Jetzt bloß keine Vorwürfe und Selbstanklagen, keine Panik! Das geht alles vorbei, sag ich zu mir: das Stechen in der Brust kommt von den 60 Zigaretten
- kein Herzinfarkt, kein Wunder, alles ganz normal. Ich bin allein, niemand liegt neben mir, dem ich
jetzt beibringen müßte, daß ich mich an nichts erinnere. Niemand will mir etwas tun, alles ist bloß die Folge von zwölf bis
weißnichtwieviel Bier und nicht mehr überschaubaren Schnäpsen. Baden, alles reinigen, Matratze mit
dem Heizlüfter trocknen und alles sieht wieder ganz anders aus, na los doch!
Wozu, meldet sich die Stimme des Untergangs, du stehst ja doch bloß auf und reinigst dich, um wieder
loszugehen: ein paar Schritteüber die Straße durch die kleine Tür, frisch gewaschen, als wäre nichts
geschehen. Mit einem Witz auf den Lippen bezahlst du die Rechnung der Nacht und bestellst dir ein Bier,
das erste einer langen Reihe. Du wirst dich zu den Freunden der Nacht setzen, vorsichtig erforschen, was
du gestern verbrochen hast, einen Whisky durch die Kehle jagen, um schneller fit zu sein
für die nächsten acht Stunden. Ist das das Aufstehen wert?
Halts Maul, sag ich. Soll ich etwa liegen bleiben und langsam verfaulen?
Wer sagt denn, daß es immer so weitergehen muß? War halt ein bißchen viel gestern, wird schon wieder...
Die Stimme schweigt, aber ich spüre, sie glaubt mir kein Wort.
Egal, wenn ich jetzt nicht hochkomme, ändert sich gar nichts; außerdem halte ich es nicht mehr aus in dem
Gestank aus Whiskyaroma, Schweiß, Erbrochenem, kalter Asche und schalem Bier. Der Magen
hat's mal wieder nicht verkraftet, es würgt mich in kurzen Abständen, doch größer noch ist der Durst.
Wenn ich jetzt trinke, werde ich nichts bei mir behalten können, shit!
Mensch, habe ich denn Grund zur Klage? Lebe ich nicht auf der nördlichen Halbkugel, in einem der reichsten
Staaten der Welt? Was kann mir schon geschehen? Würden nicht neunzig Prozent der Bevölkerung der Dritten Welt
liebend gern mit mir tauschen? Jeden Monat kommt mein Geld und niemand tut mir 'was.
Außer du selbst.