Thema: Weltgeschehen

Claudia am 07. August 2013 — 4 Kommentare

Im Kaufhaus – ein Besuch in der Vergangenheit

Heute morgen hat meine Tastatur den Geist aufgegeben. Nichts ging mehr, weder arbeiten noch kommunizieren. Eine neue musste her, und zwar SOFORT. Also raus ins richtige Leben, „bestellen im Internet“ wäre jetzt keine sinnvolle Option.

Meine letzten Tastaturen hatte ich im Abstand von drei Jahren bei KAUFHOF gekauft, der länger schon „Galeria Kaufhof“ heißt. Ein riesiges Kaufhaus hinter dem Ostbahnhof, auf den ersten Blick ganz wie früher: Vier Stockwerke, mehrere Rolltreppen, irgendwo drinnen ein Restaurant, und ja, auch Kundentoiletten. Damit man inmitten der 10.000 Dinge auch findet, was man sucht, gibts schicke beleuchtete Schaukästen neben jeder Rolltreppe, die pro Stockwerk den Weg weisen sollen.

Die große Leere

Mein ungeplanter Besuch fiel auf einen Mittwoch, so kurz nach 11 Uhr Vormittags. Der erste Eindruck: es war unglaublich leer! Im ganzen Erdgeschoss bummelten vielleicht drei bis fünf Leute herum, die nicht offensichtlich zum Verkaufspersonal gehörten. Angesichts der vielen mit einigem Gestaltungsaufwand hin drapierten Waren auf sehr viel Grundfläche wirkte das Ganze fast gespenstisch, ja irgendwie grotesk.

Zunächst suchte ich die Kundentoiletten, die sich laut Leitsystem im ersten Stock befinden sollten. Das ist die Abteilung Damenmoden, voll gestellt mit nach Farbe oder Marke auf Kleiderständer sortierten Klamotten. Über jedem (!) Ständer prangte ein orangenes SALE-Plakat mit Prozent-Zeichen, was meine durchaus vorhandene Bereitschaft, evtl. beiläufig ein T-Shirt o.ä. mitzunehmen, nicht gerade anregte. Wenn ALLES reduziert ist, was soll das dann überhaupt?

Außer mir war noch ein Paar um die 70 auf diesem Stockwerk zu gange, jedenfalls soweit ich das weitläufige Terrain überblicken konnte. Und die Verkäuferinnen, die sich mir gleich zu dritt freundlich zuwandten, weil ich so suchend umher schaute. Die Kundentoilette? Im vierten Stock. Aber das Leitsystem? Oh ja, das müsste mal geändert werden!

Lohnt nicht mehr, dachte ich, sagte es aber nicht laut. Und erinnerte mich an Zeiten, als es schier unmöglich war, in einem solchen Kaufhaus die Aufmerksamkeit einer der wenigen Verkäuferinnen zu gewinnen. Schwer genug, überhaupt eine zu finden, doch war die dann mit Sicherheit beschäftigt oder von einem anderen Kunden belagert. Und immer mieden sie den Blickkontakt…. Und dennoch stand morgens eine mittlere Menge Mensch vor den noch geschlossenen Glastüren und wartete geduldig auf Einlass in die schöne bunte Warenwelt: alles unter einem Dach!

Elektronik-Abteilung? Vorbei…

„Alles“ gibts natürlich schon lange nicht mehr. Keine Möbel, keine Teppiche, keine Werkzeuge, keine Fernseher, Fahrräder und Kühlschränke, sondern hauptsächlich Klamotten, Kosmetik, Schuhe, Bettzeug und Geschirr. Die Abteilung mit PC-Bedarf, Druckern, Tastaturen, DigiCams und Handys war im vierten Stock gewesen, den ich nun – auch wg. der Toilette – ansteuerte. Doch siehe da: Auch diese Warenwelt glänzte nun durch Abwesenheit. Der vierte Stock bot nurmehr einen tunnel-artigen Zugang zum Restaurant, in dem ein Rentner als einziger Gast seinen Kaffee trank. An den Wänden des Gangs lockten Großplakate mit Werbung für das Frühstücksbuffet – aber wer kommt da schon hin, wenn es im 4.Stock gar nichts mehr zu sehen gibt? Dass man die Verkaufsfläche nach Abschaffung des Elektronik-Bedarfs nicht anderweitig nutzt, sondern mit Bretterwänden außer Sicht bringt, lässt tief blicken.

Immerhin fand ich neben dem Restaurant eine Toilette, vor der sich ein wirklich bedauernswerter Angestellter auf einem Stuhl langweilte, wo er die ganze Zeit die Wand anstarren musste. Zu tun gab es ja nichts, doch offensichtlich müssen Leute „beschäftigt werden“, sonst würde man eine so wenig frequentierte Toilette nur gelegentlich von einem Putzdienst checken lassen.

Leicht melancholisch gestimmt verließ ich das unglückliche Warenhaus, dessen endgültiges Ende nicht abzuwenden sein wird. Für ein paar Rentner und die wenigen Anwohner braucht es keinen vierstöckigen Konsum-Palast. Niemand BRAUCHT mehr solche Kaufhäuser, denn es gibt extra Läden für Reiche und Arme, für Schlanke und Dicke, für Bastler und Gartenbedarf, für Möbel, Medien- und Elektronik.

Und „alles unter einem Dach“ (aber WIRKLICH ALLES und noch viel mehr…) hab‘ ich zuhause am heimischen Bildschirm, wenn ich im Netz shoppe.

Die Tastatur hab‘ ich dann in einem Computershop gekauft, bzw. gleich zwei, falls sie mal wieder ausfällt.

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Claudia am 03. August 2013 — 26 Kommentare

Welche Werte teilen wir noch mit den USA?

Immer wieder ist von der „westlichen Wertegemeinschaft“ die Rede, wenn es um das Verhältnis zu den USA geht. Aber was ist davon eigentlich noch übrig?

  • Das „Land der Freien“ (Land of the Free) hat seine bürgerlichen Rechte per Patriot Act dem Streben nach Sicherheit geopfert, über die nun das Heimatschutzministerium wacht.
  • Obwohl klar ist, dass Justizirrtümer geschehen, halten viele Staaten an der Todesstrafe fest, die auch OHNE Verweis auf Irrtümer oder rassistische Diskriminierung in den Anklagen und Urteilsfindungen UNSEREN WERTEN nicht entspricht.
  • Ebensowenig wie die drakonischen Strafen (z.B. 20 Jahre für einen folgenlosen Warnschuss gegen gewalttätigen Ehepartner), die Three Strikes Law und überhaupt die ganze Tendenz, bis zu 2,6% der Bevölkerung in Gefängnisse zu stecken, darunter der größte Anteil Afroamerikaner im Rahmen des martialischen „War on Drugs„.
  • Wobei Strafhaft in den USA oft eher Folter ist als Haft, etwa in Form jahrelanger (!) Isolationshaft in fensterlosen, 8m² kleinen Zellen, ohne frische Luft, ohne natürliches Licht, ohne Fernsehen, Radio oder Bücher. (Dagegen läuft derzeit in 40 Gefängnissen ein Hungerstreik – unsere Leitmedien interessiert das leider nicht, sowas wird nur aus arabischen Ländern gerne gemeldet).
  • Na, und da sind natürlich noch die gezielten Tötungen unter Bruch des Völkerrechts in fremden Ländern, die Drohnenangriffe, sowie das Einknasten von Personen in GUANTANAMO, ohne jegliches Gerichtsverfahren oder die Aussicht darauf.
  • Und nun noch globale Überwachung von allem und jedem, alle 16 „Dienste“ der USA sollen zusammen geführt werden, auf dass durch deren Vereinigte Daten eine riesige Überwachungs-Cloud entsteht – auf die dann alle Behörden und andere „Berechtigte“ bei Bedarf zugreifen können. Wie es ja jetzt schon mittels XKeyScore möglich ist.

Gegen solche Hämmer wirken weitere Seltsamkeiten eher marginal, wie etwa die mangelhafte Vermittlung der Evolutionstheorie in den Schulen oder das kranke Verhältnis zur Nacktheit, das harmlose Kunst aus Facebook et al verschwinden lässt, aber Gewalt und Vergewaltigungen kein bisschen problematisch findet.

Es bleibt die Frage: WELCHE WERTE teilen wir denn noch mit den USA?

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Claudia am 01. August 2013 — 4 Kommentare

Das Streben nach Sicherheit zerstört Bürgerrechte, Grundgesetze, die Demokratie und große alte Bäume

Grade hatte ich in Sachen „Überwachungsstaat“ wieder etwas Gelassenheit gewonnen. Es kam nicht mehr bei jedem Gedanken daran neue Wut auf. Oder Ekel, gelinde Verzweiflung über die verbreitete Ignoranz vieler Mitmenschen, die meinen, das gehe sie nichts an, sie hätten ja nichts zu verbergen.

Wobei ich glaube – so positiv ist mein Menschenbild immerhin noch – dass diese Ignoranz nicht aus den Köpfen oder Herzen kommt, sondern aus dem Bauch: als psychische Schutzreaktion, um sich nicht selbst als machtlos erleben zu müssen. Zumindest vermute ich das bei allen, die vom Verstand her halbwegs mitvollziehen können, was da abgeht, bzw. sich plötzlich in schmerzhafter Transparenz öffentlich macht.
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Claudia am 24. Juli 2013 — 2 Kommentare

Angesichts der real existierenden Überwachung sämtlicher Kommunikation…

… außer derjenigen „zu zweit allein im Wald“ hab`ich in einem der vorigen Postings schon erwähnt, dass es mir schier (und also im Blog) die Sprache verschlägt angesichts dessen, was da abgeht!

Transparenz kann richtig weh tun, deshalb wird sie nicht nur von „den Herrschenden“ nicht besonders geschätzt. Unzählige Menschen regen sich nicht groß auf, sie haben ja nichts zu verbergen… Aber halt: ich will jetzt nicht nochmal selber versuchen, meine Meinung und Befindlichkeit angesichts #nsa, #prism, sowie allen sonstigen Demokratieverlust-Fakten zu vermitteln. Das kann aktuell ein anderer besser, der sich genau am inhaltlichen Punkt, der mir auf der Seele brennt, zu einem Highlight seines bisherigen Autor- und Blogger-Lebens aufschwingt. Ich hoffe, Ihr habt ein paar Minuten, um das zu lesen:

* Mein Weg zum Ekel

Natürlich wäre meine Wortwahl anders und auch das Einschießen auf konkrete Politiker wäre verhaltener – dennoch: Sascha Lobo beschreibt, wie es einem Netzbürger (und auch einer Netzbürgerin) seit ein paar Wochen ergeht! (Sehr lesenswert auch die Kommentare – die ersten 10 Seiten fand ich schon ziemlich gut, wenn auch mit Ausreissern..)

MIr geht es jedenfalls genau SO.

Und ja, ich meine, es ist an der Zeit, entgegen der eigenen Bequemlichkeit auf die Straße zu gehen:

27.07. #StopWatchingUs – Deutschlandweite Proteste gegen PRISM und TEMPORA

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Claudia am 21. Juli 2013 — 8 Kommentare

BND, Verfassungsschutz, NSA: eine globale Überwachungs-Cloud entsteht

Ist unseren Regierenden eigentlich noch irgend etwas peinlich? Wohl kaum, sonst dürften sie sich derzeit nicht trauen, morgens aus dem Bett aufzustehen! Denn was der SPIEGEL gestern aus Snowdens Infos veröffentlicht hat, widerspricht aufs Schärfste der vorgetragenen Unwissenheit über das Ausmaß an Ausschnüffelei und Überwachung, das man uns zumutet.
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Claudia am 20. Juli 2013 — 2 Kommentare

Vom inneren Frieden oder: wofür es sich zu leben lohnt

Dazu kann ich heut nacht kaum mehr Wesentliches sagen. Dennoch folge ich dem Impuls, ein Kurzposting in die Welt zu schicken. Überhaupt sollte ich Kurzpostings, wie sie bei Sammelmappe zu finden sind, durchaus als akzeptable Form, sich zu äußern, anerkennen und selber nutzen. Es ginge mir besser damit! Und für die Leser_innen wäre es immerhin besser als nichts.

Auf den Titel dieses Beitrags bin ich aufgrund eines Podcasts mit dem Berliner Abgeordneten Christopher Lauer (Piratenpartei) gekommen. Kaum jemand wird so masochistisch sein, sich dieses fast 2-stündige zynische Geplauder über real existierende Politik-Dimensionen anzutun! Ich hab’s phasenweise angehört, im Hintergrund laufen lassen – und bin entsetzt, gleichzeitig aber auch dankbar über die dadurch vermittelte Transparenz. Selbst die neuesten bzw. letzten Hoffnungsträger werden im Politikbetrieb auf eine Weise aufgerieben, die nur die allerabgebrühtesten Karrieristen noch übrig lässt. Und Lauer ist keiner davon, obwohl er das Potenzial dazu hat. Immerhin liest er noch Bücher mit dem Titel „Wofür es sich zu leben lohnt“. Als ehrlich engagierter Pirat ist er fassungslos angesichts dessen, was sich da so als real existierende Demokratie zeigt, innerhalb und außerhalb seiner Piratenpartei.

Ich verstehe seinen Frust. Aber er vergisst etwas Wesentliches: das Volk, die normalen Bürger. Nur von ihnen kann wahre Legitimation und letztlich auch der Lebenssinn für politisch Aktive kommen. Wer davon abhebt und nurmehr auf Parteiquerelen und Presse schaut, hat schon verloren. Oder auch: er ist Teil der Macht, die meint, die Bevölkerung nicht zu brauchen.

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Claudia am 15. Juli 2013 — 8 Kommentare

Zur anstehenden Bundestagswahl: Opposition ohne Machtperspektive

Ulrich Horn schreibt auf „Post von Horn“ über Steinbrücks absurden Wahlkampt, der jede Rationalität vermissen lasse und sich in Wunschdenken und Tagträumereien verliere. Angeblich will der ja auf den letzten Metern fünf Millionen SPD-Wähler zurück holen, allerdings ohne ihnen einen Grund dafür zu nennen. AGENDA 2010, Verschiebung des Rentenalters, Versteuerung der Betriebsrenten: die SPD hat den Lebensstandard vieler Altwähler/innen verschlechtert – warum sollten sie zurück kommen und einen Repräsentanten genau DIESER Politik des Sozialabbaus zum Kanzler wählen?

Die SPD will gar keinen Wechsel

Ich wundere mich auch über die Weigerung der einst großen Partei, die Fakten zur Kenntnis zu nehmen und entsprechend zu handeln. Bedauern von „Auswüchsen“ reicht nicht! Zudem müsste sichtbar werden, dass die SPD tatsächlich einen Wechsel will und dafür alle Optionen in Betracht zieht: AUCH eine Koalition mit der LINKEN, wenn es mit den GRÜNEN alleine nicht reicht.

Wie sie jedes Mal erschreckt dementieren, wenn ein CDU-ler vor rot-rot-grün warnt! Was für ein Kindergarten, der sich am Nasenring eigener Animositäten vorführen lässt: die Weigerung, ein Zusammengehen mit der Linken in Betracht zu ziehen, zeigt vor allem, dass ihnen das Schicksal des Landes nicht so wichtig ist wie ihre Berührungsängste mit der „Lafontaine-Partei“. Wie will man aber einen erfolgreichen Wahlkampf machen, wenn lange schon alle Umfragen zeigen, dass eine Mehrheit von ROT-GRÜN in weiter Ferne liegt?

Die LINKE hab‘ ich noch nie gewählt, doch schätze ich ihr punktuell sehr konkretes Engagement für soziale Belange. Klar, viele ihrer Forderungen sind populistisch und vermutlich nicht umsetzbar, doch haben sie ja z.B. schon signalisiert, dass sie in Sachen Außenpolitik durchaus kompromissbereit wären (etwa indem das „raus aus der Nato!“ auf St.Nimmerleinstag vertagt wird).

Ich behaupte nicht, zu wissen, ob ROT-GRÜN-ROT tatsächlich machbar wäre. Mag sein, dass sich am Ende von Verhandlungen heraus stellen würde, dass dem nicht so ist. Was ich vermisse, ist die ernsthafte Auseinandersetzung mit dieser Möglichkeit: gerne transparent und in aller Öffentlichkeit!

Da die SPD (bzw. ihre Führungsriege) sich aber konsequent weigert, in diese Richtung zu denken, bleibt sie für mich eine Partei, die allenfalls eine Option auf „Mitregieren unter Merkel“ hat. Das aber hatten wir schon, dafür muss ich nicht zur Wahl gehen!

Nicht wählen?

Was also? Nicht wählen? NIEMALS! Da schließe ich mich dann doch lieber Felix Schwenzel (wirres.net) an und wähle die Piratenpartei – trotz all ihrer Querelen. Weil sie derzeit das einzige Symbol für den Wunsch nach mehr „Transparenz und Teilhabe“ ist, auch wenn es mit der innerparteilichen Umsetzung noch an manchen Stellen hapert. Dass sie vermutlich nicht „rein“ kommen, stört angesichts der mangelnden Perspektiven der rot-grünen Opposition nicht. Immerhin bekommen sie für meine Stimme dann 2,80 Euro Wahlkampfkostenrückerstattung, wie ich bei Felix lesen konnte.

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Claudia am 12. Juli 2013 — Kommentare deaktiviert für Bundestagswahl 2013: Piraten wählen – ?

Bundestagswahl 2013: Piraten wählen – ?

Während der letzten zwei bis drei Jahre war ich, wie meine Stammleser sicher mitbekommen haben, recht begeistert, dass es eine neue Partei gibt, die den üblichen Politikbetrieb ein wenig aufmischt. Warum diese Begeisterung schnell gegen null gesunken ist, brauche ich hier wohl nicht lange erklären: die Selbstzerfleischung der Piraten und ihre Handlungsunfähigkeit aufgrund unzureichender Entscheidungsstrukturen ist ein großes Elend, ja ein Skandal angesichts der großen Chance, die sie hatten!

Dass auf dem Parteitag in Neumark keine Mehrheit für die ständige Mitgliederversammlung zustande kam (12 Stimmen haben gefehlt) ist ein riesiges Versagen. Der den Piratan anhängende Mythos der TEILHABE aller ist schwer beschädigt, weil sie diesen Schritt nicht geschafft und weiterhin faktisch WENIGER Möglichkeiten der Mitbestimmung anbieten als die Altparteien mit ihrem Delegiertensystem. Warum das im übrigen bei den Österreichischen Piraten klappt, bei uns aber nicht, mag verstehen wer will – ich nicht!

Und dennoch: Felix Schwenzel schrieb heute unter dem Titel Protestwahl einen Artikel über die Optionen bei der kommenden Bundestagswahl. Sollen wir NICHT WÄHLEN, weil keine der Parteien mit Einzugschance tatsächlich konsequent für Bürgerrechte, für mehr echte Demokratie und gegen Überwachung (Prism, Tempura etc.) eintritt?`

Felix kommt zu einem anderen Schluss:

….vor ein paar wochen habe ich mich entschieden, das erste mal in meinem leben nicht wählen zu gehen. weil ich alle zur wahl stehenden alternativen scheisse finde so wenig vertrauensvoll finde und sie das nicht nur per internet wissen lassen möchte, sondern auch mit meiner verweigerung meine stimme abzugeben.

dann habe ich aber weiter drüber nachgedacht und mich erinnert, dass die enthaltung meistens genau die falschen stärkt. die fanatiker, die dumpfen, die polemiker, die lügner. und dann kam edward snowden, der sich bis zur wahl wohl nicht unter den tisch kehren lässt und so eklatante mängel in unserer demokratie offenlegt, dass ich mit meiner winzigen stimme gerne ein zeichen setzen würde. ein kleines, aber gut lesbares zeichen für mehr bürgerrechte, mehr akzeptanz dafür dass das internet realität ist (und gegen das „wieselndes Herumdrucksen an allen Fronten“), ein zeichen, dass menschen und ihre rechte und ihre freiheit wichtiger sind als deren überwachung.

deshalb wähle ich am 22. september die piratenpartei. [Hervorhebung von mir]

nicht weil ich ihnen zutraue wirklich etwas zu ändern oder zu entern, nicht weil ich glaube, dass sie bald zu sinnen kommen und sich nicht mehr selbst oder gegenseitig zerreiben, sondern weil sie ein symbol dafür sind, dass sich etwas ändern muss und wir uns auf unsere demokratischen wurzel zurückbesinnen sollten.


wer glaubt dass das naiv ist hat möglicherweise recht. aber wenn ich mich zurückerinnere an den unorganisierten grünen haufen der 1983 in den bundestag gespült wurde, dann kann ich mir nicht vorstellen, dass naivität und unfähigkeit von neu- und sonderlingen dem bundestag oder der politik mehr schadet, als die unfähigkeit und bräsigkeit der arrivierten. im gegenteil, frischluft und idiotische ideen scheinen sich im laufe der jahre zu mainstream-ansichten zu wandeln. und wenns, wonach es derzeit doch sehr aussieht, mit den 5 prozent und den piraten nicht klappt, dann ist meine stimme immerhin weniger verloren, als wenn ich nicht gewählt hätte. und gleichzeitig eine spende von €2,80 für den wahlkampf der piratenpartei.

Ich denke, ich werde mich dem anschließen – sofern bis zur Wahl nicht noch etwas Grundstürzendes passiert, das meine Meinung ändert.

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Auch zum Thema:

Nicht wählen – von Fjonka

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Dieser Artikel steht hier als „Zweitveröffentlichung“, zuerst ist er in meinem neuen Blog „Piraten-Special“ erschienen.

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