Ablehnung liegt aber bereits VOR diesem Versuch. Warum nur?

Tja, die Antwort ist nicht besonders schmeichelhaft: Ich müsste etwas AUFGEBEN, an dem ich offensichtlich noch immer hänge: mein Leiden! Genauer gesagt, mein Selbstverständnis als Leidende, als Problemkind, das lieber über die Leiden, Probleme und Defizite des eigenen Daseins lamentiert, anstatt die Dinge kreativ anzugehen. Diese Haltung stammt vermutlich aus uralten Kindertagen: Mami, Mami, ich hab mir das Knie aufgeschürft, HEUL!!!!!!!!!!!!!!!!

Aber wer hat nicht auch schon mal beobachtet: Da stolpert so ein Kleinkind, schlägt sogar recht heftig auf dem Boden auf – man erwartet markerschütterndes Gebrüll! Jedoch: es verzieht zwar für einen Moment das Gesicht, schaut dann aber um sich und stellt fest, dass niemand sein Fallen bemerkt hat. Prompt rappelt es sich wieder auf und geht weiter, anstatt sich fürs laute Weinen zu entscheiden. Schaut die Mutter aber gerade hin, ist kein Halten!

Schon dieses kleine Kind HAT also (zumindest gelegentlich) die freie Wahl, ob es sich nun ins Leiden fallen lässt oder lieber anderen Impulsen folgt. Fällt die Entscheidung in Richtung Leiden, dann geschieht das, um die Aufmerksamkeit der geliebten Person zu binden, ihren Trost und ihre Streicheleinheiten zu genießen.

Im Unterschied zu Kleinkindern, die das Ganze im nächsten Augenblick wieder vergessen haben, ob sie nun weinen oder nicht, muss ich als Erwachsene mehr aufgeben als nur die Chance, im Moment angenehm bemuttert zu werden. Mich gegen das Leiden entscheiden, heißt nicht nur, aufs öffentliche Jammern und Schimpfen zu verzichten und Freunde nicht als Klagemauer zu benutzen, sondern auch, den entsprechenden „inneren Monolog“ abzuschalten. DAS ist der zentrale Punkt – und das fällt verdammt schwer!

Aber wiederum nicht, weil es nicht funktionieren könnte, etwa, weil die Gedanken nun einmal kommen und weiter laufen, immer weiter um das Leiden und die Probleme kreisend. Ob das wirklich unveränderbar so ist, stellt sich doch erst heraus, wenn ich es entschlossen versuche, wenn ich den auftauchenden Leidensgedanken ein „Stopp“ entgegen setze und den Denkapparat mit selbst gewählten Inhalten beschäftigte. Nein, es ist kein Unvermögen, sondern ein Unwille: ich merke, ich WILL es nicht, weil das, was ich „ausschalten“ müsste, einen großen Teil von dem ausmacht, was ICH bin. Was ich „für mich“, in meinem Selbstverständnis bin. Die Idee fühlt sich an, als müsste ich einen Teil von mir töten, amputieren.

Ja, das ist es. Beobachtet, erkannt, in Worte gefasst, hingeschrieben, ins Web gestellt – wenn ich jetzt gleich den „Send-Button“ gedrückt habe, entscheide ich mich mal für das Glück. Zumindest für heute – mal sehen, wie es funktioniert.

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Claudia am 28. März 2004 — Kommentare deaktiviert für Das Irrationale

Das Irrationale

Sonntagmorgen. Die Welt ist seltsam still, der Himmel verhangen, nur selten höre ich ein Auto vorbei fahren. Ich trinke Kaffee, arbeite einige Mails ab, die in der Woche liegen geblieben sind. Starre auf den Eingangsordner, während sich die SPAM- und Virenmails mit ihren voluminösen Anhängen hereinquälen – ob es noch mal dazu kommen wird, dass man gar nicht mehr mailen kann?

Das soll mich jetzt nicht interessieren! Sechs Stunden Zeit liegen vor mir, die ich nutzen will, um liegen gebliebenen Papierkram zu erledigen. Hinterher werde ich ein gutes Gefühl haben: Alles wieder im Griff, alle Bälle zurück gespielt, Behörden und andere „Gegner“ mit Stoff versorgt: ich werde wieder „im Reinen“ sein. Nicht mit mir, aber mit denen, die etwas von mir wollen, das aus dem täglichen Tun heraus fällt.

Warum nur fällt es mir so schwer, diese Dinge rechtzeitig zu erledigen? Warum lasse ich immer wieder kleine und mittlere Stapel auflaufen, die mir dann dieses unangenehme Gefühl des „Ich müsste jetzt aber…“ geben? Je höher so ein Stapel wächst, desto weniger erinnere ich mich an seine einzelnen Vorgänge und Inhalte. Dadurch verstärkt sich das miese Gefühl noch einmal, denn es entgleitet das Wissen darum, „was droht“. Und Ungewissheit ist eine der stärksten Drohungen, der sich das verwaltete Individuum ausgesetzt sieht.

Selber schuld. Immer wieder. Warum mache ich es nicht endlich besser? Es kann doch kein Problem sein, die wenigen Schriftstücke und Formulare, die ich so pro Vierteljahr an die Welt verteilen muss, rechtzeitig zu verfassen! Statt dessen folge ich den Impulsen des Augenblicks – und zwar ganz besonders dann, wenn ich „den Papierberg“ vor mir sehe.

WER ist das, der sich so verhält? Immer, wenn Sein und Sollen (oder auch Sein und Wollen) auseinander klaffen, stellt sich diese Frage neu. Bin ich vielleicht nicht eine, sondern zwei oder gar viele Personen? Diese Antwort kann recht inspirierend sein: Ich gebe den einzelnen Wesensteilen, die sich so unterschiedlich ausdrücken, verschiedene Namen und beobachte, wann sich welcher Aspekt an die Steuerknüppel des Daseins drängt. Anstatt alles, was jenseits des „vernünftigen Denkens“ lebt und handelt, zu verurteilen und wegdrängen zu wollen, schließe ich Frieden mit „Mrs. Hide“. Es fließt dann keine Energie mehr ins Verdrängen und Verleugnen, das ist schon mal ein Fortschritt. Ja, ich bin nicht nur „die Vernünftige“, die immer alles problemlos hinbekommt. Ich bin auch die Ver-rückte, die sich gehen lässt, die nicht ans Morgen denkt und aus dem Augenblick heraus dies und das anstellt – oder einfach nur „stört“, z.B. wenn’s ums Abarbeiten ungeliebter Verwaltungsdinge geht.

Eine andere Antwort wäre: Da ist gar nichts: kein „Ich“ nirgends! Das Ich ist nur ein Gedanke – was ja auch den Tatsachen, den „Hard Facts“ entspricht. Und als Teil des Denkens ist die Wirkungsmächtigkeit dieses Gedankeninhalts eben äußerst beschränkt: es gibt das „Ich“ genauso lange, wie ich es denke. Drastisches Beispiel: Wenn jetzt neben mir der Blitz einschlägt, gibt’s in diesem Moment KEIN ICH. Es gibt nur Gewahrsein und das Geschehen – wobei die Frage, ob Gewahrsein/Geschehen noch zwei verschiedene „Tatsachen der Welt“ sind, philosophisch zwar interessant ist, aber in diesem Augenblick gänzlich unwichtig.

Bringt mich diese Antwort weiter? Ja und nein. Sie ist einfacher als die Vorstellung des „inneren Zoos“, diese Versammlung unterschiedlicher Wesensteile, denen ich ja doch wieder in der Haltung eines „Dompteurs“ gegenüber stehe. Und Einfachheit ist ein hoher Wert. Andrerseits enteignet sie mich weiter: Immer nur im Denken bin „ich“ da – der große Rest ist einfach Geschehen, aus dem heraus immer wieder das Denken aufblitzt. Veränderungen sind nicht machbar, sagte mir heut morgen ein Freund am Telefon. Alles Geschehen verhält sich im Gegenteil so wie ein Fluss: Jahrelang fließt das Wasser über Geröll – und irgendwann ist der Untergrund dermaßen gelockert, dass der Stein ganz plötzlich aus seiner bis dahin festen Lage fällt und in eine neue Situation gerät.

Ich werde jetzt eine Runde um den Block laufen. Und dann, sofern sich das Denken durchsetzen kann, die Umsatzsteuervoranmeldung machen – endlich!

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