Thema: Lebenskunst, Philosophisches

Reflexionen über Wesentliches

Claudia am 22. Juli 2001 — 1 Kommentar

Vom Ziel der Suche

Das ganze Leben ist eine Suchbewegung, man kommt einfach nicht davon weg. Jedes Baby sucht die Nahrungsquelle, Wärme und Berührung, Kinder suchen Erfahrungen, Abenteuer, Wissen von der Welt. In der Pubertät erwacht ein neues Verlangen und wir suchen Erfüllung beim Anderen, in Verliebtheit und Sex. Einige Beziehungserfahrunen weiter fällt uns auf, daß das nicht alles ist, Erfolg und Anerkennung im Beruf oder anderen Formen des Engagements werden enorm wichtig. Sind wir dann endlich erfolgreich, versuchen wir, das Erreichte abzusichern – und suchen schon bald nach Abwechslung, wenn das „abgesicherte“ Leben zur Routine wird.

Zen-KreisIn all diesem Streben gibt es gute und schleche Zeiten. Alles kann flutschen und wir hüpfen leichtfüssig von Gipfel zu Gipfel, das Leben erscheint als Freudentanz. Es kann aber auch schief gehen. Liebesleid und Mißerfolge, Verletzungen und Verluste, Krankheit, Alter und Tod sind unausrottbar und erwischen uns immer auf dem falschen Fuß. In diesen Tiefs rückt dann auf einmal eine andere Suche in den Blick: wenn wir nämlich zu fertig, ausgelaugt und verzweifelt sind, um gleich ans nächste Werk zu gehen, den nächsten Kampf zu wagen oder wieder andere Menschen zu suchen, mit denen vielleicht alles besser geht als mit den Allernächsten.

DANN vernehmen wir auf einmal andere Stimmen, lesen neue Suren, öffnen uns für die spirituellen Lehren, die – auf welche Weise auch immer – versprechen, das Übel an der Wurzel auszurotten. Warum unter größtem Einsatz immer wieder neue Häuser bauen, wenn sie doch früher oder später alle einfallen? Wenn der kalte Hauch der Vergänglichkeit die Grundfesten erzittern läßt, auf denen wir so fest zu stehen meinten, dann dürsten wir nach der „Endlösung“ und sind zu allem bereit. Bis die Lage sich wieder entspannt hat, alles wieder besser läuft, vielleicht sogar mit Hilfe einer kurzzeitig geübten spirituellen Praxis, die uns harmonisiert, beruhigt, konzentriert und zu innerer Distanz verhilft. Der Kampf ums Dasein geht gleich wieder leichter von der Hand, warum hab ich mich nur so aufgeregt? Ist doch alles so schön bunt hier… Und schon sind wir wieder am aufbauen, entwerfen, erobern, verteidigen und absichern, blind dafür, daß all dieses Tun wie in den Sand geschrieben ist.

Ich sehne mich nach einem Zuhause, daß von Menschen und Dingen unabhängig ist, nach einem Ankerpunkt, der logischerweise nur im Nichts liegen kann, etwas Unmögliches also. An diesem Verlangen stelle ich verwundert fest, daß die Suche wieder da ist. Die Suche, von der ich lange glaubte, sie abgelegt zu haben nach dem Motto: Tu, was anliegt und erwarte nichts! Oder wie ZEN sagt: Holz hacken, Wasser holen.

Jetzt stelle ich fest, wie weit ich von solcher Einfachheit entfernt bin. Welches Holz? Welches Wasser? Was immer ich tue, fächert sich auf in ein Feld von Möglichkeiten und die alten Formen, aus den Teilen ein Netz zu knüpfen, haben sich totgelaufen. Ich greife also irgendwie hinein, und versuche vielleicht, Wasser zu hacken – so kann das nicht gehen! Hinzu kommen Anstöße und Irritationen, die mir Fragen stellen: Was bist du, ohne deine Gesundheit, ohne deine Nächsten, ohne dein Bankkonto?

Wer warst du, bevor dein Vater und deine Mutter sich trafen?

Ich weiß es nicht, aber die Frage ist mir nicht mehr egal. Weiter → (Vom Ziel der Suche)

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Claudia am 12. Juli 2001 — 1 Kommentar

Was du nicht erfühlen kannst, das wirst du nicht erjagen

Vier Tage ohne Diary. Ohne mich zu verbiegen bzw. „zusammenzureißen“ hätte ich einfach keinen sinnvollen Satz hinschreiben können, also laß ich es lieber ganz. Eine Phase der Leere hat mich im Griff: Der große Umzug ist überstanden, die Stadt wieder ein Stück Normalität geworden – und was kommt jetzt? Weiter → (Was du nicht erfühlen kannst, das wirst du nicht erjagen)

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Claudia am 08. Juli 2001 — Kommentare deaktiviert für Ein Jahr gewonnen… ;-)

Ein Jahr gewonnen… ;-)

Die Hitze ist vorbei, die Tage der Trägheit finden so ihr natürliches Ende. Leider hab‘ ich das Gewitter, nach dem ich mich so gesehnt hatte, heute nacht gar nicht mehr mitbekommen. Jetzt ist es angenehm kühl, richtiges Arbeitswetter!

Arbeiten? Sonntags? Warum nicht, schließlich hat mich auch nichts abgehalten, am Freitag an den Werbelliner See zu fahren. Ein alter Freund hat dort einen Wohnwagen stehen, meine Güte, es ist 31 Jahre her, daß ich einen Campingplatz von innen gesehen habe! Damals – jeden Sommer zwischen 9 und 17 – war Camping-Urlaub DER große Familienevent, auf den das ganze Jahr hingespart und hingesehnt wurde, immer ging es auf denselben italienischen Campingplatz, der uns zur zweiten Heimat wurde. Ich sprach schon bald fliessend italienisch und meine Sozialisation bezüglich des anderen Geschlechts wurde wesentlich von den Jungs auf dem Platz beeinflußt. Die waren schwer romantisch, aber auch sexuell sehr direkt, dauernd mußte ich mich verteidigen, fast war es eine Art Krieg.

Mit 18 hatte sich „Camping“ dann erledigt, ich fand das Ganze schon lange schrecklich spiessig (=uncool), fuhr mit meinen Freunden selbstbestimmt nach Frankreich und Spanien und genoß die Freiheit ohne Family – doch immer auf der Suche nach diesem harzigen Piniengeruch, ohne den die richtige Urlaubsstimmung einfach nicht aufkommen wollte, genauso wenig wie beim Übernachten in Hotels. Solche Konditionierungen sitzen verdammt tief, noch jetzt genieße ich den Duft der Brandenburger Kiefern ganz besonders.

Wie wir so gemütlich beisammen saßen, erwähnte mein Gastgeber sein Alter: „Mit meinen 46 Jahren….“. Ich stutzte, denn mit diesem Mann war ich dereinst nach Berlin gezogen und ich wußte noch genau, daß wir doch mal gleichaltrig waren! Wieso hatte ich auf einmal ein Jahr mehr auf dem Buckel? Ich rechnete nach und – oh wunder! – stellte fest, daß ich wieder mal meiner Zeit ein Jahr voraus gewesen war. Wie bei D-Mark-Beträgen hab‘ ich mir nämlich angewöhnt, ab der Hälfte aufzurunden: Im Winter, mit 46,5 Jahren, antwortete ich auf die Frage nach dem Alter immer schon: 47. Durch meine Vergeßlichkeit war ich dann bald der festen Meinung, mein nächster Geburtstag sei der 48! Tja, so kann man sich irren und jetzt fühle ich mich, wie ein ganzes Jahr zurück versetzt. Schon komisch. :-)

Mir scheint, heut krieg ich die Kurve zu allgemein interessierenden Themen einfach nicht hin! Deshalb hier ein Lese-Tipp von weltwichtiger Bedeutung:

Berliner Zeitung:
Müssen wir uns Bill Gates als einen glücklichen Menschen vorstellen?
Über den reichsten Mann der Welt – von Mathias Greffrath

Sehr lesenswert. Von dem gebotenen Blick auf die Welt kann einem zwar richtig schlecht werden – aber langweilen wird Euch der Artikel sicher nicht! Was mich wirklich beängstigt – neben der Charakterstudie, die wieder mal zeigt, dass die Welt von den gestörtesten Typen beherrscht wird – ist die Aussicht, daß Gates tatsächlich die Macht über die Inhalte dergestalt übernehmen will, daß der gemeine Netz-User einfach keine Seiten mehr aufrufen kann, die nicht von Microsoft (oder anderen Privaten) „zertifiziert“ sind. Das wäre das Ende des privaten und auch allen nonkommerziellen Webworkings. Und weit und breit sehe ich keine Lobby, die unsere Politiker gegen solche Vorhaben einnehmen könnte…. oder was meint Ihr? Weiter → (Ein Jahr gewonnen… ;-))

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Claudia am 19. Juni 2001 — Kommentare deaktiviert für Angekommen!

Angekommen!

Berlin-Friedrichshain, Tag 2. Der Umzug ist geschafft, sogar die Kartons sind schon alle im Keller. Ich fühle mich wie nach einem schier endlos langen Urlaub auf dem Land: endlich wieder daheim! An der Straßenkreuzung seh‘ ich einen Punk, der seine Freundin in einem mit Kissen ausgepolsterten Einkaufswagen vor sich her schiebt, sie trägt rosa-grün geringelte Strümpfe und hat ein Bein in Gips. Wie mir solche Anblicke doch gefehlt haben! Weiter → (Angekommen!)

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Claudia am 16. Juni 2001 — Kommentare deaktiviert für Über das Männliche

Über das Männliche

In jedem Frühling erscheinen neue Bücher und Rezensionen über Männer. Offensichtlich gibt es da immer noch jede Menge zu reflektieren. Mann ist sich selber ein Problem, genau wie Frauen sich lange Zeit mit Geschlechtsrollen auseinander setzten – nur: Mann hat irgendwie schlechtere Karten, zumindest ideologisch betrachtet. Ein paar tausend oder hunderttausend Jahre Patriarchat (über Zeiträume will ich nicht streiten) sind nicht so ganz easy wegzustecken, zumal eine Gleichverteilung von Macht und Einfluss zwischen den Geschlechtern auch heute nicht überall verwirklicht ist.

Ich spüre immer wieder, vor allem bei Männern meiner Generation (Post-68er) und den Älteren, dass sie das Männliche verurteilen: In der Welt, wo es vorgeblich so viel Schaden anrichtet (Krieg, Unterdrückung, Umweltzerstörung…) und natürlich auch in sich selbst. Dass einige – anstatt psychisch stets Trauer zu tragen – dann in einen offensiven Machismo oder resignierten Zynismus verfallen, kommt gelegentlich vor, ist aber auch nur Reaktion. Ganz beiläufig gilt vielen das Männliche als das Böse und Zerstörerische – im Unterschied zum rundum positiv erscheinenden Weiblichen. So schreibt mir zum Beispiel ein guter Freund über Wissenschaft:

„Im Westen ist die Wissenschaft (und Technik) eine männliche Wissenschaft – im Osten ist sie eine weibliche: Mitgefühl, Liebe, Einfühlung, Gewaltlosigkeit, Akzeptanz, Selbstbescheidung – dagegen: Wille, Durchsetzungskraft, Ego, Selbstsucht, Unabhängigkeit, Auflehnung.“

Arme Männer, kann ich da nur sagen! Moralisch völlig unten durch. Ich glaube aber nicht, dass der Geschlechterkampf enden kann, solange Männer und Frauen eine der beiden Seiten in sich diskriminieren.

Früher suchte ich selber immer den „Menschen im Mann“, als wäre der Mann etwas zu Überwindendes, ein archaischer Restbestand, bedauerlicherweise noch wirkungsmächtig. Heut‘ freu‘ ich mich über jedes bißchen „Mann“, das noch in der Packung ist! Und wenn die Männer selber das Männliche an sich mögen, ist es noch besser.

Natürlich ist alles, was man jeweils als männlich oder weiblich zu fassen meint, „nur“ eine Zuschreibung – gefestigt durch Jahrhunderttausende Tradition, oder meinetwegen auch codiert in den Genen… Doch jede und jeder trägt alles in sich und muss – zugunsten des eigenen Seelenheils – die je andere Seite in sich finden und lieben lernen.

Ich brauche mir nur die Urszene vor Augen führen, um zu erkennen, wie diese Traditionen und Zuordnungen entstanden sind, davon ausgehend, dass Menschen „ursprünglich“ (nicht historisch, sondern absolut: bevor je ein Mann und eine Frau einander begegneten und aneinander zu Vater und Mutter wurden) gleich sind, und keine verschiedenen Tierarten, die sich zufällig miteinander paaren können.

Urszene: Frauen werden schwanger und bekommen abhängige, pflegebedürftige Kinder. Wesen, die einige Zeit an ihnen hängen bleiben, das ist ja bei allen Säugetieren so. Dadurch teilt sich automatisch eine Arbeit das aller erste Mal: Die einen kümmern sich um die Kinder, die anderen passen auf, dass kein Angreifer kommt, bzw. bekämpfen die Angreifer, sofern doch welche kommen. (Daß man sich dabei langweilen kann und selber mal losgeht, ‚rüber zur nächsten Horde, wo die anderen Frauen sind, ist auch verständlich..)

Beides ergibt gleich überlebenswichtige, unverzichtbare und moralisch völlig gleich zu bewertende Eigenschaften: das Kämpferische am Mann, Beziehungswerte bei der Frau. Die Grundfrage des Mannes ist immer: „Was droht? Will mir hier einer an den Karren fahren? Wo steht der Feind?“ Und die weibliche Frage heißt: „Schadet das der Beziehung?“ (was immer es ist, das kann gut auch mal der Weltuntergang sein…).

Weil alle Menschen eine Mutter haben und also zunächst von Beziehungswerten existieren, ist es leicht zu erklären, dass dieses Beziehungsverhaftete (=weibliche) als das grundsätzlich Gute, Wahre und Schöne durchgeht, zumindest in der ganz individuellen Erfahrung sich so einprägt. Wogegen das Männliche erst später bemerkt wird. Dazu muß nämlich der Verstand schon erwacht sein, bevor das Kind den väterlichen Anteil am Überleben (=die erfolgreiche Verteidigung, das Siegen im Kampf) überhaupt bemerken kann. Hier ist der „abwesende Vater“ noch der GUTE Vater.

Dazu gibt es auch eine persönliche Geschichte. Rein vom Denken kommt der Friede leider nicht, und deshalb erzähl‘ ich die hier, ganz kurz:

Als älteste Tochter eines Vaters, der Frauen eigentlich hasste, war mir das alles nicht leicht gemacht, der Umgang mit Geschlechtsrollen mehrfach „ver-rückt“. Er behandelte mich eher wie einen Sohn, verlangte vor allem Stärke und – wenn das schon nicht klappte – wenigstens Intellekt. (Wissenschaft ist vom Mann her gesehen also schon zweite Wahl) Er diskriminierte das Weibliche im mir, wollte nicht mal, dass ich mir die Haare wachsen lasse. Ganz spät erst wurde mir klar, dass er so reagieren musste, weil er mit seinen sexuellen Gefühlen gegenüber der Tochter nicht zurecht kam (und sich für diese auch noch verachtete…) .

Im Ergebnis lebte ich in der ersten Lebenshälfte fast nur den männlichen Aspekt, ohne dass ich das als „das Männliche“ hätte anerkennen können: das Zupackende, Aktive, ja, Agressive und Kämpferische, mutiges, gelegentlich selbstzerstörerisches Kriegertum eben. Und ich kämpfte – einig mit der Frauenbewegung – gegen die Zuschreibung, die diese Eigenschaften als männlich betrachtet, sozusagen okkupiert und uns vermeintlich vorenthält. Eine Einstellung, die uns auch noch als „unweiblich“ dastehen lässt, wenn wir uns für eine gute Sache einsetzen… Schließlich ist eine Löwin, die ihre Jungen verteidigt, auch recht kämpferisch!

Als ich mit der „männlichen“ Art dann so Mitte dreißig nur noch an Wände lief und schließlich das Kämpfen erstmal von mir abfiel, änderte sich alles grundstürzend. Ich erkannte die „weibliche“ Seite der Welt, befand mich mitten drin, stellte auf einmal fest, dass ich nun Eigenschaften meiner Mutter lebte, die mir sogar als großer „Fortschritt“ erschienen. Es dauerte allerdings ein paar Jahre, bis ich im neuen Leben die neuen Werte als „weiblich/mütterlich“ erkennen konnte, ich verstand es eher als eine Art Erleuchtungsfortschritt. (ja, lacht nur!).

Erstaunlich war, dass meine „Führungskraft“ in Gruppen und Arbeitszusammenhängen dadurch gewonnen und nicht etwa verloren hatte. Es ging jetzt nicht mehr darum, mich durchzusetzen oder meine Stellung zu behaupten („Wer will mir hier an den Karren fahren?“), sondern ich konnte jetzt anstrengungslos von mir absehen und – ganz unverbissen – einer Sache bzw. einer Gruppe dienen. Auf einmal hatte ich auch keine Angst mehr, womöglich als „autoritär“ angesehen zu werden, was mich vorher immer schreckte, wenn ich mal wieder irgendwo sagte, wo’s denn lang gehen soll. (Seltsamerweise hat mich niemals mehr wieder jemand als autoritär bezeichnet.)

In einer Gestalt-Therapiegruppe hatte ich zu dieser Zeit Erlebnisse, die mich das Männliche in Reinform (bzw. das, was es für mich ist), in mir selbst sehen und spüren ließen. Ich sah mich in einem gefühlsgeladenen inneren Bild als Kriegerin – und fand mich wunderbar! Sah mich gleichzeitig von außen (als moralische Instanz, ganz wach) und spürte das wunderbare Gefühl, das man (und auch frau) haben kann, wenn der Kampf beginnt.

Das ist, wenn man das Visir herunterklappt und es wirklich los geht! Dann ist das Diskutieren nämlich zu Ende, sei es, um sich mit Gruppen abzustimmen, sei es im eigenen inneren Dialog der Rechtfertigungen und Abwägungen. Das Visir klappt zu und jetzt geht es nur noch um eines: Gewinnen, siegen! Und man ist ganz allein, ganz auf sich selbst gestellt, nicht einmal mehr Gott ist da gefragt, wenn die volle Aufmerksamkeit allein auf den Gegner und dessen Niederringen gerichtet ist. (Der meldet sich allenfalls hilfreich zu Wort, wenn man zweifelt und sich nicht traut, wie etwa bei Arjuna in der Baghavadgita)

Durch das Visir sieht man die Welt nur noch durch kleine Schlitze, ein schönes Symbol. Es ist eine spezifische geistige Verengung, die dafür nötig ist, kämpfen zu können. Man gibt dabei sehr viel auf, was den Menschen ausmacht, und wir könnten es gar nicht leisten, würden wir uns dabei nicht auch ein Stück weit selbst erfahren und verwirklichen – indem wir in jedem Kampf neu dem Tod und dem Unbekannten entgegen treten.

Es ist die – schreckliche UND schöne – andere Seite derselben Verengung, für die „das Weibliche“ steht: Beziehung als oberster Wert, also persönliche Liebe, Bindung, Fürsorge, Hingabe. Aspekte, ohne die die Welt nicht bestehen könnte, aber gleichzeitig so beschränkt – genau gleich beschränkt wie das Kriegerische.

Heute liebe ich das Männliche in der Welt, seit ich eben weiß, dass es die eine, unverzichtbare Hälfte ist, die aber ohne die andere wenig Glück zustande bringt, genau wie umgekehrt.

Im Lauf des Lebens – so kommt es mir wenigstens vor – geht der Gang eher vom Männlichen hin zum Weiblichen, oder besser und weit richtiger: das Männliche geht von außen (=Front) nach innen, das weibliche den umgekehrten Weg. Im besten Fall wirke ich dann nach außen weich, harmonisch, liebevoll – doch im Inneren ist große Klarheit und Stärke, unkorrumpierbar, ohne Wahl.

Was die Welt im Ganzen angeht, wundere ich mich nicht, dass ein paar wenige Jahrhunderte noch nicht alles geändert haben – aber die Zeit arbeitet für den Ausgleich, für das Weibliche, denn Beziehungswerte werden immer wichtiger. Gerade in einer globalisierten und immer mehr vernetzten Wirtschaft.

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Claudia am 06. Juni 2001 — Kommentare deaktiviert für Sich umbringen?

Sich umbringen?

Wer mal ernsthaft darüber nachdenkt, was wohl – denkt man die jetzigen Verhältnisse einfach weiter – in der letzten Phase des Lebens an Unerträglichem auf uns zukommt, landet schnell beim Gedanken an den „rettenden Schnellzug“, den Sprung aus dem Fenster oder anderen Möglichkeiten, sich dem drohenden Elend durch vorzeitiges Ableben zu entziehen. Speziell für meine Generation ist das ein erstaunlicher Fatalismus, sind wir doch mit dem Gedanken sozialisiert, alles verändern zu können, was uns nicht paßt. Weiter → (Sich umbringen?)

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Claudia am 21. Mai 2001 — Kommentare deaktiviert für Ein Hauch von Freiheit

Ein Hauch von Freiheit

Im Rückblick erfindet ein jeder die eigene Vergangenheit täglich neu – ich weiß nicht mehr, wer das gesagt hat, doch zweifellos hat er recht. Jede Veränderung im Jetzt zeigt die Vergangenheit in anderem Licht, man merkt es allerdings nur anhand großer Brüche, nach Krisen, bei kleinen und großen Katastrophen. Jetzt zum Beispiel kann ich langsam erkennen, wie meine innere und äußere Stagnation des letzten halben Jahres zustande kam, ja, ich nenne das erst jetzt „Stagnation“ oder auch Krise, denn es verabschiedet sich gerade in Lichtgeschwindigkeit und gerät so überhaupt erst in den Blick. Weiter → (Ein Hauch von Freiheit)

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Claudia am 19. Mai 2001 — Kommentare deaktiviert für Mal wieder: Materie

Mal wieder: Materie

Zu wissen, dass das Leben auf Schloß Gottesgabe bald zu Ende ist, ohne noch zu wissen, was genau danach kommt, ergibt einen seltsamen Zustand zwischen hier und dort, ein Unterwegs-Sein ohne Bewegung, gelegentlich begleitet von recht wechselhaften Gefühlen: Freude auf das Neue, aber auch Horror vor dem ganzen Aufwand und manchmal einfach Angst vor dem Ungewissen.

Diese Gefühle beachte ich möglichst nicht weiter, schließlich sind das alles nur Gedanken. Sie haben nichts mit der konkreten Situation zu tun, in der einfach ein Augenblick dem anderen folgt. Wenn ich bei diesen Augenblicken bleibe, gibt es keine Probleme, nur verschiedene Anforderungen, die weder besonders erfreulich noch irgendwie erschreckend wären.

Halt, nicht ganz! Erfreulich finde ich die Notwendigkeit, mich wieder mal von allerlei „Zeug“ zu trennen. Die Vorstellung, alles, was hier herumsteht, nach Berlin zu transferieren, ist so abschreckend, dass ich am liebsten nur mit einer Tasche und ein paar Aktenordnern (die wird man ja nicht los!) ganz neu anfangen würde. Eigentlich besitze ich schon jetzt nicht viel, ein paar Bücherregale (Typ Billy, Presspan, schwer!), ein altes Sofa, das Bett (Bio, breit, schwer), ein dummerweise hier angeschafftes Vollholz-Sideboard (auch schwer), einen metallenen Aktencontainer, einen kleinen Tisch, diverse kleine Teppiche, Lampen, ein Hängeregal, einen guten Bürostuhl – und natürlich das PC-Equipment. Schon der Tisch, auf dem der PC steht, ist ein Leihmöbel wie auch die kleinen Korbsessel: das stand hier alles in den Kellern herum und drüben im „Sozialtrakt“ der alten Schweinzuchtanlage fand sich ein leichter Holzschrank, den ich eigentlich richtig restaurieren wollte, jetzt lass ich ihn da, dem Holzbock zum Fraß, der sich sowieso schon daran gütlich tut.

Ich träume von mobilen Möbeln, die eine Person mit einem PKW an einem Nachmittag umziehen kann! Denn je mehr Stoff ich von einem Ort zum anderen bewegen muß, desto belasteter ist die Wohnungssuche: Je höher der erforderliche Aufwand, desto optimaler muß die künftige Bleibe sein. Man kann dann ja nicht so einfach wieder weg, wenn sich vielleicht nach ein paar Monaten zeigt, dass es der falsche Ort ist.

In meiner ersten eigenen Wohnung fand ich das Sammeln, Horten und Anhäufen möglichst vieler toller Dinge noch ganz normal. Mein Samstags-Sport war der Besuch von Flohmärkten, immer auf der Jagd nach hübschen Gegenständen. Erst Berlin, wo ich binnen weniger Jahre sieben Mal im selben Kiez umgezogen bin, belehrte mich eines Besseren. Die Umzugsfeste (10 Freunde schleppen einen Tag lang, drei Treppen runter, vier Treppen rauf, danach wird gefeiert) verloren schon bald ihren Reiz. Als erstes trennte ich mich von allen Büchern, die ich sowieso nie mehr lesen würde. Und wenn man mal mit dem sich-von-den-Dingen-trennen anfängt, macht es richtig Spaß, Ballast abwerfen tut einfach gut. Einige meiner Stationen waren besetzte Häuser, wo es sowieso obsolet schien, sich fest zu etablieren, schließlich konnte man jederzeit rausfliegen. Sowas prägt. Und wenn ich es recht bedenke, ist es doch eigentlich der Grundzustand im Leben: Jederzeit kann Schluß sein, wozu sich also so tief in die Materie einschreiben?

Einmal kam ich mit dieser minimalistischen Linie ins Zweifeln. Eine gute Freundin wollte ihren Mann verlassen. Die beiden hatten ein gemeinsames Haus am Rande Berlins, das deshalb verkauft werden mußte. Während einiger Monate machten sie jedoch die Trennung rückgängig und kauften zusammen ein neues Haus. Mehrere Wochen lang waren sie mit DEM UMZUG beschäftigt und ich konnte zum ersten Mal genau sehen, was alles da ist, wenn man nie etwas wegwirft – weil eben Platz genug ist, das alles irgendwo wegzustauen. Natürlich sagte ich mir: Sei froh, dass dich sowas niemals trifft! Aber irgendwo meldete sich auch der Gedanken: Die haben es doch zu was gebracht! Da kann man richtig sehen, wofür sie gearbeitet haben, überall stehen WERTE herum, gute teure Dinge, die zwei kinderlose Verdiener sich im Lauf der Zeit locker anschaffen können – und ich?

Zum Glück ist die Irritation folgenlos geblieben. Wie man sich in diesen Dingen verhält, läßt sich sowieso nicht „machen“, es geschieht einfach, entlang am eigenen Temperament. Ich bin schlicht zu faul und zu textorientiert, um viel Wert auf die materielle Umgebung zu legen, und das ist Vorteil und Nachteil zugleich.

Im Moment freu ich mich aber über den Vorteil, schließlich ist ein Umzug in Sicht.

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